Ausgabe vom 28.03.2019

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6 28. März 2019 STAMMTISCH BümplizWoche-Stammtisch: Stammgäste des Restaurants Kleefeld diskutieren über das Jubiläum «100 Jahre Bümpliz bei Bern» (2019), das Leben in Bern- West und künftige Herausforderungen im Stadtteil 6 Fühlen Sie sich als Bümplizer oder eher als Stadtberner? STAMMTISCH Ort: Restaurant Kleefeld, Mädergutstrasse5,3018 Bern-Bümpliz (Tel. 031 981 14 10). www.rest-kleefeld.ch. Gastgeber: Erich Hess &Team. Thema: Bümplizwar bis ins Jahr 1919 eine eigenständige Gemeinde. Weil dieGemeindein der Zeitvon 1910 bis 1918 in grosse finanzielle Schwierigkeiten geriet und hohe Verluste machte, wurde sie 1919 in die StadtBern eingemeindet. Heute ist Bümpliz- Bethlehem(zusammen mit Riedbach,Ober-und Niederbottigen) der grössteStadtteil von Bern. Hier,imStadtteil 6, leben derzeit mehr als32000 Menschen. Wie fühlen sichdie Quartierbewohner von Bümpliz-Bethlehem heute? Wären die «Bümplizer» gerne wieder selbständig und eine autonomeGemeinde? Wassagen Quartierbewohnerzum Image von Bern-West? Hinweis: Die Auswahl der Gäste am Stammtisch hat das Kleefeld- Team getroffen. Die Gäste am Stammtisch Harry Boss, Verkaufsberater im Aussendienst, wohnhaft in Bümpliz. Janosch Weyermann, Tourismusfachmann beim TCS, neu Mitglied im Berner Stadtrat (SVP), wohnhaft im Tscharnergut (Bethlehem). Erich Hess, Unternehmer (Immobilien), Pächter Restaurant Kleefeld, Stadtrat, Grossrat und Nationalrat (SVP). Paul Waeber, gelernter Maurer und Bauführer, Wirt, Gartenbauexperte und Rentner, wohnhaft in Bümpliz. Lorenzo Berchten, Schreiner, wohnhaft in Bümpliz. Harry Boss, Janosch Weyermann, Erich Hess, Lorenzo Berchten und Paul Waeber. Harry Boss, Bümpliz gehört seit 100 Jahren zu Bern… …(lacht) Ich sage: Bern gehört seit 100Jahren zu Bümpliz… Im Ernst: Fühlen Sie sich vor allem als Bümplizer oder als Stadtberner? In erster Linie fühle ich mich als Bümplizer, ganz klar. Mein Herz schlägt in Bern-West. Janosch Weyermann, Sie wohnen im Tscharnergut, einer historisch bedeutenden Hochhaussiedlung aus den sechziger Jahren. Sind Sie stolz, hier zu wohnen? Auf jeden Fall! Jeder kennt das «Tscharni», es ist ein multikulturelles Quartier.Ich finde dastoll. Erich Hess, Sie sind ein prominenter SVP-Politiker, sitzen gleichzeitig in allen drei Räten: Stadt, Kanton und Eidgenossenschaft. Sind Sie ein richtiger Bümplizer? Ich lebe im schönsten Quartier von Bümpliz, in Niederbottigen, mitten auf dem Land. Ich fühle mich hier wie in meiner ursprünglichen Heimat, dem Emmental. Sie leben hier auf einem Bauernhof? Ja, in einem umgebauten Bauernhaus, aber ohne Tiere. Für Kühe, Ziegen und Pferde habe ich keine Zeit. Lorenzo Berchten: Ich verkehre seit den sechziger Jahren in Bümpliz, wurde aber nicht hier geboren. Mir passt das Quartier, vor allemdie Leute. Paul Waeber: Ich liebe das Quartier und bin auch Stammgast im Kleefeld, vor allem zur Apéro- Zeit. Alte Bümplizer sehnen sich nach den «guten, alten Zeiten», als Bümpliz noch ein eigenständiges Dorf war. Können Sie diese Nostalgie nachvollziehen? Erich Hess: Wäre Bümpliz heute eine eigenständige Gemeinde, hätte das natürlich einen Vorteil, denn wir würden nicht von Rot- Grün-Mitte (RGM) dominiert. In Bümpliz-Bethlehem haben wir,die SVP,mit 26,5 Prozent dengrössten Wähleranteil. Die SP kommt hier nur auf 24 Prozent. Janosch Weyermann, ab dem 1. Mai sitzen Sie neu für die SVP im Berner Stadtrat. Wassagen Sie zu einer eigenständigen Gemeinde Bümpliz-Bethlehem? 1919 war die Eingemeindung die einzige Möglichkeit. Vielleicht müsste man wieder mal über die Abspaltung des Stadtteils 6diskutieren. Erich Hess, wann lancieren Sie einen politischen Vorstoss unter dem Motto «autonomes Bümpliz»? Nein, das ist sicher kein Thema, denn eine Abspaltung von Bümpliz wäre kaum machbar und für den heutigen Stadtteil 6mit Nachteilen verbunden. Der Trend geht ja in die andere Richtung. Man diskutiert zum Beispiel mit Ostermundigen, das sich in Zukunft vielleicht der Stadt Bern anschliessen wird.
