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Klavierduo Grau/Schumacher 27.06.2022, 19.30 Heilbronn Harmonie

Werke von Ravel, Messiaen und Brahms

Werke von Ravel, Messiaen und Brahms

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KULTURRING<br />

HEILBRONN E.V.<br />

www.kulturring-heilbronn.de<br />

KLAVIERDUO<br />

ANDREAS GRAU &<br />

GÖTZ SCHUMACHER<br />

MONTAG, 27. JUNI 2022<br />

<strong>19.30</strong> UHR


<strong>Klavierduo</strong><br />

ANDREAS GRAU &<br />

GÖTZ SCHUMACHER<br />

2. nachgeholte Veranstaltung der Kulturring-Konzertreihe<br />

2021/2022, Theodor-Heuss-Saal, <strong>19.30</strong> Uhr<br />

MAURICE RAVEL 1875–1937<br />

Rapsodie espagnole<br />

- Prélude à la nuit<br />

- Malagueña<br />

- Habanera<br />

- Feria<br />

OLIVIER MESSIAEN 1908–1992<br />

Visions de l’Amen<br />

- Nr. 1 Amen de la Création<br />

- Nr. 2 Amen des étoiles,<br />

de la planète à l‘anneau<br />

- Nr. 5 Amen des Anges, des Saints,<br />

du chant des oiseaux<br />

15 Min.<br />

18 Min.<br />

Pause<br />

JOHANNES BRAHMS 1833–1897<br />

Sonate für zwei Klaviere f-Moll op. 34b<br />

- Allegro non troppo<br />

- Andante, un poco adagio<br />

- Scherzo: Allegro<br />

- Finale: Poco sostenuto - Allegro non troppo<br />

39 Min.


Guten Abend,<br />

klug zusammengestellte Programme und künstlerischer<br />

Entdeckergeist sind das Markenzeichen, mit dem sich<br />

Andreas <strong>Grau</strong> und Götz <strong>Schumacher</strong> als eines der<br />

international renommiertesten <strong>Klavierduo</strong>s profiliert<br />

haben. Ihr Miteinander am Klavier lässt sie als<br />

musikalische Seelenverwandte erscheinen.<br />

Zu Beginn hören Sie heute Abend Ravels Rapsodie<br />

espagnole und Teile eines fast zweistündigen<br />

Werks von Olivier Messiaen, Visions de l’Amen, die<br />

unter schwierigen Bedingungen entstanden sind und<br />

uraufgeführt wurden. Danach erklingt die als Streichquintett<br />

entstandene, für zwei Klaviere bearbeitete<br />

und später auch auf Anraten Clara Schumanns zum<br />

Klavierquintett umgearbeitete Sonate op. 34 von<br />

Johannes Brahms.<br />

Freuen Sie sich auf erstklassige Klaviermusik mit<br />

Andreas <strong>Grau</strong> und Götz <strong>Schumacher</strong>!<br />

Gefördert:


ANDREAS GRAU &<br />

GÖTZ SCHUMACHER<br />

Das muss man erstmal hinkriegen. Das Duo »<strong>Grau</strong>-<br />

<strong>Schumacher</strong>« hat das Klavierspiel für vier Hände perfektioniert.<br />

[…] Das Entscheidende ist die Freiheit, die<br />

sie dadurch im Konzert, im Moment des Musizierens<br />

erreichen. Man könnte auch sagen: Perfektion ist für<br />

die beiden lediglich eine Grundlage, wirklich Musik zu<br />

machen. (Süddeutsche Zeitung)<br />

Über ihre Aufführungen bekannter Orchesterkonzerte<br />

von Komponisten wie Bach, Mozart, Mendelssohn,<br />

Bartók oder Poulenc hinaus ist das <strong>Grau</strong>-<strong>Schumacher</strong>-<br />

Piano-Duo stets auf der Suche nach neuen Ideen,<br />

um das Repertoire für zwei Klaviere und Orchester zu<br />

erweitern. So initiierte es unter anderem ein Arrangement<br />

von Franz Liszts berühmtem Concerto Pathétique<br />

für zwei Klaviere und Orchester durch Stefan<br />

Heucke. Angeregt durch das virtuose und feinfühlige<br />

Spiel des Duos haben einige der wichtigsten zeitgenössischen<br />

Komponisten neue Konzerte für Andreas<br />

<strong>Grau</strong> und Götz <strong>Schumacher</strong> geschrieben, zuletzt<br />

