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Jacob Thiessen: Einleitung in das Neue Testament (Leseprobe)

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

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<strong>Jacob</strong> <strong>Thiessen</strong><br />

<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong><br />

<strong>Neue</strong><br />

<strong>Testament</strong>


VORWORT<br />

Die biblische <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft hängt eng mit der antiken Ge -<br />

schichte zusammen. Darum sollten auch unbed<strong>in</strong>gt wieder verstärkt<br />

die historischen Quellen aus dem Kontext der Entstehung der biblischen<br />

berücksichtigt werden. In Bezug auf die neutestamentliche <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft<br />

betrifft <strong>das</strong> nicht nur die Quellentexte der Alten<br />

Kirche, sondern auch z. B. jüdische Quellentexte im Zusammenhang<br />

mit den neutestamentlichen Evangelien usw. Diese vorliegende <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Neue</strong> <strong>Testament</strong> geht verhältnismäßig ausführlich auf die<br />

Alte Kirche e<strong>in</strong> (wenn auch <strong>in</strong> diesem Lehrbuch <strong>in</strong> gekürzter Form),<br />

wobei besonders die frühen Quellentexte berücksichtigt werden. Zu -<br />

dem spielt die Intertextualität <strong>in</strong>nerhalb der biblischen Schriften e<strong>in</strong>e<br />

größere Rolle, als <strong>das</strong> oft der Fall ist.<br />

Da <strong>das</strong> Format des Lehrbuchs es nicht erlaubt, können die H<strong>in</strong>weise<br />

auf die altkirchlichen Quellentexte nicht noch ausführlicher ausfallen.<br />

Gleiches gilt auch <strong>in</strong> Bezug auf die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit verschiedenen<br />

theologischen E<strong>in</strong>zelpositionen. Ich habe mich diesbezüglich auf<br />

<strong>das</strong> „Notwendige“ beschränkt (geplant ist, die ausführliche Version<br />

des Manuskriptes auch noch zu veröffentlichen). Die Bibliografie am<br />

Schluss legt dar, welche literarischen Quellen u. a. konsultiert wurden.<br />

Man beachte auch die Literarturh<strong>in</strong>weise zu den e<strong>in</strong>zelnen neutestamentlichen<br />

Schriften – vor allem die <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Neue</strong> <strong>Testament</strong><br />

von Udo Schnelle (Vandenhoeck & Ruprecht) sowie die <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong><br />

<strong>Neue</strong> <strong>Testament</strong>, die von Mart<strong>in</strong> Ebner und Stefan Schreiber herausgegeben<br />

wurde (Kohlhammer). Vorgesehen ist übrigens auch, <strong>das</strong>s ich<br />

me<strong>in</strong>e Vorlesungen über die <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Neue</strong> <strong>Testament</strong> im Laufe<br />

des Studienjahres 2023/24 aufzeichne und spätestens im Sommer 2024<br />

auf me<strong>in</strong>en YouTube-Kanal zur Verfügung stelle.<br />

Im April 2009 schrieb mir der 2015 verstorbene Neutestamentler<br />

Prof. Dr. Mart<strong>in</strong> Hengel aus Tüb<strong>in</strong>gen: „E<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiveres Gespräch zwischen<br />

den verschiedenen Richtungen wäre im Interesse der neutesta-


6<br />

V ORWORT<br />

mentlichen Exegese unbed<strong>in</strong>gt erwünscht.“ In diesem S<strong>in</strong>n b<strong>in</strong> ich<br />

dankbar für so vieles, <strong>das</strong> ich aus u. a. aus neutestamentlicher Literatur<br />

lernen konnte, ohne <strong>das</strong>s man mit allem e<strong>in</strong>verstanden se<strong>in</strong> muss. Lernbereitschaft<br />

schließt die grundsätzliche Offenheit angesichts neuer<br />

Erkenntnisse mit e<strong>in</strong>. Gerade die Bibelwissenschaft ist für mich e<strong>in</strong><br />

Bereich mit ständigen spannenden Entdeckungen. Die neutestamentlichen<br />

(wie die alttestamentlichen) <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>sfragen haben mich<br />

„schon immer“ <strong>in</strong>teressiert, weil sie für die biblische Exegese grundlegend<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Obwohl der „Stoff“, um den es <strong>in</strong> diesem Buch geht, zum Teil recht<br />

komplex ist, ist es mir e<strong>in</strong> Anliegen, <strong>das</strong>s z. B. Studierende der Theologie<br />

auch im ersten Semester (und theologische „Laien“) <strong>das</strong> Buch lesen und<br />

möglichst ohne Hürden verstehen können. Darum wird weitgehend auf<br />

die Verwendung hebräischer Begriffe verzichtet, und auch griechische<br />

Texte werden auf <strong>das</strong> „Notwendige“ beschränkt. Zudem werden hebräische<br />

und griechische Begriffe allgeme<strong>in</strong> im fließenden Text <strong>in</strong><br />

Umschrift wiedergegeben. Es gibt allerd<strong>in</strong>gs wenige Ausnahmen, bei<br />

denen es um e<strong>in</strong>en möglichst genauen Vergleich der griechischen Texte<br />

geht.<br />

Ich danke der Evangelischen Verlagsanstalt – allen voran Frau Dr.<br />

Annette Weidhas – herzlich für die Bereitschaft, dieses Buch <strong>in</strong> ihr Programm<br />

aufzunehmen! Die konstruktive Zusammenarbeit weiß ich zu<br />

schätzen. Der Druckzuschuss wurde von e<strong>in</strong>er Stiftung übernommen,<br />

wofür ich sehr dankbar b<strong>in</strong>. Zudem danke ich der Genossenschaft Alliance-CH<br />

herzlich für die großzügige f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung, so<strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Buch zu e<strong>in</strong>em günstigen Preis verkauft werden kann. Besonders<br />

angesichts me<strong>in</strong>es 20-jährigen Jubiläums als Rektor der universitären<br />

theologischen Hochschule STH Basel (seit dem 1. Januar 2004) und me<strong>in</strong>es<br />

60. Geburtstag im März 2024 ist <strong>das</strong> für mich e<strong>in</strong> großartiges Ge -<br />

schenk, <strong>das</strong> hoffentlich vielen dienen wird.<br />

Riehen bei Basel, im August 2023 <strong>Jacob</strong> <strong>Thiessen</strong>


INHALT<br />

1 ALLGEMEINE EINLEITUNG<br />

1.1 Bedeutung, Name und Inhalt des <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

1.2 Begriff und Aufgabe der neutestamentlichen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.3 Zur historisch-kritischen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

1.4 Zusammenfassung zur allgeme<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

2 EINLEITUNG IN DIE<br />

NEUSTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

2.1 Zur Frage nach der Literaturgattung der Evangelien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

2.2 Das Evangelium nach Matthäus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.2.1 Schlüsselvers, Thema und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.2.2 Das altkirchliche Zeugnis zur Verfasserschaft<br />

des Matthäusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

2.2.3 Papias und die Frage nach dem hebräischen Ursprung<br />

des Evangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

2.2.4 Argumente gegen die Abfassung durch den Apostel Matthäus . . 36<br />

2.2.5 Argumente für die Abfassung durch den Apostel Matthäus . . . . . 37<br />

2.2.6 Wer war Matthäus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

2.2.7 Das altkirchliche Zeugnis zur Datierung des<br />

Matthäusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

2.2.8 Argumente für e<strong>in</strong>e Datierung nach 70 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

2.2.9 Argumente für e<strong>in</strong>e Abfassung vor 70 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

2.2.10 Zielsetzung des Matthäusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

2.2.11 Zusammenfassung zum Matthäusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

2.3 Das Evangelium nach Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

2.3.1 Schlüsselvers, Thema und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

2.3.2 Sondergut des Markusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

2.3.3 Das altkirchliche Zeugnis zur Verfasserschaft des<br />

Markusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

2.3.4 E<strong>in</strong>wände gegen e<strong>in</strong>e Verfasserschaft durch<br />

Johannes Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

2.3.5 Argumente für die Abfassung durch Johannes Markus . . . . . . . . . . 55<br />

2.3.6 Datierung des Markusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

2.3.7 Abfassungsziel des Markusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58


8<br />

I NHALT<br />

2.3.8 Der Markusschluss (Mk 16,9-20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

2.3.9 Zusammenfassung zum Markusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

2.4 Das Evangelium nach Lukas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

2.4.1 Schlüsselvers, Thema und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

2.4.2 Das altkirchliche Zeugnis zur Verfasserschaft<br />

des Lukasevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

2.4.3 E<strong>in</strong>wände gegen e<strong>in</strong>e Abfassung durch den Arzt Lukas . . . . . . . . . . 62<br />

2.4.4 Was spricht für die Abfassung durch den Arzt Lukas? . . . . . . . . . . . 63<br />

2.4.5 Argumente für e<strong>in</strong>e Abfassung des Lukasevangeliums<br />

nach 70 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

2.4.6 Argumente für e<strong>in</strong>e Abfassung des Lukasevangeliums<br />

vor 70 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

2.4.7 Zielsetzung und Empfängerschaft des Lukasevangeliums . . . . . . . 73<br />

2.4.8 Zusammenfassung zum Lukasevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

2.5 Die synoptische Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

2.5.1 E<strong>in</strong>führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

2.5.2 Das altkirchliche Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

2.5.3 Vor- bzw. außersynoptische Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

2.5.4 Zu den <strong>in</strong>nersynoptischen Lösungsvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

2.5.5 Die Griesbach’sche Theorie bzw. die Benutzungshypothese . . . . . 82<br />

2.5.6 Die Zweiquellentheorie bzw. Markushypothese . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

2.5.7 <strong>Neue</strong>re Alternativmodelle zur Zweiquellentheorie . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

2.5.8 Anfragen an die Markushypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

2.5.9 E<strong>in</strong> Vergleich zur so genannten Akoluthie<br />

des Markusevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

2.5.10 Beispiele des synoptischen Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

2.5.11 Fazit zur synoptischen Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

2.5.12 Zusammenfassung zur synoptischen Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

2.6 Das Evangelium nach Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

2.6.1 Schlüsselverse und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

2.6.2 Das altkirchliche Zeugnis zur Verfasserschaft<br />

des Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />

2.6.3 Papias und der „Presbyter Johannes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

2.6.4 E<strong>in</strong>wände gegen die Verfasserschaft durch den<br />

Apostel Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

2.6.5 Argumente für die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . . . . 105<br />

2.6.6 Johannes 21 als Nachtragskapitel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

2.6.7 Johannes und die synoptischen Evangelien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

2.6.8 Fazit zur Verfasserfrage des Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

2.6.9 Die religionsgeschichtliche E<strong>in</strong>ordnung<br />

des Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

2.6.10 Abfassungsort und -zeit des Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . 124<br />

2.6.11 Zielsetzung und Empfängerschaft des Johannesevangeliums . . . 126<br />

2.6.12 Der Abschnitt mit der Ehebrecher<strong>in</strong> (Joh 7,53–8,11) . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

2.6.13 Zusammenfassung zum Johannesevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130


I NHALT 9<br />

3 DIE APOSTELGESCHICHTE<br />

3.1 Schlüsselvers und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

3.2 Zur Verfasserschaft der Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

3.3 Die altkirchliche Überlieferung zur Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

3.4 Die Bestreitung der Verfasserschaft durch den Paulus-Begleiter Lukas . . 133<br />

3.5 Argumente für e<strong>in</strong>e Abfassung durch Lukas, den Reisebegleiter<br />

des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />

3.6 Abfassungsort und -zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

3.7 Zweck und Ziel der Abfassung der Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />

3.8 Die Berichte über <strong>das</strong> Damaskus-Erlebnis des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140<br />

3.9 Widersprüche zwischen der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen? 142<br />

3.10 Zusammenfassung zur Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

4 DIE PAULUSBRIEFE UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

4.1 Allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Paulusbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

4.1.1 Chronologie des Lebens von Paulus im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

4.1.2 Zur Form der neutestamentlichen Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

4.1.3 Allgeme<strong>in</strong>es zu den Paulusbriefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

4.1.4 Anhaltspunkte zur Festlegung der Paulus-Chronologie . . . . . . . . . 153<br />

4.1.5 Das Claudius-Edikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

4.1.6 Die Gallio-Inschrift bzw. Delphi-Inschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154<br />

4.1.7 Der Statthalterwechsel von Felix zu Festus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

4.1.8 Die vorausgesagte Hungersnot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

4.1.9 Zur relativen Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

4.1.10 Zusammenfassung zur E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Paulusbriefe . . . . . . . . . 165<br />

4.2 Der Galaterbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

4.2.1 Schlüsselverse und Gliederung des Galaterbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

4.2.2 Die Verfasserschaft des Galaterbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

4.2.3 Die Empfänger des Galaterbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

4.2.4 Argumente für die nordgalatische Theorie<br />

(Landschaftshypothese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

4.2.5 Argumente für die südgalatische Theorie (Prov<strong>in</strong>zhypothese) . . . 170<br />

4.2.6 Abfassungsort und -zeit des Galaterbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

4.2.7 Umstände und Ziel der Abfassung des Galaterbriefs . . . . . . . . . . . . 175<br />

4.2.8 Zusammenfassung zum Galaterbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

4.3 Der 1. Thessalonicherbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

4.3.1 Schlüsselverse und Gliederung des 1. Thessalonicherbriefs . . . . . . 179<br />

4.3.2 Die Verfasserschaft des 1. Thessalonicherbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180<br />

4.3.3 Abfassungsort und -zeit des 1. Thessalonicherbriefs . . . . . . . . . . . . . 182<br />

4.3.4 Umstände und Abfassungsziel des 1. Thessalonicherbriefs . . . . . . 183<br />

4.3.5 Zusammenfassung zum 1. Thessalonicherbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . 185<br />

4.4 Der 2. Thessalonicherbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185<br />

4.4.1 Schlüsselvers und Gliederung des 2. Thessalonicherbriefs . . . . . . . 185<br />

4.4.2 Das Selbstzeugnis und die altkirchliche Bezeugung . . . . . . . . . . . . . 186


10<br />

I NHALT<br />

4.4.3 Argumente gegen die Echtheit des 2. Thessalonicherbriefs . . . . . . 187<br />

4.4.4 Argumente für Paulus als Verfasser des 2. Thessalonicherbriefs . . 189<br />

4.4.5 Abfassungsort und -zeit des 2. Thessalonicherbriefs . . . . . . . . . . . . 191<br />

4.4.6 Empfängerschaft und Zielsetzung des 2. Thessalonicherbriefs . . . 192<br />

4.4.7 Zusammenfassung zum 2. Thessalonicherbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

4.5 Der 1. Kor<strong>in</strong>therbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194<br />

4.5.1 Schlüsselvers und Gliederung des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . 194<br />

4.5.2 Die Verfasserschaft des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />

4.5.3 Der Apostel Paulus und die Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th . . . . . . . . . . . . . . . 198<br />

4.5.4 Abfassungsort und -zeit des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202<br />

4.5.5 Zum H<strong>in</strong>tergrund des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

4.5.6 Zusammenfassung zum 1. Kor<strong>in</strong>therbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205<br />

4.6 Der 2. Kor<strong>in</strong>therbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205<br />

4.6.1 Schlüsselverse und Gliederung des 2. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . 205<br />

4.6.2 Die Verfasserschaft des 2. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />

4.6.3 Teilungshypothesen des 2. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207<br />

4.6.4 Abfassungsort und -zeit des 2. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 209<br />

4.6.5 Zielsetzung des 2. Kor<strong>in</strong>therbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />

4.6.6 Zusammenfassung zum 2. Kor<strong>in</strong>therbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />

4.7 Der Römerbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212<br />

4.7.1 Schlüsselverse und Gliederung des Römerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 212<br />

4.7.2 Die Verfasserschaft des Römerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214<br />

4.7.3 Abfassungsort und -zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216<br />

4.7.4 Die Empfänger des Römerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217<br />

4.7.5 Umstände, Abfassungszweck und Thema des Römerbriefs . . . . . . 219<br />

4.7.6 Die Grußliste <strong>in</strong> Römer 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222<br />

4.7.7 Zusammenfassung zum Römerbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223<br />

4.8 Die Gefangenschaftsbriefe (Epheser-, Philipper-, Kolosserund<br />

Philemonbrief) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

4.8.1 E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Gefangenschaftsbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

4.8.2 Abfassungsort und -zeit der Gefangenschaftsbriefe . . . . . . . . . . . . . 226<br />

4.8.3 Zusammenfassung der E<strong>in</strong>führung zu den<br />

Gefangenschaftsbriefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />

4.8.4 Schlüsselverse und Gliederung des Epheserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />

4.8.5 Das Selbstzeugnis und die altkirchliche Überlieferung<br />

zur Verfasserschaft des Epheserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233<br />

4.8.6 E<strong>in</strong>wände gegen die Echtheit des Epheserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 234<br />

4.8.7 Argumente für Paulus als Verfasser des Epheserbriefs . . . . . . . . . . . 237<br />

4.8.8 Der Epheserbrief und der Artemiskult <strong>in</strong> Ephesus . . . . . . . . . . . . . . 239<br />

4.8.9 Die Empfängerschaft des Epheserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

4.8.10 Zielsetzung des Epheserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244<br />

4.8.11 Zusammenfassung zum Epheserbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247<br />

4.8.12 Schlüsselverse und Gliederung des Kolosserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . 247<br />

4.8.13 Das Selbstzeugnis und die altkirchliche Überlieferung<br />

zur Verfasserschaft des Kolosserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248


I NHALT 11<br />

4.8.14 E<strong>in</strong>wände gegen die Echtheit des Kolosserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

4.8.15 Argumente für die Echtheit des Kolosserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 251<br />

4.8.16 Abfassungszweck des Kolosserbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

4.8.17 Zusammenfassung zum Kolosserbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254<br />

4.8.18 Schlüsselvers und Gliederung des Philemonbriefs . . . . . . . . . . . . . . 254<br />

4.8.19 Verfasserschaft und Abfassungszeit des Philemonbriefs . . . . . . . . . 255<br />

4.8.20 Die Empfängerschaft des Philemonbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255<br />

4.8.21 Anlass und Zielsetzung des Philemonbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

4.8.22 Zusammenfassung zum Philemonbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

4.8.23 Schlüsselbegriffe und Gliederung des Philipperbriefs . . . . . . . . . . . 257<br />

4.8.24 Verfasserschaft und literarische Integrität des Philipperbriefs . . . 257<br />

4.8.25 Philipper 2,6-11 – e<strong>in</strong> vorpaul<strong>in</strong>ischer Hymnus? . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />

4.8.26 Abfassungsort und -zeit des Philipperbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262<br />

4.8.27 Anlass des Philipperbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

4.8.28 Zusammenfassung zum Philipperbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

4.9 Die Pastoralbriefe (1./2. Timotheus- und Titusbrief) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264<br />

4.9.1 Allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264<br />

4.9.2 Die E<strong>in</strong>heitlichkeit und die Unterschiede der Pastoralbriefe . . . . . 264<br />

4.9.3 Die Selbstbezeugung und <strong>das</strong> Zeugnis der Alten Kirche . . . . . . . . . 268<br />

4.9.4 E<strong>in</strong>wände gegen die Echtheit der Pastoralbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . 270<br />

4.9.5 Argumente für die Echtheit der Pastoralbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />

4.9.6 Die Datierung des 1. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />

4.9.7 Die Datierung des Titusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277<br />

4.9.8 Die Datierung des 2. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278<br />

4.9.9 Schlüsselvers und Gliederung des 1. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . 280<br />

4.9.10 Der Empfänger des 1. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281<br />

4.9.11 Anlass und Zielsetzung des 1. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

4.9.12 Schlüsselverse und Gliederung des Titusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

4.9.13 Der Empfänger des Titusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283<br />

4.9.14 Anlass und Zielsetzung des Titusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283<br />

4.9.15 Schlüsselvers und Gliederung des 2. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . 284<br />

4.9.16 Anlass und Zielsetzung des 2. Timotheusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

4.9.17 Zusammenfassung zu den Pastoralbriefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287<br />

4.10 Der Hebräerbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288<br />

4.10.1 Schlüsselvers und Gliederung des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 288<br />

4.10.2 Die altkirchliche Bezeugung des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 289<br />

4.10.3 Wer ist der Verfasser des Hebräerbriefs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291<br />

4.10.4 Die Empfängerschaft des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />

4.10.5 Abfassungsort und Datierung des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />

4.10.6 Ziel und Zweck des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />

4.10.7 Zusammenfassung zum Hebräerbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300


12<br />

I NHALT<br />

5 DIE KATHOLISCHEN BRIEFE<br />

5.1 E<strong>in</strong>führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

5.2 Der Jakobusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

5.2.1 Schlüsselvers und Gliederung des Jakobusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

5.2.2 Zur Verfasserschaft des Jakobusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304<br />

5.2.3 Die altkirchliche Bezeugung des Jakobusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />

5.2.4 Argumente gegen den Herrenbruder Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306<br />

5.2.5 Argumente für den Herrenbruder Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />

5.2.6 Die Empfängerschaft des Jakobusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312<br />

5.2.7 Datierung und Abfassungsort des Jakobusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 315<br />

5.2.8 Zusammenfassung zum Jakobusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316<br />

5.3 Der 1. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

5.3.1 Schlüsselvers und Gliederung des 1. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

5.3.2 Das Selbstzeugnis des Verfassers im 1. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . . 318<br />

5.3.3 Die altkirchliche Bezeugung des 1. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 319<br />

5.3.4 Argumente gegen die Echtheit des 1. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />

5.3.5 Argumente für die Echtheit des 1. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />

5.3.6 Die Empfängerschaft des 1. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

5.3.7 Abfassungsort und Datierung des 1. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />

5.3.8 Zusammenfassung zum 1. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />

5.4 Der 2. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />

5.4.1 Schlüsselverse und Gliederung des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . 330<br />

5.4.2 Das Selbstzeugnis des Verfassers im 2. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . 331<br />

5.4.3 Die altkirchliche Bezeugung des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 331<br />

5.4.4 Das Verhältnis des 2. Petrusbriefs zum Ju<strong>das</strong>brief . . . . . . . . . . . . . . . 334<br />

5.4.5 Das Verhältnis des 2. Petrusbriefs zum 1. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . 336<br />

5.4.6 Argumente gegen die Echtheit des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

5.4.7 Argumente für die Echtheit des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

5.4.8 Die Empfängerschaft des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342<br />

5.4.9 Abfassungsort und Datierung des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . 343<br />

5.4.10 Schwerpunkte und Zielsetzung des 2. Petrusbriefs . . . . . . . . . . . . . . 345<br />

5.4.11 Zusammenfassung zum 2. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346<br />

5.5 Der 1. Johannesbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347<br />

5.5.1 Schlüsselvers und Gliederung des 1. Johannesbriefs . . . . . . . . . . . . . 347<br />

5.5.2 Das Selbstzeugnis und die Verwandtschaft zum<br />

Johannesevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348<br />

5.5.3 Die altkirchliche Bezeugung des 1. Johannesbriefs . . . . . . . . . . . . . . 348<br />

5.5.4 Argumente gegen die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . 349<br />

5.5.5 Argumente für die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . . . . 351<br />

5.5.6 Die Empfängerschaft des 1. Johannesbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353<br />

5.5.7 Abfassungsort und Datierung des 1. Johannesbriefs . . . . . . . . . . . . . 354<br />

5.5.8 Zusammenfassung zum 1. Johannesbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354<br />

5.6 Der 2. und der 3. Johannesbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />

5.6.1 Gliederung des 2. und 3. Johannesbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355


I NHALT 13<br />

5.6.2 Das Selbstzeugnis und die altkirchliche Überlieferung . . . . . . . . . . 355<br />

5.6.3 Argumente gegen die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . 357<br />

5.6.4 Argumente für die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . . . . 357<br />

5.6.5 Die Empfängerschaft des 2. und 3. Johannesbriefs . . . . . . . . . . . . . . 359<br />

5.6.6 Abfassungsort und Datierung des 2. und 3. Johannesbriefs . . . . . . 359<br />

5.6.7 Zusammenfassung zum 2. und 3. Johannesbrief . . . . . . . . . . . . . . . . 361<br />

5.7 Der Ju<strong>das</strong>brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361<br />

5.7.1 Schlüsselvers und Gliederung des Ju<strong>das</strong>briefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361<br />

