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mehralsfiletundsteak

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R a t g e b e r

Stiftung für Konsumentenschutz

Mehr als Filet und Steak

Traditionelle Fleischstücke

neu entdeckt


Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist eine unabhängige und kritische Nonprofit

Organisation, die sich seit 1964 engagiert für die Interessen der Konsumentinnen

und Konsumenten einsetzt. Sie vertritt diese Interessen nicht nur gegenüber der

Wirtschaft und den Anbietern, sondern nimmt auch aktiv am politischen Prozess teil.

Ziel dieser Bemühungen ist es, im Parlament und in der Gesetzgebung die Weichen so

zu stellen, dass die Rechte der Konsumenten gestärkt werden und ein Ausgleich zu den

Interessen der Wirtschaft erreicht werden kann.

Seit Beginn ihrer Tätigkeit ist die SKS auch in der Beratung aktiv. Über ihre Hotline

beantwortet sie den Konsumentinnen und Konsumenten Fragen zu Konsum und

rechtlichen Aspekten. Zur Beratung und Information gehören traditionsgemäss auch

die SKS-Ratgeber. Diese Reihe wird über das Programm ott verlag in der hep verlag ag

geführt. Unser Bestreben ist es weiterhin, verständliche, unabhängige Orientierungshilfen

zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. Wir hoffen, dass auch der vorliegende

Ratgeber dieses Ziel erreicht!

Mehr Infos im Internet über:

www.konsumentenschutz.ch

2 Mehr als Filet und Steak


Inhaltsverzeichnis

Vorwort 7

Neun Tipps für den Einkauf und Konsum von Fleisch 8

1 Fleischkonsum und Umwelt 10

Weniger is(s)t mehr … Umweltbelastung aus allen Konsumbereichen

Nahrung direkt von Pflanzen oder über Tiere? Soja und Mais für

Tier fabriken bedrohen das Weltklima

2 Fleisch und Ethik 13

Bewusst geniessen Frisst das Vieh der Reichen das Brot der Armen?

Tiere sind mehr als eine Sache

3 Stellenwert von Fleisch als Lebensmittel 15

Fleisch als Teil einer vielfältigen Ernährung Fleisch als Lieferant von

Eiweiss und Spurenelementen Fleisch und Fett Fleischmenge pro Tag

oder Woche? Fleisch als Beilage

4 Die verschiedenen Fleischarten 19

Rind, Schwein, Poulet und Co. Rind- und Kalbfleisch Schweinefleisch

Geflügelfleisch Lammfleisch und übrige Fleischarten

5 Fleisch einkaufen 25

Was kann und muss ich alles wissen? Deklaration: Wesentliches im

Kleingedruckten In der Schweiz verbotene Produktions methoden

Produktions-Labels für Fleisch

6 Fleisch lagern 31

Kühlen, tiefgefrieren, auftauen Fleisch offen oder vorverpackt?

E-Nummern und Zusatz stoffe Fleisch kühl lagern Fleisch tiefkühlen

Gefrorenes Fleisch auftauen

7 Rezepte 34

Rindfleisch Siedfleisch Huhn Wurst Weitere Spezialitäten

5 



Vorwort

Der Blick in das Fleischregal eines mittelgrossen Detaillisten zeigt, wie sehr sich die Ernährungsgewohnheiten

der Schweizerinnen und Schweizer bezüglich Frischfleisch geändert

haben: Filets, Plätzli, Koteletts, Schenkel, Geschnetzeltes und Gehacktes und im Winter

vielleicht noch ein paar Bratenstücke liegen da. Von der Bild- beziehungsweise von der

Verkaufsfläche fast ganz verschwunden sind hingegen Leber, Zunge, Blutwurst, Schweinshaxen

oder Kutteln. Mit dem Angebot sind auch die Rezepte und das Wissen, wie man

solch traditionelle Fleischstücke zubereitet, verloren gegangen.

Gründe, sich diesen Spezialitäten nicht zu verschliessen, gibt es – neben der Neugier oder

dem Genuss – einige: Um unseren steigenden und wählerischen Fleischkonsum zu befriedigen,

müssen immer mehr Tiere geschlachtet werden. Die Fleischproduktion ist energieintensiv

und entsprechend klimabelastend. Auch ethische Argumente sprechen deutlich

dafür, mehr vom Tier zu essen, das für unsere Ernährung getötet wurde.

