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Wer in Münster regelmäßig versucht von A nach B zu kommen,

weiß: Der Straßenverkehr ist ein Abenteuer. Zu den

Stoßzeiten, bilden sich kilometerweise Staus, das Radwegenetz

ist ein einziger Flickenteppich und Fußgänger*innen

müssen in dem Gewusel höllisch aufpassen, nicht zwischen die fahrbaren

Untersätze zu geraten. Was früher eine etwas verschlafene Beamtenstadt

war, ist heute stetig wachsendes Zentrum des Münsterlandes.

65 000 Studierende, knapp 145 000 aus- und einströmende Pendler*innen

und nicht zuletzt auch jede Menge Tourist*innen verursachen jeden

Tag immense Verkehrsströme. Fast könnte man denken, es handele sich

um eine Art Naturgewalt, der man nur mit immer mehr Straßen Herr

werden kann. Doch diese Analyse wäre falsch. Denn die Staus, der Lärm

und nicht zuletzt das Schneckentempo, in welchem Autos und vor allem

auch Busse durch die Stadt kriechen, sind vor allem eines: Das Ergebnis

einer schlechten Planung.

Auch wenn das Stadtmarketing es anders suggeriert: Münster ist nicht

nur eine Fahrrad-, sondern vor allem eine Autostadt. Wie vielerorts in

Deutschland hat auch Münster nach dem zweiten Weltkrieg seine Straßenbahn

eingestampft und sich am Leitbild der »autogerechten Stadt«

orientiert. Das Ergebnis dieser Idee kann man heute in Münster in nahezu

jeder Straße bewundern. Denn wo – im wahrsten Sinne des Wortes

– darauf gebaut wird, dass nahezu jede*r sich ein Auto leistet, da wird

unendlich viel öffentliche Fläche für Parkplätze verbraucht. Und das, obwohl

Münster eigentlich dringend mehr Platz benötigt: Für Grünflächen,

breitere Fuß- und Radwege und nicht zuletzt auch als Bauland für bezahlbaren

Wohnraum. Hinzu kommt, dass der Autoverkehr viele CO2-Emissionen

verursacht. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten diese in den

kommenden Jahren jedoch drastisch reduziert werden. Doch das sind

noch lange nicht alle Defizite des motorisierten Individualverkehrs. Eine

der schlimmsten Nebenwirkungen der autogerechten Stadt sind die

Unfälle. Wenn Fußgänger*innen und Radfahrer*innen übersehen und

von PKW an- oder überfahren werden, sind die Verletzungen oft schwer.

Auch Eltern wissen das, weshalb Kinder sich im Stadtraum vielerorts

nicht selbstständig bewegen können. Darauf macht auch die Initiative

»Kidical Mass« in Münster aufmerksam, die sich mit ihren Aktionen für

einen kindersicheren Verkehr einsetzt. Immer wieder sprechen auch sie

an, dass die sichere Teilnahme aller großen und kleinen Bewohner*innen

der Stadt am Verkehr durch die vielen Autos nicht möglich ist.

Was also tun? Schon heute fahren viele Münsteraner*innen freiwillig viel

mit dem Rad, gehen zu Fuß oder nehmen des Bus. Das ist großartig und

zeigt, dass es viel Interesse an einem menschen- und klimagerechteren

Verkehr gibt. Damit es jedoch für alle Bewohner*innen, Pendler*innen

und Gäste möglich wird, das Auto stehen zu lassen, muss entschieden

gehandelt werden.

Was bislang in Münster

noch hitzig diskutiert wird

ist in Städten wie

Barcelona bereits Realität.

Aus Sicht der LINKEN müssen dafür drei entscheidende Weichen gestellt

werden:

Der konsequente Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die kostenlose

Nutzung für alle. Das würde insbesondere bedeuten, die Taktung

der Buslinien zu erhöhen, die Außenstadtteile direkt miteinander zu verbinden

und dem Busverkehr konsequent Vorrang vor dem Autoverkehr

zu gewähren. Dies kann z.B. durch mehr reine Busspuren erreicht werden.

Eine kostenlose Nutzung mag im ersten Moment utopisch erscheinen,

in unserem Nachbarland Luxemburg ist dieser Traum aber bereits

Realität geworden. Im Moment sind Bustickets in Münster leider sehr

teuer. 3,30 € zahlt eine Person, die spontan in den Bus einsteigen will.

Monatstickets sind etwas günstiger, dennoch ist das für viele Menschen,

wie z.B. Erwerbslose noch immer eine kaum zumutbare Belastung. Wir

sind der Überzeugung: Öffentliche Güter sollten für alle zugänglich

sein, unabhängig vom Geldbeutel! Münster könnte an vielen sinnvollen

Stellen sparen, um dieses soziale und umweltfreundliche Projekt zu finanzieren.

Wir könnten die Beteiligung der Stadt am klimaschädlichen

Flughafen Münster - Osnabrück einstampfen, die in den vergangen Jahren

immer wieder Millionen gefressen hat. Wir könnten uns gegen einen

sicherlich prestigeträchtigen aber für die meisten Münsteraner*innen

kaum Lebensqualität erzeugenden Musikcampus entscheiden und uns

die VIP-Logen für das Preußenstadion sparen. Es gäbe viele Wege! Nicht

zuletzt dürfen wir auch nicht vergessen, dass es uns am Ende viel mehr

kosten wird, wenn wir nicht in eine sozial-ökologische Verkehrswende

investieren: Denn dann suchen uns die Kosten in Form von Folgeschäden

des Klimawandels umso heftiger heim. Schlussendlich können wir

durch den öffentlichen Nahverkehrs auch attraktive, umweltfreundliche

Arbeitsplätze schaffen, wenn wir die Busfahrer*innen besser bezahlen.

Die Umverteilung des Verkehrsraums weg vom Auto, hin zu Radfahrer*innen,

Fußgänger*innen und öffentlichem Nahverkehr. Wir könnten

Fuß- und Radwege verbreitern, mehr Grünflächen anlegen und die Fläche

großer Parkplätze zum Bau von Parks und bezahlbarem Wohnraum

nutzen. Für den Weg dahin haben wir als LINKE gemeinsam mit zahlreichen

Verbänden und Bürgerinitiativen schon viele gute Ideen: In einem

ersten Schritt könnten wir die Innenstadt von Autos befreien: Erst innerhalb

der Promenade, dann innerhalb des Rings! Gleichzeitig können wir

durch sogenannte Pop-Up-Bikelanes (das sind provisorische Radwege)

rasch mehr Raum für Fahrräder auf den Straßen schaffen. Man könnte

außerdem viele Straßen in den Wohnvierteln zu temporären Spielstraßen

umfunktionieren und sie so vorerst zeitweise und später ganz für

den Autoverkehr sperren. Pendler*innen könnte man durch den Ausbau

von Park’n’Ride Zentren schon am Stadtrand abfangen und mit einer

dichten Bustaktung zuverlässig und schnell in die Innenstadt bringen.

Eine bessere Vernetzung mit dem Umland! Es kann nicht sein, dass man

in der Stadt sauber, sicher und schnell vorankommt, während man in

Münsters »Schlafstädten« (so nennt man Gemeinden im Umland, an denen

Menschen nur wohnen, während sie in der Stadt arbeiten) noch

immer aufs Auto angewiesen ist. Vor allem regionale Bus und Bahnverbindungen

müssen ausgebaut werden und auch hier gilt: Engere Taktung,

Preise runter!

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© Ajuntament Barcelona /CC BY-NC-ND 2.0 / flickr.com

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