5.7.2 Das Selbstzeugnis und die altkirchliche Überlieferung . . . . . . . . . . 362<br />

5.7.3 Argumente gegen den Herrenbruder Ju<strong>das</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362<br />

5.7.4 Argumente für den Herrenbruder Ju<strong>das</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363<br />

5.7.5 Die Empfängerschaft des Ju<strong>das</strong>briefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />

5.7.6 Abfassungsort und Datierung des Ju<strong>das</strong>briefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />

5.7.7 Zusammenfassung zum Ju<strong>das</strong>brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365<br />

6 DIE JOHANNESOFFENBARUNG<br />

6.1 Schlüsselverse und Gliederung der Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366<br />

6.2 Das Selbstzeugnis und die altkirchliche Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . 367<br />

6.3 Argumente gegen die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . . . . . . . . 373<br />

6.4 Argumente für die Abfassung durch den Apostel Johannes . . . . . . . . . . . . . 374<br />

6.5 Die Datierung der Johannesoffenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378<br />

6.6 Die Botschaft der Johannesoffenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381<br />

6.7 Zusammenfassung zur Johannesoffenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389<br />

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391


1.<br />

ALLGEMEINE EINLEITUNG<br />

1.1 BEDEUTUNG, NAME UND INHALT<br />

DES NEUEN TESTAMENTS<br />

Der Ausdruck „<strong>Neue</strong>s <strong>Testament</strong>“ geht u. a. auf den griechischen Ausdruck<br />

hē ka<strong>in</strong>ē diatēkē (ἡ καινὴ διαθήκη) = „der neue Bund/testamentarische<br />

Vertrag“ zurück. Der Ausdruck „Altes <strong>Testament</strong>“ geht auf den<br />

griechischen Ausdruck hē palaia diatēkē (ἡ παλαιά διαθήκη) zurück:<br />

„der alte Bund/testamentarische Vertrag“. Somit ist grundsätzlich vom<br />

„alten Bund/<strong>Testament</strong>“ (S<strong>in</strong>ai-Bund) und vom „neuen Bund/<strong>Testament</strong>“<br />

die Rede. Die Bündnisse Gottes mit se<strong>in</strong>em Volk, von denen die<br />

Bibel berichtet und die dem biblischen Heilsgeschehen zugrunde liegen,<br />

s<strong>in</strong>d jedoch nicht Bündnisse bzw. Verträge zwischen zwei gleichwertigen<br />

Partnern; vielmehr bestimmt Gott alle<strong>in</strong>, was „vertraglich“<br />

festgelegt wird. Andererseits handelt es sich dabei nicht um e<strong>in</strong> <strong>Testament</strong><br />

<strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>n, <strong>das</strong>s Gott lediglich festlegt, was die betroffenen Menschen<br />

von ihm empfangen; vielmehr verheißt Gott den Menschen se<strong>in</strong><br />

Heil und schenkt es ihnen. Aber er teilt ihnen auch se<strong>in</strong>e „Verpflichtungen“<br />

für die Menschen mit, die „vertraglich“ se<strong>in</strong> Heil empfangen.<br />

E<strong>in</strong> „neuer Bund“ wird <strong>in</strong> Jer 31,31–34 verheißen (vgl. u. a. Hes 36,25–<br />

27). Und wie im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> vor allem <strong>in</strong> Hebr 8,6–13 sichtbar<br />

wird, waren alle, die zum Glauben an Jesus Christus gekommen waren,<br />

überzeugt, <strong>das</strong>s der „neue Bund“ durch Jesus Christus bzw. durch se<strong>in</strong>en<br />

Kreuzestod gestiftet worden ist (vgl. dazu u. a. Mt 26,28; Mk 14,24;<br />

Lk 22,20; 1Kor 11,25–27). Nach Hebr 8,13 ist der Alte Bund, der auch als<br />

„erster Bund“ bezeichnet wird (vgl. Hebr 9,1.15), „dem Verschw<strong>in</strong>den<br />

nahe“. Damit ist im Kontext des Hebräerbriefs geme<strong>in</strong>t, <strong>das</strong>s die Opfer<br />

des S<strong>in</strong>ai-Bundes nun „veraltet“ s<strong>in</strong>d (vgl. u. a. Hebr 9,1: „der erste [Bund]<br />

hatte also Satzungen des [Opfer-]Dienstes und <strong>das</strong> irdische Heiligtum“),<br />

weil sie durch <strong>das</strong> Opfer Jesu Christi erfüllt worden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dem Jesus<br />

Christus <strong>das</strong> verheißene „bessere Opfer“ ist (vgl. Hebr 10,7 ff.; 11,4).


16<br />

1. ALLGEMEINE EINLEITUNG<br />

Der Ausdruck hē palaia diatēkē (ἡ παλαιά διαθήκη) = „alter Bund/<br />

Altes <strong>Testament</strong>“ ersche<strong>in</strong>t im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> nur <strong>in</strong> 2Kor 3,14. Wie<br />

der Zu sammenhang zeigt, s<strong>in</strong>d dabei bereits die Schriften des „alten<br />

Bundes“ geme<strong>in</strong>t. Mit dem „alten Bund“ ist grundsätzlich der S<strong>in</strong>ai-<br />

Bund – d. h. der Bund, den Gott mit dem Volk Israel am Berg S<strong>in</strong>ai <strong>in</strong> der<br />

Wüstenwanderung am „Tag der Vollversammlung“ (vgl. z. B. Deut 4,10;<br />

9,10; 18,16) gestiftet hat, wodurch Israel Gottes „Bundesvolk“ wurde – ge -<br />

me<strong>in</strong>t. Die Schriften des Alten <strong>Testament</strong>s, welche den „alten Bund“<br />

voraussetzen bzw. be<strong>in</strong>halten, werden mit diesem „Bund“ identifiziert.<br />

Der „Kirchenvater“ Tertullian, der se<strong>in</strong>e Schriften um 200 n. Chr. <strong>in</strong><br />

late<strong>in</strong>ischer Sprache verfasste, spricht <strong>in</strong> Bezug auf die biblischen Schriften<br />

vom „Alten und <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>“ (veteris et novi testamenti; Marc<br />

4,6,1), und Eusebius zufolge hat schon Melito von Sardes (um 170 n. Chr.)<br />

<strong>in</strong> der <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> se<strong>in</strong>er Schrift „Auszüge“ e<strong>in</strong> „Verzeichnis (κατάλογον)<br />

der anerkannten Schriften des Alten <strong>Testament</strong>s“ aufgeführt, wobei<br />

Melito dem Wunsch des Onesimus folgte, der demnach „die Exaktheit<br />

(ἀκρίβειαν) der alten Bücher kennen lernen“ wollte (Hist Eccl 4,26,12 f.).<br />

Andererseits ist <strong>in</strong> Hebr 9,15 <strong>in</strong> Bezug auf den S<strong>in</strong>ai-Bund vom „Ersten<br />

Bund/ <strong>Testament</strong>“ die Rede. Im Kontext wird demgegenüber der „<strong>Neue</strong><br />

Bund“ betont, dessen Mittler Jesus Christus durch se<strong>in</strong>en Tod geworden<br />

ist (Hebr 9,15–17.20; vgl. Hebr 10,16.29; 12,24; 13,20).<br />

Das <strong>Neue</strong> <strong>Testament</strong> – die Schriften des <strong>Neue</strong>n Bundes – be<strong>in</strong>haltet<br />

<strong>in</strong>sgesamt 27 Schriften: Vier Evangelien, die Apostelgeschichte des<br />

Lukas, 13 Paulusbriefe, den Hebräerbrief und sieben „Katholische Briefe“<br />

sowie die Johannesoffenbarung. Diese Schriften stellen den Inhalt des<br />

„neuen Bundes“ bzw. des „<strong>Testament</strong>s“ dar, den Jesus Christus gestiftet<br />

und durch se<strong>in</strong>e Apostel dem Volk Gottes vermittelt hat. Um die Entstehung<br />

und den Inhalt dieser 27 Schriften des <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>s geht es<br />

<strong>in</strong> der neutestamentlichen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft.<br />

1.2 BEGRIFF UND AUFGABE<br />

DER NEUTESTAMENTLICHEN EINLEITUNG<br />

Die neutestamentliche <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft beschäftigt sich mit<br />

Fragen zur Entstehung der neutestamentlichen Schriften <strong>in</strong> ihrem<br />

Bezug zum jeweiligen historischen H<strong>in</strong>tergrund. 1 Erste Angaben zur<br />

Verfasserfrage e<strong>in</strong>zelner neutestamentlicher Schriften f<strong>in</strong>den wir bei


1.2 BEGRIFF UND AUFGABE DER NEUTESTAMENTLICHEN EINLEITUNG 17<br />

Papias, „Bischof“ von Hierapolis, der von Irenäus (ca. 180 n. Chr.) als<br />

„alter/ursprünglicher Mann“ (ἀρχαῖος ἀνήρ) und als Hörer des Apostels<br />

Johannes (<strong>in</strong> Ephesus) und „Kollege“ des Polykarp von Smyrna beschrieben<br />

wird (Adv haer 5,33,4). Papias, der ca. 100–120 n. Chr. „Fünf Schriften<br />

zur Auslegung von Herrenworten/Herrensprüchen“ schrieb, ist wohl<br />

etwa 60 n. Chr. geboren. Se<strong>in</strong> Freund Polykarp, der nach altkirchlicher<br />

Überlieferung vom Apostel Johannes als „Bischof“ von Smyrna e<strong>in</strong>gesetzt<br />

wurde, war bei se<strong>in</strong>em Märtyrertod im Jahr 155 n. Chr. 86 Jahre alt,<br />

so<strong>das</strong>s Polykarp ca. 69 n. Chr. geboren worden se<strong>in</strong> muss. Der Canon<br />

Muratori (ca. 180 n. Chr.) enthält Bemerkungen zu den e<strong>in</strong>zelnen Schriften.<br />

Auch Kirchenväter wie Clemens Alexandr<strong>in</strong>us (um 160 n. Chr.), Irenäus<br />

(ca. 180 n. Chr.), Origenes (3. Jh. n. Chr.), Eusebius (ca. 310 n. Chr.)<br />

und Hieronymus (um 400 n. Chr.) haben Aussagen zur Entstehung der<br />

neutestamentlichen Schriften h<strong>in</strong>terlassen. Hadrian schrieb um 450<br />

n. Chr. e<strong>in</strong>e „<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> die göttlichen Schriften“ (εἰσαγωγή εἰς τὰς<br />

θείας Γραφάς).<br />

Die Diszipl<strong>in</strong> der biblischen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft entstand allerd<strong>in</strong>gs<br />

erst im Zeitalter der Aufklärung (17.–18. Jahrhundert) aufgrund<br />

e<strong>in</strong>es neuen Interesses an historischer Theologie. Bis dah<strong>in</strong> kannte man<br />

vor allem die kirchliche Dogmatik, die mehr oder weniger stark an die<br />

Tradition der Kirche gebunden war, wobei die „historische Exegese“<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht grundsätzlich unbekannt war. E<strong>in</strong>e „biblische Theologie“<br />

ergab sich nach Goppelt jedoch „erst, als <strong>das</strong> reformatorische<br />

Schriftpr<strong>in</strong>zip, meist <strong>in</strong> pietistischer Modifizierung, dem geschichtlichen<br />

Denken der Aufklärung begegnete“ (Theologie, S. 24). Mit anderen<br />

Worten: Die Biblische Theologie ist e<strong>in</strong>e Folge der „historisch-kritischen<br />

Schriftforschung“, die besagt, <strong>das</strong>s auch die Bibel bzw. ihre Schriften<br />

„zuerst als historische Urkunden der Vergangenheit gesehen werden“<br />

müssen. „Was sie für die Gegenwart bedeuten, muß dann ihre<br />

Interpretation durch die autonome Vernunft ergeben. Diese Interpretation<br />

geht naturgemäß von der jeweiligen Philosophie der Zeit aus,<br />

<strong>in</strong>sbesondere von ihrem Geschichtsverständnis“, betont Goppelt weiter<br />

(S. 24). Man war (und ist) bestrebt, die biblischen Texte „re<strong>in</strong> historisch“<br />

zu verstehen, und <strong>das</strong> heißt z. B. grundsätzlich, <strong>das</strong>s man den biblischen<br />

Texten nur entnehmen kann, was der Verfasser z. B. über Gott denkt<br />

und schreibt, aber nicht über die Wirklichkeit Gottes selbst.<br />

1 Vgl. u. a. Breytenbach, Historisch-kritische <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 15–29.


18<br />

1. ALLGEMEINE EINLEITUNG<br />

Schon Sp<strong>in</strong>oza (1632–1677) unterzog die Bibel der „historischen Kritik“<br />

und wollte e<strong>in</strong>e allmähliche Entstehung der fünf Mosesbücher aufzeigen.<br />

Doch den Anfangspunkt der wissenschaftlichen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>s -<br />

diszipl<strong>in</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n setzte Richard Simon (1638–1712), Oratorianer <strong>in</strong><br />

Paris, der e<strong>in</strong>e dreibändige „Histoire critique du Nouveau <strong>Testament</strong>“<br />

(Rotterdam, 1689–1693) verfasste. Im Jahr 1750 legte Johann David Mi -<br />

chaelis auf protestantischer Seite e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> vor, die von Simon<br />

bee<strong>in</strong>flusst war. Johann Salomo Semler (1725–1791) unterschied <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

„Abhandlung von freier Untersuchung des Kanons“ (1771–1775) zwischen<br />

„Theologie“ (= biblische Wissenschaft) und „Religion“ (= Gottvertrauen).<br />

Semler hat nach Kümmel dar<strong>in</strong> „nachgewiesen, daß die Frage<br />

der Zugehörigkeit e<strong>in</strong>er nt. Schrift zum Kanon re<strong>in</strong> geschichtlich zu<br />

sehen sei, weil der Kanon durch menschliche Übere<strong>in</strong>kunft zustande<br />

gekommen ist, und daß darum sich Gottes Wort und Heilige Schrift<br />

nicht decken“ (Bibelwissenschaft, Sp. 1240). Voraussetzung dieser Be -<br />

hauptung Semlers war die „E<strong>in</strong>sicht“, die im englischen Deismus er -<br />

wachsen war, nämlich „daß <strong>das</strong> NT wie jede andere menschliche Ur -<br />

kunde völlig vorurteilslos [!] <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em geschichtlichen Zusammenhang<br />

betrachtet werden müsse, und dabei hatte sich ergeben, daß <strong>das</strong> NT irrtümliche<br />

Vorstellungen (z. B. die Erwartung des nahen Endes) enthalte<br />

und sachlich ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit darstelle“ (ebd.).<br />

Damit ist die biblische <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft im S<strong>in</strong>n der Aufklärung<br />

von Anfang an „historisch-kritisch“ geprägt. Dabei wurde oft e<strong>in</strong><br />

Weltbild vorausgesetzt, <strong>das</strong>s Gott grundsätzlich aus dem Geschichtsgeschehen<br />

ausschließt. Auch wenn dieses „Weltbild“ heute zum<strong>in</strong>dest<br />

weitgehend nicht mehr so geteilt wird, so werden doch viele „Ergebnisse“<br />

der damaligen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft bis heute übernommen.<br />

1.3 ZUR HISTORISCH-KRITISCHEN<br />

EINLEITUNGSWISSENSCHAFT<br />

Als Folge der Aufklärung s<strong>in</strong>d die biblische <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft<br />

und die Biblische Theologie als wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong> entstanden.<br />

Dabei war man bestrebt, den Bibeltext „re<strong>in</strong> historisch“ zu verstehen,<br />

und <strong>das</strong> heißt grundsätzlich, <strong>das</strong>s man dem biblischen Text nur entnehmen<br />

kann, was der Verfasser z. B. über Gott denkt und schreibt, aus<br />

ihnen aber nicht Aussagen über die Wirklichkeit Gottes selbst ableiten


1.3 ZUR HISTORISCH- KRITISCHEN EINLEITUNGSWISSENSCHAFT 19<br />

kann. Da diese Verfasser nicht isoliert <strong>das</strong>tehen, versucht man aufzuzeigen,<br />

wie sie durch ihre Zeit bee<strong>in</strong>flusst s<strong>in</strong>d. In diesem Zusammenhang<br />

ist u. a. die Entstehung der Religionsgeschichtlichen Schule um <strong>das</strong> Jahr<br />

1900 zu erwähnen.<br />

William Wrede forderte im Jahr 1897 (Aufgabe, S. 81–154) – mit den<br />

Worten Goppelts – die neutestamentlichen Schriften „müßten endlich<br />

konsequent historisch, nämlich aus ihrer Entstehungssituation heraus<br />

gesehen und gedeutet werden“ (Theologie, S. 29). Das übernatürliche<br />

E<strong>in</strong>greifen Gottes <strong>in</strong> die Geschichte wird dabei ausgeblendet. Wunder <strong>in</strong><br />

der Bibel „dürfen“ dann so nicht geschehen se<strong>in</strong>, und selbst die Auferstehung<br />

Jesu wird nicht als historisches Ereignis verstanden. 2 Somit ist<br />

Gadamers Bemerkung, <strong>das</strong>s die „historische Bibelkritik, die im 18. Jahrhundert<br />

grundsätzlich durchdr<strong>in</strong>gt, … durchaus e<strong>in</strong> dogmatisches Fundament<br />

<strong>in</strong> dem Vernunftglauben der Aufklärung“ hat (Wahrheit, S. 186),<br />

treffend.<br />

Ernst Tröltsch hat „die historisch-kritische Methode“ der Bibelauslegung<br />

um 1900 systematisch dargestellt, 3 und zwar mit folgenden<br />

Grundpfeilern:<br />

– Das Postulat der Kritik: Es gibt auf dem historischen Gebiet nur<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsurteile. Daher ist es die Aufgabe der historischen<br />

Forschung, den Grad der Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ausf<strong>in</strong>dig zu machen.<br />

– Das Pr<strong>in</strong>zip der Analogie: Geschichtliche Ereignisse müssen Parallele<br />

aus dem re<strong>in</strong> immanenten Bereich aufweisen können, um für sich<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit beanspruchen zu können. Mit anderen Worten: Was<br />

ich sehe, <strong>das</strong>s es heute geschieht, <strong>das</strong> kann zur Zeit Jesu und der Apostel<br />

auch geschehen se<strong>in</strong>. Wenn heute ke<strong>in</strong>e Toten auferstehen, kann <strong>das</strong><br />

damals auch nicht geschehen se<strong>in</strong>.<br />

– Das Pr<strong>in</strong>zip der Korrelation: Alle Vorgänge und Ersche<strong>in</strong>ungen des<br />

geistigen und geschichtlichen Bereichs stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kausalen <strong>in</strong>nerweltlichen<br />

Wechselwirkung von Ursache und Wirkung zu anderen Vorgängen<br />

und Ereignissen. Die Bibel ist demnach e<strong>in</strong> Produkt des antiken<br />

religiösen menschlichen Geistes und nicht Ergebnis des göttlichen E<strong>in</strong>greifens<br />

<strong>in</strong> die Weltgeschichte. Wird dieses Pr<strong>in</strong>zip zu Ende gedacht,<br />

dann kann es schlussendlich ke<strong>in</strong>e Erlösung des Menschen geben, die<br />

von Gott kommt.<br />

2 Vgl. dazu <strong>Thiessen</strong>, Auferstehung Jesu, S. 11 ff.<br />

3 Vgl. Troeltsch, Über historische und dogmatische Methode, S. 4 ff.


2.<br />

EINLEITUNG IN DIE<br />

NEUTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

2.1 ZUR FRAGE NACH DER LITERATURGATTUNG<br />

DER EVANGELIEN<br />

Über die Frage nach der literarischen „Gattung“ der neutestamentlichen<br />

Evangelien ist viel nachgedacht und geschrieben worden. Da es sich<br />

jedoch bei der Bezeichnung als „Evangelien“ (εὐαγγέλιον) offensichtlich<br />

zuerst nicht um e<strong>in</strong>e „Gattung“, sondern um den Inhalt handelt, soll im<br />

Folgenden e<strong>in</strong>leitend auf diesen Inhalt Bezug genommen werden.<br />

Der griechische Begriff „Evangelium“ (εὐαγγέλιον) bezeichnet den<br />

Lohn für die Überbr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>er guten Nachricht, dann auch die gute<br />

Nachricht selbst (z. B. von e<strong>in</strong>em Sieg, von der Geburt e<strong>in</strong>es Kaisersohnes).<br />

Im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> ersche<strong>in</strong>t der Begriff 76-mal, und zwar nur im<br />

S<strong>in</strong>gular (zwölfmal <strong>in</strong> den Evangelien, davon viermal im Matthäusevangelium<br />

und achtmal im Markusevangelium). Es handelt sich dabei um<br />

die „frohe Botschaft“ von dem Erlösungs- und Heilswerk Jesu Christi.<br />

Der entsprechende hebräische Begriff ‏(בשֹׂרה)‏ ersche<strong>in</strong>t im Alten<br />

