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ANNO 1926 | TEIL 13<br />

Hilpoltstein im Jahr 1926<br />

von Peter Hagenmaier<br />

Im Stadtarchiv in Hilpoltstein befinden<br />

sich die gebundenen Jahrgänge<br />

des Hilpoltsteiner Wochenblatts.<br />

Sie bilden eine sehr gute Informationsquelle<br />

über das Geschehen in<br />

unserer Kleinregion der vergangenen<br />

Epochen.<br />

Verwendete Abkürzungen:<br />

WB für Hilpoltsteiner Wochenblatt<br />

FT für Fränkisches Tagblatt<br />

HIP für Hilpoltstein<br />

Über den in München begonnen Femeausschuss<br />

des Reichstages berichtet das<br />

FT am 08.10. (Es ging v a. um den Fememord<br />

an einem Kocherl, das vorschriftsmäßig<br />

ein illegales Waffenlager ihres<br />

Dienstherrn angezeigt hat und darauin<br />

von zwei Angehörigen der Thulegesellschaft<br />

ermordet wurde. Die Täter wurden<br />

dann von höchsten Vertretern der Sicherheitsbehörden<br />

mit Pässen ausgerüstet,<br />

mit denen die Mörder ins Ausland fliehen<br />

konnten.) Nach kurzer Debatte der<br />

Geschäftsordnung begann man mit der<br />

Zeugenvernehmung des Rechtsanwalts<br />

Dr. Kern, der bei Waffenbeschaffungsstelle<br />

der Einwohnerwehr tätig war und sich<br />

über dessen Organisation äußert. Eingehend<br />

über die Einwohnerwehr äußert sich<br />

Oberforstmeister Escherich, der entschieden<br />

in Abrede stellt, dass die Einwohnerwehr<br />

irgendetwas mit den Fememorden<br />

zu tun habe. Nach seiner Meinung seien<br />

die Ermordungen von Waffenverrätern<br />

nur aus nationalen Gründen erfolgt. Dr.<br />

Levi nimmt den Zeugen ins Kreuzverhör,<br />

ohne dass viel dabei herauskommt. Über<br />

die der Fememorde Verdächtigen, über<br />

Waffenfragen und falsche Pässe weiß er<br />

nichts. Oberstleutnant Kriebel habe zu<br />

Stillschweigen verpflichtet. In der Nachmittagssitzung<br />

wird Staatsanwalt Kraus<br />

aus Augsburg vernommen, der sich aber<br />

nur an ganz normale Dinge erinnern will,<br />

und behauptet alle Einzelheiten vergessen<br />

zu haben. Seine Vernehmung ist deshalb<br />

nicht sonderlich ergiebig. Am 12.10. setzt<br />

sich der Bericht fort. Im Feme-Ausschuss<br />

kam es am Montag zu erregten Szenen, zunächst<br />

bei der Einvernahme General von<br />

Epps, der angehalten werden musste, die<br />

Hände aus den Hosentaschen zu nehmen<br />

und dessen Verhalten der Ausschuss missbilligte.<br />

Epp äußerte sich über die Auffassung<br />

nationaler Kreise vom Waffenverrat<br />

und missbilligte ihn aufs schärfste. Schweikart<br />

sei ihm als ein national zuverlässiger<br />

Mann empfohlen worden. Nachdem er einige<br />

Fragen von Dr. Levis beantwortet hat,<br />

merkte er wer der Antragsteller ist und<br />

will nicht weiter antworten, lässt sich aber<br />

belehren. Das ist nicht der Fall bei Hauptmann<br />

Röhm, der als nächster vernommen<br />

wird und über den der Ausschuss deshalb<br />

eine Ordnungsstrafe von 300 Mark<br />

verhängt. Röhm sollte zunächst auch gar<br />

keinen Eid leisten. An seiner Aussage<br />

ist wesentlich, dass er die Fememörder<br />

seiner größten Hochachtung versichert.<br />

Nächster Zeuge ist Major Obermeier, der<br />

über Waffenlager aussagt. Die Aussagen<br />

des Major Fuchs und eines gewissen Rembolds<br />

Schweikarts, der selbst des Mordes<br />

verdächtig ist. Er bestreitet dies aufs entschiedenste<br />

und behauptet, in der Nacht<br />

der Ermordung der Sandmeier, bei einem<br />

