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Markus Wriedt | Werner Zager (Hrsg.): Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms (Leseprobe)

Martin Luthers Widerrufverweigerung am 18. April 1521 auf dem Reichstag zu Worms zählt zu den Sternstunden der Reformation. Vor Kaiser und Reich bekannte sich Luther zu seinen theologischen Schriften. Was er geschrieben habe, könne er nicht widerrufen, wenn er nicht durch »Zeugnisse der Schrift oder klare Vernunftgründe« überwunden würde. Ansonsten fühlte er sich gebunden an sein im Wort Gottes gefangenes Gewissen. Die Beiträge des Bandes widmen sich zum einen diesem Ereignis selbst in seinem historischen Kontext. Zum anderen werden die Wirkungen von Luthers Auftritt in Worms behandelt: in der zeitgenössischen Publizistik, in bildlichen Darstellungen durch die Jahrhunderte und später im Film, in der protestantischen Geistes- und Kulturgeschichte, in Lutherfestspielen und in Feiern zu Reichstagsjubiläen seit dem 19. Jahrhundert.

Martin Luthers Widerrufverweigerung am 18. April 1521 auf dem Reichstag zu Worms zählt zu den Sternstunden der Reformation. Vor Kaiser und Reich bekannte sich Luther zu seinen theologischen Schriften. Was er geschrieben habe, könne er nicht widerrufen, wenn er nicht durch »Zeugnisse der Schrift oder klare Vernunftgründe« überwunden würde. Ansonsten fühlte er sich gebunden an sein im Wort Gottes gefangenes Gewissen.
Die Beiträge des Bandes widmen sich zum einen diesem Ereignis selbst in seinem historischen Kontext. Zum anderen werden die Wirkungen von Luthers Auftritt in Worms behandelt: in der zeitgenössischen Publizistik, in bildlichen Darstellungen durch die Jahrhunderte und später im Film, in der protestantischen Geistes- und Kulturgeschichte, in Lutherfestspielen und in Feiern zu Reichstagsjubiläen seit dem 19. Jahrhundert.

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128 Hellmut Zschoch<br />

schließendes Urteil über sie ein<strong>zu</strong>fordern. Obwohl die ihm am 17. April<br />

1521 gestellten Fragen, ob er erstens die vor ihm <strong>auf</strong>gebauten Schriften als<br />

von ihm geschrieben anerkenne, und ob er zweitens ihren Inhalt widerrufen<br />

wolle, sich kurz und bündig hätten beantworten lassen, gelang es <strong>Luther</strong>,<br />

einen zweiten Auftritt <strong>zu</strong>gebilligt <strong>zu</strong> bekommen, und er nutzte diesen <strong>zu</strong><br />

einer wohlkomponierten Rede, die sein Schrifttum und die Widerrufsforderung<br />

miteinander verband und <strong>zu</strong> guter Letzt die Widerrufsverweigerung<br />

als einzig mögliche Konsequenz seiner theologischen Einsicht begründete.<br />

Beide Linien, die sich in diesem Auftritt in <strong>Worms</strong> verbinden, haben in<br />

den Jahren <strong>zu</strong>vor die Öffentlichkeit bewegt: <strong>Luther</strong> ist als Autor theologischer<br />

Literatur unterschiedlicher Genres bekannt geworden, als Erbauungsschriftsteller,<br />

als Programmatiker einer Reform der Christenheit, als Theologe<br />

der christlichen Freiheit und als Kritiker kirchlicher Beschränkungen<br />

dieser Freiheit – und in all<strong>dem</strong> als ein Verfechter des »Evangeliums« als<br />

Inbegriff christlichen Glaubens und Lebens. Der Autor <strong>Luther</strong> war dabei<br />

aber <strong>zu</strong>gleich der von der kirchlichen Hierarchie bekämpfte und schließlich<br />

verurteilte Ketzer, der offenkundig nicht klein beigab, sondern sein theologisches<br />

Lehramt selbstbewusst wahrnahm und sich der Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />

stellte, ja sie sogar immer wieder <strong>zu</strong>spitzte. In diesen beiden Perspektiven<br />

hatte sich seit 1517 durch die Rezeption der Publikationen <strong>Luther</strong>s<br />

sowie seiner Anhänger und Gegner eine neue Öffentlichkeit gebildet und<br />

den Markt für immer neue einschlägige Publikationen weit geöffnet. Auf<br />

diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, dass <strong>Luther</strong>s <strong>Worms</strong>er Auftritt<br />

auch den Anlass für eine Intensivierung und Fokussierung der publizistischen<br />

Aufmerksamkeit bot und für das »Berühmtwerden <strong>Luther</strong>s« eine markante<br />

Zäsur setzte. 2 Das mediale Echo von »<strong>Luther</strong> in <strong>Worms</strong>« war beträchtlich<br />

und beherrschte die öffentliche Aufmerksamkeit im Blick <strong>auf</strong> den<br />

<strong>Reichstag</strong> vollständig. 3<br />

Alles Wesentliche, was sich <strong>zu</strong> <strong>Luther</strong>s Auftritt im Spiegel der zeitgenössischen<br />

Publizistik sagen lässt, hat <strong>zu</strong>letzt Thomas K<strong>auf</strong>mann in <strong>dem</strong><br />

2<br />

Vgl. Bernd Moeller, Das Berühmtwerden <strong>Luther</strong>s, in: ders., <strong>Luther</strong>-Rezeption.<br />

Kirchenhistorische Aufsätze <strong>zu</strong>r Reformationsgeschichte, hg. v. Johannes Schilling,<br />

Göttingen 2001, S. 15-41.<br />

3<br />

Da<strong>zu</strong> grundlegend die Übersicht von Joachim Ufer, Wie zeitgenössische Flugschriften<br />

vom <strong>Reichstag</strong> <strong>zu</strong> <strong>Worms</strong> 1521 berichteten, in: BPfKG 40 (1973), S. 196-<br />

209.

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