Peter Eötvös, Philippe Manoury, Jan Müller-Wieland<br />

und Luca Francesconi. Auch im Rezitalbereich bringt<br />

das Duo laufend Werke zur Uraufführung, kürzlich u. a.


von Bernd Richard Deutsch, Philippe Manoury und<br />

Johannes Maria Staud. Zuletzt begeisterte das Duo<br />

insbesondere mit der Uraufführung einer groß angelegten<br />

Trilogie von Brigitta Muntendorf.<br />

Mit ihrem weitreichenden Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten<br />

sind die Pianisten regelmäßig zu Gast<br />

bei den internationalen Festivals und Konzerthäusern<br />

und arbeiteten mit Dirigenten wie Michael Gielen,<br />

Markus Stenz, Emanuel Krivine, Kent Nagano, Andrej<br />

Boreyko, Georges Prêtre und Zubin Mehta zusammen.<br />

Als Solisten konzertierten sie mit den deutschen<br />

Rundfunkorchestern des BR, WDR, SWR, HR, NDR<br />

und des MDR, dem Radiosymphonieorchester Wien<br />

und dem Orchestre Philharmonique de Radio France<br />

sowie beim Enescu Festival Bukarest, dem Musikfest<br />

Berlin, dem Klavierfestival Ruhr, den Schwetzinger<br />

Festspielen, dem Rheingau-Musik-Festival, an der<br />

Wigmore Hall London, der Kölner Philharmonie, im<br />

Gewandhaus Leipzig, am Wiener Konzerthaus, an der<br />

Tonhalle Zürich, an der Franz-Liszt-Akademie Budapest,<br />

der Suntory Hall Tokio, am De Doelen Rotterdam<br />

und im Concertgebouw Brügge.<br />

Im September 2020 brachte das <strong>Grau</strong>-<strong>Schumacher</strong>-<br />

Piano-Duo im Rahmen des Musikfests Berlin in der<br />

Philharmonie mit dem Deutschen Symphonie-Orchester<br />

Berlin unter Robin Ticciati Bartóks Konzert für<br />

zwei Klaviere und Schlagzeug zur Aufführung. Weitere<br />

Einladungen führen in der laufenden Spielzeit unter<br />

anderem zum SWR-Sinfonieorchester, zum Lucerne<br />

Festival, den Schwetzinger Festspielen oder den<br />

Kunstfestspielen Herrenhausen. Neben ihren Rezital-<br />

und Orchesterauftritten verwirklichen Andreas<br />

<strong>Grau</strong> und Götz <strong>Schumacher</strong> regelmäßig interdisziplinäre<br />

Kunst- und Musikprojekte. So setzen sie in dieser<br />

Saison die Zusammenarbeit mit dem Schauspieler<br />

Ulrich Noethen fort – mit der Uraufführung eines<br />

Monodramas nach Jean Pauls Flegeljahren für einen<br />

Schauspieler und zwei Pianisten, komponiert von Stefan<br />

Litwin, bei den Musikfestspielen Saar. Anlässlich<br />

des 75. Jubiläums der Württembergischen Philharmonie<br />

Reutlingen brachte das Duo zudem die audio-


visuelle Fantasie Aries des Komponisten und Filmemachers<br />

Stephan Boehme zur Premiere.<br />

Den Hang zu ausgefeilten Programmkonzepten dokumentieren<br />

auch die zahlreichen CD-Einspielungen<br />

des Duos, unter anderem in einer eigenen Reihe<br />

beim Label Neos. Zuletzt erschienen die Aufnahme<br />

Fantasias mit Werken von Schubert, Purcell/Kurtág,<br />

Mozart/Busoni, Skrjabin und Rachmaninow (»Eine<br />

Referenzeinspielung!«, Fono Forum) sowie die mit<br />

dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin aufgenommene<br />

Serie Concerti I-III mit Werken von Bach<br />

und Mozart bis Adams. Die Einspielung von Philippe<br />

Manourys groß angelegtem Le temps, mode<br />

d’emploi für zwei Klaviere und Elektronik wurde 2019<br />

mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik<br />

ausgezeichnet: »Mit ihrer unnachahmlichen Lust<br />

am Spiel treiben Andreas <strong>Grau</strong> und Götz <strong>Schumacher</strong><br />