Die Zubereitung von Kalbskopf oder Kutteln ist zugegebenermassen etwas für eher Fortgeschrittene

und Mutige. Der vorliegende Ratgeber mit den 30 inspirierenden Rezepten

will Ihnen aber zeigen, dass die Zubereitung vieler traditioneller Fleischstücke keine

Kunst ist: Die Fooddesignerin Judith Gmür hat mit viel Fantasie die traditionellen

Fleischstücke neu aufgetischt und Gerichte kreiert, welche auch in der modernen Küche

ihren Platz und ihre Berechtigung haben. Wir haben Fleischstücke gewählt, welche Sie

bestellen können, wenn sie in der Metzgerei oder beim Detaillisten nicht vorrätig sind.

Wir wünschen Ihnen viel Spass und Genuss beim Ausprobieren und Experimentieren.

Denn eine Küche, die mehr als Filet und Steak bieten kann, punktet auch in Bezug auf

Abwechslung und Fantasie!

Ihre Stiftung für Konsumentenschutz

7 


Neun Tipps für den Einkauf und

Konsum von Fleisch

8 Mehr als Filet und Steak


1 Planen Sie Ihre Wochenration Fleisch: Die Empfehlung der Ernährungsfachleute

liegt bei wöchentlich einem halben Kilo Fleisch pro Person. Rechnen Sie den Gastrokonsum

sowie Wurstwaren und Charcuterie ein.

2 Bevorzugen Sie Schweizer Fleisch. Tierschutzgesetz und Anforderungen für Direktzahlungen

gewährleisten eine fortschrittliche bäuerliche Tierhaltung. Der Inlandanteil

am Angebot beträgt für Rindfleisch über 80 Prozent, für Kalbfleisch und

für Schweinefleisch je über 95 Prozent. Geflügelfleisch wird zur Hälfte importiert,

insbesondere aus Brasilien.

3 Informieren Sie sich auch im Restaurant über die Herkunft des Fleisches und

fragen Sie nach, falls es nicht deklariert ist.

4 Nutzen Sie saisonale Angebote für Schweizer Lammfleisch und Gitzi im Frühjahr

und Herbst. Wildfleisch aus einheimischer Jagd findet man im Herbst.

5 Bevorzugen Sie Fleisch im Offenverkauf, bestimmen Sie die Einkaufsmenge

nach dem effektiven Bedarf und reduzieren Sie den Verpackungsabfall.

6 Wechseln Sie zwischen Tierarten ab: Rind- und Kalbfleisch sollten mehr als ein

Drittel Ihres Fleischkonsums ausmachen. Wiederkäuer-Tiere konkurrenzieren die

menschliche Nahrung am wenigsten. Schweinefleisch sollten Sie zum Wohl von

Herz und Kreislauf auf weniger als die Hälfte des Fleischanteiles reduzieren. Achten

Sie besonders bei Geflügel und Produkten mit Geflügelfleisch auf die Herkunft.

7 Wechseln Sie ab zwischen den Fleischstücken: Zu oft Steak oder Filet ist langweilig!

Gönnen Sie sich mindestens drei von vier Fleischmahlzeiten als Braten, Ragout,

Geschnetzeltes oder Gehacktes. Gegartes Fleisch ist bekömmlicher als gebratenes.

Wagen Sie sich ab und zu an Leber, Niere und andere Nebenstücke oder

Innereien – Sie finden in diesem Buch entsprechende Vorschläge.

8 Bevorzugen Sie deklariertes Weidefleisch von Tieren, die von Frühling bis Herbst

artgerecht im Freien gehalten werden. Weide und Grasfütterung beeinflussen den

Gehalt an Omega-3-Fettsäuren positiv.

9 Achten Sie besonders auf Bio-, Fidelio- und KAGfreiland-Labels: Diese Labels

garantieren Ihnen Fleisch von Tieren mit Weidehaltung und höchstens 10 Prozent

Importfutter.

9 Neun Tipps


1 Fleischkonsum und Umwelt

Weniger is(s)t mehr …

Dürfen wir den Sonntagsbraten und die Wurst vom Grill überhaupt noch geniessen?

Die weltweit steigende Produktion von Fleisch ist in den Fokus öffentlicher

Auseinandersetzungen geraten. Die Fleischproduktion trägt zur Umweltbelastung

und zur Klimaerwärmung bei. Wie viel ist sehr umstritten.

