Bahnhof und Gastronomie in Ober-Piesting - Waldegg-Aktuell
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Nr. 4 / 2009 www.<strong>Waldegg</strong>-<strong>Aktuell</strong>.at<br />
Seite 13<br />
<strong>Waldegg</strong>er Chronik<br />
E<strong>in</strong>e Serie von OSR Josef Ml<strong>in</strong>er 114. Folge<br />
Wiedertäufer <strong>in</strong> <strong>Waldegg</strong><br />
Unter diesem Titel erschien <strong>in</strong> der Kulturbeilage zum<br />
Amtsblatt der BH Wiener Neustadt (Nr. 8/128 vom 16.<br />
April 2009) e<strong>in</strong> Beitrag von Frau Prof. Hiltraud Ast, der<br />
e<strong>in</strong> Thema behandelt, das im Zusammenhang mit unserer<br />
Pfarre <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> der „<strong>Waldegg</strong>er Chronik“ noch<br />
nie behandelt wurde.<br />
Die Erklärung dafür: Das Gebiet der 1136 gegründeten<br />
Pfarre <strong>Waldegg</strong> war zu dieser Zeit (um 1527) nicht mehr<br />
selbständig, sondern e<strong>in</strong> Teil der Pfarre Waidmannsfeld.<br />
<strong>Waldegg</strong> wurde erst mit kaiserlichem Beschluss vom 20.<br />
Juli 1783 von der Pfarre Dreistetten, der sie damals zugeteilt<br />
war, getrennt <strong>und</strong> wieder zur eigenen Pfarre erhoben.<br />
Mit diesem Datum beg<strong>in</strong>nen daher auch die vorhandenen<br />
(Pfarr)chronikaufzeichnungen.<br />
Die Waidmannsfelder Pfarre war wegen ihrer guten<br />
Pfarre<strong>in</strong>künfte begehrt. Ihre Pfarrer versahen oft hohe<br />
Kirchen- oder Hofämter <strong>und</strong> betrachteten die guten Pfarre<strong>in</strong>künfte<br />
als Pfründe. Sie waren durch ihre Ämter allzu<br />
oft abwesend <strong>und</strong> hätten die Pflicht gehabt, sich <strong>in</strong> der Zeit<br />
ihrer Abwesenheit von e<strong>in</strong>em Vikar vertreten zu lassen.<br />
Aber leider kam es oft vor, dass ke<strong>in</strong> Priester erreichbar<br />
war, wenn er gebraucht wurde. (1)<br />
Es ist also ke<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er, dass sich die Bewohner <strong>Waldegg</strong>s<br />
damals kirchlich vernachlässigt fühlten <strong>und</strong> Abhilfen<br />
für diesen Übelstand suchten. Interessant ist <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang, dass <strong>in</strong> den ältesten Aufzeichnungen des<br />
Geschäftshauses Funk <strong>in</strong> Wiener Neustadt e<strong>in</strong> Schuldenbuch<br />
für die Jahre 1517 bis 1529 sowohl e<strong>in</strong>en Pfarrer von<br />
<strong>Waldegg</strong> als auch e<strong>in</strong>en von „Wameßföld“ als Schuldner<br />
führen. Es sche<strong>in</strong>t also, dass man damals den Versuch<br />
gemacht habe, die Pfarre mit e<strong>in</strong>em eigenen Pfarrer zu<br />
versehen. (10)<br />
Das Auftreten der Wiedertäufer <strong>in</strong> <strong>Waldegg</strong> fällt gerade <strong>in</strong><br />
diese Zeitspanne, die überhaupt durch Schwierigkeiten im<br />
kirchlichen Bereich gekennzeichnet ist. Ihr waren schon<br />
im 14. <strong>und</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert Missstände vorausgegangen.<br />
Die Lexika zählen dafür die Krise des Papsttums, die<br />
Verweltlichung <strong>und</strong> mangelnde Bildung mancher Kleriker<br />
auf, aber auch den Ablasshandel. Er entstand <strong>in</strong> der<br />
Bußpraxis des Frühmittelalters, wo bereits Sündenstrafen<br />
<strong>in</strong> Geldzahlungen umgewandelt werden konnten. Als der<br />
Ablass im 14. <strong>und</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert rückwirkend auch für<br />
die Seelen der Verstorbenen gewährt wurde, um damit<br />
