medizin&technik 04.2022
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<strong>04.2022</strong><br />
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für die Medizin<strong>technik</strong><br />
TITELTHEMA<br />
Nachhaltigkeit<br />
In vielen kleinen Schritten zu<br />
nachhaltigeren Medizinprodukten<br />
Seite 20<br />
Hightech aus der Schweiz<br />
Medtech-Branche braucht neue<br />
Strategien im Wettbewerb Seite 14<br />
Textile Medizinprodukte<br />
Herzklappe und Trommelfell-Ersatz<br />
aus textilen Fasern Seite 28<br />
SPECIAL<br />
Fertigung: Spezialwerkzeuge,<br />
Nachhaltige Produktion,<br />
Implantatreinigung Seite 37
WIRKSAME MEDIZINTECHNIK<br />
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2 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
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Nachhaltigkeit: Von Pflicht<br />
bis Herzensangelegenheit<br />
Nachhaltigkeit – man kann fast nicht anders, als diesen Begriff<br />
spontan als Modethema zu bezeichnen. Schnell in einen<br />
Satz eingebaut, kommt immer gut. Aber im Regelfall blüht<br />
Themen dieser Art bald ein schnelles Ende. Die Recherche im<br />
Medizin<strong>technik</strong>-Umfeld führt aber zu Menschen, bei denen etwas<br />
anderes zu hören war: Von einer Herzensange legenheit ist<br />
da die Rede, vom Gefühl persönlicher Verantwortung.<br />
Diese Art von Engagement braucht es, wenn sich das Gesundheitswesen<br />
in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln soll. Denn<br />
der Schwenk von eingefahrenen Gleisen zu etwas Komplexem,<br />
für das so viele Faktoren zu berücksichtigen sind, ist kein<br />
Spaziergang. Doch auch aus der Medizin<strong>technik</strong> gibt es schon<br />
Beispiele, wie man zu Fortschritten kommt. Was Anwender und<br />
Kliniken erwarten und wie Hersteller „einfach anfangen“, stellen<br />
wir Ihnen im Titelthema dieser Ausgabe ab Seite 20 vor. Wie<br />
man zu Nachhaltigkeit in der Produktion kommt, zeigt die Studie<br />
Sustainable Production, über die wir im Special Fertigung<br />
berichten (Seite 38). Müllberge im OP und Ansatzpunkte für<br />
Änderungen beschreibt Prof. Wirtz vom Universitätsklinikum<br />
Bonn aus der Sicht des Mediziners (Seite 10). Und warum rechtliche<br />
Pflichten, die die EU in der Corporate Sustainability<br />
Reporting Directive (CSRD) zusammenfasst, künftig auch kleine<br />
Unternehmen betreffen könne, lesen Sie ab Seite 54.<br />
Reden wir jetzt nur noch über Nachhaltigkeit? Nein, es gibt<br />
natürlich auch andere spannende Themen: seien es die Entwicklung<br />
des Medtech-Standortes Schweiz (Seite 14), ein Venen -<br />
implantat aus dem 3D-Drucker (Seite 16) oder die Reinigung<br />
3D-gedruckter Implantate (Seite 42). Neugierig? Zurecht,<br />
denn auch in diesen Themen steckt mit Sicherheit Herzblut.<br />
Biokompatibel<br />
und robust<br />
Keramik kommt zum Einsatz,<br />
wenn andere Materialien versagen,<br />
wie z.B. in der Medizin<strong>technik</strong>.<br />
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Eine Themenseite zu Nachhaltigkeit in der Medizin<strong>technik</strong><br />
bündelt im Online-Magazin alle Artikel zu diesem Gebiet:<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/nachhaltigkeit-medizin<strong>technik</strong><br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 3<br />
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20<br />
(Bild: Universitätsklinikum Bonn)<br />
■ Medizin im Dialog<br />
Nachhaltigkeit<br />
Es entsteht zu viel Müll im OP. Deshalb<br />
wünscht sich Prof. Dieter Christian Wirtz,<br />
dass Kliniken und Hersteller mehr über<br />
Nachhaltigkeit nachdenken. ..............10<br />
10<br />
Sonderteil<br />
Hightech aus der<br />
Schweiz<br />
Die Schweiz braucht Strategien für einen<br />
starken Medizin<strong>technik</strong>-Markt ...........14<br />
Venenimplantat aus Tissue Engineering<br />
soll die Durchblutung verbessern .......16<br />
Display nach Maß für medizinische<br />
Anwendungen ...................................17<br />
Start-up und Dienstleister: Gemeinsames<br />
Projekt für die Alzheimer-Diagnose ....18<br />
14<br />
Für ein nachhaltigeres<br />
Gesundheitswesen<br />
setzt sich der<br />
Mediziner Prof.<br />
Dr. Wirtz ein<br />
■ Technik<br />
Entwicklung & Komponenten<br />
Miniatur-Kugelgewindetrieb unterstützt<br />
den Herzschlag ..................................26<br />
Werkstoffe<br />
Textiler Ersatz für Trommelfell<br />
und Herzklappe .................................28<br />
Mikrosystem<strong>technik</strong><br />
Glas-Micro-Bonding verkapselt<br />
die Elektronik im Implantat ...............30<br />
Oberflächen<strong>technik</strong><br />
Implantate und Prothesen im<br />
Schleppfinisher poliert ......................32<br />
Sterilisation<br />
Sicher sterilisiert mit ionisierender<br />
Strahlung ..........................................34<br />
Qualitätssicherung<br />
Anwendungspartner für KI-basierte<br />
Prüftechnologie gesucht ....................36<br />
Special<br />
Fertigung<br />
Übersicht ...........................................37<br />
Nachhaltige Produktion: Abläufe neu<br />
ausrichten, Mitarbeiter einbeziehen ...38<br />
Messe AMB: Im September in Präsenz<br />
und ergänzend digital ........................40<br />
Produzieren mit weniger Energie .......41<br />
Titanimplantate aus dem 3D-Drucker<br />
mikrofein reinigen .............................42<br />
So werden Chirurgie-Instrumente<br />
rückstandslos sauber .........................44<br />
Präzise Qualitätskontrolle bei<br />
der Orthesen-Herstellung ..................46<br />
Formfräsen: Werkzeuge auch für<br />
ein komplexes Implantat ....................48<br />
Profilwalz<strong>technik</strong> sorgt für richtige<br />
Haptik des Chirurgie-Instruments ......50<br />
(Bild: nui7711/stock.adobe.com)<br />
Die Schweiz hat viele<br />
Traditionen. Eine davon<br />
ist die Fertigung erstklassiger<br />
Medizinprodukte<br />
4 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
■ Fokus Forschung<br />
(Bild: Syda Productions/stock.adobe.com)<br />
Titelthema<br />
Verbindungs<strong>technik</strong><br />
Super-Kleber aus Misteln – auch für<br />
die Medizin<strong>technik</strong> interessant ..........52<br />
Rückverfolgbarkeit<br />
So lassen sich Teile auch ohne<br />
Markierung verfolgen ........................53<br />
Nachhaltigkeit für<br />
Medizinprodukte<br />
Wie werden Medizinprodukte nachhal -<br />
tiger? Der beste Weg ist, nicht auf den<br />
großen Plan zu setzen, sondern mit kleinen<br />
Testprojekten zu beginnen. Beispiele<br />
zeigen, wie das aussehen kann ...........20<br />
■ Recht<br />
Corporate Sustainability Reporting<br />
Was die EU-Richtlinie CSRD fordert<br />
und wo sie auch KMU betrifft .............54<br />
Solutions<br />
for life<br />
(Bild: Contexo)<br />
37<br />
Special Fertigung: Messe AMB,<br />
Nachhaltigkeit und Reinigung<br />
Rubriken<br />
Editorial ............................................03<br />
Nachrichten .......................................06<br />
Innovationen .....................................56<br />
Firmenscout ......................................56<br />
Impressum .........................................58<br />
Meilensteine ......................................59<br />
Zum Titelbild: Herstellen, nutzen, verbrennen.<br />
Für kontaminierte Abfälle aus dem Gesundheitsbereich<br />
ist das der einzige Weg. Es<br />
gibt aber auch Medizinprodukte, mit denen<br />
man nachhaltiger umgehen kann – und damit<br />
fangen die Hersteller gerade erst an<br />
(Bild: Syda Productions/stock.adobe.com)<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 5
■ [ NACHRICHTEN ]<br />
Wege aus dem<br />
MDR-Chaos<br />
EU-MDR | Für Hersteller bedeutet die MDR deutlich<br />
mehr Dokumentationsaufwand. In einem neuen<br />
Positionspapier gibt der VDE Handlungsempfehlungen,<br />
wie und wo die MDR nachgebessert werden muss.<br />
Die neue MDR bringt einen hohen Dokumentationsaufwand<br />
für Medizinprodukte mit sich<br />
Seit 26. Mai 2021 gilt die MDR. Sie regelt, wie Medizinprodukte<br />
in der Europäischen Union auf den Markt gebracht<br />
werden dürfen. Nach einem Jahr Praxis zeigt sich jedoch: Vor allem<br />
für die Hersteller ist die Verordnung viel zu kompliziert. In<br />
der Folge warnen Krankenhäuser vor Engpässen bei der Versorgung<br />
mit lebenswichtigen Medizinprodukten. Der VDE hat daher<br />
das Positionspapier „Europäische Verordnung über Medizinprodukte<br />
(MDR): Empfehlungen zur Umsetzung der Anforderungen“<br />
vorgestellt, das konkret die Probleme bei der praktischen<br />
Umsetzung der MDR benennt und Empfehlungen gibt, wo sie<br />
nachgebessert werden sollte.<br />
Insgesamt leiten die VDE-Experten zu 17 Teilthemen der MDR-<br />
Umsetzung 32 Handlungsempfehlungen für die EU-Kommission,<br />
aber auch für die nationalen zuständigen Behörden sowie Fördergeber<br />
im Bereich der Medizintechnologien ab. So zeigt sich,<br />
dass die Anforderungen, die Medizinprodukte nach der neuen<br />
MDR erfüllen müssen, deutlich gestiegen sind. Der Dokumentationsaufwand<br />
habe so stark zugenommen, dass die Unternehmen<br />
zusätzliches Personal in erheblichem Umfang einstellen<br />
müssen, heißt es. Ein weiteres Problem ist der Zertifizierungsprozess,<br />
da die Zahl der Benannten Stellen bislang geringer ist<br />
als die Zahl Benannter Stellen, die nach den (alten) Medizinprodukterichtlinien<br />
notifiziert waren. Dr. Cord Schlötelburg, Leiter<br />
VDE Health, macht darauf aufmerksam, dass viele Hersteller es<br />
derzeit schwer hätten, eine Benannte Stelle mit freien Kapazitäten<br />
zu finden: „Hier wäre es sinnvoll, eine EU-Servicestelle für<br />
freie Kapazitäten einzuführen. Zudem droht eine ‘Bugwelle‘ an<br />
Rezertifizierungen von Bestandsprodukten zum Ende der MDR-<br />
Übergangsfrist am 26. Mai 2024, die zu einem weiteren Kapazitätsengpass<br />
führen wird.“ Sollte die EU-Kommission nicht zügig<br />
handeln, drohen viele Medizintechnologien „Made in Europe“<br />
nicht mehr auf den Markt zu kommen, so der VDE. Daher empfiehlt<br />
der Verband, eine umfassende Bewertung, welche Auswirkungen<br />
die MDR tatsächlich auf die Patientenversorgung hat.<br />
Zum Positionspapier: www.vde.com<br />
(Bild: zinkevych/stock.adobe.com)<br />
Neues aus dem<br />
Online-Magazin<br />
Neue Themenseite Nachhaltigkeit<br />
Wie Nachhaltigkeit in der Medizin<strong>technik</strong> gelingt<br />
Ressourcen, Lieferketten, Green Production, Kreislaufwirtschaft:<br />
Das Thema Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der auch<br />
den Unternehmen der Medtech-Branche neue Chancen eröffnet,<br />
sie aber auch vor viele Herausforderungen stellt. Fakt ist,<br />
dass sich ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategien immer auf<br />
den gesamten Produktlebenszyklus beziehen sollten – von der<br />
Rohstoffgewinnung über die Fertigung bis zur Entsorgung des<br />
Medizinprodukts.<br />
Für Unternehmen eine große Bandbreite also, um an ein paar<br />
Stellen auf mehr Nachhaltigkeit zu setzen. Welche Ansätze es<br />
dafür bereits gibt, haben wir auf unserer Themenseite „Nachhaltigkeit“<br />
für Sie aufbereitet.<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.industrie.de/nachhaltigkeitmedizin<strong>technik</strong>/<br />
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Via Twitter: @med_redaktion<br />
Turnuswechsel<br />
Messe Automatica geht 2023<br />
mit Messe Laser an den Start<br />
Anlässlich der Messe Automatica haben 574 Aussteller<br />
im Juni in München ihre Technologien und Neuheiten<br />
präsentiert. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit<br />
wird die Leitmesse für automatisierte, intelligente<br />
Produktion auch im nächsten Jahr ihre Tore öffnen:<br />
Ab 2023 wechselt die Automatica in die ungeraden<br />
Jahre und wird ab dann parallel mit der Laser World<br />
of Photonics veranstaltet.<br />
Beide Weltleitmessen finden erstmals im Juni 2023,<br />
und zwar vom 27. bis 30. Juni, und danach im Zwei-<br />
Jahresturnus zeitgleich und unter einem Dach statt.<br />
Mit diesem Angebot will die Messe München nach eigenen<br />
Angaben nicht nur weiter Attraktivität und<br />
Kundennutzen für Aussteller und Besucher erhöhen.<br />
Die Kombination von zwei starken Leitmessen, die<br />
auf zukunftsträchtigen Trendtechnologien ausgerichtet<br />
sind, zu einem Zeitpunkt soll auch für zusätzliche<br />
Aufmerksamkeit für deren Kernthemen sorgen.<br />
Dr. Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Messe<br />
München: „Sowohl Laser wie auch die Automatica<br />
bieten als Fertigungsgeneralisten Lösungen für alle<br />
Branchen. Und es gibt Schnittmengen, die ausbau -<br />
fähig sind.“<br />
6 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Neue strategische Partnerschaft<br />
VDMA AG Medizin<strong>technik</strong> und BVMed stärken Verbindung<br />
zwischen Herstellern und Zulieferern der Medtech-Branche<br />
Zusammenarbeit auf neuer Basis: BVMed-<br />
Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll (links)<br />
und Niklas Kuczaty, Geschäftsführer der<br />
VMDA-Arbeitsgemeinschaft Medizin<strong>technik</strong><br />
(Bild: BVMed/VDMA)<br />
Der Bundesverband Medizintechnologie<br />
hat die Arbeitsgemeinschaft Medizin<strong>technik</strong><br />
des VDMA (Verband Deutscher Maschinen-<br />
und Anlagenbau) als neues Mitglied<br />
aufgenommen. Laut Dr. Marc-Pierre<br />
Möll, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied<br />
des BVMed, und Niklas Kuczaty, Geschäftsführer<br />
der VDMA Arbeitsgemeinschaft<br />
Medizin<strong>technik</strong>, ist „die BVMed-<br />
VDMA-Allianz Ausdruck einer engen,<br />
strategischen Verbindung zwischen Herstellern<br />
und Zulieferern der Medizin<strong>technik</strong>-Branche.“<br />
Die Partner wollen den gestiegenen<br />