<strong>Testament</strong> sechsmal (2Sam 4,10; 18,20.22.25.27; 2Kön 7,9) im S<strong>in</strong>n von<br />

„Freudenbotschaft“ oder „Lohn e<strong>in</strong>es Freudenboten“; 24-mal wird <strong>das</strong><br />

entsprechende Verb ‏(בשֹׂר)‏ gebraucht (23-mal als Piel und e<strong>in</strong>mal als Hitpael),<br />

und zwar <strong>in</strong> der Regel im S<strong>in</strong>n von „e<strong>in</strong>e Freudenbotschaft br<strong>in</strong>gen“<br />

(anders <strong>in</strong> 1Sam 4,17). Es handelt sich dabei u. a. um die Botschaft<br />

vom Heil bzw. von der Errettung ‏(ישׁועה)‏ durch den kommenden Erlöser,<br />

durch den Gott königlich <strong>in</strong> Israel und auf Erden herrschen und<br />

somit se<strong>in</strong> Heil verwirklichen wird (vgl. z. B. Jes 40,9; 41,27; 52,7; 60,6; 61,1).<br />

In der Septuag<strong>in</strong>ta ersche<strong>in</strong>t der Begriff „Frohe Botschaft/Evangelium“<br />

(εὐαγγέλιον) nur <strong>in</strong> 2Sam 4,10 <strong>in</strong> der Pluralform (εὐαγγέλια), und<br />

23-mal ersche<strong>in</strong>t <strong>das</strong> Verb „Frohe Botschaft/Evangelium verkündigen“<br />

(εὐαγγελίζω).<br />

In der „messianischen“ Verheißung <strong>in</strong> Jes 61,1 lesen wir: „Der Geist<br />

des Herrn Jahwes ist auf mir. Denn Jahwe hat mich gesalbt. Er hat mich


26<br />

2. EINLEITUNG IN DIE NEUTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

gesandt, den Elenden/Armen [frohe Botschaft] zu verkündigen (LXX:<br />

εὐαγγελίσασθαι πτωχοῖς), zu verb<strong>in</strong>den, die gebrochenen Herzens s<strong>in</strong>d,<br />

Freilassung auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den<br />

Gebundenen.“ Die Gewissheit, <strong>das</strong>s solche Verheißungen <strong>in</strong> Jesus Christus<br />

zu ihrer Erfüllung kommen, ist zweifelsohne der H<strong>in</strong>tergrund so -<br />

wohl der Verkündung Jesu selbst als auch der Verkündigung der Apostel<br />

vom „Evangelium von Jesus Christus“ (vgl. z. B. Mt 11,5; Lk 4,18 f.; Röm<br />

10,15; 11,12; 15,21). Das verheißene „Evangelium“ steht nach Jes 52,7 <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit der verheißenen „Königsherrschaft“ Gottes, <strong>in</strong>dem es<br />

heißt: „Wie lieblich s<strong>in</strong>d auf den Bergen die Füße dessen, der [frohe Botschaft]<br />

verkündigt: der Frieden hören lässt, der Gutes [als frohe Botschaft]<br />

verkündigt), der Heil/Errettung verkündet, der zu Zion spricht:<br />

‚De<strong>in</strong> Gott ist König geworden/herrscht als König‘.“ Das „Evangelium“<br />

be<strong>in</strong>haltet damit die Botschaft vom „Frieden“ ‏,(שֹּׁלום)‏ von der Errettung<br />

Macht- und von der „Königsherrschaft“, welche „als befreiende ‏(ישׁועה)‏<br />

übernahme und endzeitlich geoffenbarte Herrschaft Gottes näher be -<br />

stimmt“ wird, wie Betz richtig bemerkt (Jesu Evangelium, S. 61). Schon<br />

die Engelsverkündigung <strong>in</strong> Mt 1,21 begründet den Namen „Jesus“ (hebr.<br />

(hebr. damit, <strong>das</strong>s er „se<strong>in</strong> Volk von ihren Sünden retten wird“ ‏(ישׁוע<br />

‏.(יושׁיע<br />

Von Jesus wird berichtet, <strong>das</strong>s er die „Königsherrschaft Gottes als<br />

Frohe Botschaft/Evangelium verkündigte“ (Lk 4,43; 8,1; vgl. auch z. B.<br />

Lk 9,2; 16,16; Apg 8,12) bzw. <strong>das</strong>s er „<strong>das</strong> Evangelium von der Königsherrschaft<br />

verkündigte“ (Mt 4,23; 9,35; vgl. auch Mt 24,14; Apg 20,25; 28,31).<br />

Jesus, der „<strong>das</strong> Kommen der Basileia [‚Königsherrschaft‘] als die große<br />

E<strong>in</strong>ladung Gottes, als <strong>das</strong> Wunder der Erlösung verkündigt und es so als<br />

Evangelium im S<strong>in</strong>ne von Jes 52,7 ausgerichtet“ hat, wie Betz betont<br />

(S. 62), hat also se<strong>in</strong> Kommen im Licht und als Erfüllung solcher Verheißungen<br />

aus dem Alten <strong>Testament</strong> gesehen (vgl. z. B. Mt 11,5; Lk 7,22).<br />

Betz weist mit Recht darauf h<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s die Bergpredigt (Mt 5–7) die<br />

„Gerechtigkeit“ von Jes 56,1 zum Thema gemacht hat (S. 66 f.), während<br />

die „Seligpreisungen“ u. a. deutlich an Jes 61,1–3 anknüpfen. 6<br />

Gleichwohl sucht man zum Teil die Entstehung der Gattung „Evangelium“<br />

aus dem hellenistischen Umfeld des <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>s zu<br />

erklären. Dazu gehört der H<strong>in</strong>weis auf „Aretalogien“ (e<strong>in</strong>e solche Gat-<br />

6 Vgl. dazu <strong>Thiessen</strong>, Matthäusevangelium, S. 61 ff.<br />

7 Vgl. dazu Schnelle, <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 196 f.


2.1 ZUR FRAGE NACH DER LITERATURGATTUNG DER EVANGELIEN 27<br />

tung hat offenbar nie existiert!), 7 griechische Romane und auf die hellenistischen<br />

Biografien (Vitae) mit Wurzeln <strong>in</strong> der hellenistischen Herrscherverehrung<br />

– so z. B. Schnelle (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 196–198) und se<strong>in</strong> Lehrer<br />

Strecker (Theologie, S. 355–357; Evangelium, S. 503–548). Stuhlmacher<br />

lehnt die zuletzt erwähnte Auffassung zu Recht u. a. mit der Begründung<br />

ab, <strong>das</strong>s <strong>in</strong> der hellenistischen Herrscherverehrung nur im Plural<br />

von „Evangelien“ (εὐαγγέλια) gesprochen wird und es e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>gularisch<br />

geprägten Begriff „Evangelium“ (εὐαγγέλιον nicht gibt (Biblische<br />

Theologie 2, S. 118). Auch erwähnt Stuhlmacher richtig, <strong>das</strong>s die Apostel<br />

nicht den ger<strong>in</strong>gsten Anlass [hatten], die ihnen offenbarte Heilsbotschaft<br />

nach dem Vorbild der hellenistischen Herrscherverehrung „Evan -<br />

gelium“ zu nennen (ebd.).<br />

Im Jahr 9 v. Chr. wurde <strong>in</strong> Pergamon von Paullus Fabius Maximus,<br />

seit 11 v. Chr. Prokonsul der Prov<strong>in</strong>z Asia, e<strong>in</strong> Dekret auf e<strong>in</strong>en weißen<br />

Ste<strong>in</strong> geschrieben. Dar<strong>in</strong> wird verfügt, <strong>das</strong>s der Geburtstag von Augustus<br />

<strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Asia als offizieller Feiertag zu sehen sei und den Be -<br />

g<strong>in</strong>n des neuen Jahres markiere. Dafür erhielt Fabius den Preis e<strong>in</strong>er Aus -<br />

schreibung, <strong>in</strong> der es darum g<strong>in</strong>g, wer dem „Gott-Kaiser“ die größte Ehre<br />

bereiten könne. E<strong>in</strong>e Inschrift aus der Zeit, die <strong>in</strong> Priene (zwischen Ephesus<br />

und Milet) gefunden wurde und die darauf Bezug nimmt, lautet:<br />

„Dieser Tag hat der Welt e<strong>in</strong> anderes Gesicht gegeben. Sie wäre verloren, wenn<br />

nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geburt für alle Menschen <strong>das</strong> Heil/die Rettung aufgestrahlt<br />

wäre. Endlich ist die Zeit vorbei, da man es bereuen müsste, geboren zu se<strong>in</strong>.<br />

Zum Heil/zur Rettung der Welt ist dieser Mensch mit solchen Gaben erfüllt,<br />

<strong>das</strong>s er uns und den kommenden Geschlechtern als Heiland/Retter gesandt ist.<br />

Jede Fe<strong>in</strong>dseligkeit hat nun e<strong>in</strong> Ende, alles wird er herrlich machen. Die Hoffnungen<br />

der Väter s<strong>in</strong>d erfüllt. Unmöglich, <strong>das</strong>s je e<strong>in</strong> Größerer kommen könnte.<br />

Se<strong>in</strong> Geburtstag hat der Welt <strong>das</strong> Evangelium (die Frohe Botschaft) beschert,<br />

<strong>das</strong> sich mit se<strong>in</strong>em Namen verb<strong>in</strong>det. Mit se<strong>in</strong>er Geburt beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e neue<br />

Zeitrechnung.“ 8<br />

Diese Worte aus dem Jahr 9 v. Chr. galten dem Kaiser Augustus. Die<br />

Geburt Jesu <strong>in</strong> Bethlehem geschah sehr wahrsche<strong>in</strong>lich nur zwei Jahre<br />

später im Jahr 7 v. Chr. 9 Damit wurde schon knapp zwei Jahre nach dem<br />

8 Vgl. dazu Deissmann, Licht vom Osten, S. 293 und 317; Zanker, Augustus, S. 302. Die<br />

Inschrift (auf weißem Marmor), die sich heute im Pergamonmuseum von Berl<strong>in</strong><br />

bef<strong>in</strong>det, war Teil e<strong>in</strong>er Säule der Nordhalle des Marktes von Priene.<br />

9 Vgl. dazu <strong>Thiessen</strong>, Auf Jesu Spuren, S. 30 ff.


28<br />

2. EINLEITUNG IN DIE NEUTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

Beg<strong>in</strong>n dieser „neuen Zeitrechnung“ der wahre Retter der Menschheit,<br />

Jesus Christus, geboren, und mit ihm f<strong>in</strong>g tatsächlich e<strong>in</strong>e neue, bleibende<br />

Zeitrechnung an. „Als die Fülle der Zeitspanne gekommen war,<br />

sandte Gott se<strong>in</strong>en Sohn, geboren von e<strong>in</strong>er Frau …“, betont Paulus <strong>in</strong><br />

Gal 4,4. Der wahre Sohn Gottes als Welterlöser hat nicht e<strong>in</strong>en menschlichen<br />

Vater, der als „Gott“ betrachtet wird, wie es <strong>in</strong> Bezug auf die Kaiser<br />

von Rom der Fall war. Paulus setzt vielmehr an dieser Stelle offensichtlich<br />

die Jungfrauengeburt voraus (vgl. auch z. B. Röm 1,3 f.). Demnach<br />

ist Jesus zwar durch e<strong>in</strong>e menschliche Frau geboren, aber ohne <strong>das</strong><br />

Zutun e<strong>in</strong>es irdischen Vaters. E<strong>in</strong> Geheimnis, <strong>das</strong> bereits im Alten <strong>Testament</strong><br />

deutlich vorherverkündigt bzw. für den kommenden Welterlöser<br />

vorausgesetzt wird (vgl. z. B. Jes 9,5 f.; 48,16; Sach 2,12–16; 12,10).<br />

Die neutestamentlichen Evangelien knüpfen nicht primär an<br />

außerbiblische „Verheißungen“ und Erwartungen an, sondern an prophetische<br />

Aussagen aus dem Alten <strong>Testament</strong>. Sie s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e eigentlichen<br />

Biografien. Schwerpunkt ist <strong>das</strong> Erlösungswerk Jesu Christi mit<br />

se<strong>in</strong>em Leiden und Sterben sowie se<strong>in</strong>er Auferstehung. K<strong>in</strong>dheit und<br />

Jugendzeit Jesu werden fast ganz ausgeblendet. Über se<strong>in</strong> öffentliches<br />

Wirken während der letzten Jahre vor se<strong>in</strong>em Tod wird zusammenfassend<br />

berichtet. Die Evangelien stellen somit e<strong>in</strong>e neue Literaturgattung<br />

dar, die ihre Wurzeln <strong>in</strong> der alttestamentlichen Heilsbotschaft und <strong>in</strong><br />

Jesus Christus selbst hat und die wohl besonders für den liturgischen<br />

Gebrauch geschrieben wurden.<br />

Die Evangelien-Überschriften „nach/gemäß Matthäus“ (κατὰ Μαθθαῖον),<br />

„nach/gemäß Markus“ (κατὰ Μᾶρκον), „nach/gemäß Lukas“<br />

(κατὰ Λουκᾶν) und „nach/gemäß Johannes“ (κατὰ Ἰωάννην) s<strong>in</strong>d<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich so alt wie die Evangelien selbst. 10 Da die Evangelien<br />

sicher von Anfang an für die „Veröffentlichung“ gedacht waren, mussten<br />

sie e<strong>in</strong>en Titel tragen. Für Hengel ist es auf jeden Fall „extrem<br />

unwahrsche<strong>in</strong>lich“, <strong>das</strong>s „die Evangelien als titellose Schriften <strong>in</strong> den<br />

Geme<strong>in</strong>den verbreitet und gottesdienstlich verwendet wurden“ (Evangelienüberschriften,<br />

S. 47). Die Präposition „nach/gemäß“ (κατά) ist<br />

dabei nicht e<strong>in</strong>fach im S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Genitivs („[<strong>das</strong> Evangelium] des Matthäus“<br />

usw.) zu verstehen, sondern br<strong>in</strong>gt zum Ausdruck, <strong>das</strong>s es sich<br />

dabei um <strong>das</strong> e<strong>in</strong>e Evangelium handelt, von dem die verschiedenen<br />

Evangelisten jeweils mit unterschiedlichen Akzenten und Zielrichtun-<br />

10 Vgl. dazu und zum Folgenden u. a. Hengel, Evangelienüberschriften, S. 37 ff.


2.1 ZUR FRAGE NACH DER LITERATURGATTUNG DER EVANGELIEN 29<br />

gen berichten („[<strong>das</strong> Evangelium] gemäß Matthäus“ usw.). Die neutestamentlichen<br />

Evangelien wollten sich somit von Anfang an gegenseitig<br />

ergänzen und nicht ausschließen.<br />

Andererseits ist es möglich, <strong>das</strong>s die längeren Überschriften „Evangelium<br />

nach Matthäus“ (εὐαγγέλιον κατὰ Μαθθαῖον) usw. erst dann<br />

entstanden s<strong>in</strong>d, als es schon mehr als e<strong>in</strong>e Evangeliumsschrift bzw. als<br />

es die ersten Evangelien-Sammlungen gab. Spätestens <strong>in</strong> der ersten<br />

Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. wird <strong>das</strong> Wort auch zur Buchbezeichnung verwendet.<br />

Die Pluralform „Evangelien“ <strong>in</strong> Bezug auf die neutestamentlichen<br />

Evangelien ist zum ersten Mal bei Just<strong>in</strong> um 140 n. Chr. bezeugt<br />

(Apologia 1,66,3). Für wie grundlegend die Evangelien-Titel und damit<br />

die entsprechende Zuordnung bewertet wurden, zeigt e<strong>in</strong>e Äußerung<br />

des Tertullian, wonach e<strong>in</strong> Werk „nicht anzuerkennen ist, <strong>das</strong> nicht<br />

se<strong>in</strong>e Stirn zeigt, <strong>das</strong> ke<strong>in</strong>e Übere<strong>in</strong>stimmung an den Tag legt und <strong>das</strong><br />

ke<strong>in</strong>e zuverlässige Angabe über die Vollständigkeit des Titels und des<br />

geschuldeten Bekenntnisses des Autors [d. h. wer der Autor ist] verspricht“<br />

(Adv Marc 4,2,3).<br />

Der Lukas-Prolog (Lk 1,1–4) zeigt, <strong>das</strong>s die Identität des Verfassers von<br />

Anfang an e<strong>in</strong>deutig war. Das Lukasevangelium (Lk 10,7) wird <strong>in</strong> 1Tim<br />

5,18 bereits als „(Heilige) Schrift“ zitiert, während die gleiche Aussage des<br />

Herrn vor der Niederschrift des Lukasevangeliums <strong>in</strong> 1Kor 9,14 als „Verordnung<br />

des Herrn“ zitiert wird, die demnach denen gegeben s<strong>in</strong>d, „die<br />

<strong>das</strong> Evangelium verkünden“. Somit wird deutlich, <strong>das</strong>s die neutestamentlichen<br />

Evangelien offensichtlich von Anfang an als „Heilige Schriften“<br />

betrachtet wurden. Gleiches Bild vermitteln auch z. B. der 1. Clemensbrief<br />

(ca. 96 n. Chr.) und die Didache (ca. 100 n. Chr.). Damit ist aber<br />

auch klar, <strong>das</strong>s die Evangelien offenbar von Anfang an nicht anonym,<br />

sondern unter dem Namen des jeweiligen Verfassers verbreitet wurden.<br />

Denn Anonymität ist ke<strong>in</strong> Merkmal für die biblischen Verfasser.<br />

In Mk 1,1 lautet die „Überschrift“: „Anfang des Evangeliums Jesu<br />

Christi, des Sohnes Gottes“. Von hier aus kam es offenbar schnell zur<br />

Bezeichnung der Schriften als „Evangelium“. Markus berichtet dann,<br />

<strong>das</strong>s Jesus nach der Gefangennahme des Täufers Johannes nach Galiläa<br />

kam, „<strong>das</strong> Evangelium Gottes verkündigte und sprach: ‚Die Zeit/der<br />

Zeitpunkt ist erfüllt, und die Königsherrschaft Gottes ist nahe. Kehrt<br />

um und glaubt an <strong>das</strong> Evangelium‘“ (Mk 1,14 f.).<br />

Die drei ersten neutestamentlichen Evangelien werden als „synoptische<br />

Evangelien“ bezeichnet, da sie <strong>in</strong> Bezug auf Inhalt und Aufbau eng


30<br />

2. EINLEITUNG IN DIE NEUTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

mite<strong>in</strong>ander verwandt s<strong>in</strong>d. Diese Bezeichnung geht auf Johann Jakob<br />

Griesbach (1745–1812) zurück. Die Bezeichnung kommt vom griechischen<br />

Wort synopsis (συνόψις) = „Zusammenschau“. Der Inhalt dieser<br />

Evangelien ist zum großen Teil so ähnlich, <strong>das</strong>s man sie nebene<strong>in</strong>anderstellen<br />

und so e<strong>in</strong>e „Zusammenschau“ machen kann.<br />

2.2 DAS EVANGELIUM NACH MATTHÄUS<br />

2.2.1 SCHLÜSSELVERS, THEMA UND GLIEDERUNG<br />

Als „Schlüsselvers“ können wir Mt 1,21 betrachten: „Und sie [Maria] wird<br />

e<strong>in</strong>en Sohn gebären, und du sollst se<strong>in</strong>en Namen ‚Jesus‘ [‚Jahwe ist Rettung‘]<br />

nennen. Denn er wird se<strong>in</strong> Volk von ihren Sünden erretten.“ Auch<br />

z. B. Mt 6,33 ist e<strong>in</strong> „Kandidat“, als „Schlüsselvers“ betrachtet zu werden.<br />

Er verb<strong>in</strong>det den Segen der göttlichen „Königsherrschaft“ durch Jesus<br />

Christus gewissermaßen mit der Nachfolge; beides wichtige Themen<br />

des Matthäusevangeliums. Da es im Matthäusevangelium zentral<br />

darum geht zu zeigen, <strong>das</strong>s Jesus der verheißene göttliche Rettung und<br />

König ist, hat Mt 1,21 gegenüber von Mt 6,33 den Vorzug.<br />

Mt 1,1 geht offensichtlich auf Gen 2,4 und besonders auf Gen 5,1<br />

zurück, wie folgender Vergleich zeigt:<br />

– Griechischer Text: Βίβλος γενέσεως Ἰησοῦ Χριστοῦ υἱοῦ Δαυὶδ<br />

υἱοῦ Ἀβραάμ.<br />

– Gen 5,1 f.: „Dies ist <strong>das</strong> Buch der Erzeugung des Menschen/Adams<br />

(LXX: αὕτη ἡ βίβλος γενέσεως ἀνθρώπων). Als Gott den Menschen/Adam<br />

schuf, machte er ihn nach dem Bild Gottes und schuf<br />

sie als Mann und Frau und segnete sie und gab ihnen den Namen<br />

‚Mensch‘ zu der Zeit, als sie geschaffen wurden.“<br />

– Vgl. Gen 2,4: „Dies ist die Erzeugung von Himmel und Erde, als sie<br />

geschaffen wurden, an dem Tag, als Gott, Jahwe, Erde und Himmel<br />

machte.“<br />

Die Überschrift und die Genealogie <strong>in</strong> Mt 1,1 ff. leiten gezielt zum Thema<br />

des Matthäusevangeliums h<strong>in</strong>: Jesus ist Träger der königlichen Verheißungen<br />

Gottes an David und Abraham. Nach Mayordomo-Marín ist<br />

diese Genealogie <strong>in</strong> ihrem „rhythmischen Grundgerüst … e<strong>in</strong>e ideale<br />

Ahnentafel, um jemanden formal als Messias zu legitimieren. Jesus<br />

kann als messianischer Davidsohn bezeichnet werden, weil er die gene-


2.2 DAS EVANGELIUM NACH MATTHÄUS 31<br />

alogischen Voraussetzungen genauestens erfüllt“ (Den Anfang hören,<br />

S. 243). Wenn Matthäus dabei gewissermaßen „Adam“ אָדם)‏ = „Menschheit“)<br />

durch „Jesus Christus“ ersetzt, so deutet diese Tatsache wohl auch<br />

an, <strong>das</strong>s Jesus Christus Nachkomme Adams (vgl. dazu Lk 3,23–38) und<br />

damit z. B. im S<strong>in</strong>n von Gen 1,26 f. und Ps 8 (vgl. dazu Hebr 2,5–9) <strong>das</strong><br />

