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Jacob Thiessen: Einleitung in das Neue Testament (Leseprobe)

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

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5. DIE KATHOLISCHEN BRIEFE<br />

der nachpaul<strong>in</strong>ischen Zeit annehmen muss“ (ebd.). Es geht jedoch im<br />

Jakobusbrief kaum um e<strong>in</strong>e Polemik gegen irgende<strong>in</strong>e christliche „Leh -<br />

re“ (z. B. e<strong>in</strong>e paul<strong>in</strong>ische Theologie), sondern um <strong>das</strong> praktische Leben<br />

der Christen, d. h. um <strong>das</strong> Ausleben des Glaubens im zwischenmenschlichen<br />

Bereich, was bei den Empfängern offensichtlich vernachlässigt<br />

wurde. Anderswo betont Schnelle deshalb richtig: „Der Jakobusbrief<br />

betont die natürliche und unauflösliche E<strong>in</strong>heit von Glauben und Handeln<br />

…“ (Theologie, S. 588). Diese „natürliche E<strong>in</strong>heit“ setzt Paulus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Briefen selbstverständlich voraus (vgl. z. B. Gal 5,6; Tit 1,16). Außerdem<br />

müssen wir wohl davon ausgehen, <strong>das</strong>s der Jakobusbrief noch vor<br />

dem ersten Paulus-Brief (Galaterbrief) geschrieben wurde.<br />

Auch die Kanongeschichte soll gegen den Herrenbruder als Verfasser<br />

des Jakobusbriefs sprechen, da sich e<strong>in</strong>e literarische Benutzung des Jakobusbriefs<br />

nicht vor 200 n. Chr. nachweisen lasse. E<strong>in</strong>e Anlehnung f<strong>in</strong>den<br />

wir jedoch bereits um 140 n. Chr. beim Hirten des Hermas (vgl. 45,4 und<br />

48,2 mit Jak 4,7), und offensichtlich hat bereits der 1. Clemensbrief sich<br />

an den Jakobusbrief angelehnt … und diesen als „Schrift“ bezeichnet,<br />

wie oben dargelegt wurde.<br />

Nach Konradt ist <strong>das</strong> Gedankengut des Jakobusbriefs „an gewichtigen<br />

Stellen stark hellenistisch geprägt“ (Jakobusbrief, S. 513). Warum <strong>das</strong><br />

genannte Gedankengut hellenistisch se<strong>in</strong> soll, wird jedoch nicht be -<br />

gründet. Selbst wenn e<strong>in</strong>zelne Ausdrücke zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>direkt dem Hellenismus<br />

entnommen s<strong>in</strong>d, bedeutet <strong>das</strong> noch ke<strong>in</strong>eswegs, <strong>das</strong>s der<br />

Inhalt des Jakobusbriefs hellenistisches Gedankengut darstellt. Der<br />

Inhalt bewegt sich völlig im biblischen „Gedankengut“. Solche Aussagen<br />

kann zweifelsohne e<strong>in</strong> Judenchrist aus Galiläa und Jerusalem<br />

machen. Selbst für Konradt ist wahrsche<strong>in</strong>lich, <strong>das</strong>s der Verfasser „e<strong>in</strong><br />

gebürtiger Jude war“ (ebd.).<br />

Zudem wird immer wieder betont, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> gute Griechisch gegen<br />

die Verfasserschaft durch den Mann aus Galiläa sprechen soll. Schnelle<br />

bemerkt z. B.: „Das gute Griechisch des Jakobusbriefs und die rhetorische<br />

Schulung se<strong>in</strong>es Autors können nicht mehr als Argument gegen<br />

den Herrenbruder verwendet werden, weil von e<strong>in</strong>er überwiegenden<br />

Zweisprachigkeit Jerusalems und ganz Paläst<strong>in</strong>as im 1. Jh. n. Chr. auszugehen<br />

ist“ (<strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>, S. 463). 161 Man muss davon ausgehen, <strong>das</strong>s<br />

161 Zur Sprachsituation vgl. auch u. a. Rosén, Sprachsituation, S. 215–239; Sevenster, Do<br />

You Know Greek?, S. 4–21 und 190 f.; Schröder, Galiläa der Heiden, S. 105–203.

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