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Gebirgsfreund Nr. 1/2022

Eine unabhängige Vereinszeitschrift für Bergfreunde und Naturgenießer. Wir informieren mit einzigartigen Berichten und Aufnahmen und machen Lust auf Natur und das Erlebnis Berg. Vordergründig dabei sind immer die Themen Sicherheit und Naturbewusstsein.

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§<br />

© 1505935 + AdobeStock_207913752<br />

Haftung des Führers aus Gefälligkeit<br />

Die unentgeltliche Führung einer alpinen<br />

Klettertour durch Freunde, Bekannte<br />

oder sonstige Personen, aber auch ein<br />

gemeinsames Training oder Üben in<br />

einem Klettergarten sind normalerweise<br />

Gefälligkeitsakte. 1 In der Praxis finden<br />

sich auch immer wieder Partner, die nicht<br />

die Absicht haben, ein Vertragsverhältnis<br />

einzugehen.<br />

Der OGH 2 hat in seiner Entscheidung<br />

vom 30.10.1998 ausgesprochen, dass bei<br />

Bedachtnahme auf die beim Bergsteigen<br />

notwendige Eigenverantwortlichkeit bei<br />

einem Zusammenschluss mehrerer Personen<br />

zu einer Bergtour nie der Geübtere<br />

oder Erfahrenere allein deshalb verantwortlich<br />

gemacht werden könne, weil er<br />

die Führung übernommen („faktischer<br />

Führer“), das Unternehmen geplant oder<br />

die Route ausfindig gemacht habe. Eine<br />

Haftung kann sich nach dieser Entscheidung<br />

vielmehr nur dann ergeben, wenn<br />

jemand die Führung aus Gefälligkeit<br />

übernimmt („Führer aus Gefälligkeit“),<br />

aber seinem unerfahrenen Begleiter die<br />

erst später auftretenden, für diesen vorher<br />

nicht erkennbaren Gefahren und<br />

Schwierigkeiten verschweigt oder wenn<br />

jemand einen Bergunerfahrenen zu<br />

einer für diesen schwierigen Bergtour<br />

bzw. zu einem schwierigen Abstieg dadurch<br />

überredet, dass er deren Gefährlichkeit<br />

verniedlicht oder gar bestreitet.<br />

3 Der OGH bejahte den Anspruch des<br />

verletzten unerfahrenen Bergwanderers,<br />

der beim Abstieg auf einem Schneefeld<br />

ausrutschte, gegenüber seinem Begleiter,<br />

der über große Berg- und Gletschererfahrung<br />

verfügte und die Tour „führte“. Im<br />

vorliegenden Fall hätte der Beklagte – so<br />

das Höchstgericht – angesichts der von<br />

ihm zu erwartenden und vom Kläger auch<br />

erwarteten Sachkenntnis das abschüssige<br />

Schneefeld als gefährlich einstufen und<br />

deshalb für dessen gefahrlose Querung die<br />

erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen<br />

treffen müssen. Dem entgegen machte<br />

er dem Kläger vor, der Abstieg über<br />

das Schneefeld sei nahezu ungefährlich,<br />

verschwieg die für ihn erkennbare Gefahr<br />

und überredete den Kläger sogar zum<br />

schwierigen Abstieg. Der Beklagte verletzte<br />

dadurch seine Sorgfaltspflicht. 4<br />

Umwelt & Naturschutz Thema Bericht | <strong>Gebirgsfreund</strong><br />

| Eine derartige Schadenersatzpflicht hat<br />

der OGH in einem vergleichbaren Fall aus<br />

der Unterlassung der notwendigen Unterstützung<br />

aus dem Ingerenzprinzip abgeleitet.<br />

Demnach besteht eine Verpflichtung<br />

dahingehend, aufgrund des eigenen<br />

vorausgehenden Verhaltens entsprechende<br />

Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 5 Das<br />

Höchstgericht hat dabei betont, dass auch<br />

zivilrechtlich eine Pflicht zum Handeln<br />

im Rahmen einer Interessenabwägung bestehen<br />

könne. 6 Der Entscheidung lag folgender<br />

Sachverhalt zugrunde: Der Kläger<br />

hat in einem Klettergarten einen zweiwöchigen<br />

Einführungskurs absolviert, wobei<br />

ihm auch das „Prusiken“ gelehrt wurde,<br />

eine Übung, bei welcher sich der Schüler<br />

nach einem angenommenen, durch das<br />

Sicherungsseil aufgehaltenen Sturz in eine<br />

Gletscherspalte wieder selbst hocharbeitet.<br />

Nach weiteren Ausbildungen nahm<br />

er an einem Grundkurs „Eis“ teil, dessen<br />

Leitung dem beklagten Bergführer oblag.<br />

Bei einem in der Übungshalle erfolgten<br />

Unfall erlitt der Kläger ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.<br />

Im Verfahren begehrte<br />

der Kläger vom Beklagten den Ersatz seiner<br />

Unfallschäden. Dem Beklagten legte<br />

er zur Last, er habe als verantwortlicher<br />

Kursleiter entweder das Sicherungsseil,<br />

mit dem der Kläger bei den Übungen<br />

gesichert gewesen sei, unsachgemäß an<br />

der Wand befestigt oder aber den Kläger<br />

unsachgemäß schnell am Seil zu Boden<br />

gelassen. Auch sei der Kläger während<br />

der Übung vom Beklagten nicht gehörig<br />

beobachtet worden.<br />

Haftung aufgrund der allgemeinen<br />

Übernahme von Pflichten<br />

Auszugehen ist davon, dass jeden gegenüber<br />

absoluten Rechtsgütern anderer<br />

entsprechende Sorgfaltspflichten treffen.<br />

Dabei ist freilich auch der Aspekt der<br />

Eigenverantwortung zu berücksichtigen.<br />

Aus der Entscheidung des OGH 7 ergibt<br />

sich: Wer für seinen nicht kletterkundigen<br />

Begleiter unter Hinweis auf die eigene<br />

Sachkunde die Erlaubnis zur Benützung<br />

einer Kletterhalle erwirkt, haftet, wenn<br />

er nicht ordnungsgemäß kontrolliert,<br />

ob der Betreffende richtig angeseilt ist.<br />

1 Vgl nicht veröffentlichte Entscheidung: LG Salzburg 16.3.2005, 53 R 55/05b.<br />

2 OGH 30.10.1998, 1 Ob 293/98i = JBl 2000, 305.<br />

3 Vgl auch OGH 11.5.1978, 7 Ob 580/78.<br />

4 OGH 30.10.1998, 1 Ob 293/98i = JBl 2000, 305; Schickmair in Kerschner (Hrsg), Schmerzengeld2 (2020) 3. Haftung des „Bergführers aus<br />

reiner Gefälligkeit“ Rz 333.<br />

5 Reischauer in Rummel II2 § 1294 Rz 4; OGH 13.7.1964, 6 Ob 201/64 = 37/105; JBl 1981, 206; OGH 11.5.1995, 2 Ob 34/95 = ZVR 1996/11.<br />

6 EvBl 1965/87; vgl OGH 27.4.1989, 8 Ob 568/89<br />

7 OGH 13.9.2012, 6 Ob 91/12v.<br />

<strong>Nr</strong>. 1 /<strong>2022</strong> | <strong>Gebirgsfreund</strong> | 13

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