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FOCUSING JOURNAL Nr. 47

Zeitschrift zur Kultur der Achtsamkeit herausgegen von der AKADEMIE FÜR FOCUSING, FOCUSING-THERAPIE UND PROZESSPHILOSOPHIE (DAF-AKADEMIE)

Zeitschrift zur Kultur der Achtsamkeit
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Themen<br />

Wenn diese Essenz<br />

endlich kein Geheimrezept<br />

mehr<br />

wäre, sondern jeder<br />

sie kennen und mit<br />

ihrer Hilfe »kochen«<br />

würde, wäre die<br />

Welt anders.<br />

Personen führt und führen muss, muss man<br />

in Kauf nehmen und aushalten wollen. Natürlich<br />

ist das oftmals mit Kränkungen und<br />

Schmerzen auf beiden Seiten verbunden,<br />

aber es kann auch zu neuen Freiräumen<br />

führen, in denen sich die Focusing-»Kultur«<br />

diversifizieren kann und so lebendig bleibt.<br />

Viele der Gruppen und Personen, die sich<br />

mit Focusing beschäftigen oder in Focusing<br />

ausbilden, stammen von der Sommerschule<br />

ab. Dass die jüngste dieser Abspaltungen<br />

zu einer zweiten »Internationalen Focusing<br />

Sommerschule« geführt hat, die, obwohl<br />

soeben erst ins Leben gerufen, auch vierzigjähriges<br />

Jubiläum feiert, ist eine nicht justiziable<br />

Chuzpe – aber okay, auch sie wird<br />

einen Raum für eine bestimmte Art von Focusing<br />

bereitstellen.<br />

Wenn es so ist, dass Focusing nicht unabhängig<br />

von der Perspektive und von den<br />

jeweiligen Situationen und Personen ist,<br />

dann ist ganz klar, dass ich nicht einfach<br />

daherkommen und jetzt, in dieser Situation,<br />

sagen kann, was die Essenz, also das<br />

Wesen, der Kern von Focusing ist. Was ich<br />

bestenfalls kann, ist, einige der augenblicklichen<br />

Essenzen darzustellen, die meinen<br />

Geschmack von Focusing bestimmen. Essenzen,<br />

verstanden als Konzentrate, die, mit<br />

anderem vermischt, z.B. geschmackvolle<br />

Suppen ergeben.<br />

Sechste Essenz<br />

Eine weitere dieser Essenzen ist folgende:<br />

Was ich erlebe, hängt davon ab, WIE ich<br />

mit ihm in Beziehung trete.<br />

Wenn diese Essenz endlich kein Geheimrezept<br />

mehr wäre, sondern jeder sie<br />

kennen und mit ihrer Hilfe »kochen« würde,<br />

wäre die Welt anders. Ich habe diese<br />

Essenz schon oft beschrieben: Je nachdem,<br />

wie ich auf etwas zugehe, so kommt es mir<br />

entgegen. Oder: Die Art und Weise meiner<br />

Beziehung zu etwas konstelliert dieses Etwas<br />

mit. Oder: Das Beobachtete ist nicht unabhängig<br />

vom Beobachter.<br />

Dieses »Gesetz« gilt zumindest für die<br />

subatomare Welt und für die Innenwelt, für<br />

all das, was wir Erleben nennen. Geläufige<br />

Slogans dafür sind »Wie vor Was«, »Beziehung<br />

vor Inhalt« oder Gendlins Aussage<br />

»Erlebensinhalte sind Prozessaspekte«.<br />

Im Focusing ändern wir folglich nicht das<br />

»Was« (die Erlebensinhalte, die Verhaltensformen),<br />

sondern das »Wie« (die Beziehung<br />

zu ihnen). Dadurch ändern sich auch die Inhalte.<br />

Deshalb erst wird focusingorientierte<br />

(oder jede?) Psychotherapie wirksam. Deshalb<br />

kann im Focusing vergangenes Erleben<br />

jetzt verändert werden.<br />

Dieses Gesetz gilt selbstverständlich<br />

auch für die WAS-Aspekte des Focusing<br />

selbst, also für Focusing als Inhalt, auf den<br />

man sich so oder so beziehen kann. Und<br />

dieses Gesetz ist allen meinen Essenzen inhärent,<br />

besonders auch der nächsten.<br />

Siebente Essenz<br />

Wenn die Beziehung, das Verhältnis zu etwas,<br />

so entscheidend ist, fragt sich natürlich,<br />

ob es so etwas wie ein optimales Verhältnis<br />

gibt. Jedenfalls, was die für Focusing besonders<br />

zentralen Verhältnisse betrifft: das Verhältnis<br />

zwischen mir (meinem »Ich«) und<br />

dem, was ich erlebe (fühle, spüre, denke,<br />

tue, …), und das Verhältnis zwischen mir<br />

und der Person, die ich in ihrem Focusing-<br />

Prozess begleite. Ich habe nach vielen Jahren<br />

Focusing-Praxis etwas, das für Focusing-<br />

Leute selbstverständlich klingen mag, zu<br />

meiner Hauptessenz erkoren: Die »produktivste«<br />

dieser Beziehungsformen ist Mit-<br />

Sein.<br />

10 focusing journal | heft <strong>47</strong>/2021

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