STAMMTISCH 28. März 2019 7 Harry Boss Lorenzo Berchten: Ich fände es schade, wenn man Bümpliz-Bethlehem von der Stadt abspalten würde. Janosch Weyermann, Bümpliz hat mit etwa 30 Prozent den höchsten Ausländeranteil. Wie erleben Sie als Bewohner des Tscharnerguts diese multikulturelle Gesellschaft? Das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen funktioniert in Bümpliz-Bethlehem grundsätzlich sehrgut. Erich Hess: Ich teile deine Meinung,Janosch. DieStadt Bern hat in der Tatjahrelang viele Dinge, die sie nicht haben wollte, nach Bümpliz-Bethlehem abgeschoben. Ich denke da an die Plätze der Fahrenden oder die experimentellen Wohnzonen, die hier entstehen sollen. Auch soziale Probleme werden oft in den Westen abgeschoben. Oderdenken Sie an das Tram Bern-West. Die Bümplizer waren gegen das Tram und haben die Vorlage immer wieder deutlich verworfen, sie wurden jedoch überstimmt. Fazit: die Tramlinien wurden gebaut –trotz Widerstand aus Bümpliz. einmal mehr im Weg, deshalb platzierte man ihn direkt vor der Apotheke. Schlussfrage: Welches ist derzeit für den Westen von Bern (Stadtteil 6) die grösste Herausforderung? Harry Boss: Die Verkehrssituation. Ich denke da vor allem an Tempo- und Fussgängerzonen, Verkehrseinschränkungen… Die Bümplizer fühlen sich also als Stadtberner… Nein, das würde ich sonicht sagen.Wir Bümplizer sindschon eigenständige Wesen! Harry Boss: Derzeit reden alle von Fusionen, Beispiel Ostermundigen. So wie die Lage heute ist, finde ich es in Ordnung. Und noch etwas: Bei städtischen Vorlagen stimmendie Bümplizer heute mit. Wären sie wieder unabhängig, könnten sie folglichdie Politik der Stadt Bern nicht mehr mitbestimmen. Das wäre sicher ein Nachteil. Bümpliz hat ingewissen Kreisen in Bern nach wie vor ein eher schlechtes Image. Man spricht zum Beispiel von «Wohn-Ghetto» und «Wohnsilos», wenn von den Hochhaussiedlungen die Rede ist. Paul Waeber, wie sehen Sie das? Das sehe ich überhaupt nicht so! Bümpliz ist einattraktives Wohnquartier, auch in den Hochhäusern ist die Wohn- und Lebensqualität sehr hoch. Ich fühle mich hier sehr wohl. Bümpliz ist zwar anBern angebunden, aber trotzdem eigenständig. Stadtpräsident Alec von Graffenried sagt, der Stadtteil 6habe am meisten Potenzial, wenn es um dieweitereStadtentwicklung gehe. Erich Hess, Sie als politischer Gegenspieler des Stadtpräsidenten: Teilen Sie seine Meinung bei diesem Thema? Ja, der Westen von Bern wird sichinden nächsten Jahrenmassiv weiterentwickeln. Bümpliz ist der einzige Ort inder Stadt Bern, wo man noch günstige Wohnungen bauen und auch finden kann. InBern-West existieren noch Landreserven. Bevor man allerdings neues Kulturland bebaut, sollte man wenn immer möglich inbestehenden Quartieren verdichtet bauen. Janosch Weyermann Harry Boss: Das sehe ich auch so. Dass in Bümpliz viele ausländische Leute leben, ist nichts Neues. Als meine Eltern 1971 in den Westen von Bern zogen, hatte eshier auch viele Menschen aus Italien, Spanien, aus der Türkei. Es war schon damals ein Arbeiterquartier, woviele Leute aus verschiedenen