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Spiegel»-Affäre

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Radikal privatisiert<br />

Die Transformation der Männerrolle stößt politisch<br />

und gesellschaftlich kaum auf Resonanz – eine Studie<br />

Von Heike Oestreich<br />

Gemäß den verschiedenen Arten von „Aber“<br />

haben sie die Männer in vier Typen unterteilt,<br />

die in bestimmten gesellschaftlichen Milieus<br />

gehäuft vorkommen. Ihre Gesamteindrücke<br />

gewannen die Sozialwissenschaftlerinnen, in<br />

dem sie eine Repräsentativbefragung mit<br />

Gruppendiskussion und qualitativen Einzelinterviews<br />

ergänzten. Eine Methode, die viel<br />

Anschauungsmaterial liefert – aber den<br />

Nachteil hat, das die Herkunft mancher Einschätzung<br />

nicht direkt nachvollziehbar ist.<br />

Resterampe: der Lifestyle-<br />

Macho<br />

Der klassische Macho ist definitiv auf dem<br />

Rückzug. Nur noch 14 Prozent der befragten<br />

Männer lassen sich diesem Typ zuordnen.<br />

Und er ist zum „Lifestyle-Macho“ geschrumpft:<br />

Nicht einmal er drückt seine Auffassung<br />

von der Unterlegenheit der Frau<br />

offen aus, sondern eher symbolisch oder in<br />

Habitus. Auch ist dieser Typ bei weiten Teilen<br />

der weiblichen Welt unbeliebt und deshalb<br />

häufig Single. Kein Wunder: Er übernimmt<br />

wenig Verantwortung und betrachtet seine<br />

Frau als „Besitz und Aushängeschild“. Sie<br />

soll die lästige Kinder- und Hausarbeit machen,<br />

dabei aber gut aussehen und sexuell<br />

zur Verfügung stehen. Interessant ist, dass<br />

dieser Typus keineswegs nur die Unterschicht<br />

bevölkert, sondern immerhin 14 Prozent der<br />

Oberschicht. Dieser Männertyp interessiert<br />

sich kaum für Gleichstellung und vertritt das<br />

„Ernährermodell“, bei dem die Frau nur arbeiten<br />

sollte, wenn Haushalt und Kinder darunter<br />

nicht leiden. Aber nicht einmal die<br />

„Lifestyle-Machos“ würden gegen die Emanzipation<br />

argumentieren: Ihre „Lippenbekenntnisse“<br />

zur Gleichstellung „dienen dem<br />

Zweck, nicht lästige Diskussionen zu eröffnen,<br />

bei denen sie in der Defensive sind“, so<br />

der Eindruck der Autorinnen.<br />

Väterlich: der Haupternährer<br />

Neben dem Lifestyle-Macho gibt es noch<br />

einen zweiten Typus, der die Geschlechterwelt<br />

sicher nicht revolutionieren wird: der<br />

„starke Haupternährer der Familie“. Er macht<br />

23 Prozent der Männer aus und ist im Milieu<br />

des „traditionellen Mainstream“ zu finden<br />

bis hin in die „bürgerliche Mitte“. Aber auch<br />

die experimentierfreudigen „modernen Performer“,<br />

der dynamischste Teil der Oberschicht,<br />

haben zu 33 Prozent eine Affinität zu<br />

diesem Modell.<br />

Dieser Haupternährer grenzt sich vom Chauvinisten<br />

und Macho ab. Er begreift sich vielmehr<br />

als „sehr modern und fortschrittlich“.<br />

Dabei hat der traditionellere Teil dieser Spezies<br />

eine Art biologistisch oder auch religiös<br />

verbrämtes Geschlechterbild, nachdem sich<br />

die „natürlichen“ Eigenschaften von Mann<br />

und Frau ergänzen sollten, wobei die Rolle<br />

der Frau vor allem die der guten Mutter und<br />

Ehefrau sei: „Frauenarbeit für Frauen, Männerarbeit<br />

für Männer“.<br />

Der moderne Teil dagegen argumentiert ökonomistisch<br />