Die Sachverständigen gruppe für Klimaveränderungen (IPCC) untersucht im Auftrag

der UNO die menschengemachten Emissionen in die Atmosphäre. Ihre wissenschaftlichen

Abklärungen ergeben, dass die Landwirtschaft einen nicht unwesentlichen

Anteil beiträgt, zum Beispiel weil die Zahl der Nutztiere wächst. Diese produzieren

Fleisch, Milch und Eier – aber auch Treibhausgase. Die Daten der Experten lassen Interpretationsspielraum.

Die FAO, die UNO-Organisation für Landwirtschaft, geht von

einem Anteil von 18 Prozent aus, den die Nahrungsproduktion weltweit an die Treibhausgase

beisteuert. In der öffentlichen Diskussion wird die Schuldfrage gestellt: Ist

Fleisch der Klimakiller?

Umweltbelastung aus allen Konsumbereichen

In der Schweiz befasst sich das Bundesamt für Umwelt (BAFU) mit Klimafragen. Im

Frühling 2014 publizierte das BAFU einen Bericht zur Entwicklung der weltweiten

Umweltauswirkungen der Schweiz. Der BAFU-Bericht untersucht alle Konsumbereiche.

Er bezieht den Inlandkonsum, den Import sowie den Export von Gütern und Leistungen

ein. Das Resultat ist zwiespältig: Im untersuchten Zeitraum nimmt die Umweltbelastung,

die im Inland verursacht wird, deutlich ab. Diese Abnahme wird jedoch

durch die Zunahme jener Umweltbelastung kompensiert, die der schweizerische Konsum

im Ausland verursacht.

Alle Wirtschaftsleistungen zusammengerechnet, müsste laut BAFU-Bericht die aktuelle

Umweltbelastung halbiert werden, damit die Schweiz die Emissionsnormen des

Kyoto-Protokolls erfüllen könnte. Bezogen auf den Nahrungs sektor lassen sich aus dem

BAFU-Bericht vier Aussagen ableiten:

10 Mehr als Filet und Steak


1 Auf Lebens- und Genussmittel entfällt ein Siebtel der Treibhausgas-Emissionen

und ein Viertel der Gesamtumweltbelastung (GUB) aller konsumierten Güter und

Dienstleistungen. Das GUB­ Punktesystem schliesst neben den Schad stoff-Emissionen

auch den Bedarf an Boden, Wasser, Stickstoff und Primärenergie ein.

2 Die GUB durch Nahrung sank pro Kopf der Bevölkerung zwischen 1996 und 2004

um fünf Prozent und stieg bis 2011 wieder um denselben Wert an.

3 Die GUB durch Nahrung verteilt sich zu je 45 Prozent auf Lebensmittel tierischer

und pflanzlicher Herkunft. 10 Prozent sind der Verpackung anzurechnen. Bei den

pflanzlichen Erzeugnissen fällt die Produktion von alkoholischen Getränken, Kaffee

und Tee besonders umweltbelastend ins Gewicht.

4 Nahrungsmittel verursachen mehr GUB als Heiz- und Treibstoffe, aber halb so viel

Treibhausgase.

Nahrung direkt von Pflanzen oder über Tiere?

Der BAFU-Bericht kommt zum Schluss, dass durch das hohe Konsumniveau eine

grosse Umweltbelastung verursacht und zu viele Schadstoffe freigesetzt werden. Die

Lebensmittelversorgung ist daran beteiligt. Lebensmittel tierischer Herkunft haben

einen Anteil daran, können aber nicht als Hauptursache für Klimaprobleme herausgegriffen

werden.

Was kann die Landwirtschaft zur Klimastabilisierung beitragen? Unbestritten ist: Pro

Quadratmeter Ackerboden gewinnen wir am meisten Nahrung, wenn Getreide, Kartoffeln,

Gemüse oder Früchte für den direkten Konsum angebaut werden. Wird Ackerfläche

mit Futtergetreide, Silomais oder Kunstwiese belegt, um Kühe, Schweine oder

Hühner zu füttern, sinkt der Ertrag an Nährstoffen für die menschliche Ernährung.

Die Effizienz nimmt ab. Der Aufwand an Energie und Ressourcen steigt.

