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Abs. 2 Nr. 2 - Überwachungsgemeinschaft Technische Anlagen der ...

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Begrüßung<br />

Nils Tumat<br />

Titelblatt<br />

Strafrechtliche<br />

Verantwortung<br />

im Unternehmen<br />

Hannover<br />

14.06.2007<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 1


Übersicht<br />

• Normen und Tatbestände<br />

• Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />

• Strafe bei Unterlassen<br />

Übersicht<br />

Übersicht<br />

• Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 2


Regelungen:<br />

• Gebote<br />

• Verbote<br />

• Richtlinien<br />

• Auflagen<br />

• Anweisungen<br />

• <strong>Technische</strong> Normen<br />

• usw.<br />

Verstoß ist als solcher<br />

nicht strafbar.<br />

Regelungen und Straftatbestände<br />

Strafbarkeit nur,<br />

wenn ein Straftatbestand<br />

vorliegt,<br />

also die Voraussetzungen eines<br />

Strafgesetzes erfüllt sind.<br />

Beispiele:<br />

§ 324 StGB<br />

Gewässerverunreinigung<br />

§ 229 StGB<br />

Fahrlässige Körperverletzung<br />

(Arbeitsunfall)<br />

(Entsprechend bei<br />

Ordnungswidrigkeiten)<br />

Regelungen und Tatbestände<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 3


Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />

Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />

Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 4


Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />

Vorsätzlich verhält sich,<br />

wer das Strafbare will.<br />

Beispiel:<br />

Der Chef eines Betriebes<br />

ordnet an, daß schädliche<br />

Abwässer in einen Bach<br />

geleitet werden.<br />

= vorsätzliche<br />

Gewässerverunreinigung<br />

Fahrlässig verhält sich,<br />

wer das Strafbare aus Unachtsamkeit<br />

und pflichtwidrig herbeiführt.<br />

Beispiel:<br />

Der Betriebsleiter versäumt es, für<br />

eine Wartung des Ölabschei<strong>der</strong>s zu<br />

sorgen. Dadurch läuft Öl in die Kanalisation<br />

und durch die Kläranlage<br />

in einen Bach.<br />

= fahrlässige<br />

Gewässerverunreinigung<br />

Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 5


§ 15 StGB, Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln<br />

Bestrafung nicht möglich Bestrafung möglich<br />

§ 15 StGB<br />

Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz<br />

fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.<br />

Beispiel:<br />

Sachschaden<br />

§ 303 StGB<br />

(Sachbeschädigung?)<br />

Verkehrsunfall<br />

§ 15 StGB<br />

Personenschaden<br />

§ 229 StGB<br />

(fahrlässige Körperverletzung)<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 6


Bedingter Vorsatz<br />

Vorsatz Fahrlässigkeit<br />

Der Täter will den Erfolg Der Täter will den Erfolg nicht<br />

direkter<br />

Vorsatz<br />

Der Täter sieht den<br />

Erfolg als sicher<br />

voraus<br />

Er weiß, daß die<br />

Genehmigung noch<br />

nicht erteilt ist.<br />

bedingter<br />

Vorsatz<br />

bewußte<br />

Fahrlässigkeit<br />

Der Täter hält den Eintritt des Erfolges<br />

für möglich<br />

und nimmt ihn<br />

billigend in Kauf<br />

Er sagt sich:<br />

„Na wenn schon!“<br />

Beispiel:<br />

hofft aber, er werde<br />

nicht eintreten<br />

Er hofft, daß die<br />

Genehmigung erteilt<br />

wurde.<br />

unbewußte<br />

Fahrlässigkeit<br />

Der Täter hält den<br />

Eintritt des Erfolges<br />

für nicht möglich o<strong>der</strong><br />

denkt überhaupt nicht<br />

an den Erfolg<br />

Ein Chef beantragt eine BImSchG-Genehmigung, verreist und betreibt danach die Anlage.<br />

Er weiß nicht, ob die Genehmigung vorliegt,<br />

Bedingter Vorsatz<br />

Er denkt gar nicht<br />

an die<br />

Genehmigung.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 7


Der Unterschied zwischen Bedeutung Vorsatz des Unterschiedes und Fahrlässigkeit<br />

Vorsatz/Fahrlässigkeit<br />

spielt z.B. in folgenden Fällen eine Rolle:<br />

• Grundsätzlich zahlen Versicherungen bei Vorsatz<br />

nicht<br />

• das Strafmaß ist bei Vorsatz höher als bei<br />

Fahrlässigkeit<br />

Bedeutung des Unterschiedes<br />

• bei Vorsatz sind Einstellungen gegen<br />

Geldauflagen nach § 153a StPO schwerer möglich<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 8


Wahrnehmung des Täters<br />

1<br />

2<br />

Zeit<br />

Wahrnehmung des Täters<br />

Vorsatztäter Fahrlässigkeitstäter<br />

(bei unbewußter Fahrlässigkeit)<br />

Idee<br />

Ziel<br />

Plan<br />

Erfolg<br />

Wirkung<br />

Wahrnehmung<br />

Verhalten<br />

Ursache<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 9<br />

Wahrnehmung<br />

Erfolg<br />

Wirkung<br />

Wahrnehmung des Täters<br />

2<br />

1


eingehalten<br />

eingehalten<br />

Indiz Indiz für für Straflosigkeit<br />

Straflosigkeit<br />

SONDERNORMEN<br />

SONDERNORMEN<br />

SONDERNORMEN<br />

(außerstrafrechtliche Regelungen, z.B. BGV, Richtlinien, DIN,<br />

Standards <strong>der</strong> Wissenschaft und Technik, <strong>Technische</strong> Anleitungen - TA)<br />

aber Ausnahmen Ausnahmen sind möglich<br />

verletzt<br />

verletzt<br />

Son<strong>der</strong>normen<br />

Indiz Indiz Indiz für für Schuld<br />

Schuld<br />

(Son<strong>der</strong>normen sollen Unfälle und Schäden vermeiden; sie sind nicht<br />

zur Abgrenzung sorgfältigen von unsorgfältigem Verhalten entstanden)<br />

Son<strong>der</strong>normen<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 10


Der Inspektions-Fall (Text 1)<br />

Der Inspektions-Fall (1)<br />

Die Firma ATV GmbH inspiziert die Abwasserkanäle einer Gemeinde.<br />

Dabei werden reparaturbedürftige Stellen übersehen und somit<br />

nicht instandgesetzt. Abwasser gelangt ins Erdreich und ins Grundwasser.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 des Merkblattes DWA (ATV)M 143-2 – das ist eine Son<strong>der</strong>norm<br />