durch ein Labyrinth […]. Hören wird lustvoll, zeitlos,<br />

ganz im Moment«, urteilte die Jury.<br />

RAVEL RAPSODIE<br />

Das Vorspiel (à la nuit, très modéré, 3/4, A-Dur) ist ruhig<br />

und geht über mezzoforte nicht hinaus. Maurice Ravel<br />

(1875-1937) platziert hier Themen, die in den folgenden<br />

Sätzen wiederholt werden, insbesondere das beharrliche<br />

Eröffnungsthema F – E – D – Cis.<br />

Die Malagueña (assez vif, 3/4, A-Dur/a-Moll) ist der kürzeste<br />

Satz und bezieht sich auf den Flamencotanz aus<br />

der Provinz Malaga. Der Satz endet leise mit einer Wiederholung<br />

der Vier-Noten-Phrase aus dem ersten Satz.<br />

Die Habanera (assez lent et d’un rythme las, 2/4, Fis-<br />

Dur/fis-Moll) wird als »betörend und subtil in seinem<br />

Ausdruck eines durch und durch spanischen Charakters<br />

und Geistes« beschrieben.


Der vierte Satz, Feria (assez animé, 6/8, C-Dur), ist der<br />

längste bricht in ausgelassene Karnevalsstimmung aus,<br />

es gibt Untertöne der Nostalgie, aber der Überschwang<br />

triumphiert.<br />

MESSIAEN VISIONS<br />

Die sieben »Visions de l’Amen« (Amen der Schöpfung,<br />

Amen der Sterne und des Planetenrings, Amen des<br />

Todeskampfes Jesu, Amen des Wunsches, Amen der<br />

Engel, der Heiligen, des Gesangs der Vögel, Amen<br />

des Urteilsspruchs und Amen der Vollendung von Olivier<br />

Messiaen (1908-1992) sind keineswegs spontane<br />

Ergüsse eines romantischen Schwärmers, sondern<br />

von einem starken konstruktiven Geist durchdrungen.<br />

Die beiden Klavierparts sind von ihrer Struktur her klar<br />

unterschieden. Dem ersten Klavier sind die komplizierten<br />

Rhythmen und Tontrauben, die virtuosen Passagen<br />

und, wie Messiaen anmerkt, »die ganze Klangzauberei«<br />

anvertraut. Das zweite Klavier ist für die<br />

melodischen Linien, die Hauptthemen und alles, was<br />

Kraft und Emotion erfordert, zuständig. Die Arbeitsteilung<br />

war ganz auf die beiden Uraufführungsinterpreten<br />

zugeschnitten: Die technisch schwierige Partie spielte<br />

die junge, brillante Yvonne Loriod, die hier zum ersten<br />

Mal mit Messiaen auftrat, die kräftige Messiaen selbst.<br />

Es gibt mehrere Themen, die den Gesamtzyklus durchziehen.<br />

Das dominanteste ist das »Schöpfungsthema«,<br />

das dem ersten Stück, dem »Amen de la Création«, den<br />

Stempel aufdrückt; es taucht später unter anderem im<br />

dritten Teil mit dem Kreuzestod Jesu und im fünften Teil<br />

mit den Engeln, Heiligen und Vögeln, vor allem aber am<br />

Schluss, im »Amen der Vollendung«, wieder auf.<br />