In der Schweiz stehen 440 000 Hektar guter Ackerboden zur Verfügung. Pro Einwohner

gibt das eine Fläche von 20 mal 25 Meter. Allerdings macht das Ackerland nur

einen Viertel der Fläche aus, welche die Schweizer Landwirtschaft nutzt. Der grosse

Rest sind Wiesen, Weiden oder Alpen. Wegen der Höhenlage, dem alpinen Klima oder

steiler Hangneigung sind diese Flächen Dauergrünland. Der Mensch kann dem Grünland

nur über Wiederkäuer-Tiere Nahrung abgewinnen. Auf Grünlandflächen stehen

Nutztiere mit dem Menschen nicht in Nahrungskonkurrenz.

Die Schweiz ist auf die Bewirtschaftung des Grünlandes angewiesen. Obschon intensiv

produziert wird, reicht die eigene Versorgung mit pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen

nicht für die acht Millionen Einwohner unseres Landes. Fast die Hälfte des

Nahrungsbedarfs wird in Form von Rohprodukten oder fertigen Lebensmitteln im­

11 Fleischkonsum und Umwelt


portiert – und beansprucht Ackerfläche im Ausland. Selbst wenn der Konsum auf die

wirklich benötigte Kalorienmenge reduziert würde, bliebe eine Versorgungslücke bestehen.

Soja und Mais für Tierfabriken bedrohen das Weltklima

Der Fleischkonsum wird besonders heftig kritisiert, weil die industrielle Massentierhaltung

und nicht die bäuerliche Fleischproduktion als Massstab genommen wird. In

Europa konzentrieren sich Tierfabriken nahe den grossen Frachthäfen, wo Mais und

Soja aus Übersee für die Nahrungs- und Futtermittelindustrie gelöscht werden. Mais

und Soja sind eigentlich Kultur pflanzen mit jahrtausendealter Tradi tion. Gentechnische

Züchtungen und Agrochemie ermöglichen heute den Anbau in Monokultur und

als Massen produkt. Brasilien und Argentinien sind die wichtigsten Sojaexporteure für

Europa und Asien. Der Sojaboom führte in diesen Ländern zur Vertreibung vieler

Kleinbauernfamilien und zur Rodung wertvoller Regenwaldflächen.

In der Schweiz gibt es keine Tierfabriken in Dimensionen wie in der EU oder Nordamerika.

Das Landwirtschaftsgesetz limitiert die Zahl der Nutztiere pro Betrieb und

pro Fläche. Noch wird in der Schweiz, im Berggebiet und im Mittelland, überwiegend

bäuerliche Landwirtschaft betrieben. Nutztierhaltung und Ackerbau werden kombiniert.

Die Tiere, besonders Kühe und Rinder, liefern Hofdünger für die Ackerpflanzen.

Im biologischen Landbau wird diese Idee vom innerbetrieblichen Nährstoff-Kreislauf

besonders hochgehalten. Schweine und Hühner können ökologischer gefüttert werden

als in der globalen Agrar industrie. Bei der Kartoffelsortierung, beim Mahlen von Getreide,

beim Pressen von Raps, bei der Zuckerraffinierung, beim Mosten von Obst,

beim Käsen, überall fallen grosse Mengen an Nebenprodukten für die Tierfütterung an.

Ganz problemfrei ist die Tierfütterung in der Schweiz dennoch nicht: Jährlich werden

rund 500 000 Tonnen Soja- und Mais-Nebenprodukte aus Mühlen und Presswerken

der EU importiert und in der Schweiz zu eiweissreichen Futtermischungen für Hochleistungskühe,

Mastschweine und Geflügel verarbeitet. Der Rohstoff stammt aus gentechnikfreiem

Sojaanbau in Brasilien, der Mais aus EU-Ländern.

Fleisch nach ökologischen Kriterien wählen

Die Schweiz steht in der Pflicht, zur Stabilisierung von Umwelt und Klima die nationale

Ökobilanz zu verbessern. Das bedingt Verhaltensanpassungen auf individueller Ebene.

Masshalten im Fleischkonsum ist ein wichtiger Beitrag. Zu empfehlen sind umwelt-

und klimafreundliche Auswahlkriterien für alle Lebensmittel, unabhängig von

tierischer oder pflanzlicher Herkunft.