– lautet: „Das für die Feststellung des Istzustandes verantwortlich<br />

eingesetzte Personal soll . . . eine mindestens einjährige<br />

Inspektionspraxis besitzen . . “<br />

Der Geschäftsführer Claus Clever setzt verschiedenes Personal ein<br />

(vgl. die 4 Varianten).<br />

§§ 324, 324a StGB: Hat sich <strong>der</strong> Geschäftsführer Claus Clever<br />

strafbar gemacht?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 11


Der Inspektions-Fall (Text 2)<br />

Der Inspektions-Fall (2)<br />

(1) Claus Clever setzt den Wilhelm Wenig ein, <strong>der</strong> erst über eine Inspektionspraxis<br />

von 6 Monaten verfügt. Aufgrund seiner Unerfahrenheit<br />

übersieht er etliche Mängel.<br />

(2) Claus Clever setzt den Max Mehr ein, <strong>der</strong> über eine Inspektionspraxis<br />

von 18 Monaten verfügt. Trotz seiner längeren Erfahrung übersieht er<br />

einige Mängel.<br />

(3) Claus Clever setzt den Lothar Lux ein, <strong>der</strong> erst über eine Inspektionspraxis<br />

von 6 Monaten verfügt, aber häufig schwer zu findende Mängel<br />

aufspürt.<br />

(4) Claus Clever setzt den Schorsch Schussel ein, <strong>der</strong> über eine Inspektionspraxis<br />

von 18 Monaten verfügt, aber aufgrund seiner Schusseligkeit<br />

oft Mängel übersieht.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 12


Der Inspektions-Fall (Grafik)<br />

Merkblatt DWA (ATV): Mindestens 12 Monate Inspektionspraxis.<br />

Kanal wird nicht vollständig repariert, Abwasser gelangt ins Grundwasser.<br />

1 4 3 2<br />

Wilhelm<br />

Wenig<br />

6 Monate<br />

Schorsch<br />

Schussel<br />

18 Monate<br />

Lothar<br />

Lux<br />

6 Monate<br />

Der Inspektion-Fall (Grafik)<br />

Max<br />

Mehr<br />

18 Monate<br />

Regelfall Ausnahme Ausnahme Regelfall<br />

strafbar strafbar nicht strafbar nicht strafbar<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 13


Der Eluat-Fall<br />

Der Eluat-Fall<br />

Der Eluat-Fall<br />

Eine Firma lagerte Abfälle auf einer Hausmülldeponie ab. Es<br />

handelte sich um größere Mengen von Abfall aus einer „Altlast“.<br />

Die Firma prüfte die Stoffe auf ihre Schädlichkeit hin mit einem<br />

Eluat-Verfahren, das zum Erkennen von im Wasser schwer<br />

löslichen Schwermetallen und organischen Kohlenwasserstoffverbindungen<br />

ungeeignet war. In den damals geltenden<br />

technischen Richtlinien (u.a. TA Abfall Teil 1 <strong>Nr</strong>. 4.4.1) wurde<br />

nur dieses Verfahren erörtert.<br />

Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus: durch diese Richtlinien,<br />

die nur allgemeine Hinweise enthielten, werde nicht die Notwendigkeit<br />

ausgeschlossen, bei außergewöhnlichen und<br />

offensichtlich beson<strong>der</strong>s gefährlichen Abfallbeseitigungs-vorhaben<br />

zusätzliche Untersuchungsmethoden anzuwenden.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 14


Strafe bei Unterlassen<br />

Strafe bei Unterlassen<br />

Strafe bei Unterlassen<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 15


Der Passanten-Fall<br />

Der Passant Egon Egal kommt an einer Baustelle<br />

vorbei und sieht, wie dort aus einem Ölfaß<br />

Öl ausläuft und in einen Bach gelangt, wo es<br />

sich verbreitet. Egon Egal unternimmt nichts.<br />

Kann er für die ab dann eintretende Gewässerverunreinigung<br />

bestraft werden?<br />

Der Passanten-Fall<br />

Der Passanten-Fall<br />

Wat geit mi<br />

dat an?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 16


Der Explosions-Fall<br />

Ein unter Druck stehen<strong>der</strong> und mit brennbarem Gas gefüllter<br />

Behälter weist einen Riß auf. Geringe Gasmengen entweichen. Ein<br />

Arbeitnehmer hantiert in <strong>der</strong> Nähe mit einer Flex. Es kommt zu<br />

einer Explosion.<br />

AN AN<br />

Der Explosions-Fall<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 17


Die Zuordnung beim Handeln<br />

Beim Handeln (beim „positiven<br />

Tun“) gibt es meistens keine<br />

Probleme hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Frage, wem ein strafrechtlicher<br />

Erfolg zuzuordnen ist, wer also<br />

<strong>der</strong> Täter ist:<br />

§§ 223, 303 StGB,<br />

vorsätzliche Körperverletzung<br />

und Sachbeschädigung<br />

Zuordnung beim Handeln<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 18


Die Zuordnung beim Unterlassen<br />

Zuordnung beim Unterlassen<br />

Beim Unterlassen ist <strong>der</strong> Täter nicht sofort<br />

erkennbar, da im Gegensatz zum Handeln<br />

sehr viele Personen in Frage kommen,<br />

nämlich alle diejenigen, die es unterlassen<br />

haben einzugreifen.<br />

Es ist dann die Frage, wer von den Unterlassenden<br />

hätte handeln müssen.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 19


Handeln<br />

§ 324a StGB:<br />

Wer den Boden verunreinigt,<br />

wird bestraft.<br />

Unterlassen<br />

§ 13 StGB:<br />

Für Unterlassen wird nur bestraft,<br />

wer rechtlich dafür einzustehen hat,<br />

daß <strong>der</strong> Erfolg nicht eintritt.<br />

Wird auch bestraft, wer<br />

die Verunreinigung des<br />

Bodens nicht verhin<strong>der</strong>t?<br />

Handeln und Unterlassen<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 20<br />

?<br />

Handeln und Unterlassen<br />

?<br />

?<br />

?<br />

?<br />

?<br />

?<br />

?