Ländern lebten. Lorenzo Berchten: Manchmal ist es schon schwierig imAlltag, vor allem dann, wenn sich Menschen aus anderen Kulturen nicht inunsere Gesellschaft integrieren können. Doch die meisten können sich integrieren, deshalb ist das für mich kein Problem. Paul Waeber: Ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich habe sechzehn Jahre lang auf dem Bau gearbeitet. Mein Team bestand vor allem aus Italienern. Super- Leute! Ich finde, man sollte die guten Leute integrieren. Ich fühle mich als stolzer Schweizer –und trotzdem habe ich viele liebe Freunde und Kollegen aus dem Ausland. Es gibt Leute in Bern-West,die sagen: Politiker und Behörden behandeln Bümpliz-Bethlehem etwas stiefmütterlich. Bevor man sich um die Anliegen des Westens kümmert, nimmt man sich lieber der Innenstadt, der Länggasse oder dem Kirchenfeld an. Ihre Meinung dazu, Janosch Weyermann. Es ist sicher so, dass der Westen von Bern jahrelang etwas vernachlässigt wurde. Beispiel: Viele öffentliche Gebäude in Bümpliz- Bethlehem wurden nicht saniert. Erst in den letztenJahren hatsich dies geändert. Das Tram Bern-West ist doch heute ein Vorteil für die Bevölkerung in Bern-West. Oder wie sehen Sie das, HarryBoss? Das Tram Bern-West hat den Stadtteil 6deutlich aufgewertet, auch wenn ich mich als Autofahrer ab und zu etwas ärgere. Auch optisch passen die Tramstationen in Bern-West gut zum Quartier. Ich sehe eigentlich nur Vorteile in den Tramlinien 7und 8. Erich Hess Der legendäre «David-Brunnen» steht seit 1919 in Bümpliz vor der Apotheke Gurtner. Der Brunnen stand bis 1919 in der Spitalgasse und war nach dem Abbruch des Christoffelturms ein Verkehrshindernis. Böse Stimmen sagen, der Gemeinderat habe den Brunnen damals nach Bümpliz abgeschoben, weil man ihn in der Innenstadt nicht mehr verwenden konnte. Der Gemeinderat sprach von einem «Geschenk» an Bümpliz… Paul Waeber: Ich kann das nicht beurteilen, denn ich war damals ja nicht dabei. Ich habe nichts gegen den Brunnen, denn ich fühle mich in Bümpliz sehr glücklich. Lorenzo Berchten: Offiziell war der Brunnen ein Geschenk, inoffiziell hat man ihn nach Bümpliz abgeschoben. Erich Hess: Ich teile diese Meinung. Und als die Tramlinie gebaut wurde, stand der Brunnen Lorenzo Berchten Janosch Weyermann: Die Verkehrsplanung in Bern-West ist zweifellos eine grosse Herausforderung. Ein weiteres Thema sind die geplanten Begegnungszonen und die Tatsache, dass stets neue Menschen nach Bümpliz-Bethlehem ziehen. Erich Hess: Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist eine besondere Herausforderung. Wichtig ist, dass sich diese Menschen in unsere Gesellschaft integrieren können. Lorenzo Berchten: Leider gibt es auch in Bümpliz so etwas wie ein Beizen-Sterben. Alte, traditionsreiche Lokale gehen verloren. Paul Waeber: Ich lebe seit zehn Jahren in Bümpliz und fühle mich hier sehr wohl. Das Quartier bietet mir alles, was ich brauche. Was will ich mehr! Schönes Schlusswort, meine Herren. Vielen Dank für das Gespräch! Paul Waeber
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