regulatorischen Anforderungen<br />
aus der Medizinprodukte-Verordnung<br />
und weiteren Herausforderungen für die<br />
Medtech-Branche gemeinsam in einem<br />
ganzheitlichen Ansatz gerecht werden.<br />
Um die Herausforderungen der Medtech-<br />
Zulieferer besser zu bewältigen, hat der<br />
BVMed einen neuen Fachbereich Zulieferer<br />
(FBZ) gegründet. Neben den Zuliefer-<br />
Unternehmen des BVMed wird hier auch<br />
die VDMA AG Medizin<strong>technik</strong> aktiv mitarbeiten.<br />
Der BVMed repräsentiert rund 240 Hersteller,<br />
Händler und Zulieferer der Medizin<strong>technik</strong>-Branche<br />
sowie Hilfsmittel-<br />
Leistungserbringer und Homecare-Versorger.<br />
Die VDMA Arbeitsgemeinschaft Medizin<strong>technik</strong><br />
ist das Netzwerk für die Zuliefererindustrie<br />
der Medtech-Branche.<br />
Mit insgesamt über 320 Unternehmen,<br />
Forschungsinstituten und Start-ups bildet<br />
der Verband zuliefererseitig die komplette<br />
Prozesskette der Medizin<strong>technik</strong> ab.<br />
Medical Device Regulation<br />
Neuer GHA-Arbeitskreis Regulatory Ark unterstützt<br />
Medizin<strong>technik</strong>-Hersteller<br />
In der GHA – German Health Alliance,<br />
Berlin und Bonn, ist ein großer Teil der<br />
Unternehmen vereint, die von den Folgen<br />
der neuen Medizinprodukte-Verordnung<br />
betroffen sind. Unterstützung sollen sie<br />
ab sofort durch den neu gegründeten<br />
GHA-Arbeitskreis Regulatory Ark bekommen.<br />
Ende Juni fand das erste digitale Arbeitskreistreffen<br />
statt, an dem zahlreichen<br />
Medizin<strong>technik</strong>-Unternehmen teilnahmen.<br />
Die German Health Alliance sowie andere<br />
Branchenverbände, fordern eine deutliche<br />
Verbesserung und Realisierbarkeit<br />
der MDR-Verordnung. Erhard Fichtner,<br />
Vorstandsvorsitzender der GHA: „Die<br />
neuen Regulierungsvorgaben für Medizinprodukte<br />
stellen eine immense Gefahr<br />
für die gesamte Medtech-Branche in<br />
Deutschland dar. Mit unserem Arbeitskreis<br />
bündeln wir unsere Kompetenzen<br />
und die Erfahrungen der Mitgliedsunternehmen,<br />
um Kernfragen zu lösen und Synergieeffekte<br />
zu nutzen.“ Insbesondere<br />
die Exportlieferungen und somit das Auslandsgeschäft<br />
der meist mittelständischen<br />
Unternehmen seien durch die neuen<br />
Regularien stark gefährdet. Die German<br />
Health Alliance fordert von der Politik<br />
einen deutlichen Kurswechsel, denn<br />
mehr als 66 % der deutschen Medizinprodukte<br />
sind für den Export bestimmt. Die<br />
im Arbeitskreis Regulatory Ark engagierten<br />
Unternehmen laden interessierte Medizin<strong>technik</strong>-Hersteller<br />
ein, sich im Arbeitskreis<br />
die notwendige Unterstützung<br />
zu holen.<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 7
■ [ NACHRICHTEN ]<br />
In Kürze<br />
CE-Kennzeichnung<br />
Die Osypka AG Medizin<strong>technik</strong> aus<br />
Rheinfelden/Baden erhält das erste<br />
CE-Zeichen nach der neuen Medical<br />
Device Regulation für ein Klasse III<br />
Produkt im Bereich Cardiac Rhythm<br />
Management. Seit 1977 entwickelt<br />
und produziert Osypka Klasse III<br />
Medizinprodukte komplett in-house,<br />
und bietet diesen Service, inklusive<br />
Zulassung, auch Auftragskunden im<br />
In- und Ausland an.<br />
Medizinische Konfektion<br />
Seit 2021 ist das Unternehmen A&G<br />
AS, mit Sitz in der estnischen Hauptstadt<br />
Tallinn, Teil der Raumedic Unternehmensfamilie.<br />
Nun wurde der Name<br />
des Unternehmens in Raumedic<br />
Estonia AS umbenannt. Damit tritt<br />
der Standort nun auch öffentlichkeitswirksam<br />
als Teil von Raumedic<br />
auf. Das Unternehmen ist im Bereich<br />
der medizintechnischen Konfektion<br />
spezialisiert und verfügt über Reinraumproduktionsflächen.<br />
Pharma- und Diagnostikindustrie<br />
Die Röchling Medical Neuhaus GmbH<br />
& Co. KG in Thüringen firmiert seit<br />
Ende Mai unter dem Namen Röchling<br />
Medical Solutions SE. Diese Namensänderung<br />
liegt in der Verschmelzung<br />
mit dem Röchling-Medical-Standort<br />
in Brensbach/Hessen begründet. Bereits<br />
2021 wurde der Brensbacher<br />
Medical-Standort in die Röchling Medical<br />
Solutions SE umfirmiert. Damit<br />
trägt die Medical-Sparte des Mannheimer<br />
Kunststoffverarbeiters Röchling<br />
der Tatsache Rechnung, dass beide<br />
Standorte schon in der Vergangenheit<br />
eng zusammengearbeitet haben.<br />
Technik-Gesundheits-Cluster<br />
Die Bioregio Stern Management<br />
GmbH möchte gemeinsam mit der<br />
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart<br />
GmbH (WRS) ein Technologie-<br />
Gesundheit-Cluster entwickeln. Ziel<br />
sei es, Akteure aus der Region zu unterstützen,<br />
die Medizin der Zukunft<br />
mitzugestalten und die Transforma -<br />
tion zu fördern. KI und Robotik sollen<br />
bessere Behandlung ermöglichen.<br />
Automatisierungslösungen<br />
BBS Automation stärkt seine Medizin<strong>technik</strong>-Sparte<br />
durch die Übernahme von Kahle Automation<br />
Das EQT-Portfoliounternehmen BBS Automation<br />
GmbH aus Garching bei München<br />
beschleunigt seine Medizin<strong>technik</strong>-<br />
Strategie durch die Akquisition der Kahle<br />
Automation S.r.l., Caravaggio. Der italienische<br />
Anbieter von Hochgeschwindigkeits-Automationsanlagen<br />
für die Medizin<strong>technik</strong><br />
und Life Sciences Industrie<br />
deckt ein breites Spektrum an medizinischen<br />
Anwendungen ab und soll das<br />
BBS-Portfolio ergänzen. Kahle soll künftig<br />
zum neuen globalen Zentrum für die<br />
Medizin<strong>technik</strong>- und Life Sciences-Aktivitäten<br />
von BBS werden. Die Übernahme<br />
ergänze die bestehenden BBS-Hubs in<br />
Chicago (USA) und Kunshan (China) und<br />
beschleunigt die Entwicklung von BBS zu<br />
einem diversifizierten, weltweit führenden<br />
Automatisierungsanbieter auch im<br />
Bereich Medizin<strong>technik</strong>, teilt das Unternehmen<br />
mit.<br />
Der italienische Automatisierungsexperte<br />
wird von CEO Federico Ceresetti und Präsidentin<br />
Julie Logothetis geführt und behält<br />
seinen Markennamen unter der Bezeichnung<br />
„Kahle – a BBS Company“. Das<br />
Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeiter<br />
und ist weltweit vor allem in den<br />
Marktbereichen Spritzen und Nadeln,<br />
Flüssigkeitsabgabe, Katheter und dia -<br />
gnostische Geräte tätig. Die Transaktion<br />
steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung<br />
der Aufsichtsbehörden. Die finanziellen<br />
Einzelheiten der Transaktion wurden<br />
nicht bekannt gegeben.<br />
Start-up-Unterstützung<br />
Infoteam bringt Software-Expertise ins Netzwerk<br />
Swiss Healthcare Startups<br />
Die Infoteam-Software-Gruppe mit<br />
Stammsitz in Bubenreuth ist seit Juli<br />
2022 Industriemitglied beim schweizerischen<br />
Netzwerk Swiss Healthcare Startups.<br />
Im Rahmen der Mitgliedschaft wird<br />
Infoteam vor allem sein Fachwissen im<br />
Bereich App- und Webentwicklung für digitale<br />
Gesundheitsanwendungen und<br />
Software für normativ regulierte Medizinprodukte<br />
einbringen. Etwa 1100 Startups<br />
aus dem Gesundheitssektor existieren<br />
in der Schweiz, an die 600 davon vereint<br />
(Bild: Infoteam)<br />
das Netzwerk Swiss Healthcare Startups.<br />
Diese entwickeln Gesundheitslösungen in<br />
Bereichen wie Medtech, Digital Health, KI<br />
und vielen mehr.<br />
„Zu Beginn einer Geschäftsgründung ist<br />
vielen Verantwortlichen in den Start-ups<br />
meist noch nicht klar, welch komplexe<br />
Anforderungen Software als Medizinprodukt<br />
und Software in Medizinprodukten<br />
erfüllen muss“, erklärt Thomas Eichmann,<br />
Business Development Manager<br />
bei der Infoteam Software AG in der<br />
Schweiz. Zum Kerngeschäft von Infoteam<br />
gehören die Teil- oder Gesamtentwicklung<br />
von Steuerungs- und Embedded-<br />
Software, Middleware und Anwendungssoftware.<br />
Spezialdisziplinen sind unter<br />
anderem normativ regulierte Software<br />
für den Einsatz in Medizin- und Laborgeräten<br />
gemäß IVDR, MDR, FDA, ISO 13485<br />
und IEC 62304 sowie funktional sichere<br />
Software bis zur höchsten Sicherheitsstufe<br />
gemäß IEC 61508 und DIN EN 50128.<br />
(Bild: BBS Automation)<br />
8 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Wearables<br />
System<strong>technik</strong> Leber koordiniert Forschungsprojekt<br />
für sensorgesteuertes Monitoring an Frühgeborenen<br />
(Bild: System<strong>technik</strong> Leber)<br />
Die STL System<strong>technik</strong> Leber GmbH beteiligt<br />
sich gemeinsam mit dem Südklinikum<br />
Nürnberg, der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
München und weiteren Unternehmen<br />
am Forschungsprojekt Preemo, das<br />
im Rahmen des Förderprogramms „Kleine<br />
Patienten, großer Bedarf – Medizintechnische<br />
Lösungen für eine kindgerechte<br />
Gesundheitsversorgung“ vom Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung unterstützt<br />
wird. Im Fokus steht die Erkennung<br />
von Veränderungen im Elektrolyt -<br />
haushalt von Frühgeborenen durch nichtinvasives<br />
und kontinuierliches Monitoring,<br />
das den Kleinen eine mehrfache<br />
Blutabnahme am Tag erspart. Ermöglichen<br />
soll dies ein im Idealfall textilintegriertes<br />
Sensoriksystem. Dieses soll lebensbedrohliche<br />
Zustandsveränderung<br />
schneller erkennen.<br />
Kern der Lösung ist die Kombination aus<br />
elektrochemischen Ionensensoren sowie<br />
ergänzender Auslese- und Datenverarbeitungselektronik,<br />
auf die die Leber-Ingenieure<br />
spezialisiert sind. Das Forschungsprojekt<br />
Preemo will zu diesem Vorgehen<br />
die mobile Detektion von Hyper- und Hyponatriämien<br />
aufzeigen. Ausgangspunkt<br />
der Arbeiten ist die Annahme, dass die<br />
entsprechenden Werte auch im Körperschweiß<br />
messbar sind. Die Messung erfolgt<br />
durch einen Elektrolyt-Multisensor,<br />
der im Wearable integriert wird. Das Projekt<br />
befindet sich in der ersten Projektphase.<br />
Der Vorsitz des Preemo-Konsor -<br />
tiums liegt bei System<strong>technik</strong> Leber.<br />
Digitalisierung<br />
Bund und Land fördern neues Zentrum für Digitale Medizin<br />
und Gesundheit an der TU München<br />
Prof. Daniel Rückert wird künftig das ZDMG<br />
leiten<br />
(Bild: Juli Eberle/TUM)<br />
Am neuen Zentrum für Digitale Medizin<br />
und Gesundheit (ZDMG) bündelt die TU<br />
München (TUM) künftig ihre Forschungsstärken<br />
in den Bereichen Informatik, Mathematik<br />
und Medizin. Durch die Einbindung<br />
natur- und ingenieurwissenschaftlicher<br />
Kompetenzen am interdisziplinären<br />
Forschungszentrum soll die Entwicklung<br />
innovativer Methoden und Technologien<br />
in den Bereichen KI und Data Science für<br />
verschiedene medizinische Anwendungsbereiche<br />
nutzbar gemacht werden. Das<br />
ZDMG wird unter dem Dach des Munich<br />
Data Science Institute (MDSI) als unabhängiges<br />
Forschungszentrum neue datengetriebene<br />
Ansätze und Methoden entwickeln<br />
und deren Einsatz zum Nutzen von<br />
Patientinnen und Patienten insbesondere<br />
in den Bereichen Krebs-, Herz-Kreislaufund<br />
neurologische Erkrankungen fördern,<br />
heißt es. Ein wesentlicher Schwerpunkt<br />
sei die Entwicklung individualisierter<br />
und personalisierter Therapien und<br />
Interventionen. „Das ZDMG bietet eine<br />
einmalige Gelegenheit, um die Stärken<br />
des Klinikums rechts der Isar und der<br />
Technischen Universität München zu<br />
bündeln und so die digitale Gesundheitsversorgung<br />
durch datengetriebene Ansätze<br />
voranzutreiben“, sagt der künftige Leiter<br />
des Zentrums, Prof. Daniel Rückert,<br />
der die Professur Artificial Intelligence in<br />
Healthcare and Medicine an der TU München<br />
innehat. Bund und Land fördern das<br />
ZDMG mit rund 43,6 Mio. Euro.<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 9
■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />
WIE DAS GESUNDHEITSWESEN<br />
NACHHALTIGER WERDEN KANN<br />
Nachhaltigkeit | Wie stehen Mediziner zu Energieverbrauch und CO 2 -Fußabdruck? Im<br />
Herbst 2021 sprach Prof. Dieter Christian Wirtz beim Deutschen Kongress für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie (DKOU) von einem „Mülltsunami“ im OP. Hier beschreibt er,<br />
wo er die Ursachen der Probleme und mögliche Lösungsansätze sieht.<br />
Finanzierung des Gesundheitswesens<br />
und den Personalmangel. Dennoch<br />
laufe n Überlegungen zu Umweltfragen<br />
jetzt an. Das ist es auch, was ich mir<br />
wünsche, Nachhaltigkeit sollte Kongressthema<br />
sein, Sitzungen sollten dazu<br />
stattfinden. Grundsätzliches Interesse<br />
ist bei Medizinern schon erkennbar.<br />
(Bild: Universitätsklinikum Bonn)<br />
Prof. Dr. med. Dieter Christian Wirtz ist seit 2006 Direktor der Klinik und<br />
Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn<br />
■ Herr Prof. Wirtz, wo fällt Nachhaltigkeit<br />
im Gesundheitswesen ins Auge?<br />
Da etwa 20 bis 30 Prozent des Mülls,<br />
den ein Krankenhaus produziert, im<br />
OP-Umfeld und damit auch in meinem<br />
Arbeitsbereich entstehen, fällt mir das<br />
natürlich als allererstes auf. Zahlreiche<br />
Einwegkittel, Einweg-Abdecktücher<br />
und -Instrumente – da reden wir über<br />
Tonnen an Abfall, die täglich anfallen.<br />
Wenn wir über Nachhaltigkeit im Ge-<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Nachhaltigkeit im Krankenhaus<br />
Müllberge im OP<br />
Handlungsbedarf bei Medizinprodukten<br />
Mehr Forschung zu Entscheidungen<br />
über Ein- oder Mehrwegprodukte<br />
sundheitswesen sprechen, geht es aber<br />
nicht nur um den Müll, sondern auch<br />
um den Energieverbrauch. Hier ist der<br />
OP ebenfalls ein gutes Beispiel mit seinen<br />
vielen Geräten und Lampen, die<br />