Garantentypen<br />

Beschützergarant Überwachungsgarant<br />

Rechtsgut Gefahr<br />

Garantentypen<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 21


Beispiele für Beschützergaranten<br />

Natürliche Verbundenheit zwischen Personen<br />

(Ehegatten, Eltern und Kin<strong>der</strong>, Geschwister)<br />

Gemeinschaft wie z.B. Gefahrengemeinschaft<br />

(Expedition, Bergsteigergruppe)<br />

Beispiele für Beschützergaranten<br />

Übernahme <strong>der</strong> Schutzpflicht, auch unfreiwillig<br />

(Lehrer, Arzt, Badewärter)<br />

Tätereigenschaft<br />

(Amtsträger)<br />

Beispiele: Beschützergaranten<br />

Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 22


Beispiele für Überwachungsgaranten<br />

Herbeiführung einer Gefahr<br />

(vorangegangenes Tun = „Ingerenz“)<br />

Beispiele für Überwachungsgaranten<br />

Verantwortung für eine Gefahrenquelle aus Eigentum,<br />

Besitz<br />

(Verkehrspflicht, früher „Verkehrssicherungspflicht“) o<strong>der</strong><br />

Vertrag, insb.<br />

Betreiben einer gefährlichen Anlage<br />

Beispiele: Überwachungsgaranten<br />

Aufsichtspflichten für an<strong>der</strong>e, auch freiwillig übernommene,<br />

z.B. für min<strong>der</strong>jährige Kin<strong>der</strong><br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 23


Meyer & Co<br />

Überwachungsgarant<br />

für<br />

Gefahrenquelle<br />

Amt<br />

Beschützergarant<br />

für<br />

Rechtsgut<br />

Lösung Passanten-Fall<br />

Der Passanten-Fall<br />

Wat geit mi<br />

dat an?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 24


Der Explosions-Fall (Lösung)<br />

Meyer & Co<br />

Überwachungsgarant<br />

für den Druckbehälter<br />

Beschützergarant für<br />

die Arbeitnehmer<br />

AN AN<br />

Lösung: Explosions-Fall<br />

S t A f A<br />

Beschützergarant<br />

für die<br />

Arbeitnehmer?<br />

u.U.<br />

Überwachungsgarant<br />

für den<br />

Druckbehälter<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 25


M<br />

M<br />

F<br />

P<br />

Beschützergarant<br />

=<br />

=<br />

=<br />

Ehemann<br />

Ehefrau<br />

Passant<br />

F<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 26<br />

0<br />

P<br />

F fällt ins Wasser, sie kann nicht schwimmen.<br />

M und P stehen dabei und unternehmen nichts. F ertrinkt.<br />

MFP<br />

Beschützergarant


Unechte Unterlassungsdelikte<br />

Das Unterlassen allein reicht nicht aus. 1<br />

Der Erfolg ist entscheidend.<br />

M:<br />

Echte Unterlassungsdelikte<br />

Das Unterlassen selbst wird bestraft.<br />

Auf den Erfolg kommt es nicht an.<br />

Die Ehefrau F fällt ins Wasser. Der Ehemann M und<br />

<strong>der</strong> Passant P stehen dabei und bleiben untätig. F ertrinkt:<br />

Versuchte Tötung,<br />

§§ 211, 212, 22, 23 StGB 2<br />

1 Es kann aber Versuch vorliegen.<br />

2 Unterlassene Hilfeleistung tritt hier zurück.<br />

F wird gerettet:<br />

Echte und unechte Unterlassungsdelikte<br />

M: Vorsätzliche Tötung,<br />

P: Unterlassene Hilfeleistung,<br />

§§ 211, 212 StGB<br />

§ 323c StGB<br />

P: Unterlassene Hilfeleistung,<br />

§ 323c StGB<br />

Echte und unechte Unterlassungsdelikte<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 27


Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen<br />

Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen<br />

Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 28


Der Ölabschei<strong>der</strong>-Fall<br />

Der Ölabschei<strong>der</strong>-Fall<br />

Der Naturschützer Otto Öko entdeckt Ölschlieren auf dem<br />

Blaubach. Er meldet dies <strong>der</strong> Polizei, die die Ölspur<br />

zurückverfolgt: Das Öl stammt aus dem Ölabschei<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Altölverwertungs-GmbH. Der <strong>Abs</strong>chei<strong>der</strong> ist schlecht gewartet<br />

und war zudem unzulässigerweise an die Regenwasserkanalisation<br />

angeschlossenen. Durch verschiedene Rohrleitungen<br />

und Schächte war das Öl bis in den Blaubach<br />

gelangt.<br />

Bei den Ermittlungen auf dem Betriebsgelände erfährt die<br />

Polizei, daß <strong>der</strong> Ölabschei<strong>der</strong> vor Jahren von einer<br />

Fremdfirma eingebaut worden war. Es soll einen Wartungsvertrag<br />

mit einer Entsorgungsfirma geben.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 29


Wer ist verantwortlich?<br />

Eine Straftat liegt auf <strong>der</strong> Hand:<br />

Wer ist verantwortlich?<br />

• Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) und<br />

• unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (§ 326 StGB)<br />

Aber: Wer hat sie begangen?<br />

Wer hat „ein Gewässer verunreinigt“?<br />

• <strong>der</strong> (o<strong>der</strong> die) Geschäftsführer <strong>der</strong> GmbH,<br />

• <strong>der</strong> Betriebsleiter,<br />

• <strong>der</strong> Leiter des Fuhrparks,<br />

• <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Abteilung Instandhaltung,<br />

• <strong>der</strong> Gewässerschutzbeauftragte,<br />

• <strong>der</strong> Abfallbeauftragte,<br />

• Mitarbeiter <strong>der</strong> Fremd-Firma, die den Ölabschei<strong>der</strong> einbaute,<br />

• Mitarbeiter <strong>der</strong> Wartungsfirma,<br />

• weitere Personen?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 30


Der Untreue-Fall<br />

Der Untreue-Fall<br />

Der Untreue-Fall<br />

Die Mitarbeiterin Ute Untreu hat eine Vertrauensstellung in ihrer<br />

Firma. Sie nutzt dies aus und überweist 10.000 € auf ein<br />

fingiertes Lieferantenkonto, zu dem sie Zugang hat.<br />

Die Zuordnung <strong>der</strong> Tat (Untreue, § 266 StGB) zur Täterin (Ute<br />

Untreu) bereitet hier keinerlei Schwierigkeiten. Außer ihr kommt<br />

für eine solche Tat niemand in <strong>der</strong> Firma in Frage.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 31