Urbild des Menschen als Ebenbild Gottes darstellt (vgl. Kol 1,16 mit 3,10).<br />

Wie Jesus gleichzeitig Nachkomme und „Herr“ Davids ist (vgl. Mt 22,<br />

41–45), so gilt Gleiches grundsätzlich bereits <strong>in</strong> Bezug auf den ersten<br />

Menschen, wodurch Jesus wahres Menschse<strong>in</strong> ermöglicht.<br />

Sowohl <strong>in</strong> Mt 4,17 als auch <strong>in</strong> Mt 16,21 lesen wir: „Von da an f<strong>in</strong>g Jesus<br />

an zu verkünden/zu zeigen …“ (vgl. Neh 13,21). Bedenkt man, <strong>das</strong>s jede<br />

der fünf „Redee<strong>in</strong>heiten“ im Matthäusevangelium (Mt 5–7; 9,35–10,42;<br />

13,1–52; 18,1–35; 23,1–25,46) mit dem Satz „und es geschah, als Jesus vollendet<br />

hatte …“ endet (Mt 7,28; 11,1; 13,53; 19,1; 26,1), so muss <strong>das</strong> ke<strong>in</strong> Argument<br />

für e<strong>in</strong>e (im E<strong>in</strong>klang mit der Absicht des Evangelisten) entsprechende<br />

Gliederung se<strong>in</strong>. Übrigens er<strong>in</strong>nert dieser letzte Satz stark an<br />

den im Alten <strong>Testament</strong> 16-mal ersche<strong>in</strong>enden Ausdruck „Und es<br />

geschah bei se<strong>in</strong>em Vollenden zu reden …“ usw., wobei besonders Mose<br />

Subjekt ist (z. B. <strong>in</strong> Num 16,31; Deut 20,9; 31,24; Jer 26,8; 43,1; 51,63).<br />

Gliederung:<br />

1. Vorgeschichte und K<strong>in</strong>dheit Jesu 1,1–2,23<br />

2. Vorbereitung des Wirkens Jesu 3,1–4,11<br />

3. Das Wirken Jesu <strong>in</strong> Galiläa und Umgebung 4,12–18,35<br />

3.1 Darlegung der messianischen Grundlehre 4,12–7,29<br />

3.2 Demonstration der messianischen Autorität 8,1–10,42<br />

3.3 Wachsender Widerstand gegen Jesus 11,1–13,52<br />

3.4 Ablehnung Jesu und die Selbstoffenbarung Jesu im Jüngerkreis 13,53–18,35<br />

4. Jesu Wirken <strong>in</strong> Judäa und die Endzeitrede 19,1–25,46<br />

5. Tod, Auferstehung und Missionsauftrag Jesu 26,1–28,20<br />

2.2.2 DAS ALTKIRCHLICHE ZEUGNIS ZUR VERFASSERSCHAFT<br />

DES MATTHÄUSEVANGELIUMS<br />

E<strong>in</strong>e mögliche Anlehnung an Mt 12,41 f<strong>in</strong>det sich bereits <strong>in</strong> 1Clem 7,7 (ca.<br />

96 n. Chr. oder früher), wonach „Jona den N<strong>in</strong>iviten Umkehr verkündigte.<br />

Und diejenigen, die <strong>in</strong> Bezug auf ihre Sünden umkehrten, wurden,<br />

<strong>in</strong>dem sie im Gebet um Hilfe riefen, gesühnt und empf<strong>in</strong>gen Errettung,<br />

obwohl sie Fremde Gottes waren“ (vgl. auch 1Clem 7,6 mit 2Petr 2,5).


32<br />

2. EINLEITUNG IN DIE NEUTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

Deutlicher kommt e<strong>in</strong>e Anlehnung an Matthäus <strong>in</strong> 1Clem 24,4 f. zum<br />

Ausdruck (vgl. Mt 13,3–9). Demnach g<strong>in</strong>g „der Säende“ (ὁ σπείρων)<br />

h<strong>in</strong>aus, „und er warf jedes der Samen auf die Erde“, und danach wuchsen<br />

„aus dem e<strong>in</strong>en viele und br<strong>in</strong>gen Frucht“. 1Clem 46,7 f. ist offensichtlich<br />

<strong>in</strong> Anlehnung an Mt 18,6 f. und Mt 26,24 for muliert worden<br />

(vgl. auch Mt 26,24; Mk 14,21), wonach „unser Herr Jesus“ u. a. sagte, <strong>das</strong>s<br />

es für e<strong>in</strong>en Menschen, „der e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er Auserwählten Ärgernis gibt“,<br />

besser wäre, wenn er nicht geboren wäre. Der Text <strong>in</strong> 1Clem 13,2 lehnt<br />

sich an verschiedene Aussagen der Bergpredigt an (vgl. Mt 5,7; 6,14;<br />

7,1 f.12), wobei besonders e<strong>in</strong>e fast wörtliche Zitierung von Mt 7,2 deutlich<br />

wird.<br />

In der „Zwölf-Apostel-Lehre“ (Didache; ca. 100 n. Chr.) könnte der<br />

Ausdruck „<strong>das</strong> Joch des Herrn“ <strong>in</strong> Did 6,2 <strong>in</strong> Anlehnung an Mt 11,29 f.<br />

(„me<strong>in</strong> Joch“) formuliert worden se<strong>in</strong>. In Did 8,2 wird <strong>das</strong> „Vater-Unser“<br />

zitiert, und zwar offensichtlich aus Mt 6,9 ff., <strong>in</strong>dem gesagt wird: „… wie<br />

der Herr <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Evangelium befohlen hat“ (vgl. auch Did 10,5; 15,3 f.;<br />

2Clem 8,5). In Did 9,5 wird Mt 7,6 als Aussage des Herrn zitiert und damit<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er göttlichen Autorität anerkannt, und zwar <strong>in</strong> der schriftlichen<br />

Form des Evangeliums. Und <strong>in</strong> Did 15,3f. wird auf <strong>das</strong> verwiesen, „wie<br />

ihr es im Evangelium habt“ bzw. „wie ihr es im Evangelium unseres<br />

Herrn habt“, womit augensche<strong>in</strong>lich besonders <strong>das</strong> schriftliche Matthäusevangelium<br />

geme<strong>in</strong>t ist. In Did 16,1 („Wacht und seid bereit, denn<br />

ihr kennt die Stunde nicht, <strong>in</strong> welcher unser Herr kommt“) lehnt sich<br />

der Verfasser augensche<strong>in</strong>lich an Mt 24,42.44 an.<br />

Nach Ignatius (um 108 n. Chr.) ist Jesus „wirklich aus e<strong>in</strong>er Jungfrau<br />

geboren, von Johannes getauft, damit er jede Gerechtigkeit erfülle“<br />

(Smyr 1,1). Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong>e Anlehnung an Mt 1,23 und 3,15.<br />

Ignatius verwendet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Briefen zudem viermal <strong>das</strong> Verb mathēteuō<br />

(μαθητεύω) = „zu Jüngern machen“ (IgnEph. 3,1; 10,1; IgnRöm 3,1; 5,1), <strong>das</strong><br />

im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> viermal im Matthäusevangelium gebraucht wird<br />

(Mt 13,52; 27,57; 28,19) und sonst nur noch e<strong>in</strong>mal ersche<strong>in</strong>t (Apg 14,21).<br />

Dabei lehnt Ignatius sich wahrsche<strong>in</strong>lich an den „Missionsbefehlt“ Jesu<br />

<strong>in</strong> Mt 28,18–20 an, worauf auch die Tatsache h<strong>in</strong>deutet, <strong>das</strong>s er <strong>in</strong> dem<br />

Zusammenhang wie <strong>in</strong> Mt 28,20 <strong>das</strong> Verb „gebieten“ (ἐντέλλω) verwendet<br />

(IgnRöm 5,1). Ignatius lehnt sich zudem (möglicherweise) auch an<br />

Mt 3,15 (Smyr 1,1); 10,16 (Poly 2,2); 12,33 (Eph 14,2); 15,13 (Tral 11,1; Phila 3,1;<br />

IngEph 10,3); 23,8 (IngEph 15,1); 23,27 (Phila 6,1) und 26,7 (Eph 17,1) an. Mit<br />

der Aussage „wer es fasst, der fasse es“ (Smyr 6,1), sche<strong>in</strong>t sich Ignatius an


2.2 DAS EVANGELIUM NACH MATTHÄUS 33<br />

Mt 19,12 anzulehnen, wonach Jesus sagt: „Wer imstande ist, es zu erfassen,<br />

der erfasse es.“<br />

Just<strong>in</strong> der Märtyrer aus Samaria/Sebaste (ca. 80–165 n. Chr.) bezieht<br />

sich an vielen Stellen auf <strong>das</strong> Matthäusevangelium (vgl. z. B. Apol 1,15<br />

mit Mt 5,28.32.44.45; 18,9; 19,12). Irenäus (ca. 117–202 n. Chr.), der <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>asien<br />

geboren wurde und „Bischof“ <strong>in</strong> Lyon war, hatte <strong>in</strong> Smyrna <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Jugend Polykarp erlebt, und er war mit Papias von Hierapolis, e<strong>in</strong>em<br />

weiteren „Hörer“ des Apostels Johannes, bekannt. Irenäus schreibt:<br />

„Matthäus zwar veröffentlichte unter den Hebräern <strong>in</strong> ihrer eigenen<br />

Sprache (Dialekt) e<strong>in</strong>e Evangeliumsschrift, als Petrus und Paulus <strong>in</strong> Rom<br />

evangelisierten und die Geme<strong>in</strong>de gründeten/befestigten.“ Damit<br />

bezeugt Irenäus, <strong>das</strong>s mit den „Aussprüchen“ (τὰ λόγια) bei dem Johannes-Schüler<br />

Papias <strong>das</strong> Matthäusevangelium geme<strong>in</strong>t ist. Zudem be -<br />

zeugt er anhand e<strong>in</strong>es Zitats aus Mt 3,7 ff., <strong>das</strong>s Matthäus Apostel war<br />

(Adv haer 3,9,1). Er zitiert auch sonst an vielen Stellen <strong>das</strong> Matthäusevangelium<br />

mit ausdrücklichem H<strong>in</strong>weis, <strong>das</strong>s Matthäus <strong>das</strong> geschrieben<br />

habe, oder verweist auf <strong>das</strong> Evangelium. 11<br />

Origenes (gest. 254 n. Chr.) bemerkt: „Zuerst wurde <strong>das</strong> [Evangelium]<br />

nach Matthäus, dem früheren Zöllner und späteren Apostel Jesu<br />

Christi, geschrieben (γέγραπται), <strong>in</strong>dem er es für die Gläubigen aus dem<br />

Judentum herausgab, <strong>in</strong> hebräischer Schrift zusammengestellt (γράμμασιν<br />

Ἑβραϊκοῖς συντεταγμένον)“ (zitiert nach Eusebius, Hist Eccl 6,<br />

25,4). Pantänus (vgl. Eusebius, Hist Eccl 5,10,3), der im 2. Jh. n. Chr. lebte,<br />

und Chrysostomus (vgl. Comm <strong>in</strong> Matth 1,1,3) – 407 n. Chr. gestorben –<br />

bezeugen ebenfalls die Abfassung des Matthäusevangeliums <strong>in</strong> der<br />

hebräischen Sprache.<br />

Eusebius von Cäsarea, der <strong>in</strong> Cäsarea die Bibliothek, die Origenes<br />

dort aufgebaut hatte, benutzen konnte und somit Zugang zu vielen<br />

älteren Quellen hatte, schreibt um 310 n. Chr.: „Matthäus, der zunächst<br />

unter den Hebräern verkündigt hatte, überlieferte, als er auch noch zu<br />

anderen [Völkern] gehen wollte, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schrift <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Muttersprache<br />

11 Vgl. z. B. Irenäus, Adv haer 3,11,7 f. mit Mt 1,1 und 1,18; Adv haer 3,9,1 mit Mt 3,3; Adv<br />

haer 3,9,2 mit Mt 3,13; Adv haer 3,9,3 mit Mt 3,16 f.; Adv haer 3,16,2 mit Mt 1,1.18.23; Adv<br />

haer 3,21,9 mit Mt 1,12 ff.; Adv haer 4,6,1 mit Mt 11,27. Vgl. auch z. B. Irenäus,<br />

Adv haer 1,6,1 mit Mt 5,13 f.; Adv haer 1,8,2 mit Mt 26,38 und 27,46; Adv haer 1,16,3 mit<br />

Mt 1,12,43; Adv haer 1,20,2 mit Mt 21,23 und 11,28; Adv haer 3,33,7 mit Mt 23,34;<br />

Adv haer 3,36,7 mit Mt 20,8 f.; Adv haer 40,3 mit Mt 13,25.38; Adv haer 17,4 mit Mt 3,10.


34<br />

2. EINLEITUNG IN DIE NEUTESTAMENTLICHEN EVANGELIEN<br />

(πατρίῳ γλώττῃ γραφῇ) <strong>das</strong> nach ihm [benannte] Evangelium. Denn er<br />

suchte denen, von welchen er schied, durch die Schrift <strong>das</strong> zu ersetzen,<br />

was sie durch se<strong>in</strong> Fortgehen verloren“ (Hist Eccl 3,24,6). Woh<strong>in</strong> Matthäus<br />

g<strong>in</strong>g, um <strong>das</strong> Evangelium zu verkünden, wird an dieser Stelle<br />

nicht gesagt. Offensichtlich ist geme<strong>in</strong>t, <strong>das</strong>s Matthäus außerhalb des<br />

Landes Israel und auch außerhalb des Judentums <strong>das</strong> Evangelium verkündigen<br />

wollte, wie der Gebrauch des (substantivierten) Adjektivs<br />

„andere, Andersartige“ (ἑτέρους) andeutet. Demnach hat Matthäus<br />

den Befehl Jesu, „alle Nationen/Heiden“ zu Jüngern zu machen (vgl.<br />

Mt 28,19), gewissermaßen selbst auch umgesetzt.<br />

2.2.3 PAPIAS UND DIE FRAGE NACH<br />

DEM HEBRÄISCHEN URSPRUNG DES EVANGELIUMS<br />

Papias, nach Irenäus e<strong>in</strong> Hörer des Apostels Johannes und (älterer) „Kollege“<br />

von Polykarp (dem „Lehrer“ des Irenäus), der als „alter/ursprünglicher<br />

Mann“ (ἀρχαῖος ἀνήρ) bezeichnet wird – d. h. als e<strong>in</strong>er, der gewissermaßen<br />

noch zu den „ursprünglichen“ Zeugen des Evangeliums von<br />

Jesus Christus gezählt wird – (Adv haer 5,33,4), schrieb um 100–120 n. Chr.<br />

e<strong>in</strong> fünfbändiges Werk unter dem Titel „Fünf Schriften der Auslegung<br />

von Herrenworten/Herrensprüchen“ (vgl. Eusebius, Hist Eccl 3,39,1 ff.).<br />

Dar<strong>in</strong> äußert er sich über die Entstehung der neutestamentlichen Evangelien.<br />

Zu Matthäus schreibt er: „Matthäus hat zwar also im hebräischen<br />

Dialekt/<strong>in</strong> hebräischer Sprache (Ἑβραΐδι διαλέκτῳ) die Aussprüche<br />

(τὰ λόγια) zusammengeordnet, und es übersetzte (ἑρμηνεύσε) sie<br />

e<strong>in</strong> jeder, wie es möglich war.“<br />

Schleiermacher, Vertreter der Fragmenten- und Diegesenhypothese,<br />

vertrat im Jahr 1832 die These, mit dem Ausdruck ta logia (τὰ λόγια =<br />

„die Aussprüche“) beziehe sich Papias auf e<strong>in</strong>e Sammlung von Aussprüchen<br />

Christi, die Matthäus aufgeschrieben habe (Über die Zeugnisse des<br />

Papias, S. 735–768). Das „mögen nun e<strong>in</strong>zelne Sprüche gewesen se<strong>in</strong> oder<br />

längere oder beides, wie wohl am wahrsche<strong>in</strong>lichsten ist. Denn etwas<br />

anderes kann e<strong>in</strong>mal der Ausdruck des Papias nicht bedeuten“ (S. 765).<br />

Im Jahr 1838 entstand (durch Wilke und) Weiße die Zweiquellentheorie,<br />

die besagt, <strong>das</strong>s Matthäus und Lukas bei der Abfassung der Evangelien<br />

beide <strong>das</strong> Markusevangelium und e<strong>in</strong>e Spruchsammlung Jesu (Q =<br />

Quelle) benutzt hätten. Die Schleiermacher-Theorie wird durch die neuere<br />

Forschung abgelehnt, während die Zweiquellentheorie immer noch


3.<br />

DIE APOSTELGESCHICHTE<br />

3.1 SCHLÜSSELVERS UND GLIEDERUNG<br />

Als „Schlüsselvers“ können wir Apg 1,8 betrachten: „Aber ihr werdet<br />

Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist, und<br />

werdet me<strong>in</strong>e Zeugen se<strong>in</strong>, sowohl <strong>in</strong> Jerusalem als auch <strong>in</strong> ganz Judäa<br />

und Samaria und bis an <strong>das</strong> Ende der Erde.“<br />

Die Apostelgeschichte zeigt immerh<strong>in</strong>, wie <strong>das</strong> Evangelium von<br />

Jerusalem und Judäa über Samaria verbreitet wurde und wie Paulus bis<br />

nach Rom, der „Welthauptstadt“, kam. In Bezug auf den Aufbau der<br />

Apostelgeschichte stehen somit offensichtlich nicht menschliche Persönlichkeiten<br />

(wie z. B. Petrus und Paulus) im Zentrum, sondern die<br />

Ausbreitung des Evangeliums.<br />

Gliederung<br />

1. Die Urgeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Jerusalem 1,1–8,3<br />

1.1 Himmelfahrt, Pf<strong>in</strong>gsten und die Anfänge <strong>in</strong> Jerusalem 1,1–5,42<br />

1.2 Die Hellenisten, Wahl der Diakone, Tod des Stephanus<br />

und Verfolgung 6,1–8,3<br />

2. Die Mission <strong>in</strong> Samaria, Cäsarea und Syrien. Bekehrung<br />

des Saulus 8,4–12,25<br />

3. Missionsreisen und Gefangenschaft des Paulus 13,1–28,31<br />

3.1 Erste Missionsreise und Apostelkonzil 13,1–15,35<br />

3.2 Zweite Missionsreise 15,36–18,23<br />

3.3 Dritte Missionsreise 18,24–21,14<br />

3.4 Die Verhaftung des Paulus. Gefangenschaft <strong>in</strong><br />

Jerusalem und Cäsarea 21,15–26,32<br />

3.5 Romreise und Gefangenschaft <strong>in</strong> Rom 27,1–28,31<br />

3.2 ZUR VERFASSERSCHAFT DER APOSTELGESCHICHTE<br />

In der Forschung besteht große E<strong>in</strong>igkeit darüber, <strong>das</strong>s der Verfasser der<br />

Apostelgeschichte der selbe ist wie derjenige des Lukasevangeliums.


132<br />

3. DIE APOSTELGESCHICHTE<br />

Da es sich offensichtlich um den selben Verfasser wie beim Lukasevangelium<br />

handelt, gilt <strong>das</strong> dort Gesagte auch für die Apostelgeschichte.<br />

Umstritten ist die Frage, ob Lukas ursprünglich e<strong>in</strong> Werk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten „Gattung“ schreiben wollte oder ob es sich bei der Apostelgeschichte<br />

um e<strong>in</strong>e andere „Gattung“ als beim Lukasevangelium<br />

handelt. Zu beachten ist, <strong>das</strong>s es Geme<strong>in</strong>samkeiten und Unterschiede<br />

im Stil gibt, was mit dem jeweiligen Inhalt der Schriften zu tun<br />

hat.<br />

3.3 DIE ALTKIRCHLICHE ÜBERLIEFERUNG<br />

ZUR APOSTELGESCHICHTE<br />

Anklänge an die Apostelgeschichte gibt es bereits im 1. Clemensbrief, die<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht alle gleich deutlich s<strong>in</strong>d. 60 Polykarp beschreibt den<br />

„Antichristus“ <strong>in</strong> Anlehnung an 1Joh 4,2 f. und 2Joh 7 als „Erstgeborenen<br />

Satans“, da er sowohl die Auferstehung als auch <strong>das</strong> Gericht leugnen<br />

werde (Phili 7,1). Diese letzte Aussage ist möglicherweise auch <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an Apg 22,8 formuliert worden. Irenäus bestätigt nicht nur Lukas<br />

als Verfasser des Lukasevangeliums, sondern auch der Apostelgeschichte<br />

(Adv haer 3,15,1; 3,13,3; 3,17,2). Lukas war demnach „von Paulus unzertrennlich<br />

und se<strong>in</strong> Mitarbeiter am Evangelium … der immer mit Paulus<br />

gepredigt hat und von ihm ‚geliebt‘ genannt wird“ (Adv haer 3,14,1). Irenäus<br />

ergänzt: „Lukas aber, der Begleiter des Paulus, hat <strong>das</strong> von jenem<br />

verkündigte Evangelium <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch niedergelegt“ (Adv haer 3,1,1).<br />

Die Apostelgeschichte stellt für ihn e<strong>in</strong>en authentischen Bericht dar<br />

(Adv haer 3,12; 3,14).<br />

Auch der Canon Muratori (um 180 n. Chr.), der „antimarcionitische<br />

Prolog“, Clemens Alexandr<strong>in</strong>us (um 160 n. Chr.; z. B. Strom 5,12,251), Tertullian<br />

(ca. 200 n. Chr.; z. B. Ieiun adv psych 10,3) sowie Origenes (gest. 254<br />

n. Chr.; Cont Cels 6,11) schreiben die Apostelgeschichte dem Lukas<br />

zu. Hieronymus setzt die Abfassung ausdrücklich nach der ersten römischen<br />

Gefangenschaft des Paulus <strong>in</strong> Rom an.<br />

60 Vgl. dazu auch <strong>Thiessen</strong>, Stephanusrede, S. 132, Fn. 332 und S. 207 f.; ders., Rezeption,<br />

S. 294 f.


3.4 DIE BESTREITUNG DER VERFASSERSCHAFT 133<br />

3.4 DIE BESTREITUNG DER VERFASSERSCHAFT DURCH<br />

DEN PAULUS-BEGLEITER LUKAS<br />

Nach Lose kennt der Verfasser der Apostelgeschichte weder die Theologie<br />

noch die Briefe des Apostels Paulus (Entstehung, S. 101). Doch gerade<br />

dieses Argument spricht e<strong>in</strong>deutig für e<strong>in</strong>e frühe Datierung und für die<br />