Das Eröffnungsstück ist auch in rhythmischer Hinsicht<br />

bemerkenswert. Während das zweite Klavier viermal<br />

– und jedes Mal eine Oktave höher – das in breiten<br />

Notenwerten angelegte, geradtaktige Schöpfungsthema<br />

intoniert, entfaltet sich im ersten Klavier ein<br />

komplexes kanonisches »Geläut« aus zumeist »unumkehrbaren«,<br />

das heißt vorwärts und rückwärts gleichlautenden<br />

Rhythmen. Der Satz beginnt in den leisesten


Registern und steigert sich in einem mächtigen Crescendo<br />

zum dreifachen Forte.<br />

Der zweite Satz, das »Amen der Sterne und des Ringplaneten«<br />

(Saturn), ist nach Messiaens Worten ein<br />

»brutaler und wilder Tanz«. Das zweite Klavier tritt mit<br />

der Verarbeitung des kurzen, gehämmerten Unisono-<br />

Themas auch solistisch hervor. Messiaen bezieht sich<br />

hier auf die Beschreibung der Himmelkörper in der<br />

Griechischen Apokalypse von Baruch, dem Schreiber<br />

des Propheten Jeremia.<br />

Im fünften Satz erklingt zuerst der Engelsgesang,<br />

inspiriert vom Lobpreis der Engel im siebten Kapitel<br />

der Offenbarung, und dann kommen Messiaens Vögel<br />

in bunter Vielstimmigkeit zum Zug: Nachtigall, Amsel,<br />

Buchfink und Grasmücke.<br />

Die »Visions de l’Amen« entstanden 1943 während des<br />

Kriegs. Die vorbehaltlose Lebensbejahung, die aus<br />

dem Werk spricht, mag darum erstaunen, doch erklärt<br />

sie sich aus Messiaens Glaubensfestigkeit und vermutlich<br />

auch aus der Tatsache, dass sich für ihn neue<br />

künstlerische Perspektiven abzeichneten. Im Frühjahr<br />

1941 war er aus dem deutschen Kriegsgefangenenlager<br />

in Görlitz zurückgekehrt, wo sein »Quatuor pour<br />

la fin du temps« entstanden war. Im besetzten Paris<br />

konnte er seine Tätigkeit als Organist wieder aufnehmen<br />

und dank der Unterstützung seines ehemaligen<br />

Lehrers Marcel Dupré eine Stelle als Klavierlehrer am<br />

Conservatoire antreten. Zu seinen ersten Schülern<br />

gehörte Yvonne Loriod, die zur wichtigsten Interpretin<br />

seiner Werke und zwanzig Jahre später auch zu seiner<br />

zweiten Ehefrau wurde.<br />

»Visions de l’Amen« war das erste Auftragswerk, das<br />

Messiaen nach seiner Rückkehr komponierte. Der Auftrag<br />

kam von Denise Tual, der Veranstalterin der »Concerts<br />

de la Pléiade«. Die Konzerte fanden in privatem<br />

Rahmen und unter strengen Sicherheitsmaßnahmen<br />

in einer großen Kunstgalerie statt – Paris stand unter<br />

deutscher Besetzung und man wollte keine Spitzel im<br />

Raum haben.