Der Hochstapler-Fall<br />

Der Hochstapler-Fall<br />

Der Hochstapler-Fall<br />

Der Gabelstaplerfahrer Günter Gabler transportiert mit seinem für<br />

höchstens 4 Fässer zugelassenen Gabelstapler 10 Ölfässer auf<br />

einmal, weil er eine Wette abgeschlossen hat. Einige Fässer fallen<br />

herunter, schlagen leck und laufen aus. Öl gelangt in die<br />

Regenwasserkanalisation und in einen Bach.<br />

Auch hier ist die Zuordnung <strong>der</strong> Tat (§ 324 StGB Gewässerverunreinigung)<br />

zum Täter (Günter Gabler) problemlos (wenn<br />

nicht die Wette mit dem Vorgesetzten des Gabler abgeschlossen<br />

wurde).<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 32


Der Müdigkeits-Fall<br />

Der Müdigkeits-Fall<br />

Der Müdigkeits-Fall<br />

Günter Gabler transportiert mit dem Gabelstapler die zugelassenen<br />

4 Ölfässer. Er ist aber übermüdet, weil sein Arbeitskollege<br />

Steven Stapelmann krank geworden ist und Günter Gabler dessen<br />

Arbeit seit Wochen mit erledigen muß. Gabler fährt gegen ein<br />

Hin<strong>der</strong>nis, und es passiert dasselbe wie im Hochstapler-Fall.<br />

Jetzt ist die Zuordnung nicht mehr so eindeutig. Wer hat „ein<br />

Gewässer verunreinigt“ (§ 324 StGB)? Sicher kommt Günter<br />

Gabler als Täter in Frage, aber nur er allein? Wer hat seine<br />

Übermüdung zu verantworten?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 33


Der Bahn-Fall<br />

Der Bahn-Fall<br />

Der Bahn-Fall<br />

Auf einem Betriebsbahnhof <strong>der</strong> Bahn-AG steht ein Kesselwagen,<br />

<strong>der</strong> als Sammelstelle für Altöl dient. Man kann ihn an einem<br />

ungesicherten Schieber, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Hand zu betätigen ist,<br />

unten öffnen. Das tut auch Axel Leichtfuß, <strong>der</strong> sich daraus einen<br />

Spaß macht. Das Altöl läuft aus und versickert im Boden.<br />

Axel Leichtfuß hat sich zweifellos strafbar gemacht. Aber muß<br />

hier die Tat nicht auch weiteren Personen zugeordnet werden?<br />

Hätte <strong>der</strong> Schieber nicht gesichert werden müssen?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 34


Der Giftfässer-Fall<br />

Der Giftfässer-Fall<br />

Der Giftfässer-Fall<br />

Am Rande eines Firmengeländes, abseits des Hauptgeschehens,<br />

lagern seit Monaten etwa 50 Fässer mit giftigen Restflüssigkeiten.<br />

Sie sollten ursprünglich entsorgt werden, sind dann<br />

jedoch in Vergessenheit geraten. Einige Fässer rosten durch,<br />

und Flüssigkeiten versickern im Boden.<br />

Es ist zunächst unklar, welcher Firmenmitarbeiter als Täter <strong>der</strong><br />

Straftaten in Frage kommt (Bodenverunreinigung, § 324a StGB,<br />

unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen, § 326 StGB,<br />

Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage ohne Genehmigung,<br />

§ 327 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>Nr</strong>. 1 o<strong>der</strong> <strong>Nr</strong>. 3 StGB).<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 35


Personenmehrheiten<br />

Juristische Personen<br />

StGB<br />

Personenmehrheiten, juristische Personen<br />

Personenmehrheit<br />

GmbH<br />

Juristische Person<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 36


Arbeitsweise des Strafrechts<br />

StGB<br />

Personenmehrheit<br />

GmbH<br />

Arbeitsweise des Strafrechts<br />

Juristische Person<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 37


StGB<br />

G m b H<br />

Natürliche Personen in <strong>der</strong> GmbH<br />

Natürliche Personen in <strong>der</strong> GmbH<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 38


Es gibt im Strafrecht keine Funktionsverantwortung<br />

Niemand ist allein deshalb strafrechtlich verantwortlich,<br />

weil er Geschäftsführer einer GmbH ist,<br />

weil er Betriebsleiter ist,<br />

weil er Betriebsbeauftragter ist,<br />

Keine Funktionsverantwortung<br />

Keine Funktionsverantwortung<br />

o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Funktion in einem Unternehmen ausübt.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 39


Perfekt-GmbH<br />

Perfekt-GmbH<br />

Funktionsverantwortung?<br />

Einkauf / Verkauf Technik<br />

Sündenbock<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 40


Sündenbockversuche<br />

Sündenbockversuche<br />

In <strong>der</strong> Praxis wird aus verschiedenen Gründen häufig<br />

versucht, den Ermittlungsbehörden einen<br />

„Sündenbock“ zu präsentieren.<br />

Beispiele �<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 41


Der Chef-Fall<br />

Der Chef-Fall (1)<br />

Der Chef-Fall (1)<br />

Von einem Betrieb aus gelangt Öl in einen Vorfluter. Der<br />

ermittelnden Polizei bieten sich verschiedene Möglichkeiten für<br />

eine Ursache:<br />

• ein defekter Gabelstapler,<br />

• ein umgekipptes Ölfaß,<br />

• Waschen eines LKW o<strong>der</strong><br />

• ein nicht ordnungsgemäß gewarteter Ölabschei<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

übergelaufen und dessen Öl in die Oberflächenentwässerung<br />

gelangt ist.<br />

Der Chef des Betriebes, Eduard Edel, sagt schließlich zu den<br />

Polizeibeamten: „Ich stelle mich vor meine Leute, ich nehme die<br />

Verantwortung auf mich!“<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 42


Der Chef-Fall (2)<br />

Der Chef-Fall (2)<br />

Es muß weiter ermittelt werden, evtl. auch zugunsten des<br />

Eduard Edel:<br />

• vielleicht mit dem Ergebnis, daß dieser wirklich verantwortlich<br />

ist<br />

• o<strong>der</strong> daß einer seiner Mitarbeiter versagt hat,<br />

• vielleicht auch mit dem Ergebnis, daß mehrere Personen<br />

verantwortlich sind<br />

• o<strong>der</strong> daß eine Aufklärung nicht möglich ist.<br />

Eine „politische“ Verantwortung gibt es im Strafrecht nicht.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 43


Der Betriebsleiter-Fall<br />

Der Betriebsleiter-Fall<br />

Der Betriebleiter-Fall(1)<br />

Das Gegenteil tat <strong>der</strong> reiche Industrielle Paul Profit. Er stellte<br />

sich nicht vor seine Leute, son<strong>der</strong>n versteckte sich hinter ihnen.<br />