Abfassung durch e<strong>in</strong>en Augenzeugen und Reisebegleiter des Paulus.<br />

Mittelstaedt bemerkt zudem richtig: „Zweifelsohne kennt Lukas die<br />

paul<strong>in</strong>ische Theologie, doch ihre wichtigsten Elemente wie die Rechtfertigungslehre<br />

und die theologia crucis spielen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk ke<strong>in</strong>e<br />

tragende Rolle wie <strong>in</strong> den Paulusbriefen. Das ist zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den unterschiedlichen<br />

Konzeptionen beider Schriftgruppen begründet …“ (Lukas<br />

als Historiker, S. 33). Zu beachten ist auch, <strong>das</strong>s die Apostelgeschichte <strong>das</strong><br />

Lukasevangelium voraussetzt, <strong>in</strong> welchem die Kreuzigung und Auferstehung<br />

Jesu e<strong>in</strong>e zentrale Rolle e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Nach Rusam steht Lukas „theologisch deutlich <strong>in</strong> der Tradition des<br />

Paulus“ (Apostelgeschichte, S. 242). „Lukas hatte von Paulus mit Sicherheit<br />

nicht nur Informationen (schriftliche Quellen) über se<strong>in</strong>e Reisen,<br />

sondern wusste auch um dessen Theologie recht genau Bescheid; und<br />

zweifellos steht er mit se<strong>in</strong>en theologischen Überzeugungen <strong>in</strong> der Tradition<br />

des Mannes, dessen Wirken er ab Apg 13 ausführlich darstellt<br />

(ebd.).<br />

Nach Roloff unterlaufen Lukas „gerade bei zentralen Punkten der<br />

Geschichte des Paulus – wie der Vergleich mit den authentischen Briefen<br />

erweist – schwerwiegende Fehler. So berichtet er von drei Besuchen<br />

des Paulus nach se<strong>in</strong>er Berufung <strong>in</strong> Jerusalem (Apg 9,23–26; 11,30;<br />

15,1–29), während Paulus selbst im Galaterbrief ausdrücklich betont, er<br />

sei zwischen se<strong>in</strong>em ersten Jerusalem-Besuch … und der Reise zum<br />

Apostelkonzil nicht mehr <strong>in</strong> Jerusalem gewesen (Gal 1,18–2,1)“ (E<strong>in</strong>führung,<br />

S. 176). Roloff begeht m. E. e<strong>in</strong>en schwerwiegenden Fehler, denn<br />

Paulus spricht ke<strong>in</strong>eswegs vom Apostelkonzil und bezieht sich auch<br />

nicht darauf, da der Konflikt, von dem Gal 2,11–14 berichtet und der<br />

sich offenbar erst nach dem Besuch von Gal 2,1–11 ereignete, zum Apostelkonzil<br />

führte (vgl. Apg 15,1 f.24). Zudem weist Mittelstaedt mit Recht<br />

darauf h<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s die Berichte <strong>in</strong> Gal 2,1–10 und Apg 15,4–29 „<strong>in</strong> Bezug auf<br />

<strong>das</strong> Ergebnis massive Unterschiede“ aufweisen (Lukas als Historiker,<br />

S. 35).


134<br />

3. DIE APOSTELGESCHICHTE<br />

3.5 ARGUMENTE FÜR EINE ABFASSUNG DURCH LUKAS,<br />

DEN REISEBEGLEITER DES PAULUS<br />

Der Galaterbrief muss kurz vor dem Apostelkonzil verfasst worden se<strong>in</strong>.<br />

Dass Paulus sich im Galaterbrief auf <strong>das</strong> Apostelkonzil bezieht, ist m. E.<br />

ausgeschlossen. Folglich muss der Jerusalemer Besuch nach Gal 2,1 ff.<br />

mit Apg 11,30 identifiziert werden. Zu beachten ist dabei z. B., <strong>das</strong>s Paulus<br />

Gal 2,3 zufolge aufgrund e<strong>in</strong>er „Offenbarung“ nach Jerusalem zog,<br />

während <strong>in</strong> Apg 11,28–30 berichtet wird, <strong>das</strong>s die Reise nach Jerusalem<br />

aufgrund der Ankündigung der Hungersnot durch Hagabus (Agabus)<br />

geschah. Und die Aussagen <strong>in</strong> Apg 15,1 f.24 zeigen, <strong>das</strong>s die Problematik,<br />

die Paulus <strong>in</strong> Gal 2,11 ff. im Anschluss an die Ausführungen zu se<strong>in</strong>em<br />

Jerusalem-Besuch (Gal 2,1–10) erwähnt, erst zum Apostelkonzil führte.<br />

Der <strong>in</strong> Gal 2,1–10 genannte Jerusalem-Besuch kann somit nicht mit dem<br />

Apostelkonzil gleichgesetzt werden.<br />

Der „Wir-Bericht“ <strong>in</strong> der Apostelgeschichte soll aus e<strong>in</strong>er Quelle<br />

stammen oder f<strong>in</strong>giert se<strong>in</strong>. Doch alle Erklärungsversuche, den „Wir-<br />

Bericht“ so zu deuten, <strong>das</strong>s der Verfasser der Apostelgeschichte dar<strong>in</strong><br />

nicht berichtet, was er selbst miterlebt hat, s<strong>in</strong>d nicht stichhaltig. Ausschlaggebend<br />

für die Annahme, <strong>das</strong>s wir <strong>in</strong> den „Wir-Abschnitten“<br />

nicht die Anwesenheit des Autors der Apostelgeschichte sehen können,<br />

sche<strong>in</strong>t vor allem die Behauptung zu se<strong>in</strong>, der Verfasser könne nicht e<strong>in</strong><br />

Paulusbegleiter gewesen se<strong>in</strong>. Andererseits wurde immer wieder auf die<br />

sorgfältige historische Arbeit des Lukas h<strong>in</strong>gewiesen, wodurch die Verfasserschaft<br />

durch e<strong>in</strong>en Augenzeugen bestätigt wird.<br />

Die altkirchliche Überlieferung bestätigt e<strong>in</strong>heitlich die Abfassung<br />

der Apostelgeschichte durch Lukas, den Reisebegleiter des Paulus. Es<br />

kann auch ke<strong>in</strong> Zweifel daran bestehen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Lukasevangelium und<br />

die Apostelgeschichte vom selben Verfasser stammen. Und da <strong>das</strong> Lukasevangelium<br />

offenbar von Anfang an Lukas zugeschrieben wurde und<br />

wohl von Anfang an auch die entsprechende „Überschrift“ getragen hat,<br />

kommt kaum e<strong>in</strong>e Person als Verfasser <strong>in</strong> Frage, die nicht diesen Namen<br />

trägt. Der „Wir-Bericht“ lässt <strong>in</strong> Wirklichkeit ke<strong>in</strong>e andere stichhaltige<br />

Erklärung zu, als diejenige, <strong>das</strong>s der Verfasser der Apostelgeschichte<br />

jeweils den Abschnitt, der im „Wir-Bericht“ ersche<strong>in</strong>t (Apg 16,10–17;<br />

20,5–15; 21,1–18 und 27,1–28,16), persönlich miterlebt hat.<br />

E<strong>in</strong> späterer Verfasser und Nicht-Augenzeuge hätte die Briefe des<br />

Paulus als Quellenmaterial benutzt. Dass <strong>das</strong> augensche<strong>in</strong>lich nicht


3.6 ABFASSUNGSORT UND -ZEIT 135<br />

geschehen ist, spricht e<strong>in</strong>deutig für die Abfassung durch e<strong>in</strong>en Augenzeugen.<br />

Es ist erstaunlich, wie Zmijewski feststellen kann, <strong>das</strong>s der Verfasser<br />

der Apostelgeschichte „ke<strong>in</strong>e Kenntnis der Paulusbriefe“ zeige,<br />

und gleichzeitig annehmen kann, die Apostelgeschichte sei zwischen 80<br />

und 90 n. Chr. oder am Anfang der neunziger Jahre geschrieben worden<br />

(Apostelgeschichte, S. 13 und 15). Es dürfte höchst unwahrsche<strong>in</strong>lich se<strong>in</strong>,<br />

<strong>das</strong>s um diese Zeit e<strong>in</strong> Verfasser, <strong>in</strong> dessen Werk der Apostel Paulus die<br />

zentrale Persönlichkeit darstellt, ke<strong>in</strong>e Kenntnis von dessen Briefen<br />

haben sollte. Auch <strong>das</strong> völlige Schweigen über den Märtyrertod des Paulus<br />

ca. 66/67 n. Chr. und die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr.<br />

lässt sich nicht anders erklären, als <strong>das</strong>s Lukas se<strong>in</strong> Werk vor dieser Zeit<br />

vollendet hatte.<br />

Zudem spricht die wahrsche<strong>in</strong>liche Datierung für die Abfassung<br />

durch e<strong>in</strong>en Zeitgenossen des Paulus, wie im Folgenden dargelegt wird.<br />

3.6 ABFASSUNGSORT UND -ZEIT<br />

Gründe, die für e<strong>in</strong>e späte Datierung sprechen sollen, s<strong>in</strong>d u. a. die folgenden:<br />

Nach der Zweiquellentheorie ist <strong>das</strong> Lukasevangelium jünger<br />

als <strong>das</strong> Markusevangelium, <strong>das</strong> oft ca. 70 n. Chr. datiert wird. Dementsprechend<br />

müssten <strong>das</strong> Lukasevangelium und die Apostelgeschichte<br />

noch später abgefasst worden se<strong>in</strong>.<br />

Die „Geme<strong>in</strong>deverfassung“, also die Erwähnung von Ältesten (Apg<br />

14,23; 20,17 f.; vgl. 1Tim 5,1 f.17.19; Tit 1,5) und Diakonen (Apg 6,1–6), soll auf<br />

die „zweite Generation“ h<strong>in</strong>deuten. Allerd<strong>in</strong>gs werden z. B. bereits <strong>in</strong><br />

Phil 1,1 ausdrücklich sowohl die „Aufseher“ (ἐπίσκοποι) – welche augensche<strong>in</strong>lich<br />

mit den Ältesten identisch s<strong>in</strong>d (vgl. Apg 20,28; 1Tim 3,2;<br />

Tit 1,7) – als auch die Diakone erwähnt. Andererseits ersche<strong>in</strong>t der Begriff<br />

„Diakon“ <strong>in</strong> Apg 6,1ff. nicht. Und wie z. B. 1Thess 5,12 zeigt, gab es <strong>in</strong> den<br />

Geme<strong>in</strong>den, die Paulus gegründet hat, offensichtlich schon früh e<strong>in</strong> Leitungsteam.<br />

Zu beachten ist dabei, <strong>das</strong>s die „Aufseher“ <strong>in</strong> der Apostelgeschichte<br />

des Lukas mit den „Ältesten“ (πρεσβύτεροι) identisch s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

Apg 20,17.28), während Ignatius um 108 n. Chr. von e<strong>in</strong>em Aufseher<br />

(„Bischof“) an der Spitze des Ältestenrats ausgeht. 61<br />

61 Vgl. dazu <strong>Thiessen</strong>, Paulus als Lehrer, S. 236 ff.


136<br />

3. DIE APOSTELGESCHICHTE<br />

Die angebliche „Unkenntnis“ der paul<strong>in</strong>ischen Briefe und Theologie<br />

sprechen nicht nur für e<strong>in</strong>e Abfassung durch e<strong>in</strong>en Augenzeugen, sondern<br />

auch für die frühe Datierung der Apostelgeschichte. Um 90 bzw. 95<br />

n. Chr. hätten dem Verfasser zweifelsohne sämtliche Paulusbriefe zur<br />

Verfügung gestanden, die er vor allem dann, wenn er ke<strong>in</strong> Paulusbegleiter<br />

gewesen wäre, auch benutzt hätte.<br />

Die Gründe, die für e<strong>in</strong>e frühe Datierung (vor 70 n. Chr.) sprechen,<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs unhaltbar, sondern viel gewichtiger als die Gründe für<br />

e<strong>in</strong>e späte Datierung, wie im Folgenden dargelegt werden soll. Lk 10,7<br />

wird bereits von Paulus <strong>in</strong> 1Tim 5,18 als „Schrift“ zitiert. Wenn der<br />

1. Timotheusbrief von Paulus geschrieben ist, dann ist er vor der H<strong>in</strong>richtung<br />

des Apostels (um 66/67 n. Chr.) entstanden. Andererseits müssen<br />

wir davon ausgehen, <strong>das</strong>s die Apostelgeschichte kaum wesentlich<br />

nach dem Lukasevangelium geschrieben wurde. Für Clemens Romanus<br />

(ca. 95 n. Chr. oder früher) hatte die Apostelgeschichte offenbar bereits<br />

kanonische Autorität. Da Clemens sich deutlich an die Apostelgeschichte<br />

anlehnt, muss die Apostelgeschichte e<strong>in</strong>iges früher geschrieben worden<br />

se<strong>in</strong>. Zudem stammt der Inhalt der Apostelgeschichte e<strong>in</strong>deutig von<br />

e<strong>in</strong>em Beteiligten (so vor allem der „Wir-Bericht“). Das bedeutet natürlich<br />

noch nicht automatisch, <strong>das</strong>s die Apostelgeschichte vor 70 n. Chr.<br />

abgefasst worden se<strong>in</strong> muss. Aber dadurch wird die Frühdatierung<br />

zum<strong>in</strong>dest nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr wahrsche<strong>in</strong>lich.<br />

Die Zerstörung Jerusalems ist ke<strong>in</strong> term<strong>in</strong>us post quem bzw. term<strong>in</strong>us<br />

a quo, sondern e<strong>in</strong> term<strong>in</strong>us ad/ante quem für die Datierung des<br />

lukanischen Doppelwerkes (d. h. nicht nach diesem Datum, sondern bis<br />

zu diesem Datum wurde <strong>das</strong> Werk verfasst). Denn die H<strong>in</strong>weise s<strong>in</strong>d<br />

nicht als vatic<strong>in</strong>ia ex eventu aufzufassen, da sie nicht auf historische<br />

Details e<strong>in</strong>gehen und auch ke<strong>in</strong>eswegs andeuten, <strong>das</strong>s die Prophetie<br />

bereits erfüllt ist. Harnack betont, <strong>das</strong>s der Tatsache, <strong>das</strong>s „<strong>das</strong> Strafgericht<br />

der Zerstörung Jerusalems über <strong>das</strong> Volk gekommen ist, … nicht<br />

e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anspielung gedacht“ wird (<strong>Neue</strong> Untersuchungen,<br />

S. 70). Mittelstaedt weist zudem mit Recht darauf h<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s der Tempel<br />

aufgrund von Apg 6,13f. zur Zeit der Abfassung der Apostelgeschichte<br />

noch stehen muss (Lukas als Historiker, S. 159 ff.). Auf jeden Fall ist offensichtlich,<br />

<strong>das</strong>s die Aussage aus der Zeit vor der Zerstörung des Tempels<br />

stammt, denn sonst hätten die Juden ke<strong>in</strong>en Grund gehabt, die Aussage,<br />

Jesus werde den Tempel zerstören, <strong>in</strong> dieser Weise zu kritisieren.<br />

Der Schluss der Apostelgeschichte (Apg 28,30 f.) lässt sich nur so


4.<br />

DIE PAULUSBRIEFE<br />

UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

4.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DIE PAULUSBRIEFE<br />

4.1.1 CHRONOLOGIE DES LEBENS VON PAULUS IM ÜBERBLICK<br />

1. Lebenshälfte, ca. 1–47 n. Chr.<br />

Ca. 1 Tarsus Geburt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er jüd. Familie, Beschneidung Apg 22,3; Phil 3,5 f.<br />

Jerusalem Schule Gamaliels Apg 22,3<br />

Ab 30 Jerusalem Verhaftung und Ste<strong>in</strong>igung des Stephanus Apg 6,8–7,60<br />

Jerusalem Paulus verfolgt die christliche Geme<strong>in</strong>de Apg 8,3<br />

Ca. 33 Bei Damaskus Damaskus-Erlebnis Apg 9,3–18<br />

Ca. 33 Damaskus Verkündigung <strong>in</strong> den Synagogen Apg 9,19 f.<br />

33–36 Arabien 3 Jahre (Damaskus und Arabien) Gal 1,17 f.<br />

36 Damaskus Kurzer Aufenthalt, Verfolgung, Flucht Apg 9,23–25;<br />

Gal 1,17;<br />

2Kor 11,32 f.<br />

36 Jerusalem Paulus <strong>in</strong> Jerusalem (15 Tage), Verfolgung Apg 9,26–29;<br />

Gal 1,18<br />

36 Cäsarea Hafen Apg 9,30<br />

36–46 Tarsus Paulus bleibt wohl 10 Jahre <strong>in</strong> Tarsus Gal 2,1<br />

46 Tarsus Barnabas holt Paulus von Tarsus nach Apg 9,30;<br />

Antiochien 11,25; Gal 1,21<br />

46-47 Antiochien Barnabas und Paulus lehren die Apg 11,26<br />

am Orontes Geme<strong>in</strong>de, 1 Jahr<br />

Erste Missionsreise mit Barnabas und Markus, ca. 47–49 n. Chr.<br />

47 Jerusalem 14 Jahre nach Damaskus-Erlebnis, Apg 11,29; 12,25;<br />

Unterstützung Gal 2,1-10<br />

47 Antiochien Dienst <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de und Aussendung Apg 13,2 f.<br />

am Orontes<br />

47 Seleukia Hafen Apg 13,4<br />

47 Zypern: Verkündigung <strong>in</strong> Synagoge Apg 13,5<br />

Salamis<br />

47 Zypern: von Verkündigung <strong>in</strong> Synagogen Apg 13,6<br />

Ort zu Ort


146<br />

4. DIE PAULUSBRIEFE UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

47 Zypern: Zauberer Elymas, Sergius Paulus Apg 13,6–13<br />

Paphos<br />

47 Perge Trennung von Johannes Markus Apg 13,13<br />

(Pamphylien)<br />

47/48 Pisidisches Verkündigung <strong>in</strong> Synagoge, Vertreibung Apg 13,14–50<br />

Antiochien<br />

47/48 Ikonion Verkündigung <strong>in</strong> Synagoge, Vertreibung Apg 14,1–5<br />

47/48 Lystra Verkündigung, Verehrung, Ste<strong>in</strong>igung Apg 14,6.8–20<br />

47/48 Derbe Verkündigung Apg 14,6.20 f.<br />

47/48 Lystra Stärkung/Verkündigung Apg 14,21–23<br />

47/48 Ikonion Stärkung/Verkündigung Apg 14,21–23<br />

48 Pisidisches Stärkung/Verkündigung Apg 14,21–23<br />

Antiochien<br />

48 Perge Verkündigung Apg 14,25<br />

48 Attalia Hafen, Abreise Apg 14,25<br />

(Antalya)<br />

48/49 Antiochien Rückkehr <strong>in</strong> Abfahrtsort Apg 14,26–28<br />

am Orontes<br />

Apostelkonzil <strong>in</strong> Jerusalem, 49 n. Chr.<br />

49 Antiochien „Zwischenfall“ Apg 15,1 f.24;<br />

am Orontes<br />

Gal 2,11 ff.<br />

49 Antiochien Abfassung des Galaterbriefs Vgl. Gal 1,6<br />

am Orontes<br />

49 Phönikien Zwischenstopp und Besuch der Gläubigen Apg 15,3<br />

49 Samaria Zwischenstopp und Besuch der Gläubigen Apg 15,3<br />

49 Jerusalem Apostelkonzil Apg 15,4–29<br />

49 Antiochien Ju<strong>das</strong>, Silas, Barnabas und Paulus Apg 15,30<br />

am Orontes br<strong>in</strong>gen Brief<br />

Zweite Missionsreise mit Silas/Silvanus (und Timotheus), 50–52 n. Chr.<br />

50 66 Antiochien Streit um Johannes Markus Apg 15,36–40<br />

am Orontes<br />

50 Syria und Stärkung der Geme<strong>in</strong>de Apg 15,41<br />

Kilikia<br />

50 Derbe Stärkung der Geme<strong>in</strong>de Apg 16,1<br />

50 Lystra Timotheus als neuer Begleiter Apg 16,1–3<br />

50 Von Ort Erklären der Verordnung des Apostelkonzils Apg 16,4<br />

zu Ort<br />

50 Phrygisch- Route <strong>in</strong> Richtung Ephesus, dann Apg 16,6;<br />

gal. Gebiet nach Bithynien vgl. Apg 18,23<br />

50 Mysien An Mysien vorbei <strong>in</strong> Richtung Westen Apg 16,8<br />

66 Frühjahr 50 n. Chr.


4.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DIE PAULUSBRIEFE 147<br />

50 Alexandria Vision e<strong>in</strong>es Makedoniers, Abfahrt, Apg 16,8–11,<br />

Troas „Wir-Bericht“ 2Kor 2,12<br />

50 Neapolis Hafenstadt Apg 16,11<br />

(Kabala)<br />

50 Philippi Wahrsagegeist, Gefängnis, Apg 16,12–40,<br />

Erdbeben 1Thess 2,2<br />

50 Amphipolis/ Der Via Egnatia entlang Apg 17,1<br />

Appollonia<br />

50 Thessalonich Verkündigung, Tumult, Apg 17,1–9,<br />

Bürgschaft 1Thess 2,2<br />

50 Beröa Verkündigung, Flucht Apg 17,10–14<br />

50 Athen Agora, Areopag Apg 17,16–34<br />

50–52 67 Kor<strong>in</strong>th 18 Monate, Abfassung 1/2Thess 68 Apg 18,1–17<br />

52 Ephesus Gespräch mit Gläubigen Apg 18,19<br />

<strong>in</strong> der Synagoge<br />

52 Cäsarea Heimreise Apg 18,22<br />

Maritima<br />

52 Jerusalem Geme<strong>in</strong>de-Besuch Apg 18,22<br />

52 Antiochien E<strong>in</strong>e gewisse Zeit Apg 18,22 f.<br />

am Orontes<br />

Dritte Missionsreise, 52–57 n. Chr.<br />

52 Südgalatien Besuch der Gläubigen, Ermutigung Apg 18,23<br />

52–55 Ephesus Abf. 1Kor, Besuch <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th, Apg 19,1 ff.; 20,31;<br />

„Tränenbrief“ 69 2Kor 2,3 f.; 7,8.12<br />

56 Makedonien Abfassung 2Kor, Verkündigung Apg 20,1 f.;<br />

bis Illyricum Röm 15 19<br />

56/57 Griechenland Kor<strong>in</strong>th (3 Monate), Abfassung Röm Apg 20,2 f.<br />

57 Philippi Abfahrt nach Passahzeit, „Wir-Bericht“ Apg 20,6<br />

57 Troas E<strong>in</strong>e Woche, Eutychus fällt vom 3. Stock Apg 20,6<br />

Alexandria<br />

57 Milet Älteste von Ephesus Apg 20,16–38<br />

67 Herbst 50 n. Chr. – Frühl<strong>in</strong>g 52 n. Chr.; vgl. die Gallio-Inschrift.<br />

68 Der 1. Thessalonicherbrief wurde wohl im Herbst 50 n. Chr., kurz nach der Ankunft<br />

des Paulus <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th, vor fester Geme<strong>in</strong>degründung, geschrieben. Der 2. Thessalonicherbrief<br />

wurde nur kurze Zeit später, im Herbst 50 n. Chr. oder im Frühl<strong>in</strong>g 51<br />

n. Chr., abgefasst.<br />

69 Abfassung des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefs wohl im Frühl<strong>in</strong>g 55 n. Chr. Der „Tränenbrief“ (vgl.<br />

2Kor 2,3 f.9; 7,8.12) wurde wahrsche<strong>in</strong>lich im Spätsommer oder Herbst 55 n. Chr. <strong>in</strong><br />

Ephesus an die Geme<strong>in</strong>de von Kor<strong>in</strong>th geschrieben. Nach 1Kor 5,9 hat Paulus vor<br />

dem 1. Kor<strong>in</strong>therbrief bereits e<strong>in</strong> Schreiben an die Geme<strong>in</strong>de verfasst – wohl etwa im<br />

Herbst 54 n. Chr.


