29.02.2024 Aufrufe

Jacob Thiessen: Einleitung in das Neue Testament (Leseprobe)

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2.1 ZUR FRAGE NACH DER LITERATURGATTUNG DER EVANGELIEN 27<br />

tung hat offenbar nie existiert!), 7 griechische Romane und auf die hellenistischen<br />

Biografien (Vitae) mit Wurzeln <strong>in</strong> der hellenistischen Herrscherverehrung<br />

– so z. B. Schnelle (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 196–198) und se<strong>in</strong> Lehrer<br />

Strecker (Theologie, S. 355–357; Evangelium, S. 503–548). Stuhlmacher<br />

lehnt die zuletzt erwähnte Auffassung zu Recht u. a. mit der Begründung<br />

ab, <strong>das</strong>s <strong>in</strong> der hellenistischen Herrscherverehrung nur im Plural<br />

von „Evangelien“ (εὐαγγέλια) gesprochen wird und es e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>gularisch<br />

geprägten Begriff „Evangelium“ (εὐαγγέλιον nicht gibt (Biblische<br />

Theologie 2, S. 118). Auch erwähnt Stuhlmacher richtig, <strong>das</strong>s die Apostel<br />

nicht den ger<strong>in</strong>gsten Anlass [hatten], die ihnen offenbarte Heilsbotschaft<br />

nach dem Vorbild der hellenistischen Herrscherverehrung „Evan -<br />

gelium“ zu nennen (ebd.).<br />

Im Jahr 9 v. Chr. wurde <strong>in</strong> Pergamon von Paullus Fabius Maximus,<br />

seit 11 v. Chr. Prokonsul der Prov<strong>in</strong>z Asia, e<strong>in</strong> Dekret auf e<strong>in</strong>en weißen<br />

Ste<strong>in</strong> geschrieben. Dar<strong>in</strong> wird verfügt, <strong>das</strong>s der Geburtstag von Augustus<br />

<strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Asia als offizieller Feiertag zu sehen sei und den Be -<br />

g<strong>in</strong>n des neuen Jahres markiere. Dafür erhielt Fabius den Preis e<strong>in</strong>er Aus -<br />

schreibung, <strong>in</strong> der es darum g<strong>in</strong>g, wer dem „Gott-Kaiser“ die größte Ehre<br />

bereiten könne. E<strong>in</strong>e Inschrift aus der Zeit, die <strong>in</strong> Priene (zwischen Ephesus<br />

und Milet) gefunden wurde und die darauf Bezug nimmt, lautet:<br />

„Dieser Tag hat der Welt e<strong>in</strong> anderes Gesicht gegeben. Sie wäre verloren, wenn<br />

nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geburt für alle Menschen <strong>das</strong> Heil/die Rettung aufgestrahlt<br />

wäre. Endlich ist die Zeit vorbei, da man es bereuen müsste, geboren zu se<strong>in</strong>.<br />

Zum Heil/zur Rettung der Welt ist dieser Mensch mit solchen Gaben erfüllt,<br />

<strong>das</strong>s er uns und den kommenden Geschlechtern als Heiland/Retter gesandt ist.<br />

Jede Fe<strong>in</strong>dseligkeit hat nun e<strong>in</strong> Ende, alles wird er herrlich machen. Die Hoffnungen<br />

der Väter s<strong>in</strong>d erfüllt. Unmöglich, <strong>das</strong>s je e<strong>in</strong> Größerer kommen könnte.<br />

Se<strong>in</strong> Geburtstag hat der Welt <strong>das</strong> Evangelium (die Frohe Botschaft) beschert,<br />

<strong>das</strong> sich mit se<strong>in</strong>em Namen verb<strong>in</strong>det. Mit se<strong>in</strong>er Geburt beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e neue<br />

Zeitrechnung.“ 8<br />

Diese Worte aus dem Jahr 9 v. Chr. galten dem Kaiser Augustus. Die<br />

Geburt Jesu <strong>in</strong> Bethlehem geschah sehr wahrsche<strong>in</strong>lich nur zwei Jahre<br />

später im Jahr 7 v. Chr. 9 Damit wurde schon knapp zwei Jahre nach dem<br />

8 Vgl. dazu Deissmann, Licht vom Osten, S. 293 und 317; Zanker, Augustus, S. 302. Die<br />

Inschrift (auf weißem Marmor), die sich heute im Pergamonmuseum von Berl<strong>in</strong><br />

bef<strong>in</strong>det, war Teil e<strong>in</strong>er Säule der Nordhalle des Marktes von Priene.<br />

9 Vgl. dazu <strong>Thiessen</strong>, Auf Jesu Spuren, S. 30 ff.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!