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Strom-Legende
„Leave A Scar“ dürfte als Titel wohl Programm
sein, wobei meiner Meinung
nach auch „Kick Some Asses“ zutreffend
wäre. Da steckt eine eindeutige
Message dahinter, oder?
Absolut! Und vielen Dank, dass
meine Intention angekommen ist,
haha. Ich würde aber auch dahinter
stehen, wenn es nicht ganz so
angekommen wäre. Bislang habe
ich aber fast ausnahmslos positives
Feedback erhalten. Es scheint, als
ob wir alles richtig gemacht hätten.
Wer sind denn „wir“?
Jugend
forscht
Fünf Jahre ist es her, dass sich die unvergessenen TWISTED SISTER im Rahmen ihrer Abschiedstournee
auch hierzulande mit einem fulminanten Auftritt beim Nova Rock von ihren Fans verabschiedeten.
Für immer, wohlgemerkt. Zumindest betonen Sänger DEE SNIDER und Co., dass der Abschied
endgültig und selbst lukrative Angebote sinnlos wären.
Seine Energie und Motivation lebt der legendäre Frontmann nun mit der nach ihm benannten Truppe aus,
die uns mit „Leave A Scar“ (Napalm Rec.) ein neues, echtes Hammer-Album kredenzt.
Ob der markanten, unverwüstlichen Stimme weiß man zwar auf Anhieb, mit wem man es zu tun hat,
stilistisch indes ging der Haudegen keineswegs auf „Nummer sicher“, sondern überrascht
mit einem vergleichsweise heftigen Gerät in zeitgemäßem Klangbild.
Mehr dazu verrät DEE SNIDER am Stark!Strom-Phone:
Meine Bandkollegen und alle anderen, die ihren
Beitrag dazu geleistet haben, dass „Leave A Scar“ so
klingt, wie es klingt. Die Band ist zwar nach mir benannt,
weil ich es nicht für nötig empfand, mich um
einen Bandnamen zu kümmern, ein Soloalbum ist
die Scheibe aber definitiv nicht! Im
Gegenteil, vor allem unser Gitarrist
Charlie Bellmore kam immer wieder
mit Riffs und Songideen, die
mich förmlich umgehauen haben.
Auch Jamey Jasta (HATEBREED-
Sänger, Anm.), den ich erneut für die
Produktion gewinnen konnte, war
davon begeistert. Außerdem habe
ich alle Songs im Vorfeld meiner
Tochter vorgespielt.
Weil?
Weil ich ihren Geschmack zu schätzen und erst
durch sie viele Acts der aktuellen Generation kennengelernt
habe. Zwar sind alle meiner Kinder
Rock- und Metal-Fans, das Mädel fährt aber auf die
brachialsten Sounds ab und entwickelte zudem ein
Faible für den Underground, nicht einmal Jamey
konnte mit allen von ihr empfohlenen Truppen
etwas anfangen. Sie besitzt offenbar ein gewisses
© Holden Leeds
Forscher-Gen, denn sie kommt fast wöchentlich
mit neuen Bands und Alben an. Deshalb hat Jamey
nach dem Fertigstellen der Tracks gemeint, wir sollten
zunächst sie fragen, ob die Songs auch etwas
taugen, hehe.
Neben Mr. Jasta ist mit George Fisher von CANNIBAL
CORPSE eine weitere Ikone der Extreme Metal-Szene auf
dem Album zu hören, wie kam es denn zur Kooperation
mit dem „Corpsegrinder“?
Für viele Altersgenossen klingt es zwar
eher schräg, dass ich als 66-Jähriger
mit Musikerkollegen zusammenarbeite,
die nicht nur meine Kinder sein
könnten, sondern obendrein auch
noch Sounds von sich geben, die man
lapidar als „Krach“ bezeichnet, doch
das stört mich kein bisschen. Ich finde
es sogar sehr inspirierend!
Im Prinzip war es wieder mein Töchterchen, das
mich dazu animierte, mal eine Nummer mit einem
Death Metal-Sänger aufzunehmen. Dass ich dann
auf Anhieb an eine der bekanntesten Stimmen der
Szene gelangt bin, muss ich wohl als Glück betrachten.
Offenbar war der Kerl aber noch viel mehr von den
Socken als ich selbst, denn er hat auf meine Anfrage
fast ehrfurchtsvoll geantwortet. George war von
Anfang an schwer begeistert, einen Gastbeitrag auf
„Time To Choose“ abzuliefern und entpuppte sich
obendrein als überaus netter Typ.
