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Jacob Thiessen: Einleitung in das Neue Testament (Leseprobe)

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

Die neutestamentliche Einleitungswissenschaft beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der 27 Bücher des Neuen Testaments. Infolge der Aufklärung und der »rein historischen Auslegung« – die Gottes Handeln in der Geschichte methodisch ausschließt – werden diese vor allem im deutschsprachigen Raum weitgehend spät datiert und damit ihrem historischen Kontext im Leben Jesu und der Apostel entfremdet. Diese Spätdatierung wird in dem vorliegenden Buch hinterfragt. Dabei spielen u. a. jüdische und altkirchliche Quellentexte sowie intertextuelle Studien eine größere Rolle, als das oft der Fall ist. Dadurch soll die Grundlage zu einem breiteren Verständnis der biblischen Botschaft vermittelt werden. Das Buch ist so konzipiert, dass es auch für »Anfänger der Theologie« verständlich ist.

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1. ALLGEMEINE EINLEITUNG<br />

Schon Sp<strong>in</strong>oza (1632–1677) unterzog die Bibel der „historischen Kritik“<br />

und wollte e<strong>in</strong>e allmähliche Entstehung der fünf Mosesbücher aufzeigen.<br />

Doch den Anfangspunkt der wissenschaftlichen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>s -<br />

diszipl<strong>in</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n setzte Richard Simon (1638–1712), Oratorianer <strong>in</strong><br />

Paris, der e<strong>in</strong>e dreibändige „Histoire critique du Nouveau <strong>Testament</strong>“<br />

(Rotterdam, 1689–1693) verfasste. Im Jahr 1750 legte Johann David Mi -<br />

chaelis auf protestantischer Seite e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> vor, die von Simon<br />

bee<strong>in</strong>flusst war. Johann Salomo Semler (1725–1791) unterschied <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

„Abhandlung von freier Untersuchung des Kanons“ (1771–1775) zwischen<br />

„Theologie“ (= biblische Wissenschaft) und „Religion“ (= Gottvertrauen).<br />

Semler hat nach Kümmel dar<strong>in</strong> „nachgewiesen, daß die Frage<br />

der Zugehörigkeit e<strong>in</strong>er nt. Schrift zum Kanon re<strong>in</strong> geschichtlich zu<br />

sehen sei, weil der Kanon durch menschliche Übere<strong>in</strong>kunft zustande<br />

gekommen ist, und daß darum sich Gottes Wort und Heilige Schrift<br />

nicht decken“ (Bibelwissenschaft, Sp. 1240). Voraussetzung dieser Be -<br />

hauptung Semlers war die „E<strong>in</strong>sicht“, die im englischen Deismus er -<br />

wachsen war, nämlich „daß <strong>das</strong> NT wie jede andere menschliche Ur -<br />

kunde völlig vorurteilslos [!] <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em geschichtlichen Zusammenhang<br />

betrachtet werden müsse, und dabei hatte sich ergeben, daß <strong>das</strong> NT irrtümliche<br />

Vorstellungen (z. B. die Erwartung des nahen Endes) enthalte<br />

und sachlich ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit darstelle“ (ebd.).<br />

Damit ist die biblische <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft im S<strong>in</strong>n der Aufklärung<br />

von Anfang an „historisch-kritisch“ geprägt. Dabei wurde oft e<strong>in</strong><br />

Weltbild vorausgesetzt, <strong>das</strong>s Gott grundsätzlich aus dem Geschichtsgeschehen<br />

ausschließt. Auch wenn dieses „Weltbild“ heute zum<strong>in</strong>dest<br />

weitgehend nicht mehr so geteilt wird, so werden doch viele „Ergebnisse“<br />

der damaligen <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft bis heute übernommen.<br />

1.3 ZUR HISTORISCH-KRITISCHEN<br />

EINLEITUNGSWISSENSCHAFT<br />

Als Folge der Aufklärung s<strong>in</strong>d die biblische <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong>swissenschaft<br />

und die Biblische Theologie als wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong> entstanden.<br />

Dabei war man bestrebt, den Bibeltext „re<strong>in</strong> historisch“ zu verstehen,<br />

und <strong>das</strong> heißt grundsätzlich, <strong>das</strong>s man dem biblischen Text nur entnehmen<br />

kann, was der Verfasser z. B. über Gott denkt und schreibt, aus<br />

ihnen aber nicht Aussagen über die Wirklichkeit Gottes selbst ableiten

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