148<br />

4. DIE PAULUSBRIEFE UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

57 Tyrus E<strong>in</strong>e Woche Apg 21,3-6<br />

57 Ptolemaïs Besuch der Gläubigen Apg 21,7<br />

(Akko)<br />

57 Cäsarea Hagabus (Agabus) prophezeit Festnahme Apg 21,8–14<br />

Maritima<br />

57 Jerusalem Herzliche Begrüßung Apg 21,15–25<br />

Paulus vor Gericht und Gefangenschaft, 57–62 n. Chr.<br />

57 Jerusalem Aufstand, Festnahme, Apg 21,27–22,29<br />

Verteidigungsrede<br />

57 Jerusalem Hoher Rat, Streit um Auferstehung Apg 22,30–23,11<br />

57–59 Cäsarea Paulus vor Felix, Gefangenschaft Apg 23,23–24,27<br />

Maritima (über 2 Jahre)<br />

59 Cäsarea Paulus vor Festus und Agrippa II. Apg 25,1–26,32<br />

Maritima<br />

59 Sidon Romreise, Besuch bei Gläubigen Apg 27,3<br />

59 Myra Zwischenstopp <strong>in</strong> Lykien Apg 27,5<br />

59 Lasäa Weiter nach Phönix Apg 27,3–12<br />

(auf Kreta)<br />

59/60 Melite Drei Monate Überw<strong>in</strong>terung Apg 28,1–11<br />

60 Syrakus Drei Tage Apg 28,12<br />

(Sizilien)<br />

60 Rhegion – Sieben Tage Aufenthalt bei Gläubigen Apg 28,13 f.<br />

Puteoli<br />

60–62 Rom Mietwohnung Apg 28,15–31<br />

62 Rom Abf. „Gefangenschaftsbriefe“, 70 Apg 28,30 f.;<br />

Freilassung<br />

Phil 1,13 ff.<br />

Erneute Missionstätigkeit und H<strong>in</strong>richtung, 62–66/67 n. Chr.<br />

62 Rom Freilassung Phlm 22,<br />

Phil 1,25 f.;2,24<br />

62 Spanien? Missionsreise 1Clem 5,6 f.<br />

62–65 71 Kreta, Make- Missionsreise Tit 1,5; 1Tim 1,3;<br />

donien u. a.<br />

2Tim 4,10ff.<br />

65 Makedonien Missionsreise, Abfassung 1. Tim, Tit Tim 1,3; Tit 3,12<br />

65/66 Nikopolis Überw<strong>in</strong>terung Tit 3,12<br />

66 Rom 2. Gefangenschaft, 2Tim 1Tim 1,16 f.; 4,6-8<br />

66/67 Rom Martyrium <strong>in</strong> Rom Eusebius,<br />

Dionysius<br />

70 Gefangenschaftsbriefe = Eph, Phil, Kol, Phlm. Die Briefe müssen im frühen Frühjahr<br />

(etwa Anfang März) 62 n. Chr. geschrieben worden se<strong>in</strong> – der Philipperbrief<br />

e<strong>in</strong>ige Tage nach den restlichen drei Briefen.


4.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DIE PAULUSBRIEFE 149<br />

4.1.2 ZUR FORM DER NEUTESTAMENTLICHEN BRIEFE<br />

Bei 21 der 27 neutestamentlichen Schriften handelt es sich um „Briefe“.<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d diese Briefe <strong>in</strong> der Form der antiken Briefe abgefasst.<br />

72 Man hat viele solcher Briefe aus der Zeit zwischen 300 v. Chr. und<br />

300 n. Chr. gefunden. Sie waren die wichtigsten Kommunikationsmittel<br />

<strong>in</strong> allen Schichten der Bevölkerung. Cicero beschreibt den Brief als<br />

„Gespräch getrennter Freunde“ (Fam 16,16,2; Sen 40,1), wobei der Brief<br />

e<strong>in</strong> möglichst genaues Spiegelbild der Person des Briefschreibers se<strong>in</strong><br />

soll.<br />

Diese Briefe bestanden aus drei Hauptteilen, dem Präskript, dem<br />

Hauptteil und dem Schluss (Eschatokoll). Das Präskript kann wiederum<br />

<strong>in</strong> vier Teile zerfallen: 1. Name des Absenders; 2. Name des Empfängers;<br />

3. Gruß (χαίρειν = „sich freuen“ – vgl. Apg 15,23; 23,26; Jak 1,1; 2Joh 10.11;<br />

Paulus: „Gnade (χάρις) euch und Friede von Gott …“); 4. Gebet oder<br />

Danksagung (Paulus: „Ich danke Gott jederzeit euretwegen …“). Man<br />

kann diese Briefe grundsätzlich <strong>in</strong> öffentliche (z. B. geschäftliche) und<br />

private (z. B. familiäre) Briefe unterteilen.<br />

Zum Präskript gehören die Angabe des Absenders, des Empfängers<br />

und der Gruß. Paulus nennt häufig die Mitabsender und fügt die<br />

Segenswünsche h<strong>in</strong>zu (Epitheta). Dann folgt meistens e<strong>in</strong>e Danksa -<br />

gung (Proömium). Das Postskript umfasst <strong>in</strong> den Paulusbriefen <strong>in</strong> der<br />

Regel drei Elemente: E<strong>in</strong>en Grußauftrag, e<strong>in</strong>e Grußausrichtung und <strong>das</strong><br />

Eschatokoll – bei Paulus e<strong>in</strong> Segenswunsch, sonst allgeme<strong>in</strong> errōso/<br />

errōsthe (ἔρρωσο/ἔρρωσθε) = „Bleibe/bleibt gesund!“ bzw. „Lebe/lebt<br />

wohl!“ (vgl. Apg 15,29) bzw. eutychei (εὐτυχεῖ) = „Sei stark!“ bzw. „Lebe<br />

wohl!“).<br />

71 Vorausgesetzt wird im Folgenden, <strong>das</strong>s Paulus etwa im W<strong>in</strong>ter 66/67 n. Chr. (im 13.<br />

Regierungsjahr von Kaiser Nero) <strong>in</strong> Rom h<strong>in</strong>gerichtet wurde (vgl. Eusebius, Chronikon-Kanon<br />

818 f.; ders., Hist Eccl 2,22,2.5; 3,1,3).<br />

72 Vgl. dazu auch u. a. Aune, New <strong>Testament</strong>, S. 160–174; Becker, Der frühe Briefschreiber,<br />

S. 491–505; Deissmann, Licht vom Osten, S. 193 ff.; Doty, Letters, S. 1–17; Grassmick,<br />

Epistolary Genre, S. 221–239; Klauck, Die antike Briefliteratur, 1998; Malherbe,<br />

Ancient Epistolary Theorists, S. 2–14 und 21–29; Müller, Vom Schluss zum Ganzen,<br />

1997; Propst, Paulus und der Brief, 1991; Richards, Secretary, 1991; ders., Paul and<br />

First-Century Letter-writ<strong>in</strong>g, 2005; Roller, Formular, 1933; Stirewalt, Studies s, 1993;<br />

ders., Paul the Letter Writer, 2003; Stowers, Letter Writ<strong>in</strong>g, S. 27–40.


150<br />

4. DIE PAULUSBRIEFE UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

Für Cicero (106–43 v. Chr.) ist e<strong>in</strong> Brief „ke<strong>in</strong>e Gerichtsverhandlung<br />

oder Volksrede“, und im Un-terschied zur Rede sei der Brief „aus alltäglichen<br />

Worten“ gebildet (Fam 9,21,1). Das gilt sicher grundsätzlich auch<br />

für die neutestamentlichen Briefe. Wir sollten dementsprechend vorsichtig<br />

mit der rhetorischen Analyse umgehen und diese nicht überstrapazieren,<br />

obwohl die neutestamentlichen Briefe (wie antike Briefe auch<br />

sonst) natürlich auch rhetorische Elemente enthalten.<br />

Briefe wurden <strong>in</strong> der Regel eigenhändig geschrieben, aber auch<br />

e<strong>in</strong>em kundigen Schreiber diktiert. Wenn Cicero eigenhändig schreibt,<br />

„signalisiert dies besondere Verbundenheit und Freundschaft; doch<br />

wenn die Umstände es angesichts von Krankheit oder Zeitnot erfordern,<br />

greift auch Cicero auf die Praxis des Diktats zurück“, bemerkt Schreiber<br />

(Briefliteratur, S. 255). „Der Verfasser setzte dann zum Teil eigenhändig<br />

e<strong>in</strong>en Schlussgruß mit Unterschrift unter <strong>das</strong> fertige Schreiben. Im<br />

Postskript e<strong>in</strong>es Briefs an Atticus (Att XIII 28,4) merkt Cicero an, nun<br />

eigenhändig zu schreiben; auch e<strong>in</strong>e heikle Angelegenheit spricht er lieber<br />

mit eigener Feder an (Att XI 24,2).“ (S. 255 f.) 73<br />

Es gibt aber auch neutestamentliche „Briefe“, die sche<strong>in</strong>en eher e<strong>in</strong>e<br />

theologische Abhandlung als echte Briefe zu se<strong>in</strong>. Deissmann hat deshalb<br />

zwischen „Brief“ und „Epistel“ (ἐπιστολή = „Brief“) unterschieden.<br />

Der „Brief“ ist für ihn etwas Unliterarisches und die „Epistel“ e<strong>in</strong>e literarische<br />

Kunstform. Deissmann wörtlich: „Der Brief ist e<strong>in</strong> Stück Leben,<br />

die Epistel ist e<strong>in</strong> Erzeugnis literarischer Kunst“ (Licht vom Osten,<br />

S. 195). Die Paulusbriefe s<strong>in</strong>d nach Deissmann wirkliche, unliterarische<br />

Briefe, während er den Jakobusbrief, die Petrusbriefe, den Ju<strong>das</strong>brief,<br />

den Hebräerbrief und die Offenbarung des Johannes als Epistel be -<br />

zeichnet.<br />

Tatsächlich sche<strong>in</strong>t bei oberflächlicher Betrachtung z. B. der He -<br />

bräerbrief ke<strong>in</strong> Brief, sondern e<strong>in</strong>e theologische Abhandlung zu se<strong>in</strong>.<br />

Und doch ist er an e<strong>in</strong>e bestimmte Gruppe von Menschen gerichtet. Der<br />

Verfasser bezeichnet die Schrift als „Mahnrede“ bzw. „Wort der Ermutigung“<br />

(Hebr 13,22). Der Inhalt der Schrift zeigt zudem an vielen Stellen,<br />

<strong>das</strong>s der Verfasser an e<strong>in</strong>e bestimmte Gruppe von Christen schreibt,<br />

<strong>in</strong>dem er immer wieder auf ihre Situation zu sprechen kommt und sie<br />

persönlich anspricht. So ersche<strong>in</strong>en z. B. die Verben <strong>in</strong>sgesamt 51-mal <strong>in</strong><br />

73 Vgl. dazu Cicero, Qu<strong>in</strong>t Fratr 3,19; Att 4,16,1; 5,17,1; 8,12,1; 13,1. Vgl. auch u. a. Richards,<br />

Paul, S. 81 ff.


4.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DIE PAULUSBRIEFE 151<br />

der 2. Person Plural, wobei immer wieder sichtbar wird, <strong>das</strong>s konkrete<br />

Personen angesprochen werden (so z. B. <strong>in</strong> Hebr 5,11 f.; 10,32 und 12,4).<br />

Auch schließt der Hebräerbrief im Stil e<strong>in</strong>es Briefs ab (vgl. z. B. Hebr<br />

13,22: διὰ βραχέων ἐπέστειλα ὑμῖν = „In Kürze habe ich euch <strong>in</strong> Briefform<br />

geschrieben“). Der 2. Petrusbrief beg<strong>in</strong>nt im Stil e<strong>in</strong>es Briefs, doch<br />

es fehlt der H<strong>in</strong>weis auf die Empfänger, und es gibt ke<strong>in</strong>e persönlichen<br />

Anmerkungen und ke<strong>in</strong>en Abschiedsgruß. Wie wir aber <strong>in</strong>direkt aus<br />

2Petr 3,1 erfahren, s<strong>in</strong>d die Empfänger offenbar die selben wie beim<br />

1. Petrusbrief, und auch der 2. Petrusbrief wird an dieser Stelle als „Brief“<br />

(ἐπιστολή) bezeichnet. Wir sehen also, <strong>das</strong>s auch die Schriften, die teilweise<br />

eher e<strong>in</strong>er „theologischen Abhandlung“ gleichen, aus e<strong>in</strong>em be -<br />

stimmten Anlass und an e<strong>in</strong>e bestimmte Personengruppe geschrieben<br />

wurden. Grund für die Abfassung gab es entweder beim Autor oder/und<br />

bei den Empfängern.<br />

Nach Schnelle s<strong>in</strong>d für die paul<strong>in</strong>ischen Briefe aus der Vielzahl möglicher<br />

antiker Briefgattungen „der Freundschaftsbrief und der philosophische<br />

Brief von Bedeutung“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 55). Doch ist es problematisch,<br />

die Paulusbriefe nach den antiken Briefen allgeme<strong>in</strong> zu klassifizieren.<br />

Genau genommen gibt es ke<strong>in</strong>en re<strong>in</strong>en „Freundschaftsbrief“ bei<br />

Paulus. Lediglich der Philemonbrief könnte als „Privatbrief“ betrachtet<br />

werden, wobei Phlm 2 andeutet, <strong>das</strong>s die „Hausgeme<strong>in</strong>de“ ebenfalls angesprochen<br />

wird. Die Pastoralbriefe (die oft nicht Paulus zugeschrieben<br />

werden) s<strong>in</strong>d zwar an e<strong>in</strong>zelne Personen gerichtet, stellen aber ke<strong>in</strong>e<br />

„Privatbriefe“ dar, abgesehen davon, <strong>das</strong>s der 2. Timotheusbrief e<strong>in</strong>en<br />

recht persönlichen Charakter hat. Andererseits haben die Briefe zwar<br />

öffentlichen Charakter, aber sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem Inhalt und <strong>in</strong> ihrer Form<br />

doch stark durch <strong>das</strong> Evangelium von Jesus Christus geprägt und können<br />

nicht e<strong>in</strong>fach z. B. mit den philosophischen Briefen verglichen werden.<br />

Die Paulusbriefe werden von Mitarbeitern überbracht. Das war<br />

üblich. Cicero beklagt sich, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong> Brief zurückgekommen sei und er<br />

ihn nochmals habe schicken lassen müssen (Att 2,12,4; 2,13,1) oder <strong>das</strong>s<br />

e<strong>in</strong> Sklave e<strong>in</strong>en Brief erst nach 40 Tagen ausgehändigt habe (Fam 8,12,4).<br />

Briefe dürften demnach oft lange unterwegs gewesen oder gar nicht<br />

angekommen se<strong>in</strong> (vgl. Fam 2,10,1; 2,131,1). 74 Auch wenn z. B. der „Tränenbrief“<br />

des Paulus an die Geme<strong>in</strong>de von Kor<strong>in</strong>th (vgl. 2Kor 2,3.12 f.;<br />

74 Vgl. dazu auch Schuol, Paulus, S. 151–154.


152<br />

4. DIE PAULUSBRIEFE UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

7,5.8) nicht überliefert ist, so sche<strong>in</strong>en die Paulusbriefe doch allgeme<strong>in</strong><br />

bei den vorgesehenen Empfängern angekommen zu se<strong>in</strong>.<br />

Cicero diskutiert die Vorwürfe gegen <strong>das</strong> Alter und ist bestrebt, diese<br />

zu widerlegen (Sen 12,39; 19,66). Gerade <strong>das</strong> Greisenalter wird von Cicero<br />

und anderen antiken Autoren als wertvoll für Gesellschaft und Staat<br />

betrachtet. Paulus betont <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er „frühen“ Briefe (wohl im<br />

Herbst 50 n. Chr.): „Und darum danken auch wir Gott unablässig, <strong>das</strong>s,<br />

als ihr von uns <strong>das</strong> Wort der Kunde von Gott empf<strong>in</strong>gt, ihr es nicht als<br />

Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes<br />

Wort, <strong>das</strong> <strong>in</strong> euch, den Glaubenden, auch wirkt“ (1Thess 2,13). Somit ist<br />

auch davon auszugehen, <strong>das</strong>s die Paulusbriefe <strong>in</strong> den christlichen<br />

Geme<strong>in</strong>den von Anfang an gesammelt und verbreitet wurden.<br />

4.1.3 ALLGEMEINES ZU DEN PAULUSBRIEFEN<br />

Von den 13 Briefen im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>, die Paulus als Verfasser angeben,<br />

wurden zum Teil nur die vier „Hauptbriefe“ (Römerbrief; 1. und<br />

2. Kor<strong>in</strong>therbrief; Galaterbrief) als echte Paulusbriefe angesehen – allerd<strong>in</strong>gs<br />

wurden auch diese von den „radikalen Holländern“ als unecht<br />

betrachtet. Heute gelten jedoch <strong>in</strong> der <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft oft sieben<br />

Briefe (auch der 1. Thessalonicher-, der Philipper- und der Philemonbrief)<br />

als authentische Paulusbriefe. Zudem wird zunehmend<br />

anerkannt, <strong>das</strong>s wohl auch der 2. Thessalonicherbrief und der Kolosserbrief<br />

zum<strong>in</strong>dest aus der paul<strong>in</strong>ischen Zeit stammen müssen, wobei <strong>in</strong><br />

diesem Fall oft angenommen wird, <strong>das</strong>s die Briefe von e<strong>in</strong>em Mitarbeiter<br />

des Apostels Paulus geschrieben und von Paulus selbst unterschrieben<br />

wurden.<br />

Der Epheser-, der Philipper-, der Kolosser- und der Philemonbrief<br />

werden als „Gefangenschaftsbriefe“ bezeichnet, weil sie dem Inhalt der<br />

Briefe zufolge aus der Gefangenschaft des Apostels geschrieben wurden.<br />

Auch wenn der 2. Timotheusbrief nach eigenen Angaben ebenfalls aus<br />

der Gefangenschaft geschrieben wurde (vgl. 2Tim 2,9; 4,6–8), so wird er<br />

doch nicht den „Gefangenschaftsbriefen“, sondern den „Pastoralbriefen“<br />

(1./2. Timotheus- und Titusbrief) zugerechnet. Diese wurden an<br />

e<strong>in</strong>zelne Personen gerichtet, die man als „Hirten“ (Pastoren) der Ge -<br />

me<strong>in</strong>de bezeichnen kann.<br />

Paulus hat augensche<strong>in</strong>lich m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en weiteren Brief ge -<br />

schrieben, der aber nicht im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> überliefert ist. In 2Kor


4.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DIE PAULUSBRIEFE 153<br />

2,3 f. sowie 7,8.12 bezieht er sich auf den sogenannten „Tränenbrief“, der<br />

offenbar zwischen dem 1. und dem 2. Kor<strong>in</strong>therbrief geschrieben wurde.<br />

In 1Kor 5,9 erwähnt der Apostel e<strong>in</strong> Schreiben an die Kor<strong>in</strong>ther („Ich habe<br />

euch <strong>in</strong> dem Brief geschrieben …“), wobei mit „dem Brief“ sehr wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

nicht der 1. Kor<strong>in</strong>therbrief selbst geme<strong>in</strong>t ist. In Kol 4,16 wird<br />

e<strong>in</strong> Brief „aus Laodizäa“ erwähnt. Möglicherweise ist dieser Brief mit<br />

dem „Epheserbrief“ identisch, der damit nicht nur an die Geme<strong>in</strong>de von<br />

Ephesus, sondern (zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>direkt) auch an die Ge me<strong>in</strong>de von Laodizäa<br />

und Kolossä gerichtet worden wäre. Dafür spricht, <strong>das</strong>s der Kolosserbrief<br />

<strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht die Kenntnis des Epheserbriefs vorauszusetzen<br />

sche<strong>in</strong>t. 75<br />

4.1.4 ANHALTSPUNKTE ZUR FESTLEGUNG<br />

DER PAULUS-CHRONOLOGIE<br />

Um die „Eckdaten“ des Lebens von Paulus festzulegen, benutzen wir die<br />

Angaben, die wir im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> f<strong>in</strong>den, und zusätzliche außerbiblische<br />

H<strong>in</strong>weise, die uns helfen, die e<strong>in</strong>zelnen Lebensabschnitte des<br />

Apostels zeitlich e<strong>in</strong>zuordnen. Während uns die neutestamentlichen<br />

Angaben zu e<strong>in</strong>er „relativen Chronologie“ des Apostels verhelfen (so<br />

lesen wir z. B. <strong>in</strong> Apg 18,11, <strong>das</strong>s Paulus auf der ersten Missionsreise e<strong>in</strong><br />

Jahr und sechs Monate <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th wirkte), ermöglichen e<strong>in</strong>zelne zeitgeschichtliche<br />

Ereignisse (wie <strong>das</strong> „Claudius-Edikt“ oder die „Gallio-<br />

Inschrift“) e<strong>in</strong>e „absolute Chronologie“, d. h. die ziemlich genaue Festlegung<br />

der Zeit, wann Paulus genau wo gewirkt hat. Zu beachten ist<br />

dabei, <strong>das</strong>s die Anordnung der Paulusbriefe im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> nicht<br />

chronologisch ist, sondern der Länge (und der Gewichtung) der Schriften<br />

entspricht.<br />

4.1.5 DAS CLAUDIUS-EDIKT<br />

Sueton berichtet um 120 n. Chr. über Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.): „Die<br />

Juden vertrieb er aus Rom, weil sie, von Chrestus aufgehetzt, fortwährend<br />

Unruhe stifteten“ (Cl 25,4). 76 Wie es sche<strong>in</strong>t, liegt an dieser Stelle<br />

75 Vgl. dazu <strong>Thiessen</strong>, Die umstrittenen Paulusbriefe, S. 61 ff.<br />

76 Vgl. dazu u. a. Botermann, Judenedikt, 1996; Lüdemann, Paulus I, S. 183–195; Riesner,<br />

Frühzeit, S. 139 ff.; Jewett, Paulus-Chronologie, S. 69 ff.; Das, Solv<strong>in</strong>g, S. 149–202.