12 Mehr als Filet und Steak


2 Fleisch und Ethik

Bewusst geniessen

Welches Verhältnis hat der Mensch zum Tier? Wie gehen wir mit Nutztieren um,

die wir für die Fleischproduktion nutzen? In ethischen Belangen sind Fakten und

Überzeugungen noch enger verwoben als bei Umweltfragen.

Gesellschaftliche Auseinandersetzungen über den Fleischkonsum flammten erstmals

auf, als die Versorgung in Europa dank neuen Kulturpflanzen aus Übersee vielfältiger

wurde. Ende des 19. Jahrhunderts bildeten sich Zirkel, deren Anhänger vegetarische

und vegane Ernährung praktizierten und propagierten. Heute sind die Massenmedien

Schauplatz der Debatte. Die Spannbreite ist weit: Die Fleischbranche verteidigt mit

Werbekampagnen die Sonderstellung von Fleisch («Alles andere ist Beilage»). Am anderen

Ende des Meinungsspektrums nutzen Vegetarierorganisationen die Freiheit des

Internets für ihre Botschaft, dass der Verzicht auf Fleisch «gesünder für Körper und

Geist» und ein «solidarischer Akt zugunsten der Hungernden» sei.

Frisst das Vieh der Reichen das Brot der Armen?

«Das Vieh der Reichen frisst das Brot der Armen», der einprägsame Satz der entwicklungspolitischen

Aufklärungsbewegung der 1970er-Jahre taucht wieder auf. Er gilt

sinnbildlich für die gesamte Rohstoffproblematik. Doch bezogen auf Fleisch und Vieh

muss man präzisieren: Europa importiert weder Reis, noch Maniok, Mais oder anderes

Getreide aus Mangel gebieten, um es dem Vieh zu verfüttern. Im Gegenteil: Nicht Importe,

sondern subventionierte Exporte von Agrarüberschüssen aus den Industrieländern

sind das Problem, weil diese Waren in den Empfängerländern die Märkte überschwemmen

und die lokale Landwirtschaft ruinieren.

Ein besonderer Fall ist Soja. Europa importiert jährlich mehr als eine Milliarde Tonnen

aus Brasilien und Argentinien. Beides sind Schwellenländer, die vom UNO-Ernährungsprogramm

als Mangelgebiete klassifiziert sind. Die Bohnen sind Ausgangsprodukt

für Soja-Lebensmittel, oder Speiseöl. Extrakte davon sind als Zutat (Lecithin oder

E 322) in sehr vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten. Die Nebenprodukte aus der

Verarbeitung aber zunehmend auch Sojaüberschüsse gehen in die Futterproduktion.

13 Fleisch und Ethik


Tiere sind mehr als eine Sache

Wie viel Platz und welche Bewegungsfreiheit haben Nutztiere im Stall? Welche Rückzugs-

und Ruhemöglichkeit haben sie? Wie sind Legenester für Hühner eingerichtet?

Die Frage, welche Haltung tiergerecht ist, beantwortet der Tierhalter in Eigenverantwortung

oder die Gesellschaft über gesetzliche Tierschutz-Vorschriften. Ethische Fragen

bergen Konflikt potenzial. Zwei Beispiele: Wird die Würde des Tieres in der Spitzen-Viehzucht

respektiert, wenn Embryonen auf Leihkühe transferiert werden, um die

Zahl der Nach kommen einer genetisch wertvollen Kuh zu verzehnfachen? Ist es verantwortbar,

von Legehuhn-Zuchtlinien nur die weiblichen Tiere zu nutzen und Millionen

männliche Eintagesküken zu vernichten?

Wer Nutztiere betreut, transportiert oder schlachtet, trägt Verantwortung für deren

Wohl und Würde. Konsumentinnen und Konsumenten, die sich dessen bewusst sind,

sollten Fleisch und Wurst nicht nach dem Prinzip möglichst viel, möglichst exquisit

und möglichst billig einkaufen. «Nose to tail eating» nennt Fergus Henderson die von

ihm in London vor zwanzig Jahren begründete Gegenbewegung in der Fleisch-Esskultur:

Nicht nur Schnitzel oder Steak, alles essen, von der Nase bis zum Schwanz – aus

Achtung vor dem geschlachteten Tier und weil gut Kochen mit Kennen (das Produkt

kennen) und Können (die verschiedenen Zubereitungsarten anwenden) zu tun hat. Im

Rezeptteil in diesem Buch finden Sie zahlreiche Anregungen, wie Sie die verschiedensten

Teile vom Tier zubereiten können. Die Rezepte sind leicht nachzukochen.

