18.01.2022 Aufrufe

Diakonie im Blick - Winter 2021

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DIALOG<br />

DIALOG<br />

CORONA-SCHUTZIMPFUNG?!<br />

Eine geistliche Sicht von Michael Mertins,<br />

Superintendent <strong>im</strong> Ev. Kirchenkreis Minden.<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

die <strong>Diakonie</strong> Stiftung Salem ist genauso wie der Ev. Kirchenkreis<br />

Minden Teil unserer Gesellschaft. Auch in <strong>Diakonie</strong><br />

und Kirche gibt es viele Menschen, die sich gegen<br />

Covid-19 <strong>im</strong>pfen ließen und lassen – und andere,<br />

die diese Schutz<strong>im</strong>pfung ablehnen, obwohl dafür bei<br />

ihnen keine medizinischen Gründe vorliegen. Mich irritiert<br />

das. Ich kann es gar nicht begreifen! Wer für die<br />

<strong>Diakonie</strong> Stiftung Salem arbeitet, z. B. in der stationären<br />

oder ambulanten Pflege oder auch in anderen Arbeitsbereichen,<br />

der oder die hat doch täglich Menschen vor<br />

Augen, die besonders gefährdet wären, wenn sie sich<br />

unge<strong>im</strong>pft mit Covid-19 infizieren würden. Und auch in<br />

den Kirchengemeinden und in den Arbeitsfeldern der<br />

Synodalen Dienste begegnen Mitarbeiter/innen täglich<br />

vielen Menschen, bei denen ohne Schutz<strong>im</strong>pfung das<br />

hohe Risiko eines schweren Infektionsverlaufs bestehen<br />

würde. Inzwischen besteht dieses Risiko ja zunehmend<br />

auch für junge Erwachsene ohne Vorerkrankungen, wie<br />

die Belegsituation der Intensivstationen – übrigens auch<br />

<strong>im</strong> Mindener Klinikum – zeigt. Von diesen Covid-Patienten/innen<br />

sind mehr als 90 % nicht ge<strong>im</strong>pft. Dennoch<br />

lehnen einzelne Mitarbeiter/innen auch in der DSS und<br />

in Kirchengemeinden noch <strong>im</strong>mer die rettende Schutz<strong>im</strong>pfung<br />