Er hatte sehr viele Fabrikationsstätten und – etliche Vorstrafen,<br />

bisher nur Geldstrafen. Er mußte deshalb, falls wie<strong>der</strong> etwas<br />

passieren sollte, mit einer Freiheitsstrafe rechnen, was er<br />

unbedingt vermeiden wollte.<br />

Er sorgte auf seine Weise vor: In jedem seiner Betriebe hatte er<br />

einen Betriebsleiter eingesetzt, <strong>der</strong> bei strafrechtlichen Verstößen<br />

den Kopf hinhielt, alles von sich aus zugab und sein<br />

Fehlverhalten bedauerte.<br />

Die Betriebsleiter konnten im Falle einer Verurteilung mit<br />

Geldstrafen rechnen, die durch den Chef bezahlt wurden.<br />

Außerdem bot er den „Sündenböcken“ einen sicheren Arbeitsplatz<br />

und vielleicht noch diese o<strong>der</strong> jene Vergünstigung.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 44


Der Matrosen-Fall<br />

Der Matrosen-Fall<br />

Der Matrosen-Fall<br />

Auf Schiffen – beson<strong>der</strong>s auf ausländischen, die nicht so schnell<br />

wie<strong>der</strong> am Ort sein werden – wird bei strafrechtlichen Verstößen<br />

oft von <strong>der</strong> Schiffsleitung <strong>der</strong>jenige aus <strong>der</strong> Besatzung als<br />

Verantwortlicher benannt, <strong>der</strong> das geringste Einkommen hat<br />

(„Moses“ = Azubi).<br />

Da Geldstrafen u.a. nach <strong>der</strong> Höhe des Einkommens bemessen<br />

und meist im Ergebnis von <strong>der</strong> Ree<strong>der</strong>ei bezahlt werden, wird die<br />

Sache so am billigsten. Der „Sündenbock“ weiß genau, was er<br />

sagen muß.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 45


Wer strafrechtlich verantwortlich ist,<br />

ist nirgends gesetzlich geregelt.<br />

Es gibt kein Gesetz etwa dieses Inhaltes:<br />

Keine gesetzlichen Regelungen<br />

Keine gesetzlichen Regelungen<br />

§ xx, strafrechtliche Verantwortung des Geschäftsführers<br />

Wenn vom Betriebsgelände einer GmbH eine Gewässerverunreinigung<br />

ausgeht, wird <strong>der</strong>en Geschäftsführer<br />

bestraft.<br />

Auch § 14 StGB sagt dazu nichts (dazu später mehr).<br />

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Regelungen zur Betriebsorganisation<br />

Es gibt zwar vereinzelt gesetzliche Regelungen zur<br />

Betriebsorganisation.<br />

Sie sind aber<br />

we<strong>der</strong> systematisch geordnet<br />

noch umfassend.<br />

Regelungen zur Betriebsorganisation<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 47


Beispiele für Regelungen zur Betriebsorganisation:<br />

• KonTraG („Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im<br />

Unternehmensbereich“)<br />

• Die EMAS II - Verordnung - freiwilliges System - (Öko-Audit-<br />

Verordnung gilt als EMAS II-Verordnung weiter)<br />

• Das Strahlenschutzrecht (Verordnung über den Schutz vor<br />

Schäden durch ionisierende Strahlen)<br />

• Die Pharmabetriebsverordnung (gestützt auf § 54 AMG)<br />

• Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)<br />

• Die Störfallverordnung<br />

• Organisationsvorschriften bei Beteiligung von Fremdfirmen nach<br />

§ 17 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)<br />

• Verantwortliche Personen nach §§ 58 ff. Bundesberggesetz<br />

Beispiele<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 48


Auch diese Regelungen bestimmen nicht,<br />

wer strafrechtlich verantwortlich ist.<br />

Sie schreiben nur für bestimmte Situationen vor,<br />

daß und wie zu delegieren ist.<br />

Nirgends steht,<br />

wer dann strafrechtlich verantwortlich ist.<br />

Die strafrechtliche Verantwortung muß immer individuell<br />

ermittelt werden; es geht um einen persönlichen Vorwurf.<br />

Zur Verantwortlichkeit hat die Rechtsprechung<br />

Grundsätze entwickelt (Delegieren von Aufgaben).<br />

Keine Regelung <strong>der</strong> Verantwortlichkeit<br />

Keine Regelung <strong>der</strong> strafrechtlichen Verantwortung<br />

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Originäre Verantwortung<br />

Originäre Verantwortung<br />

Für jede juristische Person o<strong>der</strong> Personenmehrheit gibt<br />

es „originär Verantwortliche“<br />

(= „eigentlich, ursprünglich verantwortlich“), z.B.:<br />

Geschäftsführer<br />

GmbH<br />

Vorstand<br />

AG<br />

Gesellschafter<br />

OHG<br />

Chef<br />

Einzelfirma<br />

Das ist jedoch keine strafrechtliche Verantwortung,<br />

son<strong>der</strong>n nur ein gedanklicher Ausgangspunkt.<br />

Je<strong>der</strong> originär Verantwortliche delegiert.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 50


Das Delegieren von Aufgaben<br />

Delegieren<br />

bewirkt eine Verlagerung <strong>der</strong> strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wenn es folgenden Anfor<strong>der</strong>ungen entspricht:<br />

Es muß klar und eindeutig delegiert werden.<br />

Es darf nur auf geeignete Personen delegiert werden.<br />

Der Delegationsempfänger darf we<strong>der</strong> überlastet noch überfor<strong>der</strong>t werden.<br />

Der Delegationsempfänger muß organisatorisch und finanziell in die Lage versetzt werden,<br />

die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen, und muß dazu mit den notwendigen Kompetenzen<br />

ausgestattet werden.<br />

Der Delegierende muß kontrollieren, ob die übertragenen<br />

Aufgaben ordnungsgemäß wahrgenommen werden.<br />

Der Delegierende muß bei akutem Anlaß selber eingreifen. = „Restverantwortung“<br />

Alle For<strong>der</strong>ungen müssen (kumulativ) erfüllt sein.<br />

Das Delegieren von Aufgaben<br />

Sonst kann eine Organisationsschuld des Delegierenden vorliegen, und er selber kann<br />

bestraft werden, wenn die mangelnde Organisation zu einer Straftat führt (Kausalität).<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 51


Strafrechtliche Auswirkungen <strong>der</strong><br />

Regelungen zur Betriebsorganisation<br />

Strafrechtliche Auswirkungen <strong>der</strong> Regelungen zur Betriebsorganisation<br />

Strafrechtliche Auswirkungen <strong>der</strong> Regelungen zur Betriebsorganisation<br />

Die Regelungen zur Betriebsorganisation können im<br />

Strafrecht eine „Indizwirkung“ erlangen:<br />

• Bei Beachtung spricht viel dafür, daß<br />

ordnungsgemäß delegiert wurde.<br />

• Bei Verstoß spricht vieles für fehlerhaftes Delegieren<br />

und somit für eine Organisationsschuld.<br />

• Dennoch können Situationen in Betrieben zu<br />

abweichenden Beurteilungen führen.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 52