Tierhalter und Nutztiere in der Schweiz (Daten 2013; Agrarbericht 2014)

Daten

2013

Tierhalter

Anzahl

Nutztiere

Stück

BTS

%

RAUS

%

Rindvieh 38 500 703 500 Kühe

854 000 Jungtiere (Rinder/ Kälber)

46

50

79

78

Schweine 7 300 1 484 700 Zucht- und Mastschweine 66 51

Hühner 12 000 2 589 000 Legehennen

7 414 000 Jungtiere Mast und Aufzucht

90

92

73

8

Ziegen

Schafe

6 500

8 900

87 900 Ziegen (Muttertiere mit Gitzi)

409 500 Schafe (Muttertiere

mit Lamm)

37

86

77

BTS % = Beteiligung am Tierwohl-Programm «Besonders Tiergerechte Stallhaltung» (insbesondere Laufställe)

RAUS % = Beteiligung am Tierwohl-Programm «Regelmässiger Auslauf» in Laufhof oder / und auf Weide

14 Mehr als Filet und Steak


3 Stellenwert von Fleisch

als Lebensmittel

Fleisch als Teil einer vielfältigen Ernährung

Eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung ist die Grundlage für unsere

Gesundheit und für einen leistungsfähigen Organismus. Fleisch liefert viele Bausteine

dafür, aber nicht alle.

Der Mensch gewinnt Nährstoffe aus Pflanzen und aus tierischen Erzeugnissen. Fleisch

liefert uns Nährstoffe in spezifischen Kombinationen. Dasselbe gilt für Milch, Eier,

Kartoffeln, Getreidearten, Gemüse und Früchte. Die Vielfalt von Lebensmitteln und

die sorgfältige Zubereitung sind Voraussetzung dafür, dass Essen gesund und ein Genuss

ist.

Basis einer gesunden Ernährung bilden reichlich Trinkwasser, pflanzliche Grundnahrungsmittel, Gemüse und

Früchte. Massvoller Konsum von Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern ergänzt die Versorgung mit lebenswichtigen

Nährstoffen. Salz, Zucker, Öle und Fette sind mit Bedacht zu konsumieren.

15 Stellenwert von Fleisch als Lebensmittel


Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) erarbeitet in Zusammenarbeit

mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Ernährungspyramide.

Die Pyramide stellt dar, wie vielfältig wir unsere Nahrung gestalten

sol len und welche Bedeutung die verschiedenen Gruppen von Nahrungsmitteln haben.

In den Empfehlungen werden gesundheitliche und ökologische Anforderungen

berücksichtigt. Genügend Wasser und kalorienarme Getränke, ein reichhaltiges Gemüse-

und Früchteangebot, Kartoffeln, Getreide und Hülsenfrüchte bilden das Fundament.

Fleisch und andere Tierprodukte ergänzen es.

SGE-Empfehlungen zu Milch, Eier, Fleisch und Fisch:

Lebensmittel tierischer Herkunft enthalten reichlich Eiweiss, Baustoff für den Körper,

z. B. für die Muskeln und für das Immunsystem.

Tierische Produkte liefern wertvolle Nährstoffe wie Calcium (Milch und Milchprodukte),

Eisen (Fleisch, Eier), Vitamin B 12 (sämtliche tierische Eiweisslieferanten),

Omega-3-Fettsäuren (Fisch).

Fisch sollte aus nachhaltiger Fischerei stammen; stark gefährdete Fischarten sind

zu meiden.

Zwischen den verschiedenen Eiweiss lieferanten soll fleissig abgewechselt und öfters

ein vegetarischer Tag eingelegt werden – der Gesundheit und der Umwelt zuliebe.

Als Richtmenge für den Konsum tierischer Lebensmittel empfiehlt die SGE pro Person

und Tag:

Variante A: 4 Portionen Milch (1 Portion = 2 dl Milch = 30 Gramm Hart- / Halbhartkäse

= 60 Gramm Weichkäse = 200 Gramm Joghurt / Quark / Frischkäse)

Variante B: 3 Portionen Milch plus 100–120 Gramm Fleisch / Fisch oder 2–3 Eier.