Strom verbrauchen. Und was einem im<br />
Detail auffällt, wirkt sich natürlich auch<br />
in der Fläche aus. Studien haben gezeigt,<br />
dass der Gesundheitsbereich insgesamt<br />
einen beachtlichen Anteil am<br />
CO 2 -Fußabdruck eines Landes ausmacht.<br />
In den USA sind es beispielsweise<br />
10 Prozent, in Deutschland rund 5<br />
Prozent. Darüber muss man reden, und<br />
daran müssen wir etwas ändern.<br />
■ Wie stehen Mediziner dazu?<br />
Das Thema Nachhaltigkeit ist unter den<br />
Medizinern noch nicht auf der großen<br />
Bühne angekommen. Derzeit geht es<br />
mehr um die Pandemie, auch wenn es<br />
da jetzt gerade ruhiger wird, um die<br />
Es ist nicht einfach, aber<br />
über Nachhaltigkeit sollten<br />
wir jetzt nachdenken<br />
■ Was ließe sich konkret verbessern?<br />
Vieles. Es gibt Ansatzpunkte bei den<br />
Produkten, bei den Prozessen und bei<br />
den Vorschriften. Wir haben heute viel<br />
mehr Einwegprodukte als früher. Diese<br />
werden sehr günstig eingekauft. Daher<br />
ist der Bedarf für eine eigene Sterilisa -<br />
tionsanlage geringer. Also wird dieser<br />
Bereich ausgelagert. Die Instrumente,<br />
die wieder verwendet werden, transportieren<br />
wir dann 20 oder 30 Kilometer<br />
bis zum Dienstleister und wieder<br />
zurück – was sich natürlich im CO 2 -Fußabdruck<br />
bemerkbar macht.<br />
Der Standard-Sterilisationsprozess mit<br />
Heißdampf verbraucht sehr viel Wasser,<br />
das auch ein kostbares Gut ist. Da ließen<br />
sich mit Verfahren wie der Plasmasterilisation<br />
bestimmt Verbesserungen<br />
erreichen. Und wenn ich mir anschaue,<br />
wie viel Verpackungsmaterial<br />
anfällt – weil es in der Hygieneverordnung<br />
so steht und weil für jede Knochenschraube<br />
eine Rückverfolgbarkeit<br />
bis zum Titanhersteller gegeben sein<br />
muss –, dann denke ich, auch im regulatorischen<br />
Bereich sind wir vom Optimum<br />
weit entfernt. Am Ende landet der<br />
10 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
gesamte Müll einer OP im selben Eimer,<br />
weil es keine Trennung gibt, und der<br />
komplette Inhalt wird als Sondermüll<br />
teuer entsorgt. Also gibt es schon allein<br />
bei den genannten Beispielen mehr als<br />
genug Ansatzpunkte, um etwas zu ändern.<br />
Die Liste ließe sich übrigens problemlos<br />
verlängern.<br />
■ Wer muss den ersten Schritt machen:<br />
Gesetzgeber, Hersteller oder Krankenhäuser<br />
als Kunden?<br />
Wir brauchen zunächst mehr Forschung,<br />
die sich gezielt mit Fragen der<br />
Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />
beschäftigt. Es gibt meiner Meinung<br />
nach zum Beispiel keine belastbaren<br />
Beweise dafür, dass Einwegprodukte Infektionen<br />
verhindern oder wiederverwendbare<br />
Produkte zu mehr Infektionen<br />
führen. Es ist sinnvoll, sich evidenzbasiert<br />
für die eine oder andere Lösung<br />
zu entscheiden. Wenn solche Nachweise<br />
vorliegen und der Einkauf im Krankenhaus<br />
in die entsprechende Richtung<br />
schwenkt, glaube ich, dass die Hersteller<br />
sich zügig darauf einstellen. Was<br />
mich erstaunt, ist, dass es auf politischer<br />
Seite bisher keine einzige Initiative<br />
gibt, die sich gezielt damit befasst,<br />
wie das Gesundheitssystem nachhaltiger<br />
werden kann, auch kein darauf ausgerichtetes<br />
Forschungsförderungsprogramm<br />
– obwohl unsere Branche nach<br />
dem Automobilbereich den größten<br />
Einfluss auf den CO 2 -Fußabdruck hat.<br />
■ Woran müssten Forschungsprojekte<br />
ausgerichtet sein?<br />
Das ist für das Gesundheitswesen nicht<br />
anders als für andere Branchen. Es gelten<br />
die 5 R: Reuse, Reduce, Recycle<br />
leuchtet sofort ein. Rethink beträfe zum<br />
Beispiel auch Prozesse im Krankenhaus.<br />
Zur Untersuchung muss ein Patient persönlich<br />
anwesend sein. Aber die Digitalisierung<br />
ermöglicht es, die Ergebnisse<br />
gemeinsam vom heimischen Bildschirm<br />
aus zu besprechen und damit eine Anreise<br />
von -zig Kilometern zu verhindern.<br />
Das fünfte R für Research ist das, woran<br />
es, wie gesagt, bisher am meisten hapert.<br />
Dabei bin ich überzeugt, dass ein<br />
Krankenhaus, das Ideen des Green Hospital<br />
umsetzt, ein sehr gutes Marketing-Instrument<br />
an die Hand bekommt,<br />
um das Image bei Patienten und Mitarbeitern<br />
zu verbessern.<br />
■ Wie reagieren Hersteller von Medizinprodukten<br />
bisher auf dieses Thema?<br />
Mein Eindruck ist, dass Nachhaltigkeit<br />
dort bisher eher ein Randthema ist. Die<br />
EU-MDR hat die Medizinprodukte-Industrie<br />
schon in den vergangenen Jahren<br />
stark belastet und tut es immer<br />
noch. Da sind wenig Ressourcen für Innovationen<br />
übrig. Die aktuelle Energiekrise<br />
macht es nicht besser – und Umsatzeinbußen<br />
in Folge abgesagter Behandlungen,<br />
die wegen der Pandemie<br />
ausfielen, müssen die Hersteller ebenfalls<br />
verkraften. Eine größere Nachfrage<br />
für nachhaltige Produkte könnte aber<br />
Änderungen bewirken.<br />
■ Wo sehen Sie im internationalen<br />
Vergleich mögliche Vorbilder?<br />
Mir ist kein Gesundheitssystem bekannt,<br />
das in der Fläche so weit vorangekommen<br />
ist, dass man sich daran orientieren<br />
könnte. Aber es gibt viele einzelne<br />
Projekte zu mehr Nachhaltigkeit.<br />
■ Wie lange wird es dauern, bis sich der<br />
Gedanke der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />
durchsetzt?<br />
Wer hätte vor zehn Jahren gedacht,<br />
dass heute ein Wurstwarenhersteller<br />
mit einem veganen Sortiment so erfolgreich<br />
ist? Wer hätte gedacht, dass<br />
Glasflaschen für Mineralwasser innerhalb<br />
weniger Jahre wieder die Hälfte<br />
des Sortiments ausmacht? Die Lebensmittelbranche<br />
ist da schnell weit vorangekommen.<br />
Vielleicht lassen sich in absehbarer<br />
Zeit auch Infusionsbeutel<br />
durch Infusionsflaschen aus Glas ersetzen,<br />
wer weiß. Und da wir gerade im<br />
Alltag ständig mit Nachhaltigkeit und<br />
Energiesparen konfrontiert sind, könnte<br />
sich das auf das Gesundheitswesen<br />
übertragen, vielleicht schneller, als man<br />
vermutet. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass<br />
wir schon bald viel mehr über Nachhaltigkeit<br />
in unserem Bereich nachdenken.<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 11
■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />
Mit Ultraschall das<br />
Gehirn untersuchen<br />
Medizinische Bildgebung | Aus seismischen Wellen<br />
lässt sich der Aufbau des Planeten rekonstruieren. Das<br />
Team um ETH- Professor Andreas Fichtner nutzt dieses<br />
Wissen für die medizinische Bildgebung.<br />
Die Seismologie erfasst die Ausbreitung von Wellen durch<br />
Materie: Treffen seismische Wellen auf Materialunterschiede,<br />
werden sie an den Grenzflächen reflektiert und gebrochen.<br />
Das verändert die Geschwindigkeit der Wellen. Aus entsprechenden<br />
Messdaten lassen sich mit Algorithmen und Hochleistungsrechnern<br />
Details über das Erdinnere ableiten.<br />
Andreas Fichtner, Professor am Institut für Geophysik der ETH<br />
Zürich, und sein Team nutzen dieses Wissen über die Wellenausbreitung<br />
aber auch für medizinischen Ultraschall. Gemeinsam<br />
mit Medizinern hat Fichtners Gruppe bereits eine Methode entwickelt,<br />
um mit Ultraschall Brustkrebs früh zu erkennen. Nun<br />
geht es darum, wie sich das Gehirn mit Ultraschall untersuchen<br />
lassen könnte, um zum Beispiel Schlaganfallpatienten zu überwachen<br />
oder Gehirntumore zu identifizieren. Doch Ultraschall<br />
durch die Schädeldecke zu bekommen, ist schwierig.<br />
Bilder mittels Ultraschallquelle (blaue Scheibe in beiden Bildern): Es<br />
braucht ein hexaedrisches Finite- Elemente-Netz des Schädels und<br />
des Gehirns (links), um zu Momentaufnahmen der resultierenden<br />
Ultraschallsimulation zu kommen (rechts)<br />
Mit einem neuen Verfahren soll das künftig aber gelingen. Die<br />
Schweizer Forscher entwickeln dafür sowohl die Simulation der<br />
Wellenausbreitung durch das Gehirn als auch Algorithmen weiter<br />
und verwenden für ihre Arbeiten ein spezielles Gitternetz.<br />
Herzstück ist dabei ein Softwarepaket namens Salvus. Es nutzt<br />
alle greifbaren Informationen, zur Form der Welle, Frequenz,<br />
Geschwindigkeit und Amplitude an jedem Punkt ihrer Ausbreitung.<br />
Ihr Modell entwickeln die Forscher mit einer MRT-<br />
Aufnahme des Gehirns als Referenzbild. Auf einem Supercomputer<br />
führen sie Berechnungen durch, bis das simulierte Bild mit<br />
dem des MRT übereinstimmt.<br />
So entsteht ein Bild, mit dem sich Gewebe bestimmen und unterscheiden<br />
lassen – beispielsweise Gehirnmasse oder Tumorgewebe.<br />
Doch bis das Verfahren in die klinische Praxis gelange, sei es<br />
aber noch ein weiter Weg, betonen die Forscher.<br />
(Bild:aus Physics of Med. Imag., 2022, Marty, P. et al.<br />
Medical Imaging 2022: Physics of Medical Imaging;<br />
120313H (2022)<br />
Medizin<strong>technik</strong> in ländlichen Regionen<br />
MRT-Untersuchung im LKW<br />
weist Herzinsuffizienz an zwölf Standorten nach<br />
Digitale Transformation<br />
Innovationszentrum<br />
verknüpft Branchen<br />
(Bild: Joachim Kloock)<br />
Mit umgebauten Lkw bringt das Projekt<br />
„Herzcheck“ MRT-Untersuchungen in<br />
ländliche Regionen, um eine Herzinsuffizienz<br />
frühzeitig erkennen und zielgerichtet<br />
behandeln zu können. Im ersten Jahr<br />
haben rund 2000 Patienten an mittlerweile<br />
zwölf Standorten in Brandenburg und<br />
Mecklenburg-Vorpommern dieses kostenlose<br />
Angebot in Anspruch genommen –<br />
und die Nachfrage wächst.<br />
Herzcheck, das unter medizinischer Leitung<br />
des Deutschen Herzzentrums Berlin<br />
Eine Patientin wird im „Herzcheck“-MRT-Trailer<br />
untersucht<br />
durchgeführt wird, erhält vom Innovationsfonds<br />
des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />
(G-BA) Fördermittel für drei<br />
Jahre. Knapp zwei Jahre der Projektlaufzeit<br />
entfallen auf die MRT-Untersuchungen,<br />
eines auf die wissenschaftliche Auswertung.<br />
Dabei wird untersucht, ob eine<br />
frühzeitige mobile Herz-MRT-Untersuchung<br />
dazu beitragen kann, die Prognose<br />
von Patienten mit Herzinsuffizienz zu verbessern.<br />
Bisher zeigte sich bei mindestens<br />
jedem vierten Teilnehmenden eine<br />
asymptomatische Herzinsuffizienz, die<br />
den Betroffenen vorher nicht bewusst<br />
war.<br />
Wenn die abschließende Evaluation zeigt,<br />
dass die frühzeitige Entdeckung der Herzinsuffizienz<br />
zu weniger Krankenhausaufenthalten<br />
führt, „stehen die Chancen gut,<br />
dass der Gemeinsame Bundesausschuss<br />
mit Herzcheck ein weiteres Innovationsfondsprojekt<br />
für die Regelversorgung<br />
empfiehlt“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende<br />
der AOK Nordost.<br />
www.herzcheck.org<br />
Branchenübergreifendes Lernen, um<br />
Künstliche Intelligenz, Interoperabilität<br />
und Cybersicherheit für den Mittelstand<br />
zugänglich zu machen: Das ist das Ziel eines<br />
neuen Kompetenzzentrums in Oldenburg<br />
und Osnabrück. Das Cross-Industry<br />
Transformation in Agriculture and Health<br />
– kurz Citah – soll im Januar 2023 an den<br />
Start gehen und Food & Agrar sowie Gesundheitswesen<br />
in Kontakt bringen. Eingebunden<br />
ist es in das neu geschaffene<br />
Netzwerk der „European Digital Innova -<br />
tion Hubs“. Citah baut auf Arbeiten des<br />
2019 vom Land Niedersachsen gegründeten<br />
Zentrums für Digitale Innovation in<br />
Niedersachsen (ZDIN) sowie des niedersächsischen<br />
Innovationsverbunds Smart -<br />
hybrid auf. Durch die Verknüpfung der<br />
Wirtschaftszweige erwarten die Initiatoren<br />
Synergien und Lerneffekte. Citah<br />
wird Dienstleistungen wie Weiterbildung,<br />
Innovationslabore und Beratung zur Finanzierung<br />
von Digitalisierungsaktivitäten<br />
anbieten sowie zur Vernetzung mit<br />
Unternehmen aus dem Bereich der Informations<strong>technik</strong><br />
beitragen.<br />
12 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Wearables<br />
Smartwatch: Vom Life-Style-Gadget zum Medizinprodukt<br />
(Bild: Timeo Brants)<br />
Wearables können medizinische Daten<br />
wie Elektrokardiogramme aufzeichnen.<br />
Damit könnten sie im klinischen Bereich<br />
als Messgerät beispielsweise für Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen nützlich sein –<br />
wenn sie künftig als Medizinprodukte zugelassen<br />
werden. Prof. Dr. Christoph<br />
Russmann und Dr. Sinje Gehr von der<br />
Göttinger HAWK-Fakultät Ingenieurwissenschaften<br />
und Gesundheit haben in einem<br />
Artikel in Nature Reviews Cardiology<br />
Strategien für eine sichere Umwidmung<br />
der Lifestyle-Produkte zu Medizinprodukten<br />
erörtert. Smartwatches böten schon<br />
jetzt Diagnosemöglichkeiten für Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen, die eine Rund-<br />
um-die-Uhr-Überwachung möglich machen.<br />
Auch könne mit ihnen die Therapie<br />
individuell angepasst und verfolgt werden.<br />
Das schaffe Chancen für Medtechund<br />
Software-Unternehmen sowie Start-<br />
Ups, sich im Markt zu profilieren.<br />
www.hawk.de<br />
BMBF-Zukunftscluster<br />
Herz und Kreislauf<br />
besser behandeln mit<br />
neuen Ansätzen<br />
Das Clusterkonzept Curatime<br />
gehört seit Juli zu insgesamt<br />
sieben Zukunftsclustern, die<br />
in der zweiten Wettbewerbs -<br />
runde der Clusters4future-<br />
Initiative des Bundesforschungsministeriums<br />
in die<br />
Umsetzungsphase starten.<br />
Bei Curatime geht es um die<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
für die maßgeschneiderte,<br />
innovative Behandlungsmethoden,<br />
Präventions -<br />
konzepte und Diagnostika<br />
entwickelt werden. Das Konzept<br />
haben drei Partner gemeinsam<br />
erstellt: die Tron<br />
gGmbH, die Universitäts -<br />
