Seminare leiten - MitOst e.V.

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6 Seminare leiten MitOst magazin # 0 Seminare leiten. Wie ist das? Antworten auf 3 x 3 Fragen Piroska Dömény Ungarn Seminarleiterin im Theodor- Heuss-Kolleg Bist du aufgeregt vor Beginn eines Seminars? Wenn ja, was tust du dagegen? Aufgeregt bin ich immer vor Seminaren. Inzwischen weiß ich aber, was mich ruhiger macht: Gute Vorbereitung, mich ganz auf die Seminare einlassen, spontan sein, mich von der Nervosität anderer nicht anstecken lassen. In die Natur gehen – ein Spaziergang, Schwimmen oder Joggen hilft immer. Ich habe auch stets einige Bücher mit, von denen ich weiß, dass sie positive Gedanken in mir auslösen. Viel Lachen hilft ebenfalls. Wie ist es, über Tage und Wochen hinweg mit einer Gruppe zusammen zu sein? Ich brauche ein wenig Privatsphäre und achte sehr darauf, während eines Seminars täglich eine halbe Stunde für mich alleine zu finden. Für mich persönlich ist es auch besser, kein integrativer Teil der Gruppe zu sein. Ich kann mit ein wenig Distanz einfach besser arbeiten. Hilft dir die Erfahrung als Seminarleiterin auch im Alltag? Ich bin viel selbstbewusster geworden und traue ich mich nun endlich, meine Meinung offen zu sagen. An der Uni hilft mir unsere Methodik: Den Leuten gefällt‘s, wenn ich mit bunten Materialien daher komme und meine Vorlesungen interaktiv gestalte. Bei einem Wettbewerb bin ich auf dem ersten Platz gelandet, weil ich meine wissenschaftliche Arbeit mit Kärtchen, Flipchart und selbst gemalten Bildern vorgestellt habe. Alona Karavay Ukraine Seminarleiterin im Theodor- Heuss-Kolleg Viele Leute hassen es, vor einer Gruppe zu sprechen – was macht das Seminare leiten für dich so spannend? Auch ich hasse es, vor der Gruppe zu sprechen, deshalb spreche ich mit der Gruppe. Das ist das Spannendste für mich – mich mit den Leuten auszutauschen. Hast Du eine Lieblingsmethode? Ich bin ein großer Fan von körperbetonten Methoden – dadurch emöglicht man am schnellsten das, was für ein Seminar am wichtigsten ist: Vertrauen untereinander. Was machst du, wenn die Stimmung im Seminar aggressiv oder gelangweilt wird? Wenn man wirklich völlig bei der Gruppe und in der Gruppe ist, kommt es kaum dazu. Was aber die Situation immer rettet, ist eine wilde Party mit spaßigen Aufgaben oder einem Wettbewerb. Matthias Haberl Österreich Seminarleiter im Theodor- Heuss-Kolleg Wie sieht für dich der ideale Seminarteilnehmer aus? Ich schätze Seminarteilnehmer, die etwas ausprobieren möchten, neugierig sind und ihr eigenes Handeln reflektieren, eine Spur Verrücktheit mitbringen, gern lachen und lernen. Schön und schwierig – nenne jeweils ein Seminarerlebnis! Gleich in meinem ersten Seminar ging es in einer Methode um kulturelle Rollen und damit verbundene Assoziationen. Eine Teilnehmerin gab an, lesbisch zu sein. Die Rückmeldungen der anderen waren teilweise sehr verletzend, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Schön ist immer, wenn du als Seminarleiter merkst, dass es bei den Teilnehmern gerade »knacks« gemacht hat und sie über eine Sache wohl noch ein bisschen nachdenken werden. Und einmal hat mir ein Teilnehmer beim Abschlussgespräch gesagt, dass dies vielleicht die schönsten Wochen seines Lebens waren. Wie gehst du mit Feedback um? Gutes Feedback ist Balsam auf die Seminarleiterbrust. Aber wenn gar kein kritisches Feedback kommt, stimmt auch irgendwas nicht – weil man es, glaube ich, nie allen hundertprozentig recht machen kann. Insofern hoffe ich auf kritisches Feedback. Damit umzugehen ist oft noch eine andere Sache. Manchmal geht mir Feedback von Teilnehmern und Kollegen sehr nahe. Foto: Nils-Eyk Zimmermann