Zechgelage gewesen zu sein, obwohl dies<br />

von anderen Teilnehmern des Gelages in<br />

Abrede gestellt wird. Geflohen will er nur<br />

sein, weil er in der Bracher-Affäre als Zeuge<br />

gesucht wurde. Er war Truppenführer<br />

der Einwohnerwehr und hat Waffenbergungen<br />

wiederholt vorgenommen. Er war<br />

im Besitz falscher Pässe. Einen falschen<br />

ungarischen Pass soll angeblich Stempfle<br />

besorgt haben, der dies aber früher unter<br />

Eid bestritten hat.<br />

Am 13.- 10. veröffentlicht das FT eine interessante<br />

Statistik über den unterschiedlichen<br />

Fleischverzehr verschiedener Länder.<br />

Am größten ist er in Australien mit einem<br />

jährlichen Konsum von <strong>11</strong>8,85 kg pro Kopf.<br />

Es folgen dann die USA mit 68,85 kg, Argentinien<br />

mit 63,51kg, England mit 55,33<br />

kg, Deutschland mit 49,20 kg und Frankreich<br />

mit 34,50 kg. Spanien schließt sich<br />

mit 23 kg an und zuletzt folgt Italien mit<br />

nur 12,20 kg.<br />

Der Umzug des Postamtes in das neue<br />

Gebäude erfolgte am vergangenen Montag.<br />

Das FT geht in einem langen Artikel<br />

auf die Geschichte der Post in HIP ein. Bis<br />

Anfang der 1860er Jahre befand sich die<br />

Post im Gasthaus „Zum Bayerischen Hof“<br />

(Haußner), der im Volksmund noch als alte<br />

Post bezeichnet wird. 1867 siedelte die<br />

Post in das Wirtshaus „Goldenes Lamm“<br />

(Spiegel) um. Nach weiteren 15 Jahren<br />

zum „ Ochsen“, dem heutigen „Gutmann,<br />

„zur Post“ Am <strong>01</strong>.<strong>01</strong>.1880 wurde mit der<br />

Errichtung des hiesigen Bezirkamts die<br />

Orte Allersberg, Heideck und HIP vom Regierungsbezirk<br />

Oberpfalz abgetrennt und<br />

dem Bezirk Mittelfranken zugeschlagen.<br />

Die Postexpidition verwaltete ab 1877 der<br />

Bierbrauer Karl Betz. Zugleich war ihm die<br />

täglich einmal ausgehenden Postomnibusfahrten<br />

übergeben worden. HIP war<br />

damals ein Verkehrsmittelpunkt und noch<br />

durch folgende Postwagenfahrten mit seiner<br />

näheren und ferneren Umgebung verbunden:<br />

Neumarkt – Freystadt, Beilngries<br />

– Greding, Thalmässing – Pleinfeld – Heideck,<br />

Roth – Allersberg und Thalmässing<br />

– Eichstätt. Das Verkehrsauommen nach<br />

Roth war so stark, dass täglich eine zweite<br />

Fahrt geschaffen werden musste. Als 1887<br />

die Eisenbahnlinie Roth – Greding in Betrieb<br />

ging, verlor HIP die Funktion eines<br />

Verkehrsknotenpunkts. 1889 wurde der<br />

Expidor und Poststallhalter Karl Betz per<br />

Dienstauftrag enthoben. Vom selben Tag<br />

an wurden die Postdienstgeschäfte in die<br />

neu geschaffenen Diensträume im Rathaus<br />

verlegt.<br />

In der Zeit vom 1. September bis zum<br />

31. September fiel die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger<br />

(Arbeitslose) um<br />

88.000 auf 1.395.000. Die Zahl der Zuschlagsempfänger<br />

fiel in der gleichen Zeit<br />

um 71.000 auf 1.410.000.<br />

Die Kosten des in München tagenden<br />

Feme-Ausschusses, die wohl ins Sechsstellige<br />

gehen, will ein völkischer Antrag<br />

Dr. Levi und den Sozialdemokraten aufbürden,<br />

weil sie die Veranlasser der Untersuchungen<br />

sein wird am 14.10. Vom FT<br />

berichtet.<br />

Im nächsten Heft:<br />

Hilpoltstein im Jahr 1926 – Teil 14<br />

<strong>11</strong> | <strong>2021</strong><br />

<strong>11</strong>

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