medizin Mainz und das<br />
Deutsche Forschungszentrum<br />
für Künstliche Intelligenz<br />
(DFKI). Mit dem „Cluster<br />
für Atherothrombose und<br />
Individualisierte Medizin“<br />
wollen die drei Schlüsselakteure<br />
ein Netzwerk zur Bekämpfung<br />
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
aufbauen.<br />
Curatime vereint dafür<br />
KI-getriebene Biomarkerforschung<br />
mit immunologischen<br />
Lösungsansätzen, was<br />
zu individuellen Behandlungs-<br />
und Präventionskonzepten<br />
führen soll: „Hoch-innovative<br />
Diagnostika und<br />
Therapeutika“ sind das Ziel.<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 13<br />
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■ [ HIGHTECH AUS DER SCHWEIZ ]<br />
Made in Switzerland<br />
hat Tradition.<br />
Auch Hightech-<br />
Medizinprodukte<br />
aus der Schweiz<br />
sind auf der ganzen<br />
Welt gefragt<br />
(Bild: nui7711/stock.adobe.com)<br />
Strategien für starken Medtech-Markt<br />
Standortstärkung | Will die Schweizer Medizinprodukteindustrie wettbewerbsfähig<br />
bleiben und weiterhin eine hochklassige Gesundheitsversorgung im eigenen Land<br />
bieten , braucht sie neben dem traditionellen Erfindergeist auch neue Strategien.<br />
Die MDR ist nur eine der Herausforderungen.<br />
Um Wirkung und Nebenwirkungen<br />
von Medikamenten zuverlässig zu<br />
testen, braucht es entweder Tierversuche<br />
oder In-vitro-Zellkulturen. Oder künftig<br />
das Lung-on-Chip-Modell der Alveolix<br />
AG. Die neue Technologie des Berner<br />
Start-ups simuliert im Innern des Chips<br />
die Mikroumgebung der Lungenbläschen<br />
inklusive Atembewegung. Die dünne, poröse<br />
Membran ermöglicht die Kultivierung<br />
von menschlichen Lungenzellen unter<br />
äußerst physiologischen Bedingungen.<br />
In dieser natürlichen Umgebung reagieren<br />
die Zellen so, wie sie es im menschlichen<br />
Körper tun würden.<br />
„Dank unserer Technologie wird die<br />
Arzneimittelentwicklung effizienter, sicherer<br />
und personalisierter, da die Tests<br />
mit Zellen eines bestimmten Patienten auf<br />
dem Chip durchgeführt werden können.<br />
In Zukunft hilft unsere Technologie, die<br />
Kosten und die Zahl der Tierversuche zu<br />
senken“, sagt Dr. Janick Stucki, CEO und<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Swiss Medtech Award für<br />
Lung-on-Chip-Modell<br />
■ Start-up-Förderung<br />
■ Zielbild Medtech Standort Schweiz 2030<br />
■ MDR und Produktion im Hochlohnland<br />
Technischer Direktor sowie Co-Gründer<br />
von Alveolix. Für seine Entwicklung wurde<br />
das Start-up im Juni mit dem Swiss<br />
Medtech Award im Wert von 75 000 CHF<br />
ausgezeichnet. Das Jungunternehmen arbeitet<br />
bereits mit großen Pharmaunternehmen<br />
zusammen, die die Technologie<br />
nutzen, um ihre sich in der Entwicklung<br />
befindenden Medikamente zu testen. Das<br />
ist für Alveolix ein wichtiger Schritt in<br />
Richtung Produktvermarktung.<br />
Aber auch ein Punkt, an dem viele<br />
Start-ups vor großen Herausforderungen<br />
stehen und, wie Peter Biedermann, Direktor<br />
des Verbandes Swiss Medtech, erklärt,<br />
Unterstützung benötigen: „In der Schweiz<br />
scheitern findige Ideen leider viel zu oft<br />
auf dem Weg vom Prototyp zum marktreifen<br />
Produkt. Beim Überwinden dieses<br />
Translation-Gap muss unser Land besser<br />
werden.“ Dazu brauche es nicht mehr Fördergelder,<br />
vielmehr müssen die vorhandenen<br />
Mittel gezielter auf Innovationsprojekte<br />
mit dem größten Marktpotenzial<br />
umgeschichtet und auch direkt an Unternehmen<br />
ausbezahlt werden, beschreibt<br />
Biedermann ein Ziel, für das sich der Verband<br />
auf politischer Ebene einsetzt.<br />
Denn vor allem dank des Schweizer Erfindergeistes<br />
sind innovative Medizinprodukte<br />
am Weltmarkt begehrt und auch<br />
ein Aushängeschild für den Schweizer<br />
Healthcare-Markt . „Unsere Gesundheits-<br />
versorgung ist erstklassig. Alle Menschen,<br />
die in der Schweiz leben, haben Zugang<br />
zu medizinischen Dienstleistungen“, sagt<br />
Swiss-Medtech-Präsident Dr. Beat Vonlanthen.<br />
Doch will sie ihre Position als einer<br />
der attraktivsten Medtech-Standorte<br />
der Welt dauerhaft stärken, braucht die<br />
Schweiz eine gemeinsame Strategie aller<br />
Akteure.<br />
Zielbild zeigt Lösungen für<br />
Medtech-Markt der Zukunft<br />
In seinem aktuellen Zielbild „Medtech-<br />
Standort Schweiz 2030“ skizziert Swiss<br />
Medtech einen Weg, wie die Schweiz ihre<br />
Attraktivität als Medtech-Standort dauerhaft<br />
stärken kann. Der Report beinhaltet<br />
unter anderem stabile Handelsbeziehungen,<br />
offene Märkte, Innovationsförderung<br />
sowie an die Medtech-Industrie angepasste<br />
Vergütungsmodelle. Die Reform -<br />
agenda ist umso wichtiger, als die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Branche im Zusammenhang<br />
mit dem Abbruch der Verhandlungen<br />
zum institutionellen Abkommen<br />
zwischen der Schweiz und der Europäischen<br />
Union geschwächt wurde. „Wer<br />
denkt, damit sei der Erfolgskurs der<br />
Schweizer Medtech gesichert, verkennt,<br />
wie hart der internationale Konkurrenzkampf<br />
ist“, so Vonlanthen.<br />
Mit 63 000 Beschäftigten zählt die<br />
Branche heute ein Fünftel mehr Arbeits-<br />
14 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
plätze als noch vor zehn Jahren. Gut jede<br />
hundertste Arbeitskraft in der Schweiz ist<br />
unterdessen in der Medizin<strong>technik</strong> tätig.<br />
Hinzu kommt ein jährliches Umsatzwachstum,<br />
das mit durchschnittlich 6 %<br />
deutlich über dem gesamtschweizerischen<br />
BIP-Wachstum liegt. Im Jahr 2020<br />
erwirtschaftete die Unternehmen ins -<br />
gesamt rund 17.9 Mrd. CHF. Und ihre innovative<br />
Medizin<strong>technik</strong> ist die Basis für<br />
eine erstklassige Gesundheitsversorgung.<br />
Die Bedeutung der Branche ist spätestens<br />
seit der Corona-Pandemie ins öffentliche<br />
Bewusstsein gerückt.<br />
Die Schweizer Medtech-Branche steht<br />
jedoch nicht nur vor der Herausforderung,<br />
die Anforderungen der euro -<br />
päischen Medizinprodukteverordnung<br />
(MDR) zu erfüllen, sondern muss auch<br />
die Produktion mit den hohen Qualitätsmaßstäben<br />
und der Wirtschaftlichkeit in<br />
Einklang zu bringen. Die Branche könne<br />
im Hochlohnland Schweiz nur dann langfristig<br />
wettbewerbsfähig produzieren,<br />
wenn sie es schaffe, ihre Produktivität<br />
weiter zu steigern, so Swiss Medtech. „Ich<br />
sehe eine Chance für die Schweizer Medizin<strong>technik</strong>industrie,<br />
sich im Spannungsfeld<br />
von zunehmender Produktindivi -<br />
dualisierung und industrieller Serienfertigung<br />
in punkto Gesamtkosten zu profi -<br />
lieren. Das gelingt ihr aber nur dann,<br />
wenn sie ihre Kernprozesse konsequent<br />
auf Effektivität und Effizienz trimmt“, ist<br />
Dr. Raphael Laubscher, der in sechster<br />
Generation das Zulieferunternehmen<br />
Laubscher Präzision AG führt und im<br />
Swiss- Medtech-Vorstand mitarbeitet,<br />
überzeugt.<br />
Der Erfolg beruhe dabei maßgeblich<br />
auf der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte.<br />
Doch genau daran fehle es.<br />
Der Fachkräftemangel ziehe sich als große<br />
Sorge durch die gesamte Branche und<br />
betreffe nicht nur akademische Berufe,<br />
sondern insbesondere produktionsnahe<br />
Lehrberufe wie die des Polymechanikers.<br />
„Wir brauchen Mitarbeitende mit Fähigkeiten,<br />
die heute notwendig sind für das<br />
Medizin<strong>technik</strong>geschäft von morgen“,<br />
bringt es Laubscher auf den Punkt. ■<br />
Susanne Schwab<br />
susanne.schwab@konradin.de<br />
Zulassung von Medizinprodukten<br />
– Ausgangslage und Herausforderungen<br />
Herausforderungen für die Schweiz<br />
■ Nationale Versorgung der Bevölkerung<br />
mit Medizinprodukten nachhaltig sicherzustellen<br />
– in Bezug auf deren<br />
Qualität, Vielfalt und Verfügbarkeit<br />
■ Innovative Medizinprodukte zum Patienten<br />
in der Schweiz zu bringen<br />
■ Innovationskraft der Schweizer Medizin<strong>technik</strong>branche<br />
weiter zu stärken<br />
Ausgangslage<br />
■ Die Schweiz akzeptiert für die nationale<br />
Versorgung ausschließlich Medizinprodukte,<br />
die mit der Medizinprodukte-Regulierung<br />
der EU übereinstimmen<br />
und CE-gekennzeichnet sind.<br />
■ Die Schweiz wird von der EU seit dem<br />
26. Mai 2021 als Drittstaat eingestuft.<br />
■ Um den gegenseitig privilegierten Zugang<br />
für Medizinprodukte wieder zu<br />
erlangen, ist die Aktualisierung des<br />
Mutual Recognition Agreements<br />
(MRA) Voraussetzung.<br />
■ Als Folge des Drittstaat-Modus sind<br />
die Schweizer Behörden aus dem<br />
Marktüberwachungssystem der EU<br />
ausgeschlossen (beispielsweise kein<br />
Zugang zur europäischen Datenbank<br />
Eudamed). Zudem gibt es in der<br />
Schweiz keine europäische Zertifizierungsstelle<br />
mehr.<br />
Forderung an Politik und Verwaltung<br />
Die nationale Gesetzgebung muss so angepasst<br />
werden, dass auch Medizinprodukte<br />
aus vergleichbaren außereuropäischen<br />
Regulierungssystemen akzeptiert<br />
werden können. Dies gilt insbesondere<br />
für Medizinprodukte, die von der FDA zugelassen<br />
sind. Abzuwarten, bis die Bundesverwaltung<br />
festlegt, unter welchen<br />
Voraussetzungen eine Anerkennung außereuropäischer<br />
Regulierungssysteme<br />
möglich ist, wie es der Bundesrat in seiner<br />
ablehnenden Position zur Motion<br />
20.3370 (Albert Rösti) schreibt, sei keine<br />
Option. Im Interesse der Versorgungssicherheit<br />
und Innovationsfähigkeit der<br />
Schweiz müsse jetzt gehandelt werden.<br />
Quelle: www.swiss-medtech.ch<br />
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■ [ HIGHTECH AUS DER SCHWEIZ ]<br />
Neues Venenimplantat<br />
soll Durchblutung verbessern<br />
Internationales Projekt | Das norwegische Start-up Clexbio und die CSEM arbeiten in<br />
einem gemeinsamen Projekt an einer Maschine, die mittels Tissue Engineering<br />
menschliche Venen im Labor herstellen soll. Ziel ist es, ein neuartiges Venentransplantat<br />
für Patienten zu entwickeln, die an tiefer Veneninsuffizienz leiden.<br />
(Bild: Solarisys/stock.adobe.com)<br />
Die schwere chronische Veneninsuffizienz<br />
(CVI) ist eine Krankheit, von<br />
der weltweit Millionen Menschen betroffen<br />
sind. Sie verursacht Beschwerden wie<br />
geschwollene, schmerzhafte Beine, Ödeme,<br />
Krämpfe, Krampfadern und Geschwüre.<br />
Der Grund dafür ist eine<br />
schlechte Durchblutung, die zu einem<br />
Blutstau in den Beinen führt und die Gehfähigkeit<br />
beeinträchtigt. Zudem belasten<br />
die hohen Kosten für die Wundversorgung<br />
das Gesundheitssystem. Derzeit gibt<br />
es noch keine effiziente Lösung.<br />
Weitere Informationen<br />
Das CSEM ist eine Forschungs- und<br />
Technologieorganisation (RTO) und<br />
eine öffentlich-private Partnerschaft.<br />
Ihre Aufgabe ist es, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Schweizer Industrie<br />
sicherzustellen, indem sie<br />
mit einem umfangreichen Netzwerk<br />
aus Hochschulen, Forschung und<br />
Wirtschaft zusammenarbeitet.<br />
www.csem.ch<br />
Die im Forschungsprojekt<br />
hergestellten<br />
Venentransplantate<br />
sollen<br />
neue Wege bei der<br />
Reparatur von beschädigten<br />
Geweben<br />
und Organen<br />
aufzeigen<br />
„Das Tragen von Kompressionsstrümpfen<br />
ist nach wie vor die Standardbehandlung<br />
bei chronischer Veneninsuffizienz,<br />
deren Wirkung hinsichtlich des Wiederauftretens<br />
von Geschwüren und der<br />
Symptomlinderung jedoch kaum signifikant<br />
ist“, erklärt Dr. Antonio Rosale, Leiter<br />
der National Unit For Reconstructive<br />
Deep Venous Surgery am Universitätsspital<br />
Oslo (NOVI/OUS) und leitender klinischer<br />
Mitarbeiter des norwegischen Startups<br />
Clexbio. „Ein durch Tissue Engineering<br />
hergestelltes Venentransplantat würde<br />
Millionen von CVI-Patientinnen und<br />
-Patienten neue Perspektiven eröffnen.“<br />
Bei Menschen ohne CVI leiten die Venen<br />
das Blut aus den Organen zurück zum<br />
Herzen. Sie verfügen über kleine Klappen,<br />
die verhindern, dass das Blut aufgrund<br />
der Schwerkraft zurückfließt. Diese<br />
komplexe Struktur lässt sich nur sehr<br />
schwer künstlich nachbilden.<br />
Das Start-up Clexbio hat dafür nun ein<br />
mikrostrukturiertes 3D-Biomaterial entwickelt,<br />
das mit menschlichen Zellen, beispielsweise<br />
aus einer Zellbank, kombiniert<br />
werden kann und diese dazu bringt,<br />
sich nach einem bestimmten Muster zu<br />
vermehren und echtes menschliches Gewebe<br />
zu bilden. Hat sich das gewünschte<br />
Gewebe gebildet, werden sowohl Zellen<br />
als auch Gerüst entfernt. Zurück bleibt ein<br />
Implantat, das aus menschlicher extrazellulärer<br />
Matrix besteht, ein durch Tissue<br />
Engineering gewonnenes Venentransplantat.<br />
Geschlossenes System für die<br />
automatisierte Produktion<br />
Die Herstellung dieser Implantate erfordert<br />
ein geschlossenes biotechnologisches<br />
Produktionssystem, das automatisch arbeiten<br />
kann. Dafür hat sich das junge Unternehmen<br />
mit den Experten der Schweizer<br />
Forschungsorganisation CSEM zusammengetan.<br />
Die Ingenieurinnen und<br />
Ingenieure des CSEM verfügen über eine<br />
umfassende Erfahrung mit Hydrogelen,<br />
Automatisierung und physiologischen Mikrosystemen.<br />
„Ein geschlossenen Produktionssystem<br />
verringert das Kontaminationsrisiko,<br />
trägt dazu bei, die Produktqualität und Sicherheit<br />
zu gewährleisten und erleichtert<br />
die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften“,<br />
sagt Gilles Weder, Gruppenleiter im<br />
Bereich Cell-Mikrotechnologien am<br />
CSEM. Sein Kollege Vincent Revol, Leiter<br />
