Roth Journal_2021_08
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RATGEBER RECHT<br />
Neues aus dem Erbrecht<br />
Die Adoption als Chance und Risiko<br />
Immer mehr Familien in Deutschland sind<br />
Patchworkfamilien, in welche ein oder<br />
beide Partner Kinder aus anderen Beziehungen<br />
mitbringen. Auch steigt Anzahl<br />
der Kinderlosen ebenfalls erheblich an. Zu<br />
guter Letzt kann man über eine Adoption<br />
nicht nur einen Prinzen-Titel erwerben,<br />
sondern auch als Familienmitglied in eine<br />
bereits bestehende Familie aufgenommen<br />
werden.<br />
In allen 3 Konstellationen geht es darum,<br />
dass man über das familienrechtliche Mittel<br />
der Adoption versucht, Zustände herzustellen,<br />
die erbrechtliche und damit verbunden<br />
auch erbschaftsteuer-rechtliche,<br />
sowie schenkungssteuerrechtliche Vorteile<br />
nach sich ziehen können. Im Fall der<br />
Patchworkfamilie kann man über Adoptionen<br />
erreichen, dass Kinder, die leiblich<br />
nicht von einem Elternteil abstammen,<br />
in die Position eines leiblichen Kindes<br />
einrücken können. Im Fall der Kinderlosen<br />
wird über die Adoption erreicht, dass<br />
überhaupt erst ein Nachfahre in erbliche<br />
Hinsicht vorhanden ist, der die Erbfolge<br />
vollkommen verändern kann und allein<br />
berechtigt werden kann. Im Falle der Adoption<br />
eines Dritten in eine bestehende<br />
Familie oder durch eine Einzelperson kann<br />
dadurch erreicht werden, dass auch dieser<br />
Dritte mit oder neben eigenen Kindern<br />
E rb e werden k ann.<br />
Der Unterzeichner möchte nur kurz darauf<br />
hinweisen, dass in familienrechtlicher Hinsicht<br />
die Adoption eines Minderjährigen<br />
viel weitreichendere Folgen hat als die Adoption<br />
eines Erwachsenen. Auf die einzelnen<br />
Auswirkungen soll hier jedoch nicht<br />
weiter eingegangen werden, da wir uns<br />
auf die erbrechtlichen Aspekte beschränk<br />
en wollen.<br />
Eine Adoption setzt immer die Annahme<br />
eines Eltern-Kind-Verhältnisses voraus.<br />
Das Gesetz schreibt dies nicht umsonst<br />
vor: Wir haben mittlerweile mehrfach<br />
gesehen, dass Adoptionen gerne unter<br />
steuerrechtlichen Aspekten singulär betrachtet<br />
werden, um als Kind einen Steuerfreibetrag<br />
dann von 400.000 € aktuell<br />
bei der Erbschaftssteuer generieren zu<br />
können.<br />
Grundsätzlich ist ein solcher Ansatz<br />
denkbar. Er ist aber unserer Einschätzung<br />
nach schlicht und ergreifend viel<br />
zu kurz gesprungen. Zunächst einmal<br />
stellt das Gesetz nicht umsonst auf ein<br />
Eltern-Kind-Verhältnis ab. Dieses ist gekennzeichnet<br />
durch eine ganz besondere<br />
Beziehung und ein ganz besonderes Vertrauen.<br />
Doch was ist, wenn dieses Vertrauen<br />
enttäuscht wird? Eine Adoption<br />
rückgängig zu machen ist äußerst schwierig<br />
und kompliziert. Oftmals ist es gar nicht<br />
mehr möglich. Dann hat man den neuen<br />
Verwandten, das neue Kind, in der Familie<br />
und muss umso größere Anstrengungen in<br />
erbrechtlicher Hinsicht unternehmen, um<br />
die Erbschaft an diesem Abkömmling vorbei<br />
zu lotsen. Eine Adoption von Minderjährigen<br />
also, um eine Patchworkfamilie<br />
komplett zu machen, ist als Gestaltungsmöglichkeit<br />
für erbrechtliche Angelegenheiten<br />
also möglich, sollte aber auf einer<br />
langjährigen Beziehung bestehen, die<br />
auch schon Belastungsproben hinter sich<br />
hat. Wenn nämlich die Adoption nicht aufgehoben<br />
werden kann, dann bleibt dieser<br />
Abkömmling in jedem Fall pflichtteilsberechtigt<br />
- so auch nach der Trennung der<br />
Patchworkeltern. Die Pflichtteilsberechtigung<br />
kann nur im extremen Ausnahmefall<br />
entfallen, man kann hier lediglich durch<br />
erbrechtliche Gestaltungen versuchen,<br />
einen Pflichtteilsberechtigten faktisch zu<br />
limitieren.<br />
Andererseits kann man durch Aufnahme<br />
eines neuen Familienmitgliedes nicht nur<br />
einen Erben erst einmal schaffen, wenn<br />
man keine Abkömmlinge hat, man kann<br />
auch ganze Erbfolgen in verändern und<br />
ansonsten unerwünschte Erbberechtigte<br />
damit ausschalten. Dies will jedoch gut<br />
überlegt sein.<br />
Der Unterzeichner ist als beratender Anwalt<br />
in diesem Rechtsgebiet seit vielen<br />
Jahren familien- und erbrechtlich tätig.<br />
Bevor sie aus steuerlichen Gründen oder<br />
im Rahmen einer gefühlten Verpflichtung<br />
dem Partner gegenüber oder aus Enttäuschung<br />
über andere Familienmitglieder<br />
hier tätig werden, raten wir Ihnen dringend<br />
an, einen Besprechungstermin zur<br />
Klärung zu vereinbaren, damit sie, versehen<br />
mit einem Gesamtüberblick über<br />
die rechtlichen Möglichkeiten, dann eine<br />
souveräne Entscheidung für sich treffen<br />
können.<br />
RA Stephan Baumann<br />
Fachanwalt für Familienrecht<br />
Erbrecht<br />
PR-Text<br />
22 <strong>08</strong> | <strong>2021</strong>