Butter sparsam einsetzen (bis 10 Gramm)

Die Empfehlungen der SGE ergeben für eine vierköpfige Familie einen Wocheneinkauf

von 2 Kilo Fleisch, davon jede zweite Woche ein halbes Kilo Fisch. Hinzu kommt

ein Dutzend Eier, 250 Gramm Butter und Milchprodukte in einer Menge, die umgerechnet

gut 20 Liter Milch entspricht.

Fleisch als Lieferant von Eiweiss und Spurenelementen

Eiweisse (oder Proteine) nehmen wir aus pflanzlicher und tierischer Nahrung zu uns.

Eiweisse sind Moleküle, aufgebaut aus Aminosäuren. Die Zusammensetzung der Aminosäuren

bestimmt die unterschiedlichen Proteineigenschaften. Im Stoffwechsel kann

der Organismus Bausteine der Eiweisse neu kombinieren, umbauen und teilweise kompensieren.

Doch lebensnotwendige Aminosäuren sollten in Mindestmengen regelmässig

zugeführt werden, damit der Organismus seine Leistung störungsfrei erbringt.

16 Mehr als Filet und Steak


Die beste Vorbeugung gegen spezifische Mängel ist eine breit gestreute Eiweisszufuhr.

Was für die Aminosäuren gilt, gilt auch für die Versorgung mit Mineralien und Spurenelementen.

Fleisch, insbesondere die roten Fleischarten von Rind, Schwein, Schaf

und Ziege sind reich an Eisen, das als Spurenelement in der Blutbildung eine ganz

wichtige Rolle spielt. In besonders hoher Konzentration findet sich Eisen in Leber und

in Blutwurst. Die roten Fleischarten versorgen uns auch mit Zink. Diesem Spurenelement

wird bei der Bildung von Enzymen und allgemein im Stoffwechsel eine Schlüsselrolle

zugeordnet.

Aus der Wissenschaftsliteratur über Nahrung und lebenswichtige Bestandteile lassen

sich unterschiedlichste Empfehlungen ableiten. Man sollte sich nicht verunsichern

lassen. Wer nicht an einer diagnostizierten Mangelerscheinung leidet, braucht nicht

gezielt besonders gehaltreiche Nahrungsmittel zu suchen. Breit auswählen, frische

Erzeugnisse bevorzugen, auf möglichst natürliche Produk tion achten, das bietet ausreichend

Sicherheit und viel Genuss.

Fleisch und Fett

Unser Stoffwechsel ist darauf eingerichtet, für karge Zeiten Vorrat in Form von Fett

anzulegen. Wird der Fettvorrat kontinuierlich auf- und nicht abgebaut, lagert er sich

zwischen den Organen in einem Mass an, das unser Wohlbefinden einschränkt oder

gar gefährdet. Überschüssiges Fett zirkuliert in den Blutgefässen und verengt Adern

und Venen, wenn Plättchen sich an der Gefässwand anlagern. Tierische Erzeugnisse

haben wegen des Fettgehaltes ein Gefährdungspotenzial, wenn die Balance zwischen

essen und sich bewegen nicht eingehalten wird. Masshalten gilt aber auch für pflanzliche

Fette und Öle.

Zur Vorsorge von Herz- und Kreislauferkrankungen wird den ungesättigten Fettsäuren,

insbesondere dem Anteil Omega-3­ Fettsäuren grosse Beachtung geschenkt. Diese

Säurengruppe kann der Mensch nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht selber

bilden, er muss sie also mit Nahrung zuführen. Fisch weist höhere Konzentrationen

von Omega-3-Fettsäuren aus. Raps- und Leinöl schneiden diesbezüglich sehr gut

ab. Neue Studien weisen einen positiven Einfluss von Weide und Grasfütterung auf

den Omega-3-Gehalt im intramuskulären Fett von Fleisch nach.

17 Stellenwert von Fleisch als Lebensmittel


Fleischmenge pro Tag oder Woche?

Die durchschnittliche Menge Fleisch, die eine Person in der Schweiz verzehrt, liegt

gemäss Statistik bei über 52 Kilo im Jahr 2013. Erwachsene konsumieren im Mittel

etwas mehr als ein Kilo in der Woche oder zwischen 150 und 200 Gramm pro Tag.