ab! Warum? Warum ist die Angst vor befürchteten<br />

Nebenwirkungen der Impfung größer als die<br />

Angst vor den schrecklichen Infektionsfolgen, die einem<br />

doch tagtäglich vor Augen stehen, wenn man hinsieht<br />

– ganz zu schweigen von den Langzeitfolgen, unter denen<br />

viele leiden müssen, die von einer Covid-19-Infektion<br />

genesen sind, aber auf Dauer z. B. nicht mehr richtig<br />

schmecken oder riechen können.<br />

Gegen die weltweite Pandemie haben wir in<br />

Deutschland genug rettenden Impfstoff für alle zur<br />

Verfügung – Impfstoff, der in den Entwicklungsländern<br />

dringend benötigt wird. Bei uns aber muss er<br />

weggekippt werden, weil Menschen die Impfung<br />

verweigern. Wie kann das sein? Ja, es gibt schl<strong>im</strong>me<br />

Fake-News, Lügen und Hassparolen, mit denen sogenannte<br />

„Querdenker“ Angst und Verunsicherung<br />

insbesondere in den sozialen Medien verbreiten. Darauf<br />

will ich hier gar nicht eingehen. Da kann ich nur<br />

jeder und jedem raten, der Vernunft und den wissenschaftlich<br />

fundierten Informationen, nicht<br />

aber den Angstmachern zu trauen. Diese verfolgen<br />

politische Ziele und nutzen die Angst<br />

der Leute aus. Denen will ich hier gar keine<br />

weitere Aufmerksamkeit schenken. Aber denjenigen,<br />

die religiöse Beweggründe gegen<br />

das Impfen anführen, schon. Auch sie tragen<br />

mit dazu bei, dass unser Landkreis seit einiger<br />

Zeit die höchste Inzidenz in ganz NRW<br />

hat (Stand heute, 41. KW). Dazu kann und<br />

muss ich als Theologe und Superintendent<br />

etwas schreiben. Denn es ist theologisch völlig<br />

falsch, wenn sich Menschen nicht <strong>im</strong>pfen<br />

lassen, weil sie diese Verweigerung für ein<br />

frommes Gottvertrauen halten. Gott werde<br />

sie schon schützen und wenn nicht, dann sei<br />

es eben sein Wille; der Impfbefürworter dagegen<br />

rechne weniger mit Gott und seiner<br />

Hilfe. Wer so denkt, der oder die verhöhnt Gott, der<br />

seine Schöpfung erhalten will. Gott will, „dass allen<br />

Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der<br />

Wahrheit kommen“ (1. T<strong>im</strong>otheus 2,4). Gott will,<br />

dass seine Menschenkinder gesund leben können.<br />

Wenn jemand erkrankt und schweres Leid tragen<br />

muss, dann ist das nicht etwa Gottes Strafe (vgl. Johannes-Evangelium<br />

9,1-7; Lukas-Evangelium 13, 1-5).<br />

Es ist gar nicht fromm, sich nicht <strong>im</strong>pfen zu lassen,<br />

um auf Gottes Hilfe zu warten, während Gott uns mit<br />

dem Impfstoff doch längst seine Hilfe anbietet. Ich<br />

danke Gott jeden Tag dafür, dass er meine flehenden<br />

Gebete um Rettung aus dieser Seuche erhört hat. Wie<br />

viele andere habe auch ich täglich darum gebetet,<br />

dass Gott die Arbeit der Wissenschaftler/innen segnen<br />

möge, damit wir bald einen wirksamen Schutz<br />

gegen Corona haben. Nun ist es in Rekordzeit gelungen,<br />

alle notwendigen Testreihen abzuschließen und<br />

wirksamen Impfstoff für alle in unserem Land bereitzustellen.<br />

Anzunehmen, der Impfstoff sei unsicher,<br />

weil er in relativ kurzer Zeit erforscht und zugelassen<br />

wurde, das ist pure Angst und entbehrt jeglicher<br />

wissenschaftlichen Grundlage. Wer so denkt und die<br />

Impfung verweigert, versäumt es, Gott dafür zu danken,<br />

dass gute Schutz<strong>im</strong>pfungen jetzt schon möglich<br />

gemacht worden sind. Gott hilft uns bereits. Wir verpassen<br />

seine Hilfe, wenn wir stattdessen das Impfen<br />

und Gottes Schutz als Alternativen verstehen. Wer<br />

so denkt und Impfen ablehnt, der oder die vertraut<br />

gar nicht auf Gott, sondern versucht ihn und fordert<br />

von Gott einen anderen Schutz ein als den, den Gott<br />

uns schon längst darreicht. Es war ja der Teufel in<br />

der Wüste, der von Jesus verlangte, so fromm zu sein,<br />

dass er <strong>im</strong> Vertrauen auf Gottes Schutz sich leichtfertig<br />

in die Tiefe stürzen sollte. Gott werde ihn schon<br />

schützen. Jesus aber widerstand dem Versucher und<br />

zitierte das Alte Testament: „Du sollst Gott nicht versuchen“<br />

(vgl. Matthäus-Evangelium 4,5-7). Es gibt<br />

eine vermeintliche Frömmigkeit, die Jesus selbst als<br />

falsch zurückweist. Ich erlebe sie in diesen Tagen <strong>im</strong><br />

Kreis Minden-Lübbecke bei religiös motivierten Impfgegnern/innen.<br />

Die persönliche Meinung ist in unserem Land frei<br />

– Gott sei es gedankt. Aber die Haltung zur Corona-Schutz<strong>im</strong>pfung<br />

ist m. E. nicht Sache der Privatmeinung.<br />

Wenn es keine medizinischen Gründe gibt,<br />

die gegen die Schutz<strong>im</strong>pfung sprechen, ist diese<br />

keine Geschmacksfrage, zu der man als Christenmensch<br />

diese oder eine andere Haltung einnehmen<br />

kann. Denn es geht um die Gesundheit, ja um das<br />

Leben – um mein eigenes und das meiner Mitmenschen!<br />

Dazu hat Jesus verbindlich das Nötige gesagt:<br />

„Du sollst Gott lieben über alle Dinge und deinen<br />

Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Markus-Evangelium<br />

12,29-31). Mit der Schutz<strong>im</strong>pfung schütze ich<br />

mich selbst und meinen Nächsten, dem ich bei der<br />

täglichen Arbeit in <strong>Diakonie</strong> oder in Kirche begegne.<br />

Deshalb lässt sich das evangelische Profil von <strong>Diakonie</strong><br />

und Kirche nicht vereinbaren mit der Ablehnung<br />

der Schutz<strong>im</strong>pfung aus religiösen Gründen.<br />

Aus Liebe zum<br />

Büro<br />

Manche lehnen die Impfung ab, weil sie staatlichen<br />

Anweisungen nicht trauen. Das hat damit zu tun,<br />

dass sie selbst oder ihre Vorfahren schl<strong>im</strong>me Erfahrungen<br />

mit den totalitären Reg<strong>im</strong>en in der ehemaligen<br />

UDSSR oder DDR machen mussten. Andere sind aktuell<br />

vor Willkürherrschaft und staatlichem Unrecht<br />

in ihren He<strong>im</strong>atländern geflohen. Deshalb sind sie<br />

nun besonders vorsichtig, wenn der Staat Impfungen<br />

empfiehlt. Wir leben aber hier und heute – Gott sei es<br />

gedankt – in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Es ist<br />

an der Zeit, dass die üblen Machthaber der Vergangenheit<br />

ihren bösen Einfluss verlieren und die verletzten<br />

Seelen endlich frei werden von den früheren Einschüchterungen.<br />

Wer sich trotz übler Unrechtsreg<strong>im</strong>e<br />

in anderen Ländern nun hier und heute <strong>im</strong>pfen lässt,<br />

der oder die ist schon frei und kann Verantwortung<br />

für sich und für seine Mitmenschen übernehmen. Er<br />

oder sie folgt der freien Vernunft und praktiziert Jesu<br />

Gebot der Nächstenliebe. Wer aber ohne medizinische<br />

Not die Impfung verweigert, weil er mit „denen<br />

da oben“ schlechte Erfahrungen erinnert, der oder<br />

die lässt den totalitären Reg<strong>im</strong>en der Vergangenheit<br />

ihren späten Triumph.<br />

Ich wünsche uns allen, dass wir uns nicht von Ängsten,<br />

sondern vom Vertrauen in Gott leiten lassen und<br />

der Nächstenliebe unter uns Raum geben. „Furcht ist<br />

nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe<br />

treibt die Furcht aus“ – denn: „Gott ist die Liebe“ (1.<br />

Johannesbrief 4,16.18). Nicht die Angst, die sich verweigert,<br />

sondern die Liebe, die Verantwortung übern<strong>im</strong>mt,<br />

wird unserer Gesellschaft guttun und die Risse<br />

heilen. Darum bitte ich Sie: Wenn bei Ihnen medizinisch<br />

nichts dagegenspricht, dann lassen auch Sie<br />

sich <strong>im</strong>pfen. Helfen Sie mit, die Seuche zu überwinden.<br />

Das hat Gottes Verheißung!<br />

Ihr Michael Mertins<br />

4 5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!