154<br />

4. DIE PAULUSBRIEFE UND DER HEBRÄERBRIEF<br />

e<strong>in</strong>e Verwechselung zwischen „Chrestus“ und „Christus“ vor. Dabei ist<br />

zu beachten, <strong>das</strong>s die zwei griechischen Buchstaben η (ē) und ι (i) zur<br />

Zeit von Sueton allmählich gleich ausgesprochen wurden (wie <strong>das</strong> im<br />

mo dernen Griechisch der Fall ist). Das wird u. a. durch die Tatsache<br />

angedeutet, <strong>das</strong>s die hebräische Mischna, die im 2. Jh. n. Chr. schriftlich<br />

zusammengestellt wurde, den griechischen Buchstaben η (ē) <strong>in</strong> Wörtern,<br />

die aus dem Griechischen als „Fremdwörter“ übernommen wurden,<br />

zum<strong>in</strong>dest nach der Punktierung der Masoreten (jüdische Überlieferer)<br />

mal als „e“ und mal als „i“ wiedergibt. Zudem fällt auf, <strong>das</strong>s die ur -<br />

sprüngliche Version des Kodex S<strong>in</strong>aiticus ‏(א)‏ aus der ersten Hälfte des<br />

4. Jh. n. Chr. <strong>das</strong> Wort christianos (χριστιανός) = „Christ“ an allen drei<br />

Stellen im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> (Apg 11,26; 26,28; 1Petr 4,16) mit chrēstianos<br />

(χρηστιανός) wiedergibt. Andererseits beschreibt Tacitus um 116/117 n.<br />

Chr. die Christenverfolgung unter Kaiser Nero nach dem Brand <strong>in</strong> Rom<br />

im Jahr 64 n. Chr. mit folgenden Worten:<br />

„Um <strong>das</strong> Gerücht aus der Welt zu schaffen [Nero selbst habe den Befehl zum<br />

Brand von Rom gegeben], schob er [Nero] die Schuld auf andere und verhängte<br />

die ausgesuchtesten Strafen über die wegen ihrer Verbrechen Verhassten, die<br />

<strong>das</strong> Volk ‚Chrestianer‘ nannte. Der Urheber dieses Namens ist Chrestus, der<br />

unter [Kaiser] Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus h<strong>in</strong>gerichtet worden<br />

war.“ (Ann 15,44)<br />

Es sche<strong>in</strong>t zur Zeit von Kaiser Claudius also e<strong>in</strong>en Streit unter den Juden<br />

<strong>in</strong> Rom darüber gegeben zu haben, ob Jesus der „Christus“, d. h. der<br />

Messias ist, was die Römer nicht e<strong>in</strong>ordnen konnten und me<strong>in</strong>ten, es<br />

gehe um e<strong>in</strong>en gewissen Menschen mit dem Namen „Chrestus“.<br />

Nach dem christlichen Geschichtsschreiber Orosius (5. Jh. n. Chr.)<br />

geschah die Vertreibung der Juden aus Rom im 9. Regierungsjahr des<br />

Claudius, d. h. um 49/50 n. Chr. Nach Apg 18,2 traf Paulus auf se<strong>in</strong>er zweiten<br />

Missionsreise nach se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th „e<strong>in</strong>en Juden namens<br />

Aquila, aus Pontus gebürtig, der kürzlich aus Italien gekommen war,<br />

und Priscilla, se<strong>in</strong>e Frau – weil Klaudius befohlen hatte, <strong>das</strong>s alle Juden<br />

sich aus Rom entfernen sollten“. Diese erste Begegnung des Paulus mit<br />

Aquila und Priska (Priszilla) ist somit auf ca. 50 n. Chr. zu datieren.<br />

4.1.6 DIE GALLIO-INSCHRIFT BZW. DELPHI-INSCHRIFT<br />

Wie wir <strong>in</strong> Apg 18,12 lesen, war Gallio (Bruder des Philosophen Seneca,<br />

dess Erziehers von Nero, und Onkel des Dichters Lucanus) <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th


5.<br />

DIE KATHOLISCHER BRIEFE<br />

5.1 EINFÜHRUNG<br />

Als „Katholische (d. h. allgeme<strong>in</strong>e) Briefe“ werden der Jakobusbrief, die<br />

zwei Petrusbriefe, die drei Johannesbriefe und der Ju<strong>das</strong>brief bezeichnet.<br />

Sie haben schon <strong>in</strong> den frühen Handschriften des <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>s<br />

<strong>in</strong> der Inscriptio nicht den Namen des Empfängers, sondern des<br />

Verfassers, und werden so genannt, weil sie bereits von Anfang an direkt<br />

an die Gesamtheit der Christen gerichtet se<strong>in</strong> sollen – was allerd<strong>in</strong>gs nur<br />

e<strong>in</strong> Teil der Wahrheit ist. Diese Briefe werden im Folgenden nicht <strong>in</strong><br />

chronologischer Reihenfolge behandelt, sondern <strong>in</strong> der Reihenfolge des<br />

griechischen <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>s.<br />

5.2 DER JAKOBUSBRIEF<br />

5.2.1 SCHLÜSSELVERS UND GLIEDERUNG DES JAKOBUSBRIEFS<br />

Als „Schlüsselvers“ kann man Jak 2,26 bezeichnen: „Denn wie der Leib<br />

ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.“ Nach Jak 2,17<br />

ist der Glaube, wenn er ke<strong>in</strong>e Werke (zur Folge) hat, „an und für sich<br />

tot“.<br />

Der Begriff „Glaube“ (πίστις) ersche<strong>in</strong>t bei Jakobus 16-mal und der<br />

Begriff „Werk“ (ἔργον) 15-mal (vor allem <strong>in</strong> Jak 2,14–26), davon e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />

Mal <strong>in</strong> der S<strong>in</strong>gularform (Jak 1,4: „… <strong>das</strong> Ausharren aber habe e<strong>in</strong> vollkommenes/vollendetes<br />

Werk …“). Zu beachten ist, <strong>das</strong>s der Begriff<br />

„Werke“ im Jakobusbrief anders gefüllt wird als z. B. <strong>in</strong> den Stellen bei<br />

Paulus, <strong>in</strong> denen dieser betont, <strong>das</strong>s der Mensch nicht „aus Werken des<br />

Gesetzes“ rechtfertigt werden kann. Nach Jak 2,22 „siehst du, <strong>das</strong>s der<br />

Glaube mit den Werken zusammenwirkt (συνήργει) und der Glaube<br />

aus den Werken vollendet wurde“, während nach Gal 5,6 weder die


5.2 DER JAKOBUSBRIEF 303<br />

Be schneidung noch <strong>das</strong> Unbeschnittense<strong>in</strong> etwas (zu bewirken) vermag,<br />

„sondern der Glaube, der durch Liebe wirksam wird (ἐνεργουμένη)“.<br />

Mart<strong>in</strong> Luther erkannte <strong>in</strong> der Struktur des Jakobusbriefs weder e<strong>in</strong>e<br />

Ordnung noch e<strong>in</strong>e Methode (TR 5, S. 157). Ähnlich haben sich dazu auch<br />

andere geäußert. In der neueren Forschung ist allerd<strong>in</strong>gs nach Konradt<br />

„e<strong>in</strong>e radikale Neubewertung des Jak als e<strong>in</strong>es theologisch reflektierten<br />

Schreibens mit durchdachter Gliederung und situativem Bezug vorgenommen<br />

worden“ (Jakobusbrief, S. 507). Es ist jedoch nicht e<strong>in</strong>fach, den<br />

Beg<strong>in</strong>n des Brief-Hauptteils genau festzulegen. Dafür, <strong>das</strong>s der Prolog<br />

mit Jak 1,12 endet, spricht nach Konradt, „<strong>das</strong>s hier stichwortartig Themen<br />

exponiert werden, die im Hauptteil ziemlich genau <strong>in</strong> der Reihenfolge<br />

ihres Vorkommens im Prolog entfaltet werden“ (ebd.). Richtig ist<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die Anmerkung von Konradt u. a., <strong>das</strong>s die „Versuchung“ <strong>in</strong><br />

Jak 1,2 und dann wieder <strong>in</strong> Jak 1,12 ff. angesprochen wird. Das bedeutet,<br />

<strong>das</strong>s Jakobus sowohl am Anfang als auch am Schluss des Prologs <strong>das</strong><br />

Thema, <strong>das</strong> er im ersten Teil des Briefkorpus behandelt, e<strong>in</strong>geführt hat.<br />

Doch warum sollte dann nicht mit Jak 1,12 der Hauptteil beg<strong>in</strong>nen?<br />

Denn <strong>in</strong> diesem Vers wird lediglich die von Gott verheißene „Krone des<br />

Lebens“ <strong>in</strong> dem Brief neu angesprochen, die aber im Brief weiter nicht<br />

erwähnt wird. Allerd<strong>in</strong>gs wird <strong>in</strong> Jak 2,5 parallel dazu betont, <strong>das</strong>s Gott<br />

die (göttliche) Königsherrschaft (βασιλεία) „denen verheißen hat, die<br />

ihn lieben“, so<strong>das</strong>s man Jak 1,12 <strong>in</strong> diesen S<strong>in</strong>n doch noch zur E<strong>in</strong>führung<br />

des Hauptteils rechnen könnte.<br />

Das Thema „Weisheit“ (σοφία), <strong>das</strong> <strong>in</strong> Jak 1,5 erwähnt wird, wird<br />

weiter <strong>in</strong> Jak 3,13–17 angesprochen. Das Wort „doppelseelig“ bzw. „wankelmütig“<br />

(δίψυχος) ersche<strong>in</strong>t nach Jak 1,8 wieder <strong>in</strong> Jak 4,8, die „De -<br />

mut“ bzw. „Niedrigkeit“ wird nach Jak 1,9 und 10 wieder <strong>in</strong> Jak 4,6 und<br />

10 erwähnt, und der Reichtum ist nach Jak 1,10 f. <strong>in</strong> Jak 2,5 f. und 5,1 wieder<br />

e<strong>in</strong> Thema. Allerd<strong>in</strong>gs tritt der Begriff „Begierde“ (ἐπιθυμία) zum<br />

ersten Mal erst <strong>in</strong> Jak 1,14 f. und dann wieder <strong>in</strong> Jak 4,2 <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung.<br />

Für die von Konradt unterstützte Gliederung könnte man jedoch argumentieren,<br />

<strong>das</strong>s im Kontext von Jak 2,14 f. nicht die „Begierde“, sondern<br />

die „Versuchung“ Thema ist.<br />

Insgesamt kann man wohl annehmen, <strong>das</strong>s Jak 1,1–12 (1,1–11?) e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>führung der Thematik des Hauptteils darstellt. E<strong>in</strong> Grund, Jak 1,12<br />

als Schluss dieser E<strong>in</strong>führung zu sehen, ist u. a. <strong>das</strong> e<strong>in</strong>führende „glückselig“<br />

(μακάριος), da auf diese „Glückseligkeit“ <strong>in</strong> Jak 1,25 und dann


304<br />

5. DIE KATHOLISCHEN BRIEFE<br />

<strong>in</strong> der Schlussermahnung <strong>in</strong> Jak 5,11 nochmals kurz e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

Jak 5,7–20 br<strong>in</strong>gt verschiedene zusammenfassende Schlussermahnungen,<br />

wobei e<strong>in</strong> eigentlicher Briefschluss fehlt.<br />

Gliederung<br />

1. Briefe<strong>in</strong>gang 1,1<br />

2. Briefkorpus 1,2–5,6<br />

2.1 E<strong>in</strong>führung der Thematik: Das Ausharren im Leiden 1,2–12<br />

2.2 Behandlung der Thematik: Die Notwendigkeit der<br />

Bewährung im Glauben 1,13–5,6<br />

2.2.1 Gott ist vollkommen und versucht niemanden 1,13–18<br />

2.2.2 Hörer des Wortes zu se<strong>in</strong> genügt nicht 1,19–27<br />

2.2.3 Das Ansehen der Person ist mit dem Glauben<br />

nicht vere<strong>in</strong>bar 2,1–13<br />

2.2.4 Der Glaube ohne Werke ist tot 2,14–26<br />

2.2.5 Mahnung zum vorsichtigen Umgang mit der Zunge 3,1–12<br />

2.2.6 Der gute Wandel als Weisheit von oben 3,13–18<br />

2.2.7 Lüste, Weltliebe und Verleumdung stehen im<br />

Widerspruch zum Glauben 4,1–12<br />

2.2.8 Warnung vor Zukunftsplänen ohne Gott 4,1–8<br />

2.2.9 Warnungen an die Reichen 5,1–6<br />

3. Schlussermahnungen 5,7–20<br />

5.2.2 ZUR VERFASSERSCHAFT DES JAKOBUSBRIEFS<br />

Fünf Personen werden im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> mit dem Namen „Jakobus“<br />

erwähnt: Jakobus, e<strong>in</strong> Apostel, Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes<br />

(z. B. Mt 4,21; 10,2); Jakobus, Sohn des Alphäus, ebenfalls Apostel<br />

(Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13); Jakobus, der Kle<strong>in</strong>e (Mk 15,40); Jakobus,<br />

Vater des Apostels Ju<strong>das</strong> (Lk 6,16; Apg 1,13) und Jakobus, der Bruder Jesu<br />

(Mt 13,55; 1Kor 15,7; Gal 1,19). Konradt bemerkt: „Es besteht e<strong>in</strong> breiter<br />

Konsens, <strong>das</strong>s der im Präskript genannte Jakobus nur der Bruder Jesu<br />

(Mk 6,3) se<strong>in</strong> kann, der <strong>in</strong> der Jerusalemer Urgeme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e leitende<br />

Position <strong>in</strong>nehatte (Gal 1,19; 2,9; Apg 12,17; 15,13–21; 21,18–25) …“ (Jakobusbrief,<br />

S. 513). Trotzdem wird <strong>in</strong> der heutigen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft im<br />

deutschsprachigen Raum die Verfasserschaft durch Jakobus, den Bruder<br />

Jesu, weitgehend bestritten.


5.2 DER JAKOBUSBRIEF 305<br />

5.2.3 DIE ALTKIRCHLICHE BEZEUGUNG DES JAKOBUSBRIEFS<br />

Es gibt e<strong>in</strong>ige Anlehnungen im 1. Clemensbrief (ca. 96 n. Chr.) an den<br />

Jakobusbrief, zumal die vielen sprachlichen und <strong>in</strong>haltlichen Verwandtschaften<br />

kaum zufällig se<strong>in</strong> können. 158 Die Aufforderung <strong>in</strong><br />

1Clem 8,4, zugunsten von e<strong>in</strong>em Waisen zu richten und e<strong>in</strong>er Witwe<br />

Recht zu schaffen, er<strong>in</strong>nert an Jak 1,17. In 1Clem 10,1 wird Abraham<br />

„Freund (Gottes)“ genannt, was e<strong>in</strong>e Anlehnung an Jak 2,23 zu se<strong>in</strong><br />

sche<strong>in</strong>t. Die Aussage <strong>in</strong> 1Clem 23,2 f.: „Lasst uns nicht schwankend se<strong>in</strong>,<br />

… elend s<strong>in</strong>d die Schwankenden“ (διὸ μὴ διψυχῶμεν … ταλαίπωροί<br />

εἰσιν οἱ δίψυχοι) lehnt sich (sprachlich) offenbar an verschiedene Stellen<br />

im Jakobusbrief an (vgl. Jak 1,8; 4,9; 5,1). Die Aussage ist nach Clemens<br />

„der Schrift“ entnommen. Wahrsche<strong>in</strong>licher verb<strong>in</strong>det Clemens verschiedene<br />

Stellen aus dem Jakobusbrief mit 2Petr 3,3 f.<br />

Das Zitat <strong>in</strong> 1Clem 30,2, wonach Gott „den Hochmütigen widersteht,<br />

aber den Demütigen Gnade gibt“, könnte Jak 4,6 entnommen se<strong>in</strong><br />

(vgl. auch 1Clem 30,3 mit Jak 2,24). E<strong>in</strong>e deutliche Anlehnung an Jak 1,23<br />

sche<strong>in</strong>t es <strong>in</strong> 1Clem 36,2 zu geben, wo es heißt: „Der Weise zeige se<strong>in</strong>e<br />

Weisheit nicht mit Worten, sondern mit se<strong>in</strong>en guten Werken …“, und<br />

1Clem 46,5 sche<strong>in</strong>t sich deutlich an Jak 4,1 anzulehnen, <strong>in</strong>dem Clemens<br />

schreibt: „Wozu [s<strong>in</strong>d] Wut, Entzweiungen (διχοστασίαι), Spaltungen<br />

und Krieg … unter euch?“. Die Aussage <strong>in</strong> 1Clem 49,5, <strong>das</strong>s „die Liebe e<strong>in</strong>e<br />

Menge von Sünden“ zudeckt, sche<strong>in</strong>t eher e<strong>in</strong> Zitat aus 1Petr 4,8 als aus<br />

Jak 5,20 zu se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e mögliche Anlehnung an Jak 1,13 f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong><br />

1Clem 36,2, wonach „wir“ durch Jesus Christus „durch e<strong>in</strong>en Spiegel <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong> fleckenloses und transzendentes Aussehen“ schauen.<br />

Nach Eusebius gehörte der Jakobusbrief am Anfang des 4. Jh.s<br />

n. Chr. nicht zu den allgeme<strong>in</strong> anerkannten Briefen des <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong>s,<br />

wurde jedoch von vielen Geme<strong>in</strong>den als kanonisch betrachtet<br />

(Hist Eccl 2,23,24 f.; 3,25,3). Der Jakobusbrief ist für Eusebius „der erste der<br />

sogenannten Katholischen Briefen“ (Hist Eccl 2,23,24). Zur Wertschätzung<br />

des Jakobusbriefs <strong>in</strong> den großen neutestamentlichen Kodizes 159<br />

kam es, weil man überzeugt war, <strong>das</strong>s die Herrenbrüder Jakobus und Ju -<br />

<strong>das</strong> die entsprechenden neutestamentlichen Briefe geschrieben haben.<br />

158 Vgl. dazu auch <strong>Thiessen</strong>, Rezeption, S. 301 f.


306<br />

5. DIE KATHOLISCHEN BRIEFE<br />

5.2.4 ARGUMENTE GEGEN DEN HERRENBRUDER JAKOBUS<br />

Schnelle zufolge gibt es „sehr gewichtige Gründe gegen den Herrenbruder<br />

als Verfasser des Jakobusbriefs“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 463). So spielten z. B.<br />

zentrale „Themen e<strong>in</strong>er strengen judenchristlichen Theologie wie Be -<br />

schneidung, Sabbat, Israel, Re<strong>in</strong>heitsgebote und der Tempel … ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle“ (ebd.). Der Grund dafür ist wohl ganz e<strong>in</strong>fach, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> nicht die<br />

(zentralen) Fragen bei den Empfängern waren. Auch „<strong>das</strong> Problem Heiden-/Judenchristen“<br />

ersche<strong>in</strong>e im Jakobusbrief nicht (S. 464). Auch <strong>das</strong><br />

war offenbar ke<strong>in</strong>e zentrale Frage bei den Empfängern.<br />

Die „tiefgreifenden Unterschiede <strong>in</strong> der Soteriologie“ zu Paulus weisen<br />

nach Schnelle „darauf h<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s der Verfasser des Jakobusbriefs nicht<br />

identisch se<strong>in</strong> kann mit dem Herrenbruder Jakobus, der nach Gal 2,9<br />

Paulus die Hand reichte und dessen Evangeliums-Verkündigung unter<br />

den Heiden ausdrücklich anerkannte“ (ebd.). 160 So soll Schnelle zufolge<br />

z. B. für Paulus „die Sünde e<strong>in</strong>e über<strong>in</strong>dividuelle Macht“ darstellen, „die<br />

sich des Gesetzes bedient und den Menschen betrügt (vgl. Röm 7,7 ff.)“,<br />

während „die Sünde bei Jakobus durch <strong>das</strong> Halten des ganzen Gesetzes<br />

überwunden werden“ könne, „d. h. Sünde ist im Jakobusbrief e<strong>in</strong> Tatbegriff,<br />

e<strong>in</strong> Handeln gegen Gottes Gesetz“ (Theologie, S. 586). Nach Schnelle<br />

betont der Verfasser „die natürliche und unauflösliche E<strong>in</strong>heit von<br />

Glauben und Handeln“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 473). Und genau diese E<strong>in</strong>heit ist<br />

auch bei Paulus sehr zentral (vgl. z. B. Röm 6,12 ff.; 12,1 ff.). Während Paulus<br />

hervorhebt, <strong>das</strong>s die Rechtfertigung alle<strong>in</strong> aus Gnaden geschieht,<br />

wobei der „Glaubensgehorsam“ nicht davon zu trennen ist (vgl. z. B.<br />

Röm 1,5; 16,26), betont Jakobus, <strong>das</strong>s die Werke im S<strong>in</strong>n des „Moralgesetzes“<br />

zeigen, <strong>das</strong>s der Glaube nicht tot ist (vgl. Jak 2,26). Das widerspricht<br />

nicht der paul<strong>in</strong>ischen Soteriologie. In Tit 1,16 ist von Leuten die Rede,<br />

die vorgeben, „Gott zu kennen, aber <strong>in</strong> den Werken verleugnen sie ihn<br />

und s<strong>in</strong>d abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt“<br />

(vgl. z. B. 1Tim 5,8; 2Tim 3,5). Das entspricht allgeme<strong>in</strong> den Ausführungen<br />

der Paulusbriefe diesbezüglich.<br />

159 Vgl. dazu Horn, Kanongeschichte, S. 339–342.<br />

160 Vgl. dazu auch u. a. Bauer, „… durch Werke gerecht, nicht durch Glauben alle<strong>in</strong>“?,<br />

S. 165–169; Haacker, Rettender Glaube, S. 209–225; Hengel, Jakobusbrief, S. 510–548;<br />

Lerle, Jakobus contra Paulus?, S. 37–54.