Diese Ration liegt deutlich über den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden. Wie bewerkstelligt

man die Re duktion des Fleischkonsums im Alltag? Soll man die Ration

über sieben Tage strecken oder die Woche in Tage mit Fleisch und in Tage ohne Fleisch

einteilen?

Die Wahl hängt vom Typ Mensch und vom Alltag ab. Wer häufig ausser Haus isst, hat

es leichter als früher, einen fleischlosen Tag einzuschieben. Jedes Restaurant und jede

Kantine, die etwas auf ihr Angebot hält, bietet eine vegetarische Auswahl an, die über

einen Salat- oder Gemüseteller hinausreicht. Immer häufiger gibt es auch vegane Menüs,

ganz ohne tierische Komponenten.

Fleisch als Beilage

In der Gastronomie gehört die oberste Zeile auf der Speisekarte dem Fleisch. Man

kann dies mit einem Trick hinterfragen, indem man die Menüvorschläge von unten

nach oben liest. Was für die Menükarte im Restaurant gilt, kann man auch beim Einkauf

für das Essen zuhause praktizieren. Bei der Tages- oder Wochenplanung geht man

nicht vom Fleisch aus, sondern umgekehrt. Zuerst wird der Bedarf an Früchten, Gemüsen,

Kartoffeln und Getreidewaren kalkuliert. Die Restgrösse auf dem Kalorienrechner

oder im Portemonnaie bestimmt somit den Fleischeinkauf und lenkt unsere

Aufmerksamkeit von teuren Edelstücken auf das ganze Fleischsortiment. Das müssen

wir nicht als Einschränkung, sondern als eine Bereicherung sehen, um unsere Kochkünste

und Essgewohnheiten zu erweitern.

18 Mehr als Filet und Steak


4 Die verschiedenen Fleischarten

Rind, Schwein, Poulet und Co.

Das Sortiment an Frischfleisch und Fleischprodukten ist breit. Die Eigenschaften

variieren zwischen den Nutztierarten und den Fleischstücken je nach Körperteil.

Der Verwendungszweck bestimmt die Wahl des geeigneten Fleisches, sei es zum

Schmoren, Braten oder Grillieren.

Rind, Schwein und Huhn – von diesen drei Nutztierarten wird der grösste Teil des Fleisches

erzeugt, das in der Schweiz konsumiert wird. Grundkenntnisse über die Eignung

der verschiedenen Fleischarten und Fleischstücke ergänzen die Beratung durch den

Fleischfachmann und die eigenen Kocherfahrungen.

Rind- und Kalbfleisch

Der grösste Teil des Frischfleisches vom Rind stammt von jungen Masttieren und von

Aufzuchttieren, die bei der Selektion der Milchkühe ausscheiden. In Rindswurstwaren

und in Gehacktem wird auch Fleisch von Kühen verarbeitet. Auf rund 40 000 Bauernhöfen

werden 1.5 Millionen Tiere der Rindviehgattung gehalten, davon etwa 700 000

Milchkühe. Kühe erreichen je nach Rasse 500 bis 700 Kilo Lebendgewicht, Mastrinder

zwischen 300 und 600 Kilo.

Rindfleischsortiment

Von Mastmuni und Rindern stammen die Fleischstücke für Steaks, Braten, Gulasch

und Geschnet zeltes. Das Muskelfleisch des Rindes ist marmoriert; es sind Fettadern

eingelagert. Rindfleisch hat eine kräftige rote bis braunrote Farbe und einen hellen bis

weissen Fettrand. Die Muskeln der hinteren Körperpartien werden weniger intensiv

beansprucht als jene der vorderen. So ist die Muskulatur der Hinterpartie weniger von

Bindegewebe durchsetzt und weist eine feinere Struktur auf. Die sogenannten Edelstücke

(Filet, Huft, Stotzen) eignen sich für das Kurzbraten am besten.

Kalbfleischsortiment

Für die Fleischpartien des Kalbes gilt eine analoge Zuordnung des Sortimentes wie

beim Rind. Kalb fleisch zeichnet sich durch seine zarte Beschaffenheit aus, was ihm den

gehobenen Status verleiht. Das gilt für alle Muskelfleischstücke, aber auch für die Innereien:

Kalbs leber und Kalbsnieren sind auf Speisekarten häufig zu finden. Milken,

Kalbshirn und Kalbskopf gilt heute als Spezialität für Kenner.

19 Die verschiedenen Fleischarten

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