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Susanne Niemeyer: Lichtblick – Texte für mittelgute Tage (Leseprobe)

Es gibt Tage, da ist nicht alles gut. Da braucht man gute Nerven, guten Beistand oder einfach mal einen Lichtblick. Zum Beispiel, indem man dieses Buch zur Hand nimmt. Die Geschichten und Mutmachtexte lassen erahnen: Eigentlich wohnt Gott direkt im Zimmer nebenan. Nur manchmal finden wir die Tür einfach nicht. Zum Glück gibt es immer wieder Momente, in denen es hell durch den Türspalt scheint – ein Lichtblick! Ein wunderbares Mutmachbuch für Tage, an denen man nicht so tun will, als ob das Leben ein Kinderspiel ist.

Es gibt Tage, da ist nicht alles gut. Da braucht man gute Nerven, guten Beistand oder einfach mal einen Lichtblick. Zum Beispiel, indem man dieses Buch zur Hand nimmt. Die Geschichten und Mutmachtexte lassen erahnen: Eigentlich wohnt Gott direkt im Zimmer nebenan. Nur manchmal finden wir die Tür einfach nicht. Zum Glück gibt es immer wieder Momente, in denen es hell durch den Türspalt scheint – ein Lichtblick! Ein wunderbares Mutmachbuch für Tage, an denen man nicht so tun will, als ob das Leben ein Kinderspiel ist.

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AMEN<br />

sagt man am Ende, wenn alles gesagt ist. Ich sage es am Anfang. Könnte man<br />

ja mal versuchen: Amen zu allem, was kommt. Amen zu diesem Tag, Amen<br />

zum Leben, das manchmal ruckelig ist. Aber es ist mein Leben, und es ist das<br />

einzige. Ich hab es lieb, auch wenn es mich mit dunklen Augenringen ansieht.<br />

Wenn es ausschert, nicht auf mich hört und mal wieder überhaupt nicht tut,<br />

was ich will. Sogar dann, wenn es mir ein Bein stellt.<br />

Es hat alles mitgemacht. Ist mit mir vom Klettergerüst gesprungen und hat<br />

Pfandflaschen geklaut. Hat im Stroh gelegen, obwohl es pikste, hat <strong>für</strong> den<br />

Jungen mit den Locken geschwärmt. Ist manchmal anders abgebogen als geplant.<br />

Auf dem Seitenstreifen hat es mit mir auf den ADAC gewartet.<br />

Hat über Wahlergebnisse geflucht, sich nach Bullerbü gesehnt und mit mir<br />

Zimtschnecken gebacken. Hat den Alltag in Kartons gepackt, sich neue Straßennamen<br />

gemerkt, hat Träume begraben und neue geträumt. Hat mitgespielt.<br />

Darin ist mein Leben eine Meisterin. Es ist die treueste Seele, die ich kenne.<br />

Mein Leben bleibt bei mir, bis zum Schluss. Was immer auch geschieht.<br />

Es wohnt zwischen Herzkammer und Stammhirn. Es begleitet mich auf Schritt<br />

und Tritt. Wo ich hingehe, da wird es auch hingehen. Es bietet jedem Sturm<br />

die Stirn. Meine Stirn. Amen.<br />

5


Neuer Tag<br />

„Guten Morgen“, sagt der Engel. Er sitzt schon am Frühstückstisch.<br />

Sein Hemd ist gebügelt und das Obst ist frisch geschnitten.<br />

Ich weiß auch nicht, wie er das immer schafft.<br />

„Dies ist ein neuer Tag, und er wird schön!“<br />

„Woher weißt du das?“, frage ich verschlafen.<br />

„Ich nehme es mir vor.“<br />

Er steckt mir eine Blume ins Knopfloch meines Pyjamas und schwebt davon.<br />

6


Sonntagsfragen<br />

Was würdest du jetzt tun,<br />

wenn du könntest, was du willst?<br />

Was würde das Glück tun,<br />

wenn es könnte, was es will?<br />

Würdet ihr euch treffen?<br />

7


Beim Aufwachen<br />

zu lesen<br />

Bitte gönn dir was<br />

das Konzert der Meisen<br />

Milchschaumminuten<br />

eine verlorene Uhr<br />

Plüschgedanken<br />

Der Himmel ist<br />

ein Gemischtwarenladen<br />

Er hat jetzt geöffnet<br />

<strong>für</strong> dich<br />

12


CHUZPE<br />

Dreistigkeit siegt, sagen sie. Das ärgert mich. Aber charmante Dreistigkeit<br />

ist etwas ganz anderes. Manchmal muss man Tanten und Oberprediger<br />

ignorieren. Solche, die meinen, dass man sich hintenanstellen und das eigene<br />