deren Verbleib im Fegefeuer abzukürzen, entwickelte sich<br />
der Ablasshandel zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>träglichen Geschäft, das<br />
leider von manchen Beteiligten zur Selbstbereicherung<br />
benutzt wurde. (9)<br />
Um diese Missstände abzuschaffen, entstanden damals<br />
Reformbewegungen, die <strong>in</strong> der Geschichte als die<br />
„Reformation“ bezeichnet werden. In dieser Reformationszeit<br />
entstanden nicht nur das Luthertum mit<br />
se<strong>in</strong>en Abspaltungen, sondern auch viele Sekten,<br />
<strong>in</strong> denen Prediger ihre eigenen Auslegungen des<br />
Evangeliums verbreiteten <strong>und</strong> die Wiederherstellung<br />
des ihrer Me<strong>in</strong>ung wahren Christentums anstrebten.<br />
Das erste öffentliche Auftreten des Protestantismus <strong>in</strong><br />
Österreich fällt <strong>in</strong>s Jahr 1521. Der Schwabe Dr. Paul<br />
Speratus richtete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Predigt im Stephansdom <strong>in</strong> Wien<br />
se<strong>in</strong>e Angriffe auf das alte christliche Religionsbekenntnis<br />
<strong>und</strong> verwarf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Schrift die päpstlichen<br />
Lehrsätze. Er wurde 1524 als Ketzer h<strong>in</strong>gerichtet. Als se<strong>in</strong><br />
Schicksal sogar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Volkslied besungen wurde, feierten<br />
ihn sowohl die Lutheraner als auch die Wiedertäufer<br />
als e<strong>in</strong>en der ihren.<br />
Die Wiedertäufer verwarfen die K<strong>in</strong>dertaufe <strong>und</strong> forderten,<br />
dass erst der erwachsene Mensch <strong>in</strong> die Religionsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
aufgenommen werde, deshalb tauften<br />
sie die Erwachsenen nochmals. Darum wurde sie nach<br />
ihrem Entstehen polemisch „Wiedertäufer“ genannt.<br />
Sie waren ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitlich organisierte Kirche sondern<br />
e<strong>in</strong>e Bewegung, die von Vertretern des urchristlichen<br />
Kommunismus mit Frauen- <strong>und</strong> Gütergeme<strong>in</strong>schaft bis<br />
zu harmlosen Bibelgeme<strong>in</strong>schaften reichte <strong>und</strong> neben<br />
radikalen umstürzlerischen auch friedliche Gruppen<br />
umfasste. (2) Als Quelle stand bei ihnen immer die Bibel<br />
voran. Sie waren vornehmlich sozial betont <strong>und</strong> schürten<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die krasse Ungleichheit der Stände mit<br />
der erregten Religiosität zugleich die Unzufriedenheit<br />
mit den sozialen Zuständen zu dieser Zeit. Für sie war<br />
mit der angestrebten Wiederherstellung des wahren<br />
Christentums auch die Herstellung sozial gerechter Verhältnisse<br />
verb<strong>und</strong>en. (5) Sie hatten daher regen Zulauf<br />
durch die Landbevölkerung. Die Bedrückung des Bauernstandes<br />
durch die Gr<strong>und</strong>herrschaft war nämlich seit<br />
dem 13. Jahrh<strong>und</strong>ert gewachsen. Hatten die meisten<br />
e<strong>in</strong>heimischen Bauern im 13. <strong>und</strong> 14. Jahrh<strong>und</strong>ert noch<br />
<strong>in</strong> bescheidenem Wohlstand gelebt, so verschlimmerte der<br />
Übergang vom Naturaldienst zur Geldwirtschaft <strong>und</strong> die<br />
Verschlechterung der Geldwährung die wirtschaftliche<br />
Lage der Bauern immer mehr. Die Religionswirren <strong>in</strong><br />
der ersten Hälfte des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts wirkten sich daher<br />
auf die Gemüter der Bauernschaft unruhestiftend aus.<br />
Fortsetzung auf Seite 14