Die Uraufführung am 10. Mai 1943 wurde zu einem<br />

kulturellen und gesellschaftlichen Ereignis. Unter den<br />

Gästen befanden sich der Musikkritiker Roland-Manuel,<br />

die Schriftsteller Paul Valéry, François Mauriac und<br />

Jean Cocteau, der Modeschöpfer Christian Dior sowie<br />

die Komponisten Francis Poulenc und Artur Honegger.<br />

Die prominente Schriftstellerin Colette, Librettistin<br />

von Ravels Oper »L’enfant et les sortilèges« war dabei<br />

und Honegger schrieb für die Kulturzeitschrift Comœdia<br />

eine Kritik, in der er sich tief beeindruckt zeigte. Die<br />

Reduktion auf die Farben des Klaviers fand er keineswegs<br />

nachteilig:<br />

»Was macht das schon angesichts der poetischen<br />

Kraft, des anhaltend hohen Niveaus des musikalischen<br />

Diskurses und der Qualität der musikalischen<br />

Fantasie, die so eindrucksvoll unter Beweis gestellt<br />

werden? Die Regeln, die der Komponist erfunden und<br />

sich selbst mit größter Disziplin auferlegt hat, verleihen<br />

dem gesamten Werk einen erhabenen Stil, der in keiner<br />

Weise trocken wirkt.«<br />

BRAHMS SONATE F-MOLL OP. 34B<br />

In Johannes Brahms‘ (1833-1897) Klavierquintett f-Moll<br />

ist, so schreibt Clara Schumann, Pianistin, Komponistin,<br />

Freundin und enge Vertraute von Brahms im September<br />

1862, »alles ineinander gewoben«: Alle musikalischen<br />

Themen sind miteinander verwandt, sie<br />

entspringen einem gemeinsamen Kern. Und selbst<br />

unscheinbare Begleitfiguren oder Überleitungs-Gedanken<br />

sind abgeleitet aus dieser Grundidee.<br />

Die Exposition in der Sonatensatzform (Allegro non<br />

troppo) setzt sich zusammen aus einem Hauptsatz<br />

mit einem Hauptthema und einem Seitensatz – Brahms<br />

erfindet für den Seitensatz zwei Themen (manche


meinen auch drei zu sehen). Traditionell stehen Hauptund<br />

Seitensatz zueinander im Kontrast – zum Beispiel<br />

erst ein kraftvoll-heldenhaftes Thema, dann ein weiches-lyrisches.<br />

Und klassischer Weise ändert sich im<br />

Seitensatz auch die Tonart. Brahms hält sich hier nicht<br />

an die Konventionen: Statt nach As-Dur zu wechseln<br />

(in die Paralleltonart von f-Moll) bleibt er im Moll-<br />

Bereich. Und er verzichtet auf die großen Kontraste:<br />

All seine Themen haben einen leidenschaftlich-vorwärtsdrängenden<br />

Charakter.<br />

Die Durchführung gleicht einer geschlossenen wellenartigen<br />

Steigerung, auf deren Höhepunkt nahtlos die<br />

Reprise einsetzt. Die Reprise steht wieder in der Ausgangstonart<br />

f-Moll. Gleich erscheint das Hauptthema<br />

wieder, diesmal unbestimmt changierend zwischen Dur<br />

und Moll, dann der Seitensatz – diesmal beginnt er in<br />

fis-Moll – und auch hier ist die Harmonik zwischendurch<br />

extrem instabil und spannungsgeladen.<br />

Die enge Vernetzung der musikalischen Themen und<br />

Gedanken untereinander, die Herleitung der Ideen aus<br />

einer gemeinsamen Substanz, sodass alles miteinander<br />

in Beziehung steht: Das ist typisch für Brahms’<br />

Schaffensweise. Im 20. Jahrhundert nennt der Komponist<br />

Arnold Schönberg dieses ausgeklügelte Kompositionsverfahren<br />

»entwickelnde Variation« – und sieht<br />

darin ein Zeichen des musikalischen Fortschritts, weil<br />

es inspirierend wirkt auf viele Komponisten der Moderne.<br />

»Brahms der Fortschrittliche« heißt denn auch ein<br />

berühmter Aufsatz von Schönberg, der diese Arbeitsweise<br />

würdigt: strenge Ökonomie und gleichzeitig<br />

größter musikalischer Reichtum.<br />

Der innige Ton des zweiten Satzes (Andante, un poco<br />

adagio) erscheint durch kontrapunktische Stimmengestaltung<br />

leicht verschleiert, ein Eindruck, den komplizierte<br />

rhythmische Bildungen noch verstärken.<br />

Der dritte Satz (Allegro) ist ein impetuoses Scherzo<br />

mit bohrenden rhythmischen Ketten und auffahrender<br />

Thematik, die durch Akkordpassagen komprimiert und<br />