Los klaglos hinnehmen möge. Manchmal muss man aufbegehren mit einem<br />

Witz und lachen über das, was schmerzt. Wer lacht, geht den ersten Schritt<br />

auf dem unsichtbaren Seil, das über den Abgrund führt. Chuzpe ist, sich<br />

bei Gott zu beschweren <strong>–</strong> auch ohne Termin. Weil mittwochs um halb elf das<br />

Wasser bis zum Hals steht und sonntags um zehn die Sintflut längst Hochwasser<br />

hätte.<br />

Dann ist es höchste Zeit, Gott an seine Versprechen zu erinnern, von denen<br />

Untergang keines war. Und gleichzeitig vorausschauend Sonnencreme<br />

einzupacken, weil es gar nicht anders sein kann, als dass irgendwo in den<br />

Fluten eine rettende Insel wartet.<br />

15


Stubenhocker<br />

Im Wohnzimmer sitzt ein Engel. Er sagt, er sei ein Stubenhocker.<br />

Ohne schlechtes Gewissen. Kein Pilateskurs, kein Theater-Abo, der<br />

Lesezirkel fällt aus, ebenso der Esperanto-Kurs <strong>für</strong> Fortgeschrittene.<br />

Er werde, sagt er, jetzt einfach hier sitzen und vielleicht etwas lesen.<br />

Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht werde er auch nur schauen.<br />

Draußen sei vor zwanzig Minuten eine Meise gelandet und habe<br />

geprüft, ob der Zweig trägt. Eine Wolke habe sich in ein Schaf<br />

verwandelt. Das Gras sei gewachsen, aber, wendet er ein, da müsse<br />

man schon sehr genau hinschauen. Er sieht mich erst mitleidig,<br />

dann aufmunternd an. Man kann das üben, fügt er hinzu und<br />

fragt, ob ich mich zu ihm setzen wolle.<br />

Warum nicht, denke ich.<br />

Von einem Engel kann man bestimmt was lernen.


Tagwerk<br />

Ich habe sieben Erbsen eingepflanzt<br />

einen Käfer aus misslicher Lage befreit<br />

dem Regen gesagt, wie gern ich ihn rieche<br />

Ich habe eine frühe Erdbeere probiert<br />

an einen Freund und zwei Freundinnen gedacht<br />

und Gott gefragt, was er eigentlich<br />

von all dem hier hält <strong>–</strong><br />

die Antwort steht noch aus<br />

Während ich warte<br />

wachsen die Erbsen<br />

45


Aufgabe<br />

Bei Überreiztheit,<br />

Langeweile<br />

oder Kurzsichtigkeit.<br />

Jeden Tag<br />

dieselbe Runde<br />

gehen<br />

und jeden Tag<br />

etwas entdecken.


Was mich berührt<br />

Buchfinken, die beim Trinken mit den Schwänzen<br />

wackeln. Spieluhrenmelodien. Der Tag, als Diana starb<br />

(warum bloß?). Der Geruch eines Schaffells. Und<br />

von Marmorkuchen. Wimpern. Symmetrische Datumsanzeigen.<br />

Räume, die eben noch belebt waren. Rote Kissen.<br />

Seidenpapier. Bekocht zu werden (selbst, wenn es nur<br />

ein Spiegelei ist). Die Feierlichkeit vertrauter Worte<br />

(Es begab sich aber zu der Zeit …). Gräser an nackten<br />

Beinen. Kleine, handgeschriebene Botschaften.<br />

Dinosaurierspuren.<br />

53


Kann das weg?<br />

Bitte fortsetzen.<br />

Wintermantel. Misstrauen. Freundschaftsanfragen verwitweter Millionäre auf Facebook.<br />

Persönliche Bereicherung auf Kosten des Allgemeinwohls. Angst vor Gender-Sternchen.<br />

Stoffmasken (kariert, paillettenbesetzt, regenbogenfarben). Platzhirsche (d/m/w).<br />

Idealmaße. Blaue Flüssigkeit als Menstruationsblut-Ersatz. Wollmäuse (wieso vermehren<br />

die sich so schnell?). Neid. Bioprodukte in Dreifach-Verpackungen. Disketten in der<br />

