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Offener Brief des CDU-Fraktionsvorsitzenden zur Initiative Marwa El ...

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Gott sei Dank gescheitert<br />

Zur Debatte um Guttenbergs Rückkehrwunsch Frank Lommatzsch<br />

Wer den Bernd Eichinger-Film „Der Untergang“<br />

gesehen hat, kennt vielleicht die<br />

Szene, in welcher der damalige Kanzler dem<br />

Luftwaffengeneral Robert Ritter von Greim<br />

das Eindringen der Alliierten im Frühjahr<br />

1945 in das Herz Deutschlands als strategischen<br />

Plan verklärt. Er habe den Feind<br />

nur in eine Falle locken wollen und dort<br />

würden die fremden Truppen mit großen,<br />

verborgen gehaltenen Reserven völlig zerschmettert<br />

und Deutschland ginge dann im<br />

großen Weltringen als Sieger vom Platz. Bei<br />

der Premiere <strong>des</strong> Filmes 2004 in Berlin hat<br />

Produzent Eichinger gesagt, diese Szene sei<br />

ihm besonders wichtig gewesen. Sie zeige<br />

einen Wesenszug, den er bisher bei Hitler<br />

unterschätzt habe, die kaltschnäuzige Lüge.<br />

Warum diese sicher weit hergeholte Anekdote<br />

in der Debatte über Guttenbergs Rückkehrwunsch?<br />

Sie zeigt einen bestimmten<br />

Führungsfiguren eigenen Wesenszug auf,<br />

der meines Erachtens nicht nur im Fall Guttenberg<br />

ausschlaggebende Beachtung verdient:<br />

Skrupellosigkeit.<br />

Guttenbergs Popularität begründete sich<br />

nicht auf Unabhängigkeit, die ihn Dinge<br />

angeblich anders anpacken ließ, denn sein<br />

Familienvermögen nutzte ihm in den Abhängigkeiten<br />

<strong>des</strong> politischen Alltags herzlich<br />

wenig. Er wurde auch erst populär und<br />

dann zum Verteidigungsminister berufen<br />

und erst in diesem Amt sprach er von<br />

„kriegsähnlichen Zuständen“ in Afghanistan.<br />

Zudem wurde das Märchen von seiner<br />

angeblichen Rücktrittsdrohung im Zuge der<br />

Opel-Rettung seltsamerweise nie öffentlich<br />

hinterfragt. Warum soll ein karriereorientierter<br />

Jungpolitiker, der mit 37 Jahren Bun<strong>des</strong>minister<br />

geworden ist, nach drei Monaten<br />

im Amt mit Rücktritt drohen?<br />

Guttenbergs Popularität begründete sich<br />

auf seinem Auftreten, seiner glänzenden,<br />

nahezu märchenhaften Selbstinszenierung.<br />

Das unterschied ihn von den vielen fleißigen<br />

Ameisen im Politikbetrieb, die in bester<br />

deutscher Art, bescheiden, aber wirksam<br />

ihre Arbeit machen und nicht den großen,<br />

aber substanzlosen Auftritt suchen wie Sil-<br />

vio Berlusconi. So einen griffen die Medien<br />

natürlich gern aus der Meute, hoben ihn auf<br />

den Schild der Sichtbarkeit und dort wurde<br />

er schnell gern gesehen.<br />

Ausschlaggebend für seinen politischen Abgang<br />

war sein Charakter, der sich hinter der<br />

glatten Fassade verborgen hatte. Die Kaltschnäuzigkeit,<br />

mit der er Untergebene feuerte,<br />

obwohl er selbst die Unwahrheit sagte,<br />

war dieselbe, mit der er handwerkliche Fehler<br />

und Schlampigkeit bei der Planung der<br />

Bun<strong>des</strong>wehrreform überging. Und sie war<br />

auch dieselbe, mit der er aus den wissenschaftlichen<br />

Arbeiten anderer Leute abschrieb<br />

(oder abschreiben ließ?) und all das<br />

leugnete, bis in den Untergang.<br />

Die „Ahnungslosigkeit“ nicht nur in Sachen<br />

Geld, die Guttenberg jetzt „fasziniert“ der<br />

Politik unterstellt, betrifft nicht nur ihn<br />

selbst. Das flächendeckende Versagen der<br />

Wirtschaftswissenschaften im Vorfeld der<br />

Finanzkrise 2008 ist nur ein Beispiel für ein<br />

Kernmerkmal der heutigen Zeit, die weitreichende<br />

Unsicherheit ob der Details und<br />

Dimension der Veränderungen. Das der<br />

Parteipolitik in Deutschland vorzuwerfen,<br />

spricht nicht von Kenntnis der realen Sachlage.<br />

Aber nun <strong>zur</strong>ück zu dem Verweis auf die<br />

Skrupellosigkeit einiger Führungsfiguren<br />

und der dahinter stehenden Frage, die auch<br />

für den Fall Guttenberg ausschlaggebend<br />

sein sollte: Was für Alphatiere wollen wir?<br />

Ein gutes Beispiel, welche Folgen eine Ruchlosigkeit<br />

ignorierende Antwort haben kann,<br />

gibt die Wiederwahl von George W. Bush<br />

im Herbst 2004. Damals war nicht nur für<br />

die Amerikaner längst sichtbar, dass dieser<br />

sympathische Mann wenig Interesse an Details,<br />

sachlichen Entscheidungen oder gar<br />

an alltäglicher Regierungsarbeit hatte und<br />

dennoch haben sie ihn in seiner Amtsführung<br />

bestätigt. Das hat den längst gescheiterten<br />

und verlogenen Irakkrieg verlängert<br />

und mit <strong>des</strong>sen Finanzierung durch die Notenpresse<br />

einen großen Teil <strong>zur</strong> Entstehung<br />

der weltweiten Finanzkrise beigetragen (ne-<br />

ben der von Bush gewollten Billig-Kreditvergabe<br />

an Hausbauer)<br />

Unsere Epoche der Umbrüche und Fehlprog-<br />

nosen ist dadurch gekennzeichnet, dass<br />

die nationalstaatliche Politik immer weniger<br />

wirklich steuern und beeinflussen kann.<br />

Überspitzt stellt sich daher die Frage: wenn<br />

schon Chaos, dann mit oder ohne Charakter?<br />

Deutschland ist wie alle frühindustrialisierten<br />

Länder auf dem absteigenden Ast und<br />

natürlich verschieben sich im Niedergang<br />

die Maßstäbe. Wir fallen aber nicht ins Bodenlose<br />

und müssen daher auch nicht alles<br />

hinnehmen und mitmachen. Das Verhältnis<br />

<strong>zur</strong> Lüge ist die Grundlage für Gesetzestreue,<br />

Steuermoral und Korrumpierbarkeit.<br />

Diese wiederum bestimmen mit über wirtschaftlichen<br />

Erfolg, wie man im Euroraum<br />

sieht. Ein guter Charakter sollte daher als<br />

Anforderung an politische Führungsfiguren<br />

in Deutschland nicht aufgegeben werden;<br />

schon gar nicht in der Union.<br />

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Meine Meinung<br />

Die DRESDNER UNION · März ‘12<br />

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