überhöht wird. Eine lyrisch-schwärmerische Melodik


entfaltet sich im C-Dur-Trio, gestützt auf klangvolle<br />

<strong>Harmonie</strong>n.<br />

Das Finale (Poco sostenuto - Allegro non troppo)<br />

beginnt mit einer langsamen Einleitung, die sich<br />

im Schmerz windet: und hier greift Brahms zu dem<br />

Topos für musikalisches Leiden: Seufzerfiguren aus<br />

kleinen Sekunden und chromatische Bewegungen<br />

tasten sich mühsam suchend voran – jede Phrase ist<br />

eröffnet von einem pathetischen Oktavsprung. Aus<br />

dem Rahmen fällt dieses Sonatenrondo wegen seiner<br />

langsamen Einleitung – das schreibt Brahms in keinem<br />

anderen kammermusikalischen Werk, man findet<br />

allenfalls eine Parallele in der ersten Sinfonie, die<br />

ebenfalls mit einer spannungsgeladenen langsamen<br />

Einleitung beginnt.<br />

Merkwürdig ist auch das Ende des Satzes: eine riesiger<br />

Endspurt, wie eine Stretta, ein turbulentes Finale.<br />

Clara Schumann ist eine der wichtigsten Kritikerinnen<br />

und Beraterinnen von Brahms. Und sie hat wesentlichen<br />

Anteil daran, dass op. 34 ein Klavierquintett<br />

wird. Brahms schreibt diese Musik nämlich zunächst<br />

für Streichquintett – zwei Geigen, eine Bratsche und<br />

zwei Celli. So hört es Clara Schumann im Januar<br />

1863, ist angetan von der musikalischen Qualität, findet<br />

aber die Besetzung unpassend:<br />

»Es wird oft so orchestral, dass die paar Instrumente<br />

bei weitem nicht ausreichen«, schreibt sie an Brahms<br />

und überredet ihn, das Stück umzuarbeiten. Was<br />

Brahms auch tut – er macht daraus eine Sonate<br />

für zwei Klaviere. Ein Jahr später schickt ihm Clara<br />

Schumann erneut ihre Beobachtungen per Post: »Das<br />

Werk ist so wundervoll großartig, durchweg interessant<br />

in seinen geistvollsten Kombinationen, meisterhaft<br />

in jeder Hinsicht, aber – es ist keine Sonate, sondern<br />

ein Werk, dessen Gedanken Du wie aus einem<br />

Füllhorn über das ganze Orchester austreuen konntest<br />

– musstest! Eine Menge der schönsten Gedanken<br />

gehen auf dem Klavier verloren, nur erkennbar für den<br />

Musiker, für das Publikum ungenießbar. ... bitte, lieber<br />

Johannes, folge nur diesmal, arbeite das Werk nochmal<br />

um«.


Und Brahms schreibt eine dritte Version – quasi eine<br />

Kombination aus den beiden vorherigen: für Streichquartett<br />

und Klavier. Die Fassung für Streichquintett<br />

(ohne Klavier) hat er leider verbrannt, wir kennen nur<br />

noch die ersten paar Takte. Aber die Version für zwei<br />

Klaviere hat Brahms in etwas überarbeiteter Form im<br />

Druck veröffentlicht.


Andreas <strong>Grau</strong><br />

Götz <strong>Schumacher</strong>


Vorschau auf die Konzerte der Abonnementreihe<br />

2022 / 2023<br />

Dienstag,<br />

25. Oktober 2022<br />

Duo<br />

BERND GLEMSER, Klavier<br />

MIRIJAM CONTZEN, Violine<br />

Mittwoch, Klarinettentrio<br />

16. November 2022 SABINE MEYER, Klarinette<br />

NILS MÖNKEMEYER, Bratsche<br />

WILLIAM YOUN, Klavier<br />

Mittwoch,<br />

25. Januar 2023<br />

Dienstag,<br />

07. März 2023<br />

Montag,<br />

03. April 2023<br />

Mittwoch,<br />

26. April 2023<br />

Dienstag,<br />

09. Mai 2023<br />

Klaviertrio<br />

DANIEL MÜLLER-SCHOTT, Violoncello<br />

ELDBJØRG HEMSING, Violine<br />

MARTIN STADTFELD, Klavier<br />

Streichquartett<br />

KUSS QUARTETT<br />

Orchesterkonzert I<br />

OXFORD PHILHARMONIC<br />

ORCHESTRA<br />

Solistin: MARTHA ARGERICH, Klavier<br />

<strong>Klavierduo</strong><br />

LUCAS & ARTHUR JUSSEN<br />

Orchesterkonzert II<br />

ACADEMY OF ST MARTIN<br />

IN THE FIELDS<br />

Solist: SEONG-JIN CHO, Klavier<br />

Herausgeber: Kulturring <strong>Heilbronn</strong> e.V.<br />

Abonnementbüro: <strong>Heilbronn</strong>er Reisebüro Böhm<br />

Sülmerstraße 13 / Tel. 0 71 31/62 40 17<br />

Text: Ulrich Heffter / Gestaltung: www.wsk-werbung.de

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