5.2 DER JAKOBUSBRIEF 307<br />

Auch der Sündenbegriff im Jakobusbrief entspricht grundsätzlich<br />

dem Gebrauch bei Paulus, auch wenn dabei der Römerbrief eher e<strong>in</strong>e<br />

Ausnahme bildet. DeSilva me<strong>in</strong>t, die „Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Paulus“<br />

im Jakobusbrief sei nicht aufgrund der Paulus-Briefe, sondern aufgrund<br />

von mündlicher Mitteilung durch diejenigen, die Paulus gehört hatten,<br />

erfolgt (Introduction, S. 815). Es gibt allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>en Grund zu der<br />

Annahme, <strong>das</strong>s der Verfasser die Kenntnis der Paulusbriefe voraussetzt<br />

und <strong>das</strong>s die „paul<strong>in</strong>ische Theologie“ für den Jakobusbrief überhaupt<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielt.<br />

Auffallend ist Schnelle zufolge, <strong>das</strong>s der Verfasser sich nicht als Herrenbruder<br />

e<strong>in</strong>führt. „Indem er sich <strong>in</strong> Jak 3,1.2 <strong>in</strong> die große Gruppe der<br />

urchristlichen Lehrer (vgl. Apg 13, 1; 1Kor 12,8 f.) e<strong>in</strong>ordnet, verzichtet er<br />

auf die besondere Autorität, die ihm als Herrenbruder und e<strong>in</strong>e der drei<br />

‚Säulen‘ der Urgeme<strong>in</strong>de zukam und die er im antiochenischen Konflikt<br />

e<strong>in</strong>brachte“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 464). Jakobus hatte es aufgrund se<strong>in</strong>er Be -<br />

kanntheit (vgl. z. B. Gal 2,12 f.) nicht nötig, auf se<strong>in</strong>e besondere Autorität<br />

h<strong>in</strong>zuweisen, und er wollte <strong>das</strong> offenbar auch nicht. Diese Verwandtschafts-Verhältnisse<br />

zu Jesus wurden erst <strong>in</strong> der nachapostolischen Zeit<br />

besonders hervorgehoben. Für Jesus spielte diese Verwandtschaft <strong>in</strong><br />

Bezug auf die Verwirklichung der göttlichen Königsherrschaft <strong>in</strong> Israel<br />

und auf Erden ke<strong>in</strong>e Rolle (vgl. z. B. Mt 12,48–50; 20,21–23; Mk 10, 37–40).<br />

Verwunderlich wäre für den Herrenbruder Jakobus nach Schnelle<br />

zudem, „<strong>das</strong>s <strong>in</strong> Jak 5, 10 f. Hiob und nicht Jesus als Beispiel der Leidensbereitschaft<br />

angeführt wird“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 464). Es ist allerd<strong>in</strong>gs vielmehr<br />

natürlich, <strong>das</strong>s der Herrenbruder Jakobus sich auf e<strong>in</strong> alttestamentliches<br />

Vorbild beruft und nicht auf se<strong>in</strong>en leiblichen Bruder. E<strong>in</strong><br />

Fälscher hätte die Verwandtschaft mit Jesus zweifelsohne stark hervorgehoben,<br />

was der richtige Herrenbruder nicht nötig hatte. Andererseits<br />

geht Niebuhr davon aus, <strong>das</strong>s der Verfasser über e<strong>in</strong>e persönliche Beziehung<br />

zu Jesus verfügte (New Perspective, S. 1039 f.).<br />

Nach Schnelle weisen auch die vorausgesetzte Geme<strong>in</strong>desituation<br />

und Polemik <strong>in</strong> Jak 2,14–26 auf e<strong>in</strong>e spätere Zeit (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 464). Diese<br />

sozialen Probleme hat es jedoch offenbar schon sehr früh <strong>in</strong> der urchristlichen<br />

Geme<strong>in</strong>de gegeben, wofür gerade die Apostelgeschichte e<strong>in</strong> Zeugnis<br />

ist (vgl. z. B. Apg 6,1 ff.).<br />

Die Polemik des Jakobusbriefs trifft Paulus nach Schnelle nicht, „so<br />

<strong>das</strong>s man entweder e<strong>in</strong>e völlige Unkenntnis der paul<strong>in</strong>ischen Theologie<br />

durch den Herrenbruder Jakobus oder aber e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>in</strong>


308<br />

5. DIE KATHOLISCHEN BRIEFE<br />

der nachpaul<strong>in</strong>ischen Zeit annehmen muss“ (ebd.). Es geht jedoch im<br />

Jakobusbrief kaum um e<strong>in</strong>e Polemik gegen irgende<strong>in</strong>e christliche „Leh -<br />

re“ (z. B. e<strong>in</strong>e paul<strong>in</strong>ische Theologie), sondern um <strong>das</strong> praktische Leben<br />

der Christen, d. h. um <strong>das</strong> Ausleben des Glaubens im zwischenmenschlichen<br />

Bereich, was bei den Empfängern offensichtlich vernachlässigt<br />

wurde. Anderswo betont Schnelle deshalb richtig: „Der Jakobusbrief<br />

betont die natürliche und unauflösliche E<strong>in</strong>heit von Glauben und Handeln<br />

…“ (Theologie, S. 588). Diese „natürliche E<strong>in</strong>heit“ setzt Paulus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Briefen selbstverständlich voraus (vgl. z. B. Gal 5,6; Tit 1,16). Außerdem<br />

müssen wir wohl davon ausgehen, <strong>das</strong>s der Jakobusbrief noch vor<br />

dem ersten Paulus-Brief (Galaterbrief) geschrieben wurde.<br />

Auch die Kanongeschichte soll gegen den Herrenbruder als Verfasser<br />

des Jakobusbriefs sprechen, da sich e<strong>in</strong>e literarische Benutzung des Jakobusbriefs<br />

nicht vor 200 n. Chr. nachweisen lasse. E<strong>in</strong>e Anlehnung f<strong>in</strong>den<br />

wir jedoch bereits um 140 n. Chr. beim Hirten des Hermas (vgl. 45,4 und<br />

48,2 mit Jak 4,7), und offensichtlich hat bereits der 1. Clemensbrief sich<br />

an den Jakobusbrief angelehnt … und diesen als „Schrift“ bezeichnet,<br />

wie oben dargelegt wurde.<br />

Nach Konradt ist <strong>das</strong> Gedankengut des Jakobusbriefs „an gewichtigen<br />

Stellen stark hellenistisch geprägt“ (Jakobusbrief, S. 513). Warum <strong>das</strong><br />

genannte Gedankengut hellenistisch se<strong>in</strong> soll, wird jedoch nicht be -<br />

gründet. Selbst wenn e<strong>in</strong>zelne Ausdrücke zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>direkt dem Hellenismus<br />

entnommen s<strong>in</strong>d, bedeutet <strong>das</strong> noch ke<strong>in</strong>eswegs, <strong>das</strong>s der<br />

Inhalt des Jakobusbriefs hellenistisches Gedankengut darstellt. Der<br />

Inhalt bewegt sich völlig im biblischen „Gedankengut“. Solche Aussagen<br />

kann zweifelsohne e<strong>in</strong> Judenchrist aus Galiläa und Jerusalem<br />

machen. Selbst für Konradt ist wahrsche<strong>in</strong>lich, <strong>das</strong>s der Verfasser „e<strong>in</strong><br />

gebürtiger Jude war“ (ebd.).<br />

Zudem wird immer wieder betont, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> gute Griechisch gegen<br />

die Verfasserschaft durch den Mann aus Galiläa sprechen soll. Schnelle<br />

bemerkt z. B.: „Das gute Griechisch des Jakobusbriefs und die rhetorische<br />

Schulung se<strong>in</strong>es Autors können nicht mehr als Argument gegen<br />

den Herrenbruder verwendet werden, weil von e<strong>in</strong>er überwiegenden<br />

Zweisprachigkeit Jerusalems und ganz Paläst<strong>in</strong>as im 1. Jh. n. Chr. auszugehen<br />

ist“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 463). 161 Man muss davon ausgehen, <strong>das</strong>s<br />

161 Zur Sprachsituation vgl. auch u. a. Rosén, Sprachsituation, S. 215–239; Sevenster, Do<br />

You Know Greek?, S. 4–21 und 190 f.; Schröder, Galiläa der Heiden, S. 105–203.


5.2 DER JAKOBUSBRIEF 309<br />

damals e<strong>in</strong> wesentlicher Anteil der Bevölkerung von Jerusalem Griechisch<br />

als Muttersprache hatte, und besonders Galiläa hatte e<strong>in</strong>en offenen<br />

Zugang zur griechischen Sprache und Kultur. 162 Nach Hengel ist<br />

die „Aufnahme hellenistischer Zivilisation, ihrer Sprache, ihrer Literatur<br />

und ihrer Denkart, durch <strong>das</strong> antike Judentum und se<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit ihr … überaus spannungsreich und vielfältig“, und darum<br />

kann man „<strong>das</strong> Judentum der hellenistisch-römischen Zeit im Mutterland<br />

wie <strong>in</strong> der Diaspora als ‚hellenistisches Judentum‘ bezeichnen“<br />

(Juden, Griechen und Barbaren, S. 174 f.).<br />

In Bezug auf den Gebrauch der Septuag<strong>in</strong>ta bemerkt DeSilva: „As the<br />

leader of a movement <strong>in</strong>volved <strong>in</strong> convert<strong>in</strong>g and <strong>in</strong>struct<strong>in</strong>g Greekspeak<strong>in</strong>g<br />

Jews from across the Diaspora, James would have grown <strong>in</strong> his<br />

knowledge and use of the LXX version of the Jewish Scriptures“ (Introduction,<br />

S. 816). DeSilva verweist aber auch darauf, <strong>das</strong>s der Jakobusbrief<br />

zum Teil eher auf den hebräischen Text des Alten <strong>Testament</strong>s zurückzuführen<br />

ist (z. B. „langsam zum Zorn“ <strong>in</strong> Jak 1,19 im Vergleich zu Spr 14,29<br />

und 15,18; Spr 10,12 <strong>in</strong> Jak 5,20). In Jak 5,4 ersche<strong>in</strong>t der Ausdruck „Herr<br />

Zebaoth“ (κύριος σαβαώθ), welcher im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> nur noch <strong>in</strong><br />

Röm 9,29 ersche<strong>in</strong>t (<strong>in</strong> der Septuag<strong>in</strong>ta 59-mal). Der Schluss von Jak 5,20<br />

(καὶ καλύψει πλῆθος ἁμαρτιῶν) stellt wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e Anlehnung<br />

an den hebräischen Text aus Spr 10,12b dar.<br />

5.2.5 ARGUMENTE FÜR DEN HERRENBRUDER JAKOBUS<br />

Nach Schnelle will der Jakobusbrief „von e<strong>in</strong>em im Urchristentum<br />

bekannten und anerkannten Mann geschrieben se<strong>in</strong>, so <strong>das</strong>s vom<br />

Selbstanspruch des Briefs nur der Zebedaide Jakobus und der Herrenbruder<br />

Jakobus <strong>in</strong> Frage kommen sollen“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 463). Schnelle<br />

geht offensichtlich davon aus, <strong>das</strong>s damit Jakobus, der Bruder Jesu,<br />

geme<strong>in</strong>t ist. So bemerkt Schnelle <strong>in</strong> Bezug auf den Ju<strong>das</strong>brief, <strong>das</strong>s<br />

dieser se<strong>in</strong>em Selbstanspruch nach „vom Herrenbruder Ju<strong>das</strong> geschrieben<br />

worden“ sei, „dies signalisiert deutlich die Inanspruchnahme des<br />

Herrenbruders Jakobus <strong>in</strong> Jud 1“ (S. 494). Mit dieser „Inanspruchnahme<br />

des Herrenbruders Jakobus <strong>in</strong> Jud 1“ kann kaum jemand anders geme<strong>in</strong>t<br />

se<strong>in</strong> als der Autor des Jakobusbriefs. Somit würde Ju<strong>das</strong> die Ver-<br />

162 Vgl. dazu Hengel, Juden, Griechen und Barbaren, S. 11ff. und 152 ff.; ders., Problem,<br />

S. 1–90.


310<br />

5. DIE KATHOLISCHEN BRIEFE<br />

fasserschaft des Jakobusbriefs durch den Herrenbruder Jakobus bestätigen.<br />

Der Apostel Jakobus wurde spätestens im Jahr 44 n. Chr. durch Herodes<br />

Agrippa I. (gest. im Jahr 44 n. Chr.) h<strong>in</strong>gerichtet (vgl. Apg 12,2). Wenn<br />

er den Brief geschrieben hätte, hätte er sich wohl als Apostel bezeichnet,<br />

um se<strong>in</strong>e Identität zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen. Wir erfahren auch nicht,<br />

<strong>das</strong>s er <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de der Judenchristen e<strong>in</strong>e führende Rolle hatte.<br />

Anders ist die Ausgangslage beim Herrenbruder Jakobus. Er hatte<br />

bereits früh <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de von Jerusalem e<strong>in</strong>e führende Rolle (vgl.<br />

z. B. Apg 12,17; 15,13; 21,18; Gal 2,9.12). 163 Er wurde im Jahr 62. n. Chr.<br />

geste<strong>in</strong>igt, als der Hohepriester e<strong>in</strong>e Statthaltervakanz nutzte, um ihn<br />

wegen angeblicher Übertretung der Tora h<strong>in</strong>zurichten (vgl. Josephus,<br />

Ant 20,200). Er war <strong>in</strong> der frühen Kirche von Jerusalem und darüber h<strong>in</strong>aus<br />

der Jakobus, der als Autorität unter diesem Namen bekannt war. Die<br />

schlichte Bezeichnung als „Sklave“ <strong>in</strong> Jak 1,1 setzt voraus, <strong>das</strong>s dieser Ja -<br />

kobus geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> muss.<br />

Außerdem war der Verfasser offenbar so bekannt, <strong>das</strong>s der Verfasser<br />

des Ju<strong>das</strong>briefs sich lediglich als „Bruder des Jakobus“ bezeichnen musste,<br />

wobei jeder wusste, auf wen er sich bezog. Der Ju<strong>das</strong>brief muss nach<br />

dem 2. Petrusbrief und damit etwa um 70 n. Chr. oder etwas später<br />

geschrieben worden se<strong>in</strong>. Wenn der Verfasser sich um diese Zeit e<strong>in</strong>fach<br />

als „Bruder des Jakobus“ bezeichnet (vgl. Jud 1), so kommt wohl kaum<br />

jemand außer dem Herrenbruder <strong>in</strong> Frage. Dass der Herrenbruder Jakobus<br />

zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Israel sehr bekannt war, zeigt auch die Tatsache, <strong>das</strong>s<br />

Josephus Flavius ausdrücklich auf ihn h<strong>in</strong>weist. Josephus erwähnt<br />

Johannes den Täufer – von dessen Worten die Menschen „sich völlig h<strong>in</strong>reißen<br />

ließen“ (Ant 18,117 ff.) –, und Jakobus, den „Bruder Jesu, des sogenannten<br />

Christus“ (Ant 20,200), und berichtet, wie der Hohe Rat ihn<br />

„sowie e<strong>in</strong>ige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte, zur Ste<strong>in</strong>igung<br />

führen ließ“ (Ant 20,200). Diese Tat habe auch „die eifrigsten<br />

Beobachter des Gesetzes“ erbittert. Das war im Jahr 62 n. Chr.<br />

Für den Herrenbruder Jakobus als Verfasser sprechen nach Schnelle<br />

auch „neben dem Selbstanspruch <strong>in</strong> Jak 1,1 die zahlreichen judenchristlichen<br />

Traditionen, die e<strong>in</strong>e auffällige Nähe zur Jesusüberlieferung<br />

erkennen lassen“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 463). 164 Dabei fällt besonders die <strong>in</strong>halt-<br />

163 Vgl. dazu auch u. a. Pratscher, Herrenbruder Jakobus, S. 49 ff.


5.2 DER JAKOBUSBRIEF 311<br />

liche Verwandtschaft u. a. mit der „Bergpredigt“ (Mt 5–7) auf. Es handelt<br />

sich u. a. um folgende Themen: Freude über Anfechtungen (Jak 1,2; Mt<br />

5,11 f.; Lk 6,22 f.); Vollkommenheit (Jak 1,4; Mt 5,48; vgl. Lk 6,36); Bitten<br />

und Empfangen (Jak 1,5; Mt 7,7; Lk 11,9); Gebet im Glauben ohne Zweifel<br />

(Jak 1,9; Mt 21,21); weltlicher Reichtum vergeht (Jak 1,10 f.; Mt 6,30; 12,28);<br />

Gott gibt Gutes (Jak 1,17; Mt 7,11; Lk 11,13); nicht nur Hörer, sondern auch<br />

Täter se<strong>in</strong> (Jak 1,22; Mt 7,24; Lk 6,47); wer nicht Täter des Wortes ist,<br />

„gleicht e<strong>in</strong>em Mann …“ (Jak 1,23; Mt 7,26; Lk 6,49); Gott kümmert sich<br />

um die Armen (Jak 2,5 ff.; Mt 5,3; Lk 6,20); Barmherzigkeit im Gericht (Jak<br />

2,13; Mt 5,7); die Frucht entspricht der Pflanzenart als Beispiel für den<br />

Menschen (Jak 3,12; Mt 7,16; Lk 6,44); Verheißung für die Friedensstifter<br />

(Jak 3,18 [τὰ τοῖς ποιοῦσιν εἰρήνην]; Mt 5,9 [οἱ εἰρηνοποιοί]); entweder<br />

Gott oder der Welt dienen (Jak 4,4; Mt 6,24; Lk 16,13); Lachen wird zum<br />

We<strong>in</strong>en (Jak 4,9; Lk 6,25); ke<strong>in</strong>e Zukunftssicherheit aufgrund des Reichtums<br />

(Jak 4,13–16; Lk 12,16 ff.; vgl. Mt 6,26.34); Elend über die Reichen<br />

(Jak 5,1; Lk 6,24); Motten fressen den Reichtum (Jak 5,2; Mt 6,20; Lk 12,33);<br />

Schätze sammeln für den Himmel (Jak 5,3; Mt 6,19–20; vgl. auch Lk 12,21);<br />

Seufzen bzw. Zürnen gegen den Bruder führt zum Gericht (Jak 5,9;<br />

Mt 5,22); Propheten als Vorbilder im Leiden (Jak 5,10; Mt 5,12); Verbot des<br />

Schwörens und die Wahrhaftigkeit im Wort (Jak 5,12; Mt 5,33–37); Kranke<br />

mit Öl e<strong>in</strong>reiben und heilen (Jak 5,13–16; Mk 6,13); „den Bruder gew<strong>in</strong>nen“<br />

(Jak 5,19 f.; Mt 18,15). Diese vielen „Anlehnungen“ sche<strong>in</strong>en kaum<br />

literarischer Art zu se<strong>in</strong>. Somit spricht diese Verwandtschaft für die<br />

Nähe des Verfassers zum irdischen Leben und Wirken Jesu. Zudem sollte<br />

auch die Nähe zur „jo hanneischen Tradition“ (vgl. z. B. Jak 1,7 f. mit<br />

Joh 3,13; 6,33; 15,3) und zur alttestamentlich-jüdischen Weisheitsliteratur<br />

beachtet werden, auf die z. B. Maier h<strong>in</strong>weist (Jakobus, S. 15 ff.).<br />

Nach Fe<strong>in</strong>e konnte der Herrenbruder Jakobus „als <strong>das</strong> angesehene<br />

Haupt der Muttergeme<strong>in</strong>de <strong>das</strong> Recht <strong>in</strong> Anspruch nehmen, an die<br />

zwölf Stämme <strong>in</strong> der Zerstreuung zu schreiben“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 199). Der<br />

Verfasser war offensichtlich Judenchrist. Der Gebrauch von chaire<strong>in</strong><br />

(χαίρειν; etwa: „Seid gegrüßt!“ bzw. wörtlicher: „Freude zuvor!“) als<br />

Grußformel, welche sonst im <strong>Neue</strong>n <strong>Testament</strong> nur noch <strong>in</strong> Apg 15,23<br />

(von Jakobus) und <strong>in</strong> Apg 23,26 (von Claudius Lysias) ersche<strong>in</strong>t (vgl. auch<br />

2Joh 10.11), spricht ebenfalls für den Herrenbruder. Ebenso ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong><br />

164 Vgl. dazu auch u. a. Popkes, Adressaten, S. 156 ff.; Niebuhr, Der er<strong>in</strong>nerte Jesus, S. 307–<br />

329.


Dr. <strong>Jacob</strong> <strong>Thiessen</strong>, Jahrgang 1964,<br />

ist Rektor und Professor für <strong>Neue</strong>s<br />

<strong>Testament</strong> an der universitären<br />

theologischen Hochschule STH<br />

Basel. Nach dem Theologiestudium<br />

an der STH Basel promovierte er <strong>in</strong><br />

Genf mit e<strong>in</strong>er exegetischen Arbeit<br />

über die Stephanusrede <strong>in</strong> Apg 7,<br />

2–53. Gegenstand se<strong>in</strong>er Forschung<br />

s<strong>in</strong>d neben den neutestamentlichen<br />

<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>sfragen u. a. die<br />

Exegese und Theologie neutestamentlicher<br />

Schriften sowie der<br />

hebräische Text der jüdischen<br />

Mischna im Kontext der neutestamentlichen<br />

Evangelien. Geboren<br />

wurde <strong>Thiessen</strong> <strong>in</strong> Paraguay. Er hat<br />

drei erwachsene K<strong>in</strong>der.<br />

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation <strong>in</strong> der<br />

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten<br />

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ISBN 978-3-374-07508-9 // eISBN (PDF) 978-3-374-07509-6<br />

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