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Schwarz!Strom Zeitstrom ewig junge meisterwerke
Klangkultur für Hörer.
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GERALD CLAYTON
„Bells On Sand“ (Blue Note/Universal)
Die Neigungsgruppe zur Spontanerkennung
musikalischer Inhalte anhand des Coverdesigns
dürfte hier grandios scheitern. Das Interpretationsspektrum
wird in jenem Fall zwischen Eckpunkten
wie Trance und Artrock pendeln - tatsächlich ertönt
poetischer, introspektiver zeitgemäßer Jazz, basierend
auf grazil-swingender Ästhetik. Pianist Gerald
Clayton formt melancholische Unaufgeregtheit,
verfeinert mit subtiler Melodik. Eine Sinnlichkeits-
Therapie.
ELEMENTO DESERTO
„La Hora Maldita“
(Mai Lei Bel/www.vinyl-music.shop)
Wer an Schwerkraftschrauben des Pragmatismus
dreht, gerät oft rasch aus der Balance. Doch Mut
zum Risiko gilt als Motor für Evolution. Elemento
Desorto fertigen jedenfalls keinen linientreuen psychedelisch
orientierten Wüstenrock, sondern eine
unorthodoxe Mixtur, offen nach vielen Seiten. Eine
gekonnt kantige, spannende Exkursion auf weißem
Vinyl mit raffinierter Hüllengestaltung. Dieses
Deserto könnte noch zu einer Hauptmahlzeit
avancieren.
FENNYMORE
„Bad Relations“
(hs productions/www.vinyl-music.shop)
Es war eine Dürreperiode für Kräfte der
Beharrung. Denn die Szene investierte in
eine wirksame Entwicklungshilfe zugunsten
des Höhenflugs progressiver
Rockkultur. Fennymore, 1976 in
Tirol gegründet, setzten ebenso
auf stilistische Fortbewegung.
Ihre 1980 entstandene und jetzt veröffentlichte
Platte liefert eigenwillige, eigenständige und
energiegeladene Klänge auf einer LP, die in jeder
Faser authentisches Retroflair ausstrahlt. Für alle
Perlentaucher.
KAIPA
„Urskog“ (InsideOut Music/Sony)
Sollte sich dieser Tag so anfühlen, als ob du mit
löchrigen Schuhen in einer kalten Regenpfütze
stehst, dann ist jene Tonvorlage deine Ausstiegsluke.
Kaipa bestätigen sich mit jener Doppel-LP als
Experten für Feelgood-Prog, der mit eleganter
Leichtigkeit positive Atmosphäre versprüht. Eine
stimmige Feinmechanik der Emotionen bildet die
Basis für epische Songs im Breitwandformat. Gute
Pressqualität, eine grüne Auflage und alle Schuhe
sind wieder trocken.
PATTERN-SEEKING ANIMALS
„Only Passing Through“(InsideOut
Music/Sony)
Die Fakultät für zoologische Erkenntnistheorie
vermittelt neues Wissen. Tiere suchen nicht
nur Gesellschaft oder Futter, sondern gleichfalls
Muster und Strukturen. Pattern-Seeking
Animals, Aufsteiger in der Liga für bekömmlichen
Ohrwurm-Prog, liefern weiteres reichhaltiges
Seelenfutter. Ein latent verspieltes Epos mit starken
Kompositionen und filigranen Arrangements,
bestens geeignet für ein überaus sorgsam hergestelltes
Doppel-Album.
Nicht verpassen.
Vinyl only
by Christian Prenger
PRIMAL FEAR
„Primal Fear“ (Atomic Fire/Warner)
Erstbegegnungszonen sind dynamische
Räumlichkeiten. Die Akzeptanz-Optionen pendeln
zwischen Applaus und Ablehnung, zwischen
Andocken und Abschalten. Primal Fear
haben mit ihrem erstklassigen Debut nachhaltige
Verbindungen zur Community etabliert.
Das höchst vitale Power Metal-Highlíght ohne
Trendstoff-Emission erscheint nun als Deluxe
Edition. Drei Bonustracks und drei Farben
veredeln ein feines Sammlerobjekt mit Primal-
Prädikat.
SLAEGT
„Goddess“ (Century Media/Sony)
Jene Göttin positioniert sich als Antithese zu allen
digitalen Abschleifmaschinen, die Produktionen
heute in sterile Gleichklangschablonen pressen.