R&D für die Life Science Technologien,<br />
fügt hinzu: „Im Bereich der regenerativen<br />
Medizin besteht eine der größten Herausforderungen<br />
darin, den Übergang vom<br />
Labor zur klinischen Anwendung zu<br />
schaffen, weil dafür standardisierte und<br />
automatisierte Herstellungsprozesse erforderlich<br />
sind. Für die Erschließung des<br />
unerhörten Potenzials neuartiger Zellund<br />
Gentherapien werden neue Technologien<br />
wie diese entscheidend sein“.<br />
Zur Finanzierung der Forschungen<br />
stellt die norwegische Regierung rund<br />
2 Mio. CHF zur Verfügung. (su) ■<br />
16 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Display nach Maß<br />
Displays | Um das richtige TFT-LCD-Modul für eine<br />
medizinische Anwendung auszuwählen, müssen<br />
Ingenieure und Entscheidungsträger wissen, wie sich<br />
die Spezifikationen von TFT-LCD-Displays auf das<br />
Endprodukt auswirken.<br />
Ein Display für die medizinische Anwendung unterscheidet<br />
sich von einem Display für Industrie- oder Consumer-Produkte:<br />
Applikationen mit mechanischen Knöpfen und Zifferblätter<br />
sind überholt und ein guter Nährboden für schädliche Krankheitserreger.<br />
In der modernen Entwicklung wird deshalb auf eine<br />
leicht zu reinigende Oberfläche gesetzt. Die Touchscreen-<br />
Technologie mit Glasoberfläche ist prädestiniert für eine gründliche<br />
Desinfektion. Zudem sind medizinische Geräte Umwelteinflüssen<br />
wie schnellen Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit,<br />
mechanischem Schock und dem Umgebungslicht ausgesetzt.<br />
Das erfordert einen zuverlässigen und zur Applikation passenden<br />
TFT-LCD. Meist ähneln sich die Schlüsselspezifikationen wie<br />
Kontrast, Ablesewinkel, Helligkeit, Dimmbarkeit, Auflösung,<br />
Farbtiefe und Graustufensteuerung. Schlussfolgernd kann die<br />
Bildqualität nicht an einzelnen Werten wie Kontrast 450:1 oder<br />
der Helligkeit von 1000 cd/m 2 abgeleitet werden. Vielmehr<br />
Displays für medizinische Anwendungen müssen hohe<br />
Anforderungen erfüllen<br />
macht das Zusammenspiel aller Parameter ein gutes Display aus.<br />
Medizinische TFT-LCDs werden in drei Anwendungsarten verwendet:<br />
Standard (Monitor am Krankenbett), lebenserhaltend<br />
(Blutzuckermessgerät) und lebenswichtig (Beatmungsgerät).<br />
Diese Anwendungen haben unterschiedliche Anforderungen an<br />
Funktionalität, Zuverlässigkeit und MTBF (Mean Time Between<br />
Failure). Die Akzeptanztestregeln von zwei bekannten Standardorganisationen<br />
werden von der Industrie allgemein akzeptiert:<br />
DIN und AAPS (Association of American Physicians and Sur -<br />
geons) haben einen klar definierten Standard für Auflösung,<br />
Rauschen, Betrachtungswinkel, Blendung, Farbgleichmäßigkeit,<br />
Verzerrung, Reflexion und Leuchtdichtereaktion. Der Qualifizierungsprozess<br />
für diese Standards ist langwierig und teuer. Gerätehersteller<br />
fordern deshalb eine langfristige Verfügbarkeit für<br />
LCD-Displays. Die Schweizer DMB Technics AG, Hünenberg, garantiert<br />
die Langlebigkeit des TFT-LCD-Moduls.<br />
(Bild: DMB Technics)<br />
Genauigkeit<br />
macht sicher.<br />
Agile Prozesse für internationales Wachstum<br />
Ständige Innovation, hohe Compliance-Auflagen<br />
und fortschreitende Internationalisierung sind die<br />
Herausforderungen mittelständischer Unternehmen der<br />
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Rückgrat der gesamten Wertschöpfungskette.<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 17<br />
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■ [ HIGHTECH AUS DER SCHWEIZ ]<br />
Swiss Engineering – Start-up trifft<br />
Entwicklungsdienstleister<br />
Digitale Therapielösungen für Alzheimer-Patienten | Bei der Entwicklung neuer medizinischer<br />
Geräte ist es für Start-ups wichtig, die Produkte regulatorisch konform,<br />
schnell und mit niedrigen Kosten zu realisieren. Je mehr Erfahrung ein Partner dafür<br />
mitbringt, desto mehr profitiert das Start-up-Team. Dass diese Ausgangslage für beide<br />
Vorteile hat, zeigt die Zusammenarbeit zwischen Bottneuro und IMT.<br />
Das neueste Design des von Bottneuro 3D-gedruckten,<br />
personalisierten Headsets für nicht-invasive Hirnstimulation<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Alzheimer-Krankheit<br />
■ Transkranielle elektrische Stimulation<br />
■ 3D-gedrucktes Headset<br />
■ Unterstützung für Start-ups<br />
■ Medizingeräte-Entwicklung<br />
(Bild: Bottneuro)<br />
Die Alzheimer-Krankheit (Alzheimer’s<br />
Disease, kurz AD) ist eine progressive<br />
neurodegenerative Erkrankung, die<br />
zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn<br />
führt. AD ist die häufigste Form der<br />
Demenz und führt zu einem kontinuierlichen<br />
Abbau der kognitiven Leistungen. In<br />
der Folge treten meist Persönlichkeitsund<br />
Verhaltensänderungen auf. Dies<br />
führt zum Verlust der eigenen Selbständigkeit<br />
und letztlich zum Tod durch Hirnversagen.<br />
Bis heute ist Alzheimer unheilbar<br />
und wird aufgrund des demografischen<br />
Wandels eine der größten Herausforderungen<br />
dieses Jahrhunderts sein.<br />
Weltweit sind mehr als 50 Millionen Menschen<br />
betroffen – allein in Europa und<br />
den USA werden jede Minute acht neue<br />
Patienten mit AD diagnostiziert.<br />
Das Basler Startup Bottneuro arbeitet<br />
an einer frühzeitigen und zuverlässigen<br />
AD Diagnosemöglichkeit, sowie an einem<br />
nicht-invasiven und kostengünstigen Therapieansatz.<br />
Dadurch kann eine AD Behandlung<br />
vor dem beginnenden kognitiven<br />
Zerfall der breiten Bevölkerung zugänglich<br />
gemacht werden. Derzeit wird<br />
die Diagnose von AD in der Regel erst<br />
nach Feststellung einer kognitiven Beeinträchtigung<br />
gestellt. Pathologische Veränderungen<br />
im Gehirn sind jedoch bereits<br />
Jahrzehnte früher detektierbar. An dieser<br />
Stelle kommt die Bottneuro AG, mit ihrer<br />
Vision ins Spiel. Für die Diagnose von<br />
Alzheimer ist die Einrichtung von Brain<br />
Clinics mit einer neuen Generation<br />
von Positronen-Emissions-Tomographen-<br />
(PET)-Scannern geplant, um den Ausbruch<br />
von AD in einem sehr frühen Stadium<br />
zu erkennen – bevor der kognitive Verfall<br />
einsetzt.<br />
Der Therapieansatz für Patientinnen<br />
und Patienten im frühen und mittleren<br />
Stadium von AD verwendet eine personalisierte<br />
Wechselstromtherapie. Sie soll die<br />
neuronale Aktivität wiederherstellen und<br />
die grundlegende chronische Entzündung<br />
stoppen. Die Therapie wird mittels<br />
eines ultraleichten 3D-gedruckten Headsets<br />
realisiert und ist schmerz- und nebenwirkungsfrei.<br />
Aufgrund des Designs kann<br />
die über Monate dauernde Therapie zu<br />
Hause ohne Hilfe von medizinischem<br />
Fachpersonal durchgeführt werden.<br />
Behandlung von Alzheimer mit<br />
digitalen Lösungen<br />
Die PET-Daten werden verwendet, um die<br />
von der Krankheit betroffenen Hirnareale<br />
zu identifizieren. Dadurch kann eine optimale<br />
Elektrodenpositionierung für die<br />
Stimulation spezifischer Hirnareale und<br />
somit eine personalisierte Stimulationstherapie<br />
gewährleistet werden. Die personalisierte<br />
Behandlung der betroffenen<br />
Hirnareale verspricht eine hohe Wirksamkeit.<br />
Das Gerät für den Patienten besteht<br />
aus einem 3D-gedruckten Helm mit eingebetteten<br />
Elektroden und einem Tablet<br />
zur vereinfachten Bedienung einschließlich<br />
des Therapiemonitorings durch das<br />
medizinische Fachpersonal.<br />
Der Wirkmechanismus basiert auf der<br />
Induktion von neuronaler Aktivität in definierten<br />
Frequenzen in den betroffenen<br />
18 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
2022_medizin & <strong>technik</strong>_STÜKEN MEDICAL Anzeige 60x270 Druck.pdf<br />
(Bild: IMT)<br />
Hirnregionen. Die induzierten Oszillationen<br />
können die Aktivität der hirneigenen<br />
Immunzellen, der Mikroglia, von einem<br />
neurotoxischen zu einem neuroprotektiven<br />
Zustand modulieren und so die chronische,<br />
nervenschädigende Entzündung<br />
stoppen. Das Ziel ist es, das Fortschreiten<br />
der Krankheit zu verlangsamen oder sogar<br />
zu unterbinden.<br />
Partner von Konzeptionierung<br />
bis zur Entwicklung<br />
Zu Beginn eines Projekts fragen sich Startups<br />
oft, was erforderlich ist, um ihre Vision<br />
in erfolgreiche Produkte umzusetzen.<br />
Von der Konzeptphase bis zur Entwicklung<br />
des Geräts arbeitete Bottneuro zusammen<br />
mit der IMT Information Management<br />
Technology AG. Das Unternehmen<br />
aus Buchs (SG) wurde beauftragt,<br />
die Elektronik, Embedded Software, Tablet-basierte<br />
Benutzeroberfläche, Cloudbasierte<br />
Anwendung zur Einhaltung von<br />
Therapievorschriften sowie die technische<br />
Dokumentation für die Registrierung<br />
von Medizinprodukten zu entwickeln.<br />
„IMT ist für Bottneuro ein kompetenter<br />
Partner und stellt für uns das benötigte<br />
Know-how zur Verfügung. Sie sind<br />
innovativ, zuverlässig und schnell – so<br />
lässt sich die Markteinführung im Vergleich<br />
zu einer Eigenentwicklung erheblich<br />
beschleunigen“, sagt Dr. Bekim Osmani,<br />
Bottneuro-CEO und Co-Founder.<br />
Damit solche komplexen Projekte erfolgreich<br />
umgesetzt werden können,<br />
muss der Entwicklungspartner die nötige<br />
Expertise mitbringen. Speziell im Bereich<br />
der Medizin<strong>technik</strong> sind zertifizierte<br />
Prozesse und die Fähigkeit, sich an die<br />
Tools der Kunden anzupassen, von hoher<br />
Bedeutung. So kann eine effiziente<br />
Projektleitung gewährleistet und die Entwicklung<br />
mit einer präzisen Dokumen -<br />
tation erfolgreich umgesetzt werden –<br />
was wiederum Zeit spart und Kosten<br />
senkt. Eine offene und proaktive Kommunikation<br />
seitens des Entwicklungsdienstleisters<br />
bedeutet, dass der Kunde jederzeit<br />
umfänglich informiert ist und wichtige<br />
Printed Circuit Board (PCB)-<br />
Schulterteil mit integrierter<br />
Elektronik für die Alzheimer-<br />
Therapie<br />
Entscheidungen rasch getroffen werden<br />
können.<br />
Für die Entwicklung der Elektronik<br />
von Bottneuro’s Headframe und Schulterteil<br />
setzt IMT auf ihre Experten und agile<br />
Prozesse, um die Ideen schnell und effizient<br />
umzusetzen. Die Entwicklung der<br />
Hardware und der Stimulationssoftware<br />
konnte dank Simulationen mit Matlab Simulink<br />
parallel stattfinden. Um die zum<br />
Patienten abgegebenen elektrischen Ströme<br />
zu simulieren, wurde ein Modell des<br />
Kopfes sowie der Elektronik erstellt. Der<br />
generierte Code aus der Simulation wurde<br />
im nächsten Schritt mit der Hardware<br />
getestet. Anpassungen der Software<br />
konnten einfach in der Simulation erfolgen,<br />
da keine physischen Anpassungen,<br />
wie beispielsweise das Umstecken von Kabeln,<br />
erforderlich sind.<br />
Mit verschiedenen Evalkits wurde ein<br />
Brettaufbau mit den wichtigsten Funktionalitäten<br />
und Bauteilen erstellt, um Probleme<br />
frühzeitig zu erkennen und vor der<br />
Prototypenherstellung korrigieren zu<br />
können. Durch diesen Prozess entstehen<br />
in der Entwicklung weniger Iterationen,<br />
und die Funktionen können vor dem finalen<br />
Produkt bereits vollumfänglich getestet<br />
werden. Folglich kann Bottneuro das<br />
Projekt schneller umsetzen und frühzeitig<br />
mit den klinischen Studien beginnen. In<br />
der Entwicklung werden künftige Funktionen<br />
bereits berücksichtigt, die später<br />
mit einer erweiterten Software rasch umgesetzt<br />
werden können.<br />
(su) ■<br />
Weitere Informationen<br />
Zum Medizin<strong>technik</strong>-Start-up und<br />
zur Diagnose und nicht-invasiven<br />
Behandlung der Alzheimer-Krankheit<br />
bei Patienten:<br />
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und Regulatory Services<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 19
TITELTHEMA<br />
In kleinen Schritten zu<br />
nachhaltigen Produkten<br />
Nachhaltigkeit für Medizinprodukte | Den großen Plan für das komplexe Thema Nachhaltigkeit, den<br />
man einfach an das eigene Unternehmen anpassen kann – ihn gibt es wohl nicht. Weil aber auch Medizinprodukte<br />
nachhaltiger werden müssen, ist der beste Weg, mit kleinen Testprojekten zu beginnen<br />
und alle Bemühungen in einen eigenen Plan einzubinden. Beispiele zeigen, wie das aussehen kann<br />
und wo es Unterstützung gibt.<br />
20 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Am Anfang der Nachhaltigkeit<br />
Hauptsache anfangen – das<br />
scheint eine gute Maxime für dieses<br />
komplexeThema zu sein.<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
(Bild: Syda Productions/stock.adobe.com)<br />
Nachhaltigkeit? „Wir sind dran.“ Die<br />
Antwort ergibt Sinn, in beiden möglichen<br />
Varianten. Schließlich sind „alle“,<br />
so auch Gesundheitswesen und Industrie,<br />
aufgerufen, sorgsam mit Ressourcen aller<br />
Art umzugehen. Das ist der einzige Weg,<br />
um folgenden Generationen nicht schon<br />
jetzt das Leben auf der Erde zu vermiesen.<br />
Und mit „wir sind dran“ – im Sinne von<br />
„wir haben schon mal angefangen, aber<br />
noch keine vollständig zufriedenstellende<br />
Lösung gefunden“ – lässt sich der aktuelle<br />
Stand der Dinge in Sachen Nachhaltigkeit<br />
auch ganz gut zusammenfassen.<br />
Lohnt es sich trotzdem, das Thema<br />
jetzt für die Branche Medizin<strong>technik</strong> zu<br />
diskutieren? Ja. Denn gerade weil Nachhaltigkeit<br />
so viele Facetten hat, wird es<br />
Zeit brauchen, das individuelle Ziel zu definieren<br />
und zu erreichen. Oder anders<br />
ausgedrückt: „Es hat keinen Sinn, auf den<br />
großen Wurf zu warten, auf die ultimativen<br />
Best-Practice-Beispiele oder ein fertiges<br />
Konzept, das sich auf jedes beliebige<br />