Freiwillige Anwendung erhöhter Sorgfalt<br />

Freiwillige Anwendung erhöhter Sorgfalt<br />

Die Übernahme einer freiwilligen Verpflichtung (EMAS II)<br />

kann keine erhöhten strafrechtlichen Anfor<strong>der</strong>ungen entfalten.<br />

Beispiel:<br />

Ende <strong>der</strong> sechziger Jahre waren Sicherheitsgurte im PKW keine<br />

Pflicht. Etliche Autofahrer rüsteten ihre Fahrzeuge aber freiwillig<br />

mit Sicherheitsgurten aus.<br />

Wenn diese Autofahrer die Gurte nicht anlegten und dies zu<br />

schwereren Unfallfolgen führte, kann Ihnen das Nichtanlegen<br />

<strong>der</strong> Gurte nicht zum Vorwurf gemacht werden.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 53


Form <strong>der</strong> Delegation<br />

Gesetzliche Vorschriften zur Schriftform einer<br />

Pflichtendelegation gibt es kaum.<br />

Ausnahmen (z.B.):<br />

Form <strong>der</strong> Delegation<br />

schriftliche Bestellung von Betriebsbeauftragten nach<br />

§ 21c I WHG, Gewässerschutzbeauftragter<br />

§ 55 III KrW-/AbfG, Abfallbeauftragter<br />

§ 55 I BImSchG, Immissionsschutzbeauftragter<br />

§ 1 GbV, Gefahrgutbeauftragter<br />

§ 5 I ASiG, Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />

Form <strong>der</strong> Delegation<br />

schriftliche Bestellung verantwortlicher Personen nach<br />

§ 60 I BBergG<br />

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Beispiele Delegieren<br />

Beispiele Delegieren<br />

Ein Geschäftsverteilungsplan einer großen Firma sollte immer<br />

schriftlich erstellt werden. Es könnte sonst schon eine Organisationsschuld<br />

darin liegen, daß es an <strong>der</strong> nötigen Klarheit<br />

mangelt.<br />

Wenn aber <strong>der</strong> Chef eines Transportunternehmens per Funk<br />

einen Fahrer anweist, eine an<strong>der</strong>e Tour zu übernehmen, weil<br />

ein Fahrzeug ausgefallen ist, ist das eine vollgültige Delegation.<br />

Ebenso kann kaum jede Alltagsfrage schriftlich geregelt werden,<br />

z.B. die Anweisung des Hausmeisters an den Hilfsarbeiter<br />

„Jan, feeg mol ut!“ ist eine Delegation mit allen Voraussetzungen<br />

und Folgen.<br />

Beispiel aus <strong>der</strong> Rechtsprechung: Das Urteil des BGH im<br />

Schwebebahn-Fall (Urteil vom 31.01.02, NJW 2002, S. 1887).<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 55


Der Delegations-Fall<br />

Der Delegations-Fall<br />

Der Geschäftsführer G einer GmbH überträgt die Leitung eines<br />

Standortes an den Betriebsleiter B. Dieser wie<strong>der</strong>um betraut den<br />

Abteilungsleiter A mit <strong>der</strong> Instandhaltung aller Fahrzeuge und<br />

Werkzeuge. A setzt den Mitarbeiter L als Leiter des Fuhrparks<br />

ein.<br />

Einige LKWs werden nicht ordnungsgemäß gewartet. Sie verlieren<br />

Öl, das in die Kanalisation und in die gemeindliche Kläranlage<br />

gelangt.<br />

Außerdem versagen bei einem Fahrzeug die Bremsen, und <strong>der</strong><br />

Fahrer F verursacht einen Unfall mit Personenschaden.<br />

§§ 229, 326 StGB; wer ist verantwortlich?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 56


Der Urlaubs-Fall<br />

Der Urlaubs-Fall<br />

Der Geschäftsführer einer GmbH erstellt einen Urlaubsvertretungsplan.<br />

Für die Arbeitsgebiete A, B und C sind die Mitarbeiter<br />

Abraham, Brandner und Chronos verantwortlich. Brandner<br />

bekommt Urlaub. Der Geschäftsführer bestimmt ohne nähere<br />

Angaben, daß Abraham und Chronos die Vertretung des Brandner<br />

übernehmen.<br />

Abraham verläßt sich darauf, daß Chronos vertritt, und Chronos<br />

geht davon aus, daß Abraham zuständig ist.<br />

Mangels notwendiger Kontrollen kommt es zum Austritt giftiger<br />

Abwässer, die in die Regenwasserkanalisation gelangen und<br />

dann einen Bach verunreinigen.<br />

§ 324 <strong>Abs</strong>. 3 StGB; wer ist verantwortlich?<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 57


Der Einstellungs-Fall<br />

Der Einstellungs-Fall<br />

Der Einstellungs-Fall<br />

Der Geschäftsführer G einer GmbH stellt als Betriebsleiter den<br />

gut beurteilten B ein. Danach kümmert er sich nicht weiter um<br />

die Leitung des Betriebes.<br />

B bekommt den Betrieb nicht in den Griff. Es geht dort „drunter<br />

und drüber“. U.a. wird eine gefährliche Anlage nicht gewartet.<br />

Bei einem Betriebsunfall im Bereich dieser Anlage wird ein<br />

Arbeitnehmer verletzt.<br />

G meint, er habe ordnungsgemäß an B delegiert und könne<br />

daher nicht für den Unfall verantwortlich gemacht werden.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 58


Der Geschäftsverteilungs-Fall<br />

Der Geschäftsverteilungs-Fall<br />

Drei Geschäftsführer einer GmbH haben folgende Geschäftsverteilung<br />

vereinbart:<br />

Geschäftsführer<br />

A<br />

Ein- und Verkauf<br />

Geschäftsführer<br />

B<br />

Technik<br />

Geschäftsführer<br />

C<br />

Werbung<br />

Eine Leitung zur Beför<strong>der</strong>ung von brennbarer Flüssigkeit wird<br />

undicht. Keiner <strong>der</strong> Geschäftsführer kümmert sich um die allen<br />

bekannte Angelegenheit. Flüssigkeit tritt aus, und es entsteht<br />

ein Brand, bei dem etliche Arbeitnehmer verletzt werden.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 59


Der Fuhrpark-Fall<br />

Der Abteilungsleiter A eines Chemieunternehmens ist für den<br />

Fuhrpark und die Einteilung <strong>der</strong> Fahrer verantwortlich. Der Fahrer<br />