Slaegt forcieren Black Heavy Metal mit erfreulich
rauem Undergroundsound und Old School-
Charisma, zusätzlich ein gutes Stück entfernt von
Genre-Dogmen. Jene kompetente und vielseitige
Scheibe, erhältlich in Schwarz, Rot, Silber sowie
Gold, verwendet Energie statt elektronische
Studio-Tarnpolitur.
Special:
Komplexitätskonstruktion
Das Tor zum Universum von Tool öffnet sich nicht durch Eingabe gängiger
Mainstream-Codes. Wer Zugang finden will, muss den Genre-Limitierungssperrbalken
entriegeln zum Empfang innovativer Signale. Jene Konstrukteure von progressivalternativen
Metalmonumenten haben mit dem aktuellen Werk „Fear Inoculum“
ihre nächste Komplexitäts-Dimension erreicht. Der Beleg wartet in jener aufwendigen
Ultra-Deluxe-Auflage, bestehend aus fünf 180 Gramm Single Sided Schallplatten.
Extravagant? Anders? Tool.
Der Beitrag bestand aus Interview-
Fetzen mit Rob Halford, dazu wurden
kurze, aber prägnante Stellen aus dem
Album gespielt, etwa der Refrain des
göttlichen Titelsongs oder der mächtige
Beginn von „All Guns Blazing“, ihr wisst
schon, „Twisting the strangle grip won't
give no mercy (mercy!)“… und das war´s,
danke, der 16-jährige Andi Appel drehte
durch. Selbstverständlich wurde das
Ganze auf Kassette aufgenommen und
tausendmal vor- und zurückgespielt:
„Twisting…“, Rewind, „Twisting…“.
Priest-Fan war ich sowieso schon länger,
und diese neue Platte (Vinyl sagte
damals kein Mensch, warum auch, man
sagt auch nicht Holz, wenn man sich auf
einen Sessel setzt) musste ich haben,
und zwar sofort. Blöderweise gab´s in
meinem 150-Seelen-Heimatdorf keinen
Plattenladen, auch nicht im näheren
oder weiteren Umfeld, weswegen meine
Freunde und ich immer nach Wien
ins Heavy Records fuhren, dem Quasi-
Vorläufer des Why Not, dem besten
Geschäft aller Zeiten. Leider konnte
ich an diesem bzw. dem nächsten Tag
nicht nach Wien fahren, weil irgendwas
in Schule anstand, ich besuchte grad –
mehr oder weniger regelmäßig – die
dritte Klasse Handelsschule, außerdem
war wieder mal die Kohle knapp.
Und wenn du „ins Heavy“ fährst, um
dir „Painkiller“ zu kaufen, dann gehst
du mit fünf weiteren LPs, drei Patches
und zwei T-Shirts raus, und weiter zum
Rocktiger, in den Army Shop und, ähm,
zu McDonalds, wir hatten sowas ja nicht
am Land.
Also rief ich einfach im Heavy Records
an, um mir das Teil mit der Post schicken
zu lassen. „Ist grad aus, sollte aber
am Montag wieder da sein“, wurde mir
gesagt und das folgende Wochenende
überlebte ich nur mit viel Alkohol. Was
jetzt aber keinen großen Unterschied
zu allen anderen Wochenenden damals
ausmachte. Am Montag hatte
ich offiziell früher Schulschluss, weil
ein Lehrer krank war, um zu Mittag,
wenn üblicherweise der Herr Postler
seine Runde bei uns drehte, zuhause
zu sein. Tatsächlich war ich klarerweise
gar nicht in der Schule, sondern
JUDAS PRIEST
Painkiller (1990)
Erstmals aufmerksam wurde ich auf diese Platte, heute kaum vorstellbar, auf Ö3. Es gab jeden Abend den „Treffpunkt
Ö3“, dank welchem auch Dominic Heinzl samt seiner „Kuschelecke“ traurige Berühmtheit erlangte. Kurz, aber doch
stellte zudem ein gewisser Harald Huto – Grüß Sie! – News aus dem Heavy Sektor vor, unter anderem „Painkiller“.
im Kaffeehaus, danach fuhr ich mit
der Puch Cobra in den Wald, um am
Discman Musik zu hören und ein halbes
Packerl Marlboro zu rauchen. Wieder
daheim traf ich unseren Briefträger, der
aber komischerweise keine Lieferung
für mich hatte: „Wenn´sas am Montag
wegschicken, wirst du´s frühestens am
Dienstag bekommen“. Klang logisch,
stellte dennoch kein Argument für einen
des rationellen Denkens aktuell
nicht mächtigen Metal Freak dar.