Unternehmen übertragen lässt.“ So beschreibt<br />
es Prof. Wolfgang Boos von der<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Nachhaltige Medizinprodukte gefordert<br />
Entwicklung und Produktion verändern<br />
Digitalisiertes Abfallmanagement<br />
Corporate Sustainability Reporting<br />
Directive (CSRD)<br />
Herstellen, nutzen, verbrennen. Für<br />
kontaminierte Abfälle aus dem Gesundheitsbereich<br />
ist das der einzige<br />
Weg. Es gibt aber auch Medizinprodukte,<br />
mit denen man nachhaltiger umgehen<br />
kann – und damit fangen die Hersteller<br />
gerade erst an<br />
RWTH Aachen. Für den geschäftsführenden<br />
Oberingenieur am Lehrstuhl für Produktionssystematik<br />
am Werkzeugmaschinenlabor<br />
(WZL) ist Nachhaltigkeit „eine<br />
Herzensangelegenheit“. Wie sich das in<br />
der Produktion umsetzen lässt – auch in<br />
der Medizin<strong>technik</strong> –, wird später noch<br />
Thema sein.<br />
Auch Krankenhäuser streben<br />
mehr Nachhaltigkeit an<br />
Aber vor dem „wie“ steht ja noch das „warum<br />
eigentlich?“ Eine Begründung dafür,<br />
auch bei Medizinprodukten die Nachhaltigkeit<br />
auf der Prioritätenliste nach oben<br />
zu schieben, sind Anforderungen der<br />
Kunden, vor allem der Krankenhäuser.<br />
„Eine Klinik der Vollversorgung hat viele<br />
Gebäude, Anlagen, Aspekte, die bisher zu<br />
einem hohen Kohlendioxid-Ausstoß führen“,<br />
sagt Frank Dzukowski. Er leitet am<br />
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br />
(UKE) die Vorstandsstabsstelle für<br />
Nachhaltigkeit und Klimamanagement.<br />
„Wir sehen natürlich unsere gesellschaftliche<br />
Verantwortung, etwas zu tun und<br />
unsere Arbeitsweise zu verbessern.“<br />
Am UKE haben solche Überlegungen<br />
Tradition. Die ersten Projekte starteten<br />
2009, als die Arbeitsgruppe „Das grüne<br />
UKE“ begann, umweltrelevante Aspekte<br />
des Unternehmens Krankenhaus zu beschreiben.<br />
2014 wurde die Nachhaltigkeit<br />
zu einer von fünf Säulen, die die Weiterentwicklung<br />
der Klinik tragen. Seit 2020<br />
bündelt die Stabsstelle die Aktivitäten.<br />
Das Ziel: Wie die gesamte Stadt Hamburg<br />
soll das UKE bis 2040 klimaneutral sein.<br />
Ansatzpunkte dafür sind natürlich Heizungs-<br />
und Lüftungsanlagen, eine mög-<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 21
TITELTHEMA<br />
lichst umweltgerechte Mobilität der Mitarbeiter<br />
und vieles mehr. Ebenfalls auf<br />
der langen Liste: die Nachhaltigkeit bei<br />
Medizinprodukten. Daten dazu seien bisher<br />
nur schwer zu bekommen, sagt Stabsstellenleiter<br />
Dzukowski. Man arbeite zum<br />
Teil mit Schätzungen. Ein Beispiel: Betrachte<br />
man den Stromverbrauch von Medizingeräten,<br />
so mache dieser einen Anteil<br />
von 20 bis 25 % des gesamten Stromverbrauchs<br />
des Klinikums aus. Ob ein<br />
Haus eine Radiologie betreibt und dazu<br />
ein IT-System, das die Daten verwaltet,<br />
spielt dabei natürlich eine Rolle, ebenso<br />
die Zahl der Operationssäle mit ihren vielen<br />
Geräten. Unabhängig von Details: Da<br />
steckt Potenzial für Verbesserungen.<br />
Patientensicherheit mit<br />
dem Klimaschutz vereinbaren<br />
Das gilt laut Dzukowski genauso für das<br />
Verbrauchsmaterial, von der Elektrode<br />
über den Katheter bis zum Schlauch. „Natürlich<br />
kann man nicht einfach etwas an<br />
den Produkten verändern, denn die sichere<br />
Diagnose und Therapie für die Patienten<br />
stehen an erster Stelle.“ Aber man<br />
könne es klug anfangen und versuchen,<br />
Patientensicherheit mit einem verbesserten<br />
Klimaschutz zu vereinbaren.<br />
Diese Frage mit Herstellern zu diskutieren,<br />
erfordere oft aufwendige Kleinprojekte.<br />
Fachleute erstellen eine Gefährdungsanalyse,<br />
um zu sehen, wo sich Ansatzpunkte<br />
bieten könnten. Muss es eine<br />
Kunststoffverpackung sein? Kann diese<br />
entfallen, wenn die Raumluft im Lager<br />
anders eingestellt ist? „Das ist ganz<br />
schnell eine komplexe Geschichte.“<br />
Trotzdem werden Aspekte der Nachhaltigkeit<br />
in Ausschreibungen schon jetzt<br />
mit berücksichtigt – auch wenn bisher die<br />
Bedienbarkeit oder die Patientensicherheit<br />
den Ausschlag geben. „Mittelfristig<br />
erwarten wir aber, dass Hersteller uns<br />
ihre Produkte CO 2 -neutral zur Verfügung<br />
stellen, wie es sich im Consumer-Bereich<br />
jetzt schon durchsetzt“, sagt Dzukowski.<br />
Solche Erwartungen werden nicht nur<br />
in Hamburg formuliert. Das Universitätsklinikum<br />
Heidelberg beispielsweise startete<br />
im Juli 2022 mit einem Kick-off-Event<br />
ein neues Projekt. Ziel: Den vollständigen<br />
Treibhausgasausstoß zu ermitteln, inklusive<br />
Lieferketten und Mobilität von Mitarbeitenden,<br />
Patienten und Besuchern,<br />
Emissionen für Medikamente, dem Entsorgen<br />
der Abfälle und Emissionen durch<br />
Medizinprodukte. Unter anderem geplant<br />
ist ein Pilotprojekt zur Mülltrennung in einem<br />
OP-Bereich, um Praxistauglichkeit<br />
und Effekte zu überprüfen.<br />
Was diese Entwicklung für Hersteller<br />
bedeutet, fasst Britta Norwat zusammen:<br />
„Nachhaltigkeit ist kein ‚nice to have‘<br />
mehr, sondern Bestandteil wirtschaftlichen<br />
Denkens.“ Norwat leitet bei Medical<br />
Mountains in Tuttlingen das Ressort Innovationsprojekte<br />
und organisiert auch das<br />
Innovation Forum im Oktober 2022 – bei<br />
dem Frank Dzukowski als Keynoter über<br />
die Herangehensweise des UKE berichtet.<br />
In der Medizin<strong>technik</strong><br />
gibt es noch Nachholbedarf<br />
Dass Nachhaltigkeit die Medizin<strong>technik</strong><br />
betrifft, betont auch Ronald Kröger, der in<br />
der B.Braun-Konzernzentrale in Melsungen<br />
als Sustainability Manager tätig ist.<br />
Das Team, in dem er arbeitet, entstand im<br />
Jahr 2021. „Generell kann man sagen,<br />
dass die Medizin<strong>technik</strong> als Branche noch<br />
Aufholpotenzial hat, was die Nachhaltigkeit<br />
angeht“, sagt Kröger. Über die Gründe<br />
dafür könne man spekulieren, entscheidend<br />
sei, dass Anforderungen auch<br />
an Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich<br />
formuliert werden. „Unsere Kunden<br />
(Bild: UKE)<br />
„Mittelfristig erwarten wir, dass<br />
Hersteller uns ihre Produkte<br />
CO 2 -neutral zur Verfügung stellen“,<br />
sagt Frank Dzukowski, der<br />
am Universitätsklinikum Eppendorf<br />
(UKE) die Vorstandsstabsstelle<br />
für Nachhaltigkeit und<br />
Klimamanagement leitet<br />
fragen vermehrt nach, was wir in dieser<br />
Richtung tun.“<br />
Das gelte besonders für Skandinavien<br />
und für das Vereinigte Königreich. Krögers<br />
Fazit braucht wenige Worte: „Wenn<br />
wir in Sachen Nachhaltigkeit nichts tun,<br />
verlieren wir Umsätze.“ Selbst Banken berücksichtigten<br />
in Kreditverträgen inzwischen,<br />
was der Kreditnehmer hier vorzuweisen<br />
hat. Für ein traditionsreiches Unternehmen<br />
wie B.Braun sei es aber selbstverständlich,<br />
nicht in Quartalszahlen zu<br />
denken, sondern in Zeiträumen, die Generationen<br />
umfassen. „Wir müssen und<br />
wollen unseren Beitrag leisten, um dem<br />
Klimawandel entgegenzutreten.“<br />
Auf Konzernebene und angesichts von<br />
rund 5000 Produkten ist Nachhaltigkeit<br />
allerdings eine komplexe Angelegenheit.<br />
Eine Roadmap definiert bereits Ziele.<br />
Zum Beispiel den CO 2 -Ausstoß bis 2030<br />
zu halbieren, den Einfluss der Lieferkette<br />
zu berücksichtigen und Produkte, Dienstleister,<br />
Prozesse und Logistik unter dem<br />
Aspekt der Nachhaltigkeit zu optimieren.<br />
Ohne eine zentrale Abteilung wäre das<br />
kaum zu schaffen, sagt Kröger. „Es gibt so<br />
viele Ansatzpunkte – und je größer das<br />
Unternehmen, desto wichtiger ist es, die<br />
Aktivitäten in Bahnen zu lenken. Wenn<br />
wir zum Beispiel an Life Cycle Assessment<br />
denken, müssen wir konzernweit einheitlich<br />
rechnen, sonst kommen wir nicht zu<br />
sinnvollen Ergebnissen.“<br />
22 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Kreislaufwirtschaft<br />
und Nachhaltigkeit<br />
Dafür wird auch externes Wissen gebraucht.<br />
Der Melsunger Konzern hat daher<br />
seinen B.Braun-Accelerator 2022 dem<br />
Thema Nachhaltigkeit gewidmet. Im Rahmen<br />
des „Accelerator“ stellen innovative<br />
Unternehmen Lösungen vor, mit denen<br />
B.Braun aktuellen Anforderungen gerecht<br />
werden kann. Software und Systeme für<br />
das Life Cycle Assessment, das Erfassen<br />
der relevanten Daten über den gesamten<br />
Produktlebenszyklus, zählen dazu.<br />
Zeitlichen Druck, bei der Nachhaltigkeit<br />
voranzukommen, erzeugt auch die<br />
von der EU vorgegebene Corporate Sustainability<br />
Reporting Directive (CSRD).<br />
Sie sieht vor, dass Unternehmen mit mehr<br />
als 250 Mitarbeitern und mehr als 40 Mio.<br />
Euro Umsatz ab 2025 jährlich über ihre<br />
Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit Rechenschaft<br />
ablegen müssen. „Da rollt eine<br />
Riesenwelle an Vorgaben auf uns zu“, sagt<br />
Kröger.<br />
Kleine Unternehmen müssen solche<br />
Reports zwar nicht erstellen. Doch wenn<br />
ihre (größeren) Kunden, wie zum Beispiel<br />
Krankenhäuser, berichtspflichtig sind,<br />
werden sie auf Zahlen aus der Lieferkette<br />
angewiesen sein – und auch Investoren<br />
dürften sich für das Thema interessieren.<br />
Darauf weist die Berliner Ökotec Energiemanagement<br />
GmbH hin, die Softwarelösungen<br />
und Beratung für den Weg zur klimaneutralen<br />
Wirtschaft anbietet.<br />
Mit Lösungen auf die Krankenhäuser<br />
zukommen<br />
Doch es gibt ja schon Medizinproduktehersteller,<br />
die sich intensiv mit der Nachhaltigkeit<br />
befassen und auf die Krankenhäuser<br />
zukommen. Genau diesen Ansatz<br />
hat auch Daniel Unger verfolgt. „Ich wollte<br />
Lösungen, keine Claims“, sagt Unger,<br />
der bei Ethicon, einem Geschäftsbereich<br />
von Johnson&Johnson Medtech, zunächst<br />
im Vertrieb gearbeitet hat und<br />
auch die Wünsche von Medizinern und<br />
Pflegepersonal zu Abfall und Nachhaltigkeit<br />
zu hören bekam. Seit Mai 2022 ist er<br />
in Vollzeit Sustainability Manager, und<br />
aus seiner Sicht ist klar: Für Anwender<br />
von Medizinprodukten entstehe „eine kognitive<br />
Dissonanz“, wenn Hersteller<br />
Nachhaltigkeit zum Ziel machen, es aber<br />
immer noch jeden Tag „Berge von Müll im<br />
Operationssaal gibt“.<br />
Daher wollte Unger handeln, Ideen mit<br />
umsetzen und das Gelernte möglichst<br />
schnell in größerem Maße nutzen. Bisherige<br />
Bilanz: Zwei Recycling-Projekte zu<br />
Einweginstrumenten und Aluminiumbestandteilen<br />
in Verpackungen sind abgeschlossen,<br />
ein Projekt zu umweltfreundli-<br />
Der Begriff der Nachhaltigkeit bezieht<br />
sich darauf, Ressourcen nur so stark<br />
zu nutzen, wie sie diese Inanspruchnahme<br />
dauerhaft aushalten können,<br />
ohne Schaden zu nehmen.<br />
Als Kreislaufwirtschaft wird die Idee<br />
bezeichnet, Produktion und Verbrauch<br />
so zu gestalten, dass Materialien und<br />
Produkte so lange wie möglich geteilt,<br />
geleast, wiederverwendet, repariert,<br />
aufgearbeitet und recycelt werden.<br />
Der Lebens zyklus eines Produktes soll<br />
also möglichst lang sein, um Abfälle<br />
zu minimieren. Auch am Ende der Lebensdauer<br />
verbleiben die Ressourcen<br />
und Materialien dann so weit wie<br />
möglich in der Wirtschaft und werden<br />
produktiv weiterverwendet. Die Kreislaufwirtschaft<br />
ist also das Gegenteil<br />
der Wegwerfwirtschaft, dem traditionellen,<br />
linearen Wirtschaftsmodell.<br />
Im März 2020 legte die Europäische<br />
Kommission einen Aktionsplan für die<br />
Kreislaufwirtschaft vor – als wichtigen<br />
Baustein des europäischen Grünen<br />
Deals und Teil der neuen EU-Industriestrategie.<br />
Mehr zu den Plänen der EU:<br />
http://hier.pro/ZIA9n<br />
Eine geeignete Verpackung für<br />
ein Medizinprodukt kann aus<br />
Recyclingmaterial bestehen.<br />
Dass zum Beispiel alle wichtigen<br />
Informationen im Einsatz<br />
lesbar sind, haben Tests gezeigt.<br />
Akzeptanz laut Hersteller: In<br />
der Klinik kamen Idee und Umsetzung<br />
gut an<br />
(Bild: Ethicon)<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 23
TITELTHEMA<br />
Weitere Informationen<br />
Über die Stabsstelle Nachhaltigkeit<br />
und Klimamanagement beim UKE:<br />
http://hier.pro/YXan8<br />
Zum Tuttlinger Innovation Forum<br />
Medizin<strong>technik</strong> im Oktober 2022<br />
(Keynote Nachhaltigkeit):<br />
https://innovation-forum-medizin<br />
<strong>technik</strong>.de/<br />
Über Ökotec (Stichwort CSRD)<br />
http://hier.pro/BZc6k<br />
Mehr zu den Konsequenzen der<br />
Richtlinie ab Seite 54<br />
Über digitales Abfallmanagement<br />
und das Start-up Resourcify:<br />
www.resourcify.com/de/<br />
Studie Sustainable Productivity<br />
http://hier.pro/hYtS0<br />
Mehr dazu, wie man mit Industrie<br />
4.0 – aber auch ohne – zu Nachhaltigkeit<br />
kommt: s. Beitrag Seite38<br />
Nachhaltigkeit aus der Sicht<br />
von Medizinern: Interview mit<br />
Prof. Wirtz ab Seite 10<br />
(Bild: B. Braun SE)<br />
Sind die für das Recycling gesammelten Späne sortenrein? Das überprüft der<br />
Mitarbeiter bei Aesculap hier mittels Röntgen-Fluoreszenz-Analyse<br />
cheren Verpackungen ist in Arbeit, weitere<br />
sind geplant. Alle haben klein angefangen,<br />
mit überschaubaren Tests.<br />
„Ich glaube, dass es nur so wirklich vorangeht“,<br />
sagt der Sustainability Manager,<br />
„nach dem Motto ‚einfach mal anfangen‘.“<br />
Im Konzern habe er dafür viel Unterstützung<br />
bekommen, soziale und ökologische<br />
Nachhaltigkeit sei bei Johnson&Johnson<br />
schon lange Tradition.<br />
Laut Unger hängt der Erfolg von Nachhaltigkeitsprojekten<br />
auch davon ab, dass<br />
sich eine Verbesserung datenbasiert nachweisen<br />
lässt. „Ich muss belegen können,<br />