K meldet sich krank, und A teilt dem bereits auf Tour befindlichen<br />

Fahrer G über Funk mit, daß er zurückkommen und das Tank-<br />

Fahrzeug des K übernehmen solle. Es sind giftige Flüssigkeiten zu<br />

einer Entsorgungsfirma zu bringen.<br />

G gibt zu bedenken, daß er die Technik des Fahrzeugs des K nicht<br />

beherrsche. A meint, das werde G schon schaffen. Beim Abliefern<br />

<strong>der</strong> giftigen Flüssigkeit öffnet G versehentlich das Notablaßventil,<br />

und ein Teil <strong>der</strong> Flüssigkeit gelangt in die Kanalisation.<br />

Einige Tage später bemerkt ein Angler Verän<strong>der</strong>ungen eines nahen<br />

Gewässers, und die Sache kommt heraus.<br />

Wer hat sich strafbar gemacht?<br />

Der Fuhrpark-Fall<br />

Der Fuhrpark-Fall<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 60


Fragen zum „Zurückdelegieren“<br />

Gibt es ein „Zurückdelegieren“?<br />

Welche rechtlichen Folgen hat die Äußerung, einer<br />

übertragenen Aufgabe nicht gewachsen zu sein:<br />

• Führt sie zur Straflosigkeit des Überfor<strong>der</strong>ten?<br />

• Führt sie zur Strafbarkeit des Delegierenden?<br />

Welche Bedeutung hat im Strafrecht die Sorge um den<br />

Arbeitsplatz o<strong>der</strong> dessen Verlust?<br />

Fragen zum „Zurückdelegieren“ (iA)<br />

Fragen zum „Zurückdelegieren“<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 61


Der Flugzeug-Fall<br />

Der Flugzeug-Fall<br />

Der Flugzeug-Fall<br />

Eine Maschine <strong>der</strong> Lufthansa steht mit 300 Fluggästen startbereit<br />

auf dem Flughafengelände, und <strong>der</strong> Pilot erleidet einen Herzinfarkt.<br />

Die Geschäftsleitung ordnet an, daß <strong>der</strong> Pilot X, <strong>der</strong> nur<br />

einen Sportflugschein besitzt und sich noch in <strong>der</strong> Ausbildung<br />

befindet, den Flug übernehmen soll. X wendet ein, er beherrsche<br />

solche Maschinen noch lange nicht. Die Anordnung wird wie<strong>der</strong>holt<br />

mit dem Hinweis, daß er das leisten könne.<br />

Wenn jetzt X den Flug übernimmt und einen Unfall mit Verletzten<br />

verursacht, wird kein Gericht zögern, auch X wegen fahrlässiger<br />

Körperverletzung zu verurteilen.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 62


Schnittstellenproblematik 1<br />

Schnittstellenproblematik (1)<br />

Ein Unternehmer will ein Arbeitsgebiet, das umfangreicher<br />

geworden ist, in zwei Bereiche aufteilen.<br />

A B<br />

Er beschreibt die Bereiche nur ungenau,<br />

und die Probleme liegen auf <strong>der</strong> Hand.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 63


Schnittstellenproblematik 2<br />

Schnittstellenproblematik (2)<br />

Er lernt aus seinem Fehler und zieht klare Grenzen:<br />

A B<br />

Ein Teilbereich bleibt ungeregelt.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 64


Schnittstellenproblematik 3<br />

Schnittstellenproblelmatik (3)<br />

Er lernt wie<strong>der</strong>um aus Fehlern und regelt alles beson<strong>der</strong>s reichlich:<br />

A<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 65<br />

B<br />

A verläßt sich auf B, und B verläßt sich auf A.


Schnittstellenproblematik 4<br />

Schnittstellenproblematik (4)<br />

Er ist schwer, eine so klare und genaue Grenze zu ziehen wie hier:<br />

A<br />

Jetzt ist alles klar.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 66<br />

B


Der Le<strong>der</strong>spray-Fall<br />

(zur „Kausalität des Unterlassens“)<br />

Eine Firma produziert ein Le<strong>der</strong>spray, das im Verdacht steht,<br />

krebserregend zu sein.<br />

Keiner <strong>der</strong> drei Geschäftsführer A, B, und C unternimmt etwas,<br />

um eine Rückrufaktion zu starten.<br />

Das Le<strong>der</strong>spray verursacht schließlich die Erkrankung etlicher<br />

Verbraucher.<br />

C äußert sich im Ermittlungsverfahren gegenüber dem Vorwurf<br />

<strong>der</strong> Körperverletzung dahin, daß seine Untätigkeit die Erkrankungen<br />

nicht verursacht hätte, da möglicherweise, also nicht<br />

ausschließbar, A und B ihn überstimmt hätten.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 67


Allgemeindelikte, Son<strong>der</strong>delikte<br />

• Allgemeindelikte kann je<strong>der</strong> begehen.<br />

• Son<strong>der</strong>delikte wenden sich an bestimmte Personenkreise, die<br />

„Normadressaten“.<br />

• Allgemeindelikte beginnen meist so: „Wer . . .“<br />

• Son<strong>der</strong>delikte grenzen den „Wer“ ein, es können sich z.B.<br />

Arbeitgeber, <strong>Anlagen</strong>betreiber, Amtsträger strafbar<br />

machen, nicht je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 68


Beispiele für Allgemeindelikte<br />

§ 229 StGB, fahrlässige Körperverletzung<br />

§ 242 StGB, Diebstahl<br />

§ 324 StGB, Gewässerverunreinigung<br />

§ 326 StGB, unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen<br />

Beispiele für Son<strong>der</strong>delikte<br />

§ 266a StGB, Vorenthalten von Arbeitsentgelt<br />

(„Wer als Arbeitgeber . . .“),<br />

Normadressaten sind nur Arbeitgeber;<br />

ebenso in § 25 <strong>Abs</strong>. 1, 2 GefStoffV<br />

§§ 325, 325a und 327 StGB, soweit sie sich<br />

an „<strong>Anlagen</strong>betreiber“ richten<br />

(„Wer beim Betrieb einer Anlage . . .“),<br />

Normadressaten sind nur <strong>Anlagen</strong>betreiber<br />

Beispiele<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 69<br />

Beispiele


Bedeutung des § 14 StGB<br />

Normadressaten<br />

bei Son<strong>der</strong>delikten<br />

(z.B. Arbeitgeber,<br />

<strong>Anlagen</strong>betreiber)<br />

Durch § 14 StGB<br />

erweiterter Kreis<br />

<strong>der</strong> Normadressaten<br />

Personen, die nicht<br />

Normadressat sein<br />

können (Strafbarkeit<br />

nur über § 27 StGB)<br />

§ 14 StGB<br />

GmbH AG Chef (Einzelfirma)<br />

Geschäftsführer<br />

Vorstand<br />

Bedeutung des § 14 StGB<br />

Mit <strong>der</strong> Leitung des<br />

Betriebes Beauftragter<br />

(<strong>Abs</strong>. 2 <strong>Nr</strong>. 1)<br />

Mit <strong>der</strong> Wahrnehmung von<br />

Aufgaben ausdrücklich<br />

Beauftragter (<strong>Abs</strong>. 2 <strong>Nr</strong>. 2)<br />

Sonstige Mitarbeiter, Betriebsbeauftragte<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 70