Als die Platte am Dienstag trotzdem
nicht dabei war, rief ich natürlich umgehend
im Heavy an. „Wir haben sie
erst heute bekommen, geht aber sofort
raus“. „Wird gut sein, sonst scheppert´s,
verdammt nochmal!“, sag… dachte ich
und antwortete „Super, vielen Dank,
auf Wiederhören“. Das Spiel wiederholte
sich mittwochs, weswegen ich am
Donnerstag überhaupt gleich zuhause
blieb, weil jetzt müsste das verdammte
Packl ja wohl dabei sein. So lümmelte
mein 16-jähriges Ich abwechselnd in
meinem Zimmer, in der Küche oder
am Klo herum, konnte sich nicht einmal
beim „Ganze Woche“-Lesen auf
den Text konzentrieren, aber unser
Postler, der mittlerweile leider verstorbene
Peppi, kam und kam nicht daher.
Ergo schwang ich mich aufs Fahrrad
und suchte unsere Durchzugstrasse,
die Hauptstrasse, links hintaus und
rechts hintaus, mehr gibt´s nimma,
nach dem Josef ab, ohne Erfolg, also:
Wirtshaus!
Dort gabs noch die klassischen „Runden“,
wo die Mittagspause haltenden
Straßenarbeiter mit den Landwirten,
dem LKW-Fahrer, dem Postler, dem
Milchmann, dem Kieberer oder den
Leuten, die auch offiziell nix hackelten,
gemütlich Bauernschnapsten
und dabei zwei, drei, vier Achterl konsumierten,
bevor sie mit dem Trinken
anfingen, und wenn die Mittagspause
zwei Stunden länger dauerte, dann dauerte
sie halt zwei Stunden länger, who
fuckin´ cares? Ganz ehrlich und ohne
jede Ironie: Ich vermisse diese Zeit, diese
Unbeschwertheit. Dass sie anschließend
noch Moped, Auto, Traktor oder LKW fuhren,
ist freilich eine andere Geschichte.
An(d)yway, der Herr Peppi hatte wieder
keinen Longplayer für mich dabei,
demzufolge knallte ich mir ein Frust-
Seiterl rein, und ein zweites, this is the
Painkiller!
To make a unnötig long story short: Am
Freitag kam er, der Schmerztöter. Ich
wartete vor dem Haus auf den Pepsch,
und er winkte schon von Weitem mit
dem Karton, mit dem ich nun glückselig
die Straße hinauf heimtänzelte,
sodass die Nachbarn wohl einmal mehr
kurz davor waren, die Rettung oder die
Gendarmerie (hier versteckt sich übrigens
das Wort „Darm“, ist mir grad aufgefallen)
zu rufen. Ehrfürchtig wurde
das Cover Artwork bestaunt, bist du
deppat, dann die Scheibe, das schwarze
Gold, herausgezogen, mit aller gebotenen
Vorsicht auf unseren Plattenspieler
gelegt, die Nadel gesenkt, einmal noch
durchgeatmet, und dann setzt Scott
Travis ein. Der Rest ist Geschichte.
Klein Andi hüpfte wie verrückt durchs
Wohnzimmer, sprang vom Sofa auf den
Tisch und wieder zurück, schüttelte die
Rübe, schwang die Eiserne Faust und
nach dem letzten Ton des finalen „One
Shot At Glory“ herrschte eine fast schon
andächtige Stille.
An diesem Freitag schien die Sonne
stärker denn je auf das nördliche
Weinviertel. Die Uhr hielt ihre Zeiger
an, wie einen guten Freund: bleib doch
noch hier, und mit Tränen der Freude
drehte ich die Platte wieder und wieder
um. „Twisting the strangle grip won't
give no mercy (mercy!)“…
Danke Heavy Records. Danke Peppi.
Danke Judas Priest!
Andi
PS: Später am Tag läutete das Telefon,
aber ich konnte nicht abheben, ich
hörte „Painkiller“. Also ging mein Papa
ran, der grad von der Arbeit heimkam.
Beim Abendessen fragte er mich, wie´s
denn heute in der Schule war und ich
erzählte irgendwelchen Blödsinn.
„Interessant“, meinte er, „da hat mir euer
Klassenvorstand vorhin am Telefon aber
was anderes erzählt…“.
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