dass eine Recycling-Idee am Ende – trotz<br />
zusätzlicher Transportschritte und der<br />
Aufwände für die Weiterverarbeitung –<br />
zu einem niedrigeren Kohlendioxid-Ausstoß<br />
führt als die Verbrennung eines Einmalproduktes“,<br />
sagt er.<br />
Diesen Nachweis zu führen, sei nicht<br />
einfach. Daher hat Ethicon externe Partner<br />
gesucht. Es gab Sitzungen mit einem<br />
Entsorgungsdienstleister, mit Fachleuten<br />
aus der Stadt Hamburg und dem Land<br />
Schleswig-Holstein. So richtig Schwung<br />
in die Sache brachte der Kontakt zu einem<br />
spezialisierten Start-up in der Hansestadt,<br />
der Resourcify GmbH. „Resourcify hat es<br />
geschafft, das Abfallgeschehen zu digitalisieren“,<br />
erläutert Unger. Die Plattform<br />
veranschauliche, welcher Abfall wo entsteht,<br />
was damit passiert und wo es eventuell<br />
Entsorger gibt, die damit etwas anfangen<br />
können. „Man hat das Gefühl, dass<br />
die Details bis zum Inhalt des Papierkorbs<br />
unter meinem Schreibtisch reichen.“ Genau<br />
das sei erforderlich, um zu belegen,<br />
dass eine Maßnahme den CO 2 -Ausstoß<br />
tatsächlich senkt.<br />
Manchmal machen Details das<br />
Recycling zur Herausforderung<br />
Doch es geht nicht nur darum, das Ende<br />
des Produktlebenszyklus genauer zu<br />
betrachten. „Die Zusammenarbeit hat<br />
auch gezeigt, dass eine Verpackung für<br />
orthopädische Schrauben in der aktuellen<br />
Form nicht recycelbar war“, erzählt<br />
Unger. Vier Werkstoffe, ein Klebeband<br />
für den Verschluss – für die Wieder -<br />
verwendung ist das nicht ideal. Aber nach<br />
einer Möglichkeit auch dafür wird derzeit<br />
schon gesucht, denn so schnell wollen die<br />
Nachhaltigkeitsexperten dann doch nicht<br />
aufgeben.<br />
Dennoch geht die Botschaft an De -<br />
signer und Ingenieure, es in Zukunft anders,<br />
nämlich möglichst von Anfang an<br />
recy clinggerecht zu machen. Wie, das sei<br />
am besten bei Entsorgungsfachleuten in<br />
Erfahrung zu bringen.<br />
Die Projekte, die in Hamburg mit mehreren<br />
Asklepios-Kliniken für Ethicon funk -<br />
tionierten, ließen sich laut Unger schnell<br />
skalieren und auf andere europäische<br />
Länder übertragen. Damit hat Ethicon<br />
Vorarbeit geleistet, sagt der Sustainabi -<br />
lity Manager und will die Vorreiterrolle<br />
auch nutzen. Aber nicht für lange, das<br />
ist klar. „Wenn wir mehr Recyceln und daher<br />
mehr Produkte oder Verpackungen<br />
einsammeln wollen, geht das nur, wenn<br />
nicht jeder Hersteller sein eigenes System<br />
schafft.“ Zig Abfallbehälter im OP, um<br />
alles säuberlich zu trennen? Unrea -<br />
listisch. „Ich denke, dass es eher zu einer<br />
Art Allianz kommen kann. Einem ein -<br />
heitlichen System, das viele Hersteller<br />
nutzen wollen und auf das sie einzahlen.<br />
Das wäre meine persönliche Vision.“<br />
Entwicklung, Verpackung, Recycling<br />
können also das Thema Nachhaltigkeit<br />
voranbringen. Aber auch in der Produk -<br />
tion gibt es Ansatzpunkte. Ein Beispiel dafür<br />
ist die Aufbereitung von Metallspänen<br />
im Chirurgie-Bereich von B. Braun in<br />
Tuttlingen. Bei der Produktion von Implantaten<br />
und Chirurgieinstrumenten fallen<br />
dort Prozessabwässer an. Die Entsorgung<br />
über einen Dienstleister erwies sich<br />
schon früh als kostspielig. „Daraus entstand<br />
die Idee, eine interne Lösung zu pla-<br />
24 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
sie mit Patienten nicht in Kontakt kommen.<br />
Richtung Kreislaufwirtschaft gehen<br />
die Überlegungen beim Prozesswasser.<br />
Kühlschmierstoffhaltige Lösungen oder<br />
das Abwasser aus Reinigungsschritten behandeln<br />
die Tuttlinger mit einer Vakuumverdampfungsanlage.<br />
Diese liefert am Ende<br />
ein Destillat, das alle Anforderungen<br />
erfüllt, um in kommunale Kläranlagen<br />
eingeleitet zu werden. „Aber wir würden<br />
es gern intern weiterverwenden, es in unserem<br />
Kreislauf halten“, sagt Riester. Für<br />
den letzten Reinigungsschritt an Medizinprodukten<br />
in einer validierten Anlage<br />
geht das zwar nicht. Aber für Reinigungsvorgänge<br />
im Verlauf der Fertigung, für<br />
neue Kühlschmierstofflösungen, das Ausspülen<br />
von Spänekübeln oder das Kühlen<br />
des Gebäudes könnte das Destillat interessant<br />
sein.<br />
Insgesamt sieht Riester Umweltprojekte<br />
als guten Start, um sich dem Thema<br />
Nachhaltigkeit zu nähern. Das sei auch<br />
für kleine Betriebe machbar, als erster<br />
Schritt mit vertretbarem Aufwand. „Wer<br />
ein Umweltmanagementsystem einführt,<br />
begegnet vielen Aspekten, die Nachhaltigkeit<br />
betreffen.“ Das gelte für die Zertifizierung<br />
nach ISO 14001 oder EMAS (Eco-<br />
Management and Audit Scheme) für Umweltmanagementsysteme.<br />
Da sich die<br />
Vorgaben auch bei den Umweltmanagementsystemen<br />
weiterentwickeln, behalte<br />
man auf diese Weise veränderte Anforderungen<br />
gleich mit im Blick.<br />
Bei Aesculap sollen die Ansätze bald<br />
über das Späne-Recycling deutlich hinausgehen.<br />
„Wir haben tolle Projekte in<br />
der Pipeline“, sagt Isabell Riester. Für -<br />
Details sei es noch zu früh, aber für aus -<br />
gewählte Produkte aus Metall und Kunststoff<br />
sei der Einstieg in das Thema Öko -<br />
bilanzen und Life Cycle Assessment, also<br />
Lebenszyklusanalysen, geplant.<br />
Das Sterilcontainersystem Aicon bietet Aesculap für Instrumente schon seit<br />
langem an. Es hilft, steriles Einweg-Verpackungsmaterial zu vermeiden und<br />
kann mehrfach verwendet werden. Da es nicht direkt mit den Patienten in<br />
Kontakt kommt, lassen sich die Container aus Sekundärrohstoffen wie recycelten<br />
Spänen herstellen<br />
nen“, berichtet Isabell Riester, die das<br />
Thema als Umweltingenieurin bei Aesculap<br />
betreut. Geplant und genehmigt wurden<br />
eine Anlage für die Wasseraufbereitung<br />
und das Schreddern von Metallspänen<br />
schon in den Jahren 2014 und 2015.<br />
„Wie wir das System heute nutzen, leistet<br />
aber einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des<br />
Unternehmens“, sagt Riester.<br />
Potenzial für eine nachhaltigere<br />
Produktion von Metallteilen<br />
Heißt konkret: Die Metallspäne aus Edelstahl,<br />
Titan, Kobalt-Chrom-haltigen Legierungen<br />
oder auch Aluminium sammeln<br />
die Mitarbeiter in der Fertigung sortenrein.<br />
Durch das Schreddern der Späne<br />
schrumpft das Volumen der Abfälle – der<br />
Entsorgungsdienstleister muss also seltener<br />
kommen und hat weniger zu transportieren.<br />
Das ist gut für die Entsorgungskosten,<br />
aber auch gut für den CO 2 -Ausstoß.<br />
Die Späne aus hochwertigen Metallen<br />
haben zwar als Sekundärrohstoffe derzeit<br />
keine Chance, direkt in Medizinpro dukten<br />
verwendet zu werden. „Dem stehen re -<br />
gulatorische Vorgaben entgegen“, sagt<br />
Riester. „Aber die Automobilindustrie ist<br />
offen dafür.“ Für metallene Steril -<br />
container seien Sekundärrohstoffe sogar<br />
im Gesundheitsbereich verwendbar, da<br />
(Bild: B. Braun SE)<br />
Studie Sustainable Productivity<br />
zeigt Ansatzpunkte<br />
Jetzt anfangen. Das ist, wie eingangs erwähnt,<br />
auch die Maxime von Prof. Wolfgang<br />
Boos von der RWTH Aachen. Und<br />
hier folgt auf das „Warum“ das „Wie“. Was<br />
die entscheidenden Bausteine für eine<br />
„Sustainable Productivity“ sein könnten,<br />
hat Boos mit weiteren Fachleuten in einer<br />
gleichnamigen Studie zusammengefasst.<br />
Unternehmen müssen neben finanziellen<br />
Faktoren auch ökologische und soziale<br />
Belange berücksichtigen und eine Umgebung<br />
schaffen, in der wirklich innovative<br />
Ideen für mehr Nachhaltigkeit umgesetzt<br />
werden können. Veränderungen, die nur<br />
finanzielle Vorteile, aber Nachteile bei der<br />
Nachhaltigkeit mit sich bringen, sollten<br />
Entscheider laut Boos vermeiden. Unterstützung<br />
für die Suche nach besseren Ansatzpunkten<br />
sei inzwischen über Institutionen<br />
und Verbände verfügbar, sagt er.<br />
Hauptsache, es geht los.<br />
Je mehr Ideen umgesetzt werden, desto<br />
schneller entwickeln sich nachhaltigere<br />
Systeme , von denen langfristig alle profitieren.<br />
Denn es lässt sich kaum leugnen,<br />
dass letzten Endes wir alle „dran“ sind. ■<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
birgit.oppermann@konradin.de<br />
Online<br />
weiterlesen<br />
Mehr zu den Projekten bei Ethicon<br />
und über die Unterstützung, die das<br />
Start-up Resourcify bietet, lesen Sie in<br />
unserem Online-Magazin unter<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />
nachhaltigkeit-medizin<strong>technik</strong><br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 25
■ [ TECHNIK ]<br />
Miniatur-Kugelgewindetrieb,<br />
der das Herz mit unterstützt<br />
Antriebs<strong>technik</strong> | Miniatur-Kugelgewindetriebe sind ein zentrales Antriebselement<br />
in extrakorporalen Pumpen, die das Herz unterstützen können. Sie sichern unter<br />
anderem die Druckbeaufschlagung eines Ballons an diesem Organ. Dafür müssen<br />
die Bauteile besonders kompakt und präzise sein.<br />
In extrakorporalen<br />
Herzpumpen<br />
sorgen Miniatur-<br />
Kugelgewindetriebe<br />
als zentrales<br />
Antriebselement<br />
mit für den Druckaufbau,<br />
der das<br />
Herz entlastet<br />
(Bild: August Steinmeyer)<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
sind<br />
häufig und mitunter gefährlich. Bei<br />
Schäden am kardiovaskulären System<br />
kann der Einsatz einer Herzpumpe aber<br />
nicht nur Menschenleben retten. Er kann<br />
Patienten auch zu mehr Lebensqualität<br />
verhelfen, da sie sich mit einem solchen<br />
Gerät auch außerhalb des Krankenhauses<br />
aufhalten können.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Kugelgewindetrieb<br />
Miniatur-Ausführung<br />
Extrakorporale Herzunterstützung<br />
Geschliffene Version für mehr Präzision<br />
Spezielles Verfahren reduziert Rauheit<br />
Zuletzt kamen für solche Anwendungen<br />
zunehmend Pumpen auf den Markt,<br />
die implantiert werden. Sie zu entwickeln<br />
und herzustellen, ist recht kostenintensiv.<br />
Und sie sind nicht für alle Patienten geeignet,<br />
da der für die Implantation erforderliche<br />
invasive Eingriff medizinisch nicht<br />
immer möglich ist.<br />
Die Kombination aus einem implantierten<br />
Ballon mit einer externen, portablen<br />
Pumpe ist hingegen eine zuverlässige<br />
und weniger invasive Alternative, die bei<br />
mehr Patienten und Erkrankungen einsetzbar<br />
ist. Der Ballon wird dabei in die<br />
Hauptschlagader eingeführt und ist über<br />
einen Katheter mit der portablen Antriebseinheit<br />
außerhalb des Körpers verbunden.<br />
Im Herzrhythmus wird der Ballon<br />
ausgedehnt und wieder zusammengeschrumpft.<br />
Druck und Unterdruck beim<br />
Auf- und Abpumpen entlasten das Herz.<br />
Die Entwickler eines solchen kardiovaskulären<br />
Assistenzgerätes müssen jedoch<br />
verschiedene Faktoren beachten:<br />
Zum einen muss sich die Druckbeaufschlagung<br />
des Ballons im Herzen präzise<br />
steuern lassen und reversibel sein. Zum<br />
anderen muss das Gerät speziellen Ansprüchen<br />
an Gewicht, Größe und Lautstärke<br />
gerecht werden und eine Lebensdauer<br />
von mindestens einem Jahr bei<br />
gleichbleibender Leistung aufweisen.<br />
Um diesen Anforderungen zu entsprechen,<br />
wählte ein Hersteller portabler<br />
Pumpen einen Miniatur-Kugelgewindetrieb<br />
aus dem Portfolio der August Steinmeyer<br />
GmbH & Co. KG aus Albstadt als<br />
Antriebsmechanismus. Diesen kombinierte<br />
er mit einem speziell entwickelten Metallbalg<br />
als Druckkammer. Die kleinen<br />
Kugelgewindetriebe bieten nicht nur eine<br />
große Schubdichte, sie ermöglichen zu-<br />
26 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
dem eine hohe lineare Beschleunigung –<br />
was sowohl vorwärts als auch rückwärts<br />
gilt. Da sie einen Wirkungsgrad von mehr<br />
als 90 % erreichen, lassen sie sich mit<br />
Kleinmotoren betreiben. Das wiederum<br />
senkt den Stromverbrauch des Gerätes.<br />
Über den Hersteller<br />
Die August Steinmeyer GmbH & Co.<br />
KG wurde 1920 von August Steinmeyer<br />
als feinmechanische Werkstätten<br />
gegründet. Typische Appli -<br />
kationen für die High-End-Kugel -<br />
gewindetriebe finden sich heute im<br />
Werkzeugmaschinenbau, der Mechatronik,<br />
der optischen Industrie,<br />
der Medizin<strong>technik</strong> sowie in der<br />
Luft- und Raumfahrtindustrie.<br />
www.steinmeyer.com<br />
Gerollte Spindeln als Standard,<br />
geschliffene für mehr Präzision<br />
August Steinmeyer hat sich auf die Entwicklung<br />
und Fertigung solcher präziser<br />
und langlebiger Antriebselemente spezialisiert.<br />
Die Kugelgewindetriebe mit Spindelgrößen<br />
von 3 mm bis 16 mm beispielsweise<br />
eignen sich sehr gut für den Einsatz<br />
in der Medizin<strong>technik</strong>. Die Spindeln sind<br />
grundsätzlich mit gerolltem oder geschliffen<br />
Gewinde verfügbar. Dabei eignen sich<br />
die gerollten Ausführungen in der Regel<br />
für Standardansprüche und erfüllen die<br />
Anforderungen der Genauigkeitsklassen<br />
T5 bis T10.<br />
Wenn hohe Präzision gefragt ist – wie<br />
beim Herzunterstützungssystem –, werden<br />
geschliffene Varianten bevorzugt, die<br />
den Genauigkeitsklassen P1 bis P5 entsprechen.<br />
Auch die Spindelsteigung beeinflusst<br />
die Genauigkeit: „Je kleiner die<br />
Steigung, desto besser die theoretisch erreichbare<br />
Auflösung und damit die Präzision“,<br />
erklärt Wolfgang Klöblen, Entwicklungsleiter<br />
bei August Steinmeyer. Üblicherweise<br />
haben Miniatur-Kugelgewindetriebe<br />
Steigungen von 1 mm bis 2 mm.<br />
Die Entwicklungsabteilung arbeite<br />
stets eng mit dem Auftraggeber zusammen,<br />
um individuelle Lösungen zu realisieren.<br />