Prüfschema § 14 StGB<br />

Allgemeindelikt<br />

Ohne § 14 StGB<br />

Person ist<br />

Normadressat<br />

Ohne § 14 StGB<br />

Gehört<br />

aber zum<br />

Personenkreis<br />

des § 14 StGB<br />

Bestrafung möglich, aber weitere Prüfung<br />

nach den Regeln des Delegierens<br />

Son<strong>der</strong>delikt<br />

Person ist<br />

nicht Normadressat<br />

Weichenstellung<br />

durch § 14 StGB<br />

Prüfschema § 14 StGB<br />

und gehört<br />

auch nicht zum<br />

Personenkreis<br />

des § 14 StGB<br />

Bestrafung ist<br />

nicht möglich<br />

(nur über § 27)<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 71


Behörde – Betrieb - Beauftragter<br />

Müller & Schrott<br />

BETREIBER<br />

Verwaltungsrecht<br />

AMT<br />

Privatrecht<br />

Intern: Arbeitsrecht<br />

Extern: Vertragsrecht<br />

BEAUFTRAGTER<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 72<br />

0


Strafrechtliche Anknüpfung<br />

Gesetzliche Aufgaben<br />

des Betriebsbeauftragten<br />

Sie sind in den Verwaltungsgesetzen<br />

(WHG, KrW-/AbfG, BImSchG usw.)<br />

festgelegt.<br />

Sie werden dem Beauftragten durch die<br />

Bestellung vom Arbeitgeber übertragen,<br />

können dann aber nicht verän<strong>der</strong>t,<br />

insbeson<strong>der</strong>e we<strong>der</strong> erweitert noch<br />

eingeschränkt werden.<br />

Weitere Aufgaben<br />

des Betriebsbeauftragten o<strong>der</strong><br />

Aufgaben eines an<strong>der</strong>en Mitarbeiters<br />

Wenn sie zu den gesetzlichen Pflichten<br />

hinzutreten, erfüllt <strong>der</strong> Beauftragte<br />

sie nicht „als Beauftragter“.<br />

Sie können vom Arbeitgeber je<strong>der</strong>zeit<br />

an<strong>der</strong>weitig delegiert sowie inhaltlich o<strong>der</strong><br />

vom Umfang her verän<strong>der</strong>t werden.<br />

Die strafrechtliche Verantwortung knüpft an beide Pflichtenkreise<br />

in gleicher Weise an. Es kann zu einer Bestrafung kommen, wenn die<br />

Pflichtverletzung zu einem strafrechtlichen Erfolg führt (Kausalität).<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 73


G B Beauftragter<br />

• Chef<br />

• Betreiber<br />

• Geschäftsführer<br />

• Unternehmer<br />

• Entscheidungsträger<br />

Durch die Bestellung zum<br />

Beauftragten hat <strong>der</strong> Chef<br />

diesem die gesetzlichen<br />

Beauftragtenpflichten<br />

übertragen.<br />

Ausgangssituation<br />

Kontrollpflicht<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 74


B informiert G<br />

G reagiert nicht<br />

B ist straffrei<br />

G B<br />

INFORMATION<br />

G ist zu bestrafen<br />

(§§ 326, 327 StGB)<br />

Variante 1<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 75<br />

INFORMATION


G B<br />

B gibt die Information<br />

nicht weiter (o<strong>der</strong> unterläßt<br />

die Kontrolle)<br />

B macht sich strafbar<br />

(§ 326 StGB*)<br />

G bleibt straffrei<br />

Variante 2<br />

* B kann sich nicht nach § 327 StGB strafbar machen (vgl. Ausführungen im Text)<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 76<br />

INFORMATION


B informiert G nicht<br />

G ist schon informiert,<br />

reagiert aber nicht<br />

G ist zu bestrafen<br />

(§§ 326, 327 StGB)<br />

G B<br />

B ist straffrei (es fehlt an <strong>der</strong><br />

„Kausalität des Unterlassens“)<br />

Variante 3<br />

INFORMATION<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 77<br />

INFORMATION


G B<br />

B gibt die Information<br />

nicht weiter, weil G<br />

ohnehin nie reagiert<br />

G macht sich strafbar<br />

(§§ 326, 327 StGB)<br />

B bleibt straffrei (es fehlt an <strong>der</strong><br />

„Kausalität des Unterlassens“*)<br />

Variante 4<br />

* Diese Frage ist aber nicht eindeutig geklärt. Bei Anwendung <strong>der</strong> Grundsätze des Le<strong>der</strong>spray-Urteils<br />

des BGH müßte B „alles ihm Mögliche und Zumutbare tun“, um G zu beeinflussen.<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 78<br />

INFORMATION


Prüfschema<br />

STRAFBARKEIT STRAFBARKEIT DER DER BETRIEBSBEAUFTRAGTEN<br />

BETRIEBSBEAUFTRAGTEN<br />

keine Verletzung <strong>der</strong> Beauftragtenpflichten<br />

straflos<br />

straflos<br />

nicht kausal für den strafrechtlichen Erfolg<br />

straflos straflos<br />

straflos<br />

Son<strong>der</strong>delikt<br />

Fahrlässigkeit<br />

straflos<br />

straflos<br />

kein Normadressat (auch nicht nach § 14)<br />

Keine vorsätzliche Haupttat<br />

Verletzung <strong>der</strong> Beauftragtenpflichten<br />

kausal für den strafrechtlichen Erfolg<br />

Allgemeindelikt<br />

strafbar strafbar (Vorsatz + Fahrlässigkeit)<br />

Vorsatz<br />

vorsätzliche Haupttat<br />

straflos straflos straflos<br />

strafbar strafbar (Beihilfe) bei doppeltem Vorsatz<br />

RA Nils Tumat Oberstaatsanwalt a.D. 08 Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen / Bild 79

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