: „Es ist aus Effizienzgründen vernünftig,<br />

dass Mann und Frau arbeitsteilig<br />

organisiert sind“. In beiden Segmenten ist<br />

die Zustimmung zu der Aussage groß, dass<br />

eine Frau ihrem Partner „den Rücken freihalten<br />

sollte“. Ein Pochen auf Gender-Gleichheit<br />

gilt als „unsinnig“ und „eigensüchtig“. Dennoch<br />

finden diese Männer, dass sie „gleichberechtigte<br />

„Partnerschaften führen,<br />

„worunter sie verstehen, dass sie sich mit<br />

ihrer Partnerin einig sind, sehr ähnliche Vorstellungen<br />

vom Mann-Sein und vom Frau-<br />

Sein sowie damit verbundenen Rechten und<br />

Pflichten in einer Partnerschaft zu haben“.<br />

Mehr Gleichberechtigung, meint dieser Typus,<br />

schieße über das Ziel hinaus“ und sei eine<br />

Ideologie, die wenige Radikale der zufriedenen<br />

Mehrheit überstülpen wollten.<br />

Der neue Mann – revisited<br />

Der größere Teil der untersuchten Männer<br />

findet sich in den beiden Modernen Kategorien<br />

wieder: 32 Prozent lassen sich dem Typ<br />

„moderner neuer Mann“ zuordnen, 31 Prozent<br />

dem „postmodernen-flexiblen“ Typ. Der<br />

moderne neue Mann findet sich vor allem im<br />

Spektrum der Nach-68er und der Experimentalisten-Boheme,<br />

in der bürgerlichen Mitte<br />

noch zu vierzig Prozent, auch die meisten<br />

DDR-Nostalgiker, die ein eigenständiges kleines<br />

Milieu bilden, verstehen sich als moderne<br />

Männer, und sogar 47 Prozent der konserva-<br />

tivenMittelschicht. Die<br />

Oberschicht<br />

dagegen ist<br />

a u ß e r h a l b<br />

der etablierten<br />

68er ziemlich<br />

immun gegen<br />

den „neuen<br />

Mann“.<br />

Zugleich sind die<br />

„ m o d e r n e n<br />

Männer“ die mit dem größten „Aber“: Einstellungen<br />

und Wirklichkeit klaffen meilenweit<br />

auseinander. Sie distanzieren sich<br />

vehement vom „Macho“, wollen ihre weibliche<br />

Seite entdecken und einbringen – und<br />

stoßen doch auf gesellschafliche Strukturen<br />

und Erwartungen, die auf den „Haupternährer“<br />

eingestellt sind – vom Ehegattensplitting<br />

bis zu fehlenden Kitas. Zudem überrascht sie<br />

die eigene Partnerin unter Umständen mit<br />

dem Wunsch, ein paar Jahre Auszeit in der<br />

Kinderphase zu nehmen – und schon ist der<br />

Haupternährer wieder gefragt. Nicht zuletzt<br />

gibt es für sie kein ausgebautes Rollenmodell.<br />

Der Teilzeit-Hausmann ist noch lange nicht<br />

gesellschaftsfähig. Deshalb ist diese Gruppe<br />

zutiefst „ambivalent“, so die Diagnose der<br />

Forscherinnen: Einerseits sehen sie sich auf<br />

dem richtigen Weg, andererseits ist dieser<br />

Weg von vielen Aushandlungen geprägt und<br />

wird dementsprechend als äußerst anstrengend<br />

erlebt – Fluchtfantasien inklusive.<br />

Ein Drittel dieser Männer befürwortet trotz<br />

egalitärer Einstellung das Zuverdiener-Modell.<br />

42 Prozent lehnen dies ab und möchten<br />

eine strikt egalitäre Arbeitsteilung leben:<br />

Beide, Partner und Partnerin, arbeiten gleich<br />

viel im und außer Haus. Aber nur dreißig Prozent<br />

meinen, sie schafften das auch in der<br />

Realität.<br />

Bild: Thommy Weiss / pixelio.de<br />

DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2012 21

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