„In der Herzpumpe wird zum Beispiel<br />
eine 12-mm-Spindel mit einer Zylindermutter<br />
im Kurzhub-Betrieb eingesetzt.“<br />
So konnte das Gesamtsystem, das<br />
die kardiovaskuläre Funktion unterstützt,<br />
klein und leicht konzipiert werden.<br />
Neben der Genauigkeit und großen<br />
Laufruhe spielte für die Herzunterstützung<br />
vor allem die Verlässlichkeit der<br />
Komponenten eine entscheidende Rolle.<br />
„Die Qualität unserer Miniatur-Kugelgewindetriebe<br />
ist ausschlaggebend für die<br />
Präzision und Ausfallsicherheit des Antriebsmechanismus<br />
zur Druckregelung<br />
der Blutpumpe“, erläutert Klöblen. „Diese<br />
konnten wir durch die Anwendung unseres<br />
hauseigenen Gleitschleifverfahrens<br />
noch weiter verbessern.“<br />
Damit lassen sich mikroskopisch kleine<br />
Unregelmäßigkeiten auf der Laufbahnoberfläche<br />
des Spindelgewindes entfernen,<br />
was die Oberflächenrauheit erheblich<br />
reduziert. Das führt zu verbesserten<br />
Schmiereigenschaften und einem glatteren<br />
Lauf der Mutter. Auch ist das Leerlaufdrehmoment<br />
über die gesamte Spindellänge<br />
gleichmäßig. Weniger Vibrationen<br />
und eine geringere Geräuschentwicklung<br />
bei hohen Drehzahlen sind weitere positive<br />
Effekte. Dass die optimierten Lauf -<br />
eigenschaften Qualität und Lebensdauer<br />
der Kugelgewindetriebe verbessern, haben<br />
Versuche gezeigt. Das weiterentwickelte<br />
Schleifverfahren ermöglicht auch<br />
eine energieeffiziente Auslegung des jeweiligen<br />
Antriebs so wie eine höhere Positioniergenauigkeit.<br />
Und während sich die tragbare Herzpumpe<br />
derzeit in späten klinischen Studien<br />
befindet, denken andere Hersteller bereits<br />
über neue Modelle nach: Die Ballonkatheter<br />
sollen künftig intelligent werden.<br />
Ausgestattet mit flexiblen Sensoren<br />
und Elektronik könnten sie beim Erfassen<br />
und Sammeln körpereigener Daten helfen<br />
– was für die Therapie kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen besonders hilfreich ist.<br />
Auch in solch innovativen Herzpumpen<br />
lassen sich Miniatur-Kugelgewindetriebe<br />
sinnvoll einsetzen.<br />
■<br />
Jens-Uwe Gühring<br />
August Steinmeyer, Albstadt<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 27
■ [ TECHNIK ]<br />
Textiler Ersatz für Trommelfell<br />
und Herzklappe<br />
Werkstoffe | Textilforscher der TU Dresden haben ein neuartiges Trommelfellimplantat<br />
aus Fasern entwickelt. In Tests schnitt die bioinspirierte Innovation deutlich besser<br />
ab als herkömmliche Implantate. Demselben Forscherteam gelang jüngst ein weiterer<br />
medizin-textiler Quantensprung: die weltweit erste gewebte Herzklappe ohne Naht.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Das textile Ersatz-Trommelfell wurde auf der Techtextil 2022 vorgestellt<br />
Medizintextilien<br />
Textile Implantate<br />
Biologische Herzklappe<br />
Regenerative Medizin<br />
Messe Techtextil<br />
(Bild: ITM/TU Dresden)<br />
Weltweit erleiden pro Jahr über 30<br />
Millionen Menschen eine Trommelfellverletzung.<br />
Wird diese nicht oder<br />
nur unzureichend behandelt, führt das im<br />
schlimmsten Fall zum Hörverlust. Abhilfe<br />
schaffen Implantate aus körpereigenem<br />
Knorpel, Muskelhaut oder synthetischen<br />
Kunststoffen. Diese sind aber oft so dick,<br />
dass sie nicht so gut schwingen wie das<br />
natürliche Trommelfell. In der Folge müssen<br />
Patienten trotz Implantat dauerhaft<br />
mit eingeschränktem Hörvermögen leben.<br />
Um die volle Hörfähigkeit wiederherzustellen,<br />
haben Forscher des Instituts für<br />
Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstoff<strong>technik</strong><br />
(ITM) und der Poliklinik<br />
für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde<br />
der Medizinischen Fakultät, beide<br />
TU Dresden, ein textiles Ersatz-Trommelfell<br />
entwickelt. Das neuartige Hightech-<br />
Textil wurde Ende Juni auf der Techtextil,<br />
Weltleitmesse für technische Textilien<br />
und Vliesstoffe, erstmals einer breiten<br />
Fachöffentlichkeit vorgestellt.<br />
„Die textile Membran ermöglicht eine<br />
komplette, dauerhafte und naturgetreue<br />
Rekonstruktion des Trommelfells“, sagt<br />
Dr.-Ing. Dilbar Aibibu, Forschungsgruppenleiterin<br />
Bio- und Medizintextilien am<br />
ITM. Vergleichende Schwingungstests mit<br />
einem natürlichen Trommelfell und einem<br />
Implantat aus Knorpel hätten gezeigt:<br />
Das textile Ersatz-Trommelfell besitzt<br />
die gleichen Schwingungseigenschaften<br />
wie ein echtes Trommelfell. „Das<br />
ist bisher einmalig“, sagt Aibibu.<br />
Wie aber gelingt es, den Schall derart<br />
naturgetreu zu leiten? Das interdisziplinäre<br />
Forscherteam setzt dafür auf Biomaterialien<br />
wie Polycaprolacton, einen biologisch<br />
abbaubaren Kunststoff, und Sei-<br />
denfibroin, ein Protein, das aus den Kokons<br />
von Seidenraupen gewonnen wird.<br />
Mittels Elektrospinnverfahren, mit dem<br />
man auch Stents für die regenerative Medizin<br />
herstellt, werden aus dieser Protein-<br />
Kunststofflösung feinste Fäden gezogen<br />
und zum textilen Ersatz-Trommelfell abgelegt.<br />
„Ein echtes Trommelfell besteht<br />
aus Kollagen, deshalb haben wir ähnliche<br />
Materialien verwendet“, erklärt Aibibu.<br />
Das textile Material fühle sich operativ<br />
wie natürliches Gewebe an. Man habe zudem<br />
darauf geachtet, schneidbare Materialien<br />
zu verwenden, um die Ersatz-<br />
Membran besser an den Patienten anpassen<br />
zu können. Doch das Trommelfellimplantat<br />
war nicht die einzige medizin-textile<br />
Innovation des ITM, die auf der Tech -<br />
textil für Aufsehen sorgte.<br />
Innovation Award für textile<br />
Herzklappe<br />
Das Textilforschungsinstitut erhielt außerdem<br />
einen Techtextil Innovation<br />
Award in der Kategorie „New Product“ für<br />
die laut ITM weltweit erste gewebte Herzklappe,<br />
die ohne eine einzige Naht oder<br />
sonstige Füge<strong>technik</strong> auskommt. Entwickelt<br />
wurde sie mit Herzchirurgen aus<br />
dem Herzzentrum Dresden und der Uniklinik<br />
Würzburg. Laut ITM-Forschungsgruppenleiterin<br />
Aibibu ließen sich solche<br />
gewebten Herzklappen aufgrund der<br />
komplexen Geometrie und Funktion bisher<br />
nicht in dieser Form herstellen. Möglich<br />
wurde der Quantensprung demnach<br />
durch eine spezielle am ITM entwickelte<br />
Fertigungstechnologie auf Basis der sogenannten<br />
Jacquard-Spulenweb<strong>technik</strong>.<br />
Mit ihr sei es erstmals gelungen, Schläuche<br />
mit eingebauten Ventilen komplett<br />
ohne Nähschritte auf einer Webmaschine<br />
zu weben. Erste Versuche hätten die gute<br />
Funktionalität der eingewebten Ventile<br />
bereits gezeigt. „Die Ergebnisse sind eine<br />
hervorragende Basis für die Entwicklung<br />
28 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: Eckert)<br />
Die textile Herzklappe erhielt<br />
auf der Messe einen Innovation<br />
Award<br />
von gewebten Herzklappen mit hoher Lebensdauer<br />
und minimalem Fertigungsaufwand“,<br />
sagt Dr. Aibibu.<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören<br />
zu den häufigsten natürlichen Todesursachen;<br />
weltweit sterben daran etwa 17 Millionen<br />
Menschen jährlich. Erhalten Patienten<br />
die Möglichkeit für einen Herzklappen-Ersatz,<br />
kommen in der Regel<br />
künstlich-mechanische oder biologische<br />
Herzklappen zum Einsatz. Ein Nachteil<br />
der mechanischen Lösung besteht darin,<br />
dass damit eine lebenslange gerinnungshemmende<br />
Therapie einhergeht. Biologische<br />
Herzklappen indes weisen eine deutlich<br />
kürzere Lebensdauer auf und erfordern<br />
einen hohen manuellen Herstellungsaufwand.<br />
Geht es nach dem ITM,<br />
soll die mit dem Innovation Award ausgezeichnete<br />
textile Herzklappe künftig eine<br />
Alternative sein. „Unsere Neuentwicklung<br />
könnte in Zukunft auch Kindern mit Herzklappenfehlern<br />
helfen“, sagt Aibibu. „Weil<br />
sie mit dem Herzen mitwächst, lassen sich<br />
so die üblicherweise wiederholten chirurgischen<br />
Eingriffe für die kleinen Patienten<br />
vermeiden.“<br />
■<br />
(Bild:ITM/TU Dresden)<br />
Dr.-Ing. Dilbar<br />
Aibibu leitet die<br />
Forschungsgruppe<br />
Bio- und Medizintextilien<br />
am Institut<br />
für Textilmaschinen<br />
und Textile Hochleistungswerkstoff<strong>technik</strong><br />
(ITM) der TU<br />
Dresden<br />
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Ronny Eckert<br />
Fachjournalist in Berlin<br />
Medtech auf der Techtextil<br />
Auf der Techtextil, Weltleitmesse für technische Textilien und<br />
Vliesstoffe, präsentieren Aussteller Produkte aus zwölf Anwendungsbereichen,<br />
darunter Medizin<strong>technik</strong>. Der Bereich umfasst<br />
neue Produkte, Materialien und Technologien für den<br />
Einsatz in Medizin, Gesundheit und Hygiene. Neueste Fasern,<br />
Garne und (Vlies)Stoffe für OP-Bekleidung, Wundauflagen,<br />
Nähfäden und FFP2-Masken spielen dabei ebenso eine Rolle<br />
wie textile Implantate, Prothesen, Stents und intelligente<br />
Textilien zur Überwachung von Vitalparametern.<br />
Die Techtextil und die parallel stattfindende Texprocess 2022<br />
zogen Ende Juni mit über 1300 Ausstellern aus 51 Ländern<br />
rund 48 000 Besucher an. Die nächste Techtextil und Texprocess<br />
finden 2024 vom 23. bis 26. April wieder in Frankfurt am<br />
Main statt.<br />
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wir ganz groß. Unsere Präzision bleibt dabei<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 29
■ [ TECHNIK ]<br />
Sensible Elektronik im Implantat<br />
hermetisch verkapseln<br />
Glas-Micro-Bonding | Sie ist zwar klein, aber ein Wunderwerk des menschlichen Körpers:<br />
die Netzhaut. Nimmt sie Schaden und droht der Verlust des Sehvermögens, kann<br />
ein nur 5 mm großes Netzhautimplantat helfen. Für die hermetische Verkapselung<br />
des Implantats kommt das Glas-Micro-Bonding von Schott Primoceler zum Einsatz.<br />
Mit dem biokompatiblen<br />
Mikroimplantat<br />
und einer<br />
besonderen Brille<br />
sollen Menschen<br />
mit einem Netzhautdefekt<br />
wieder<br />
sehen können<br />
(Bild: Nano Retina)<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Netzhautimplantat<br />
Miniaturisierung<br />
Glas-Micro-Bonding<br />
Hermetisch abgedichtete Gehäuse<br />
Schutz elektronischer Komponenten<br />
Obwohl sie nur 0,5 mm dick ist, enthält<br />
die menschliche Netzhaut über<br />
sechs Millionen Zapfen, hocheffiziente<br />
Fotorezeptoren, die Farben, feine Details<br />
und schnelle Bewegungen wahrnehmen.<br />
Hinzu kommen 120 Millionen Stäbchen,<br />
mit denen man bei Nacht und in der Peripherie<br />
sehen kann. Die Netzhaut sorgt dafür,<br />
dass ein fokussiertes Bild in eine Reihe<br />
elektrischer Impulse übersetzt wird,<br />
die dann über den Sehnerv an das Gehirn<br />
übertragen werden. Eine wichtige Aufgabe,<br />
denn damit wird einer unserer wichtigsten<br />
Sinne ermöglicht: das Sehen.<br />
Doch was passiert, wenn die Netzhaut<br />
degeneriert oder beschädigt ist? Für Millionen<br />
von Menschen führen degenerative<br />
Netzhauterkrankungen wie Makuladegeneration<br />
oder Retinitis pigmentosa oft zu<br />
einem schweren Verlust des Sehvermögens.<br />
Dieser tritt in Form einer verschwommenen<br />
Sicht oder eines Tunnelblicks<br />
auf und kann sogar völlig erblinden<br />
lassen. Die Pionierarbeit von Nano Retina<br />
bietet Hoffnung. Das israelische Nanotechnologie-Unternehmen<br />
mit Sitz in<br />
Herzliya entwickelte ein 5 mm großes<br />
Netzhautimplantat, das durch einen risikoarmen<br />
chirurgischen Eingriff in das Auge<br />
eingesetzt wird und im Zusammenspiel<br />
mit einer besonderen Brille funktioniert.<br />
Nano Retina hat sieben Jahre am Netzhautimplantat<br />
NR600 geforscht. Die Anforderungen<br />
an die Technologie waren ei-<br />
ne schnelle Bilderkennung und die Umwandlung<br />
der Bilder in elektrische Impulse,<br />
die wiederum Nervenzellen stimulieren<br />
und elektrische Signale an das Gehirn<br />
senden. „Wir hatten die entsprechende<br />
Technologie bereits. Wir benötigten aber<br />
eine innovative Lösung für die hermetische<br />
Verkapselung, um das Implantat im<br />
menschlichen Körper zu schützen. Dabei<br />
waren wir auf der Suche nach einer Lösung,<br />
die über die traditionellen Verkapselungsansätze<br />
hinausgeht“, sagt Rani<br />
Mendelewicz, Vice President Forschung<br />
und Entwicklung von Nano Retina.<br />
Laser-Micro-Bonding verbindet<br />
Glas ohne Kleber<br />
Hier kam die Expertise von Schott Primoceler<br />
Oy aus dem finnischen Tampere ins<br />
Spiel. Das Primoceler- Team arbeitete seit<br />
Beginn des Projekts mit Nano Retina zusammen.<br />
Um das Netzhautimplantat opti-<br />
30 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: Nano Retina)<br />
Das Glas-Mikro-Bonding ermöglicht eine transparente<br />
Verkapselung des Implantats von nur<br />
20 bis 100 µm Dicke. So sind die hitzeempfindlichen<br />
elektronischen Komponenten auch während<br />
des Fertigungsprozesses geschützt<br />
Medical Device<br />
Engineering<br />
mal zu verkapseln, nutzen die Experten<br />
eine präzise Laser-Micro-Bonding-Technologie,<br />
bei der Glas mit Glas gebondet<br />
wird. Der Vorteil: Der Prozess funktioniert<br />
ohne jegliche Kleb- oder Zusatzstoffe<br />
und verbindet das aufeinandertreffende<br />
Glas nur an den mikrometerkleinen<br />
Kontaktpunkten.<br />
Die innovative Technologie ermöglicht<br />
eine extreme Miniaturisierung – für Mikroimplantate<br />
ein Muss. „Das Verfahren<br />
erzeugt eine transparente Verkapselung<br />
von nur 20 bis 100 µm Dicke. Damit war<br />
es ideal für unser Miniaturgerät NR600“,<br />
sagt Mendelewicz. Eine weitere wichtige<br />
Anforderung war, dass die hitzeempfindlichen<br />
elