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STARK!STROM #27

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Schwefel-Strom

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Alle Fotos © Celia Woitas

OSTERFEST EXTREM

IM BANN DES INFERNOS

Zu den üblichen Ostertraditionen – seien es der Gang in die Kirche oder der Brauch des Eierbemalens –

bietet das viertägige Inferno Metal Festival in Oslo eine extreme Alternative.

Kaum ein Abenteuer beginnt mit einer geplanten

Reise: Daher grämt es mich nicht, dass der Viertages-

Festival-Ausflug zunächst mit einer fälschlicherweise

ins Osloer Umland führenden Zugfahrt beginnt.

Während hie und da bereits Frühlingssonnenstrahlen

die Menschen aus dem Schlaf holen, hängt über dem

Süden Norwegens am Donnerstagmorgen noch ein

grauer Schleier. Bis zu den ersten Konzerten an diesem

Nachmittag ist zum Glück noch Zeit und so kann man

die ungewollt lange Zugreise dafür nutzen, sich auf

ein erstes Festival nach viel zu langer Zwangspause

einzustellen.

Eben weil sich meine Aufmerksamkeit für Blast Beats

und Tremolo Picking etwas in Grenzen hält, gestalten

sich meine Festival-Wege häufig um bekannte

Größen des Black Metal herum, hin zu stilistischen

Ausreißern. So bleiben Augen und Ohren daher gleich

beim ersten Act der Hauptbühne hängen. Wenn man

DJERV-Frontfrau Agnete Kjølsrud abseits der Bühne

sieht, so würde man die Sängerin, die eine sehr

warmherzige Art ausstrahlt, wahrscheinlich eher als

Theaterdarstellerin identifizieren. Die Varieté-hafte

Schminke, die ihr Antlitz schmückt, wirkt aus der

Nähe gewissermaßen übertrieben, verliert im Live-

Geschehen aber sogleich ihre hyperbolische Wirkung.

Der weiße Handschuh, die Gestik und die Zigarre

hauchen dem hier allerhöchstens angeschwärzten

Rock und Heavy Metal mit schrillem Gesang eine

altwürdige Ästhetik ein.

über deren Bedeutung man sich schnell mal zu viele

Gedanken machen kann - künstlerisch ins Bild

fügen. An die Enge und das Gedränge von Menschen

muss ich mich erst wieder gewöhnen und so verirre

ich mich an diesem Abend noch selten in die

Kellergemäuer. Nicht zuletzt auch, weil die Klänge hier

ab und an etwas verschwimmen, und so beispielsweise

die atmosphärischen, wundervollen Momente

von SYLVAINE leicht verschluckt werden. Dennoch

hält man gerne inne und lauscht den teils seelenzerreißenden

Shouts zwischen den Klargesängen der

elfenhaften Norwegerin, deren silberblondes Haar in

langen Wellen über die Schultern fällt.

Nachdem HAMFERD mit eindringlich melodischem

Death Doom am Freitag die Hauptbühne eröffnen,

nutze ich die Gelegenheit, im Anschluss einen Blick auf

die Kunstwerke sowie Merch- und Tonträgerauswahl

zu werfen, die in den hinteren Räumen des Gebäudes

zu finden sind. Ein Festival-Tattoo darf es dort auch

sein, für jeden, der eine weitere garantiert bleibende

Erinnerung möchte.

paaren sich ihre aggressiven, rohen Shouts mit angenehm

durchtriebenem Gitarrenspiel.

ERIDU als ersten Act am letzten Festival-Tag zu verpassen,

wäre zwar absolut möglich, aber auch fatal im

Blick auf die Highlight-Liste gewesen. Die noch recht

frische Gruppe ist in München beheimatet und verbindet

Death Metal mit einer orientalische Note. Live

kommt das Ganze in sehr energiegeladenem Melodic

Death Metal zum „Erblühen“. Mit einer Bauchtänzerin

zum Ende der Show auf der Bühne unterstreichen

ERIDU noch einmal das morgenländische Element in

ihrer Musik und bilden den wohl frischesten Auftritt

des Festivals, obgleich sich auch mit ORANSSI PAZUZU

direkt im Anschuss ein angenehmer Ausreißer anbahnt.

Die finnische Psychedelic Metal-Gruppe versteht

sich darauf, Spannung mit anschwellenden

elektronischen Klängen zu erzeugen. Absolut mutig,

ausgerechnet beim Inferno ein besonders elektronisches

Set zum Besten zu geben.

Ganz anders machen das KREATOR. Als die Band die

Bühne betritt, freuen sich sowohl der Pyro-Zuständige

Das Inferno Metal Festival findet in diesem Jahr zum

Im Keller starten GNIDA am Samstag das Geschehen als auch die Meute. Die zu später Spielzeit volle Hütte

20. Mal statt. Die zwei Hauptlocations befinden sich

und tragen fraglos dieses Jahr den Preis für den widerlichsten

reißen die Thrasher ab: mit feurigen Einlagen und

hier im gleichen Gebäude, der Rockefeller Music Hall,

Bandnamen davon. Im Polnischen be-

Papierschlangen, die quer durch den Saal geschossen

was die Wege auf ein Minimum beschränkt. Auch die

zeichnet „Gnida“ die Eier der Kopflaus. Passender werden und zum Teil an der Decke hängenbleiben -

ans Festival geknüpfte Music Conference findet bereits

kann man seine Grindcore-Band vermutlich kaum vermutlich für immer. Das letzte Festival-Set spielt

am Mittwoch und Donnerstag im nahegelege-

Weit eindeutiger im Black Metal verankert können

benennen. Daher Hut - oder besser gleich Haar - ab! dann im Anschluss die Black Metal-Truppe TAAKE.

nen Hotel statt und bietet einige Diskussionen und mich später aber auch KAMPFAR in ihren Bann ziehen.

XENOBLIGHT sind, was ihren Namen betrifft, zwar Trotz mittlerweile sehr müder Glieder lohnt es sich, die

Beiträge zu unterschiedlichsten - natürlich stets der Ein großartiger Sound und dazu eine Bühnenpräsenz,

weniger einprägsam, das macht der Auftritt aber Banjo-Einlage als Show-Highlight noch abzuwarten

Musik und dem Metal zugewandten - Themen. Beim bei der alles bestens ins Bild passt und dennoch nichts

in jedem Fall wett. Dass Musik und Emotionen eng und anschließend nach unendlich vielen und überraschend

Inferno trifft man vor allem auf Bands, die im Extreme erzwungen durchdacht wirkt. Viel mehr hat man das

miteinander verbunden sind, ist nicht nur schön zu

abwechslungsreichen Eindrücken ein (vorerst)

Metal beheimatet sind. Die Unternehmung meinerseits

Gefühl, Profis bei der Arbeit zuzusehen, sodass sich

hören und zu fühlen, sondern auch, wie im Fall von letztes Mal unterm Osloer Himmel zu entschlummern.

- die normalerweise kaum derlei Subgenres frönt selbst die schwarzen Lackhandschuhe und die vorm

XENOBLIGHT direkt im Gesicht von Sängerin Marika

- wirkt daher zunächst als nahezu töricht. Oder? Gemächt des Sängers baumelnde Norwegen-Flagge -

Hyldmar abzulesen. Mit ausdrucksstarker Mimik www.infernofestival.net

Celia Woitas

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