WANDELBAR. Siehtfastaus wie organisch gewachsen: Der Türkenschanzpark in Währing. GEOMETRISCH. Auch gerade Linien vertragen Parks: Der Rudolf-Bednar-Park im zweiten Bezirk. Fotos: Clemens Fabry, Frank Sperling, beigestellt. 24 Schaufenster
Viel frische Luft nach oben Urbane Lüftungsanlage, Sozialraum, offenes Wohnzimmer: Parks müssen viel leisten. Das fordert auch jene, die sie gestalten. lMüllhalde, Friedhof, rostige Gleise, daraus kann noch etwas werden. Allein der Donaupark hat’s bewiesen, er war zum Großteil Deponie. Oder der Währinger Park, er war letzte Ruhestätte. Viele wünschen sich, dass auch den Gleisanlagen beim Wiener Westbahnhof Ähnliches widerfährt: eine nach oben offene Zukunft –als Westbahnpark. Ein paar engagierte Landschaftsarchitekten und -architektinnen arbeiten gerade beherzt daran, dass die Stadt Wien an der wichtigen Weichenstellung auch gestalterisch richtig abzweigt: in Richtung Wiese und Wasser statt noch mehr Asphalt und noch mehr Beton. Die Stadt ist jaauch sonst die Kümmerin. Sie sorgt für Grün jenseits der Balkone. Zumindest seitdem es der Kaiser selbst nicht mehr in Handschreiben verordnet oder in großen Gesten ehemalige Jagdreviere für alle öffnet. Oder gar extra Gärten anlegen lässt, wie 1823 den „Volksgarten“, den ersten seiner öffentlichen Art inWien, der seine ursprüngliche Zielgruppe schon im Namen trägt. Zugänglich. Jedoch: Unter „Volk“ war zu Kaisers Zeiten anderes zu verstehen. „Es gab durchaus soziale Schranken“, berichtet der Garten- und Landschaftshistoriker Christian Hlavac. Die Arbeiter vom Ziegelteich am Wienerberg hätte man dort nicht so gern gesehen, meint er. Lieber sah man Adelige und Bürger wandeln. In dem Buch „Parkgeschichten“, erschienen im Amalthea Verlag, sammelte er verschiedene Anekdoten und Beobachtungen zu vielen Wiener Parks. Heute sind die „Antipoden zur dicht verbauten Stadt“, wie es der Landschaftsarchitekt Pascal Posset vom Zürcher Büro Hager nennt, schon konzeptiv ganz anders angelegt. Freiräume in der Stadt sind heute vielfach auch offen in der Nutzung. Schwer beladen sind sie trotzdem: mit gesellschaftspolitischen Aufgaben sogar. Das merkt man auch, wenn es Text: Norbert Philipp zwischen Skaterparcours und Trinkbrunnen bei der nächsten Pandemie wieder eng werden könnte. So einiges an Erwartungen, Ansprüchen, inzwischen auch Normen und Standards müssen Parks erfüllen. Und nehmen sich dafür Design und Landschaftsarchitektur zur Hilfe. Zunächst hatte der Park inder Stadt auch so etwas wie eine hygienisch-gesundheitliche Funktion. Als Ausgleich zur Maloche in den Fabriken und zur ungesunden Dichte inden Arbeiterquartieren. „So entstand der Gedanke des ‚Volksparks‘“, erzählt Posset. Und diese Idee zieht sich – vor allem auch in Wien –als städtebauliche Konstante und roter Faden der Stadtfürsorge bis in die Gegenwart. Und noch dazu in Gegenden, die man früher noch „Nirgendwo“ genannt hätte. Oder zumindest „Gstettn“. An solchen hat auch das Büro Hager Landschaftsarchitektur aus Zürich schon dreimal in Wien ihre Ideen gesät. Einige davon wuchsen zum Rudolf-Bednar-Park auf dem ehmaligen Areal des Nordwestbahnhofs. PLANER. Pascal Possetvon Hager Landschaftsarchitektur legt Parkkonzepte gern „offen“ an. Parks bilden heute eine Vielzahl von Interessen und Bedürfnissen ab. Oder zum Helmut-Zilk-Park imSonnwendviertel. „Diese Parks müssen ganz viele Bedürfnisse abbilden. Das erfordert eine robuste, massentaugliche Gestaltung“, sagt Posset. Platz lassen für verschiedenste Interessen und Nutzungen ist daher eine der Devisen. „Wir operieren mit einem zentralen Lichtungsraum, einer offenen Mitte, die total liberal angelegt ist. Da kann man alles machen. Konkretere Nutzungsangebote legen wir an die Ränder, an die Übergänge zur Stadt.“ Nicht nur Gartenschauen produzierten in Wien neue Parks. Es sind vor allem die Wachstumsschübe der Stadt. Das war schon so, als ein simples Handschreiben des Kaisers alte Strukturen sprengen konnte. Oder besser gesagt: die Stadtbefestigung. Stattdessen ist aneiner Stelle der Stadtpark entstanden, im Jahr 1867, „als erster von der Kommune für die Bevölkerung angelegter Park“, wie Christian Hlavac erzählt. Angelpunkte. Und Parks entstehen heute noch dort, wo sich Häuser und Infrastruktur zu neuen Stadtvierteln verdichten – und damit auch zu neuen Hitzeinseln. Da liegt schon die nächste Aufgabe des Parks: Er ist die Belüftungsanlage der Stadt. Auch der Wiener Westbahnpark könnte dereinst die Lüftungsschneise sein, durch die der frische Westwind die Stadt kühlt. „Das Bedürfnis nach Natur ist immer da“, sagt Posset. Aber in der Stadt müsse sie auch zugänglich, erreichbar, greifbar und verfügbar sein. Dass die Natur rund um Wien eh schon seit Hunderten von Jahren als Wienerwald liegt, reicht da nicht. Doch vor den neuen Bewohnern neuer Stadtviertel soll noch etwas anderes keimen: Identität. Gestalterisch und planerisch kann man sie nur andeuten und anstoßen, ein paar Bälle ins Rollen bringen oder zumindest grob einkreisen, wo sie dereinst tatsächlich rollen sollen. Genauso kann man vordefinieren, wo die Räder der Skateboards sich drehen sollen. Wie beim Elinor-Ostrum-Park inder Seestadt Aspern, wo die Gestalter vom Büro Hager auch ihre Prinzipien auf fünf Hektar ausgerollt haben. Wieder als Gewinner eines anonymen Wettbewerbs. Auch dort sollen sich möglichst viele Interessen, Bedürfnisse und unterschiedlichste Nutzungen abbilden. Die Aufgabe der Landschaftsarchitektur ist dann eher der „Gerüstbau“. die Leerstellen dazwischen füllen sich dann nicht so sehr durch gestalterische Vorgaben, sondern durch Partizipation im Umsetzungsprozess. Oder schließlich durch die Nutzung. „Wir als Gestalter entwerfen gleichsam das Gefäß für → Schaufenster <strong>25</strong>