So ist es nun mal im Leben. Die Alten inspirieren die
Jungen, und die wiederum animieren die Alten zum
Weitermachen. Oder sogar dazu, mal etwas Neues
zu probieren. Mir ging es schon bei meinem ersten
Zusammentreffen mit Jamey im Vorfeld von „For The
Love Of Metal“ (Vorgänger-Album aus 2018, Anm.) so.
Die Scheibe würde ohne ihn völlig anders klingen.
Und so abwegig ist es ja auch wieder nicht, mit jüngeren
Kollegen etwas zu unternehmen. Ich geh' halt
bloß nicht mit ihnen zum Angeln oder zum Bowling,
sondern ins Studio, haha.
Was pandemiebedingt aber gar nicht so einfach war.
Nein, absolut nicht. Dieses ver****
Virus! Zum Glück verfügen wir allesamt
über gut ausgestattete Home-
Studios. Jamey hatte wohl den meisten
Aufwand, er bekam die Dateien
aller Musiker zugeschickt und machte
sich dann mit Volldampf an das
„Puzzeln“ der Spuren. Am Ende kam
noch unser Drummer Nick Bellmore
ins Spiel, der sich um das Mastering
und den Mix kümmerte. Sehr zu meiner
Zufriedenheit übrigens.
Hatte das Virus Einfluss auf die Musik selbst?
Auf jeden Fall! Einige Songs wären unter „normalen
Umständen“ sicher nicht ganz so heftig ausgefallen.
Wir mussten uns einfach unseren Frust von der Seele
spielen, die aufgestauten Aggressionen und die überschüssige
Energie rauslassen.
„Für andere in meinem Alter
mag der Ausgang mit dem
Dackel den Tag erfüllen…“
This Is Our Life,
„…da kann mich auch
so eine Pandemie
nicht stoppen!“
This Is Our Song!
Was man schon dem Opener „I Gotta Rock (Again)“ anhört.
Die Nummer lässt aber auch vermuten, dass du bereits das
Licht am Ende des Tunnels siehst, richtig?
Yes! Es kann doch nicht ewig so weitergehen! Ich
mache seit fast 50 Jahren Musik und bin immer
noch voll motiviert, da kann mich auch so eine
Pandemie nicht stoppen! Auf einer Bühne zu stehen
und mit meinen Fans eine Rockshow zelebrieren
zu können, ist für mich immer noch eine der
essentiellsten Inspirationsquellen
überhaupt!
Noch dazu weiß ich, dass nicht nur
ich mich mit meinen Kids über Musik
austausche, sondern Tausende von
Eltern auf diesem Erdball das ebenso
tun. Nicht erst bei den letzten
TWISTED SISTER-Shows durfte ich beobachten,
dass mehrere Generationen
an Fans zugegen waren. Viele Eltern
haben ihre Kids mitgebracht, die wiederum noch
den Großvater überredeten, auch mitzukommen.
So etwas gibt es vielleicht nicht in jedem Genre, im
Metal aber definitiv!
Abgesehen vom stark!en neuen Album, was kannst du
unseren Lesern an weiteren Aktivitäten berichten? Im
Lockdown setzten viele Labels vermehrt auf Neuauflagen,
vielleicht auch ein Thema für deine WIDOWMAKER-
Scheiben aus den frühen 90ern?
Oh, ich arbeite nahezu ständig, mir wird nicht langweilig,
keine Angst! Für andere in meinem Alter mag
der Ausgang mit dem Dackel den Tag erfüllen, aber
dazu gehöre ich noch lange nicht. Ich fühle mich fit
und gesund, mir fehlt es an nichts, und ich bin bis in
die Haarspitzen motiviert.
Zurzeit bin ich mit einer neuen Broadway-Geschichte
beschäftigt, die mir sehr viel Spaß bereitet. Und ich
finde es verdammt cool, dass du WIDOWMAKER
erwähnst. Diese Band hat leider nicht einmal zu
Lebzeiten jenen Respekt erhalten, der ihr zugestanden
wäre. Aber egal, ist nun mal so.
Re-Releases sind leider nicht ganz
so einfach, dazu müsste ich mich
zunächst um einige rechtliche
Angelegenheiten kümmern. Wir haben
damals alles dem Label und dem
Management überlassen, was natürlich
ein Fehler war. Eine Neuauflage
wäre aber eine spannende Sache,
zumal wir einiges an unveröffentlichtem
Material in irgendwelchen
Archiven gelagert haben müssten…
(lechz, hechel, Andi).
Das wäre - wie auch ein baldiges „live-haftiges“ Wiedersehen
mit der Rampensau - eine verdammt coole Sache.
Und bis dahin empfehlen wir den intensiven Genuss von
„Leave A Scar“.
www.deesnider.com, www.facebook.com/facedeesnider
Walter
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