7 MitOst magazin # 0 Foto: Nils-Eyk Zimmermann Seminare leiten Problemlösezwiebel & Selbstreflexionsblume Verantwortung übernehmen, das eigene Handeln reflektieren, demokratische Spielregeln einüben – Ziele, die jedes Seminar des Theodor-Heuss-Kollegs unabhängig von seinem jeweiligen Thema verfolgt. Eine reichhaltige Methodensammlung unterstützt die Seminarleiter bei ihrer Arbeit: Ob Demokratie-Scrabble, Länder-Torte oder Macht-Ohnmacht-Wippe – die in vielen Seminaren erprobten Methoden bieten einen kreativen Zugang zu Themen, die sonst allzu gewichtig klingen. »Bildungsziel: Bürger« und »Mit Phantasie verändern« können in der MitOst-Geschäftsstelle bestellt werden. Russisches Parallelmodell Die politische Jugendbildung steckt in Russland noch in den Kinderschuhen. Im Bereich des Wirtschafts-Consulting allerdings boomen Trainings und Seminare, die sich häufig auch an junge Leute richten. Problematisch ist nur, dass diese Trainings oft viel versprechen – und in einigen Fällen nur eine gebrochene Psyche sowie Misstrauen gegenüber dem eigenen Umfeld und den interaktiven, handlungs- und erlebnisorientierten Ansätzen hinterlassen. Pseudo-NLP, Erickson-Hypnose durch einen »weitergebildeten« Ingenieur und Schein-Coaching sind gängige Praktiken, die nicht unbedingt das Engagement und die Demokratie als Lebensform bei jungen Leuten fördern. Eine Vorbelastung durch solche Trainings beobachte ich auch ab und zu bei unseren Teilnehmern in Russland. Daher legt unser Modell besonderen Wert darauf, dass die Seminarleitung ihren methodischen Ansatz und den Sinn der einzelnen Arbeitsschritte transparent macht und eine vertrauensvolle Atmosphäre schafft. Seit zwei Jahren bietet das Theodor- Heuss-Kolleg auch eine russischsprachige Seminarleiter-Ausbildung an. Sie wird in Kooperation mit dem Permer Institut für Ziviles Engagement und dem Ministerium für Kultur und Jugendpolitik des Gebiets Perm durchgeführt. Zurzeit lernen dort sieben künftige Seminarleiter ihr Handwerk, pro Jahr kommen drei hinzu. Bedarf für Experten auf diesem Gebiet besteht auf jeden Fall, meint Ausbildungskoordinatorin Oxana Ivanova. Eine andere spannende Tendenz sind die Leadership-Seminare, die zurzeit in Russland florieren. Im Verständnis solcher Angebote ist ein »Leader« meist ein cooler, charismatischer Typ, der seine weniger kompetente Gefolgschaft mit sich zieht und lenkt. Nun, wenn sich zwanzig solche Leader bei einem Seminar treffen und es niemand zum Führen gibt oder wenn diskutiert wird, wer denn in der Gruppe der Leader ist, beginnt eine für die Seminarleitung spannende Arbeit. Ein alternatives Leadership-Konzept aufzuzeigen, das auf Teamarbeit, gegenseitiger Unterstützung und Förderung und nicht auf einer hierarchischen Struktur basiert, kann hier zum Anliegen der Seminarleitung werden. Grundsätzlich unterscheidet sich jedoch die Arbeit mit einer »russischen« Gruppe wenig von der mit einer internationalen Gruppe. Worauf es hier wie dort ankommt, ist das Engagement und der Wunsch, etwas im eigenen Umfeld zum Besseren zu bewirken.
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