Könnte-man-noch-brauchen-Kiste. Sündenböcke (einfach freilassen).<br />

58


Kleine Übung zum Durchhalten<br />

an <strong>mittelgute</strong>n <strong>Tage</strong>n<br />

1 Zehn Sachen aufschreiben, die dich nerven.<br />

Wirklich nerven.<br />

2 Wähle die Sache aus, die am schlimmsten ist.<br />

3 Stell dir vor, jemand schreibt dir einen Brief<br />

und erklärt, warum gerade diese Sache<br />

eigentlich als großartig zu preisen ist, ein<br />

Geschenk, das dein Leben bereichern wird.<br />

4 Sei dieser Jemand und schreib diesen Brief.<br />

5 Sei dabei maßlos, übertrieben und verrückt.<br />

6 Den Brief an den Küchenschrank hängen<br />

und weitermachen.


Dein<br />

Wille<br />

Dein Wille geschehe, habe ich tausend Mal gemurmelt<br />

Zusammen mit anderen im Chor von Ewigkeit zu Ewigkeit<br />

Und es klingt meistens eine Spur zu resignativ<br />

Einwilligend in das Unabänderliche<br />

Zu vorauseilend, finde ich<br />

Denn was ist dein Wille<br />

Doch nicht das Unglück<br />

Doch nicht das Leid<br />

Vielleicht wartest du auf unseren Schrei<br />

Der eintritt <strong>für</strong> deinen Willen,<br />

dass die Welt ein freundlicher Ort sei<br />

dass kein Schmerz<br />

gottgegeben ist<br />

dass Leben ein Freiheitsfall <strong>für</strong> alle sei<br />

Ich und Du nur einen Atemzug getrennt<br />

Wie im Himmel so auf Erden<br />

79


und


<strong>für</strong> die Worte, die fehlen<br />

115


IMPRESSUM<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten<br />

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

© 2021 by edition chrismon in der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH •<br />

Leipzig und Deutsche Bibelgesellschaft • Stuttgart<br />

Printed in EU<br />

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes<br />

ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt<br />

insbesondere <strong>für</strong> Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />

und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Gestaltung: Anja Haß, Leipzig<br />

Bildredaktion: Lena Uphoff, Frankfurt und Anja Haß, Leipzig<br />

Druckerei: Czech News Center a. s. Czech Republic<br />

Bildnachweis<br />

Umschlag: Miss X/photocase.de, Seite 13:<br />

<strong>Susanne</strong> <strong>Niemeyer</strong>, Seite 16: Helena<br />

Sushitskaya/pixabay.com,Seite 20: Clker-<br />

Free-Vector-Images/pixabay.com, Seite 25:<br />

<strong>Susanne</strong> <strong>Niemeyer</strong>, Seite 26: Tatyana<br />

Aksenova/photocase.de, Seite 31:<br />

Pezibear/pixabay.com, Seite 34: Saimen./<br />

photocase.de, Seite 38: pretzscheline/<br />

photocase.de, Seite 44: Trudy Obscure/<br />

photocase.de, Seite 52: Simon/unsplash.<br />

com, Seite 56: Joshua Coleman/unsplash.<br />

com, Seite 58: <strong>Susanne</strong> <strong>Niemeyer</strong>, Seite<br />

66: ad Rian/photocase.de, Seite 69 + 73:<br />

<strong>Susanne</strong> <strong>Niemeyer</strong>, Seite 75: Corina<br />

Rainer/unsplash.com, Seite 78: Kleeblatt/<br />

photocase.de, Seite 82: montecarlo/photocase.de,<br />

Seite 87: <strong>Susanne</strong> <strong>Niemeyer</strong>,<br />

Seite 89: Drew Farwell/unsplash.com,<br />

Seite 93: BE2k13/photocase.de, Seite 96:<br />

Yohann Lc/unsplash.com, Seite 98:<br />

EdnaM/iStockphoto.com, Seite 103:<br />

Gordon Johnson/pixabay.com, Seite 107:<br />

JB Photografie/photocase.de, Seite 111:<br />

style-photography/iStockphoto.com,<br />

Seite 112: time./photocase.de<br />

ISBN 978-3-96038-299-7 ISBN 978-3-438-06300-7<br />

www.eva-leipzig.de<br />

www.die-bibel.de

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