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Spektrum 37<br />
Die Rolle <strong>der</strong> Zentralbank<br />
Die Entwicklung hängt auch von den Entscheidungen <strong>der</strong><br />
Europäischen Zentralbank ab. Sie sorgt dafür, dass das<br />
Preisniveau im Euro-Währungsraum stabil bleibt. Trotz<br />
ihrer expansiven Geldpolitik mit dem Ziel, Kreditvergaben<br />
zu beflügeln und Investitionen anzustoßen, hat sie ihr Inflationsziel<br />
nie überschritten. Doch zuletzt stieg die Inflationsrate<br />
auf über vier Prozent <strong>–</strong> so hoch wie seit 28 Jahren<br />
nicht mehr. Eine dauerhafte Inflationsrate von über zwei<br />
Prozent geht mit einer hohen Unsicherheit einher. „Die<br />
spannende Frage wird also sein, wie lange die EZB ihren<br />
expansiven Kurs noch fahren kann“, sagt Beckmann.<br />
Trauma <strong>der</strong> Weimarer Republik<br />
Was passieren kann, wenn vermeintliche Stabilität ins<br />
Wanken gerät, hat die Hyperinflation im Jahr 1923 gezeigt:<br />
eine Abwertung des Geldes von mehr als 50 Prozent im<br />
Monat. Dieses historische Ereignis hat sich in das kollektive<br />
Gedächtnis Deutschlands eingebrannt. „Die Hyperinflation<br />
zu Zeiten <strong>der</strong> Weimarer Republik gilt auch als das Trauma<br />
<strong>der</strong> Deutschen und hat die Geldpolitik <strong>der</strong> Bundesbank bis<br />
zur Einführung des Euro 1999 nachhaltig beeinflusst“, sagt<br />
Beckmann. „Davon sind wir sehr weit entfernt, aber wenn<br />
die Menschen Angst haben, dass die Preise bald noch stärker<br />
steigen und deshalb jetzt mehr kaufen, wird das die<br />
Nachfrage und die Preise umso mehr nach oben treiben.“<br />
Die Folge: Die aktuelle höhere Inflationsrate könnte sich<br />
infolge <strong>der</strong>artiger Erwartungseffekte verstetigen. Für die<br />
Ersparnisse auf dem Konto gibt es weniger zu kaufen.<br />
Lohnerhöhungen würden verpuffen.<br />
Erwartung erforschen<br />
Ein noch ganz frisches Forschungsprojekt am Lehrstuhl geht<br />
daher bald <strong>der</strong> Frage nach, wie genau Erwartungen gebildet<br />
werden und sich die Erwartungshaltung <strong>der</strong> Menschen auf<br />
Kauflust o<strong>der</strong> Sparvorhaben auswirken. Bei <strong>der</strong> Analyse<br />
sollen neben Umfragen Zeitungsberichte und Kommentarspalten<br />
in Sozialen Medien helfen. Sie sind für Joscha<br />
Beckmann und die Forschenden des Makroökonomie-<br />
Lehrstuhls eine Art Stimmungsbarometer. Die Forschenden<br />
können zum Beispiel messen, wie intensiv über bestimmte<br />
Ereignisse berichtet wird und wie die Menschen dazu stehen,<br />
ob sie Angst haben und ihr Geld deshalb lieber sparen <strong>–</strong><br />
wie zuletzt in <strong>der</strong> Corona-Pandemie. O<strong>der</strong> ob sie optimistisch<br />
in die Zukunft blicken und sich trauen, ihr Geld auszugeben:<br />
„Mosaiksteine, die hoffentlich dazu beitragen,<br />
dass wir als Ökonomen menschliches Verhalten und gesamtwirtschaftliche<br />
Entwicklungen in Zukunft noch besser<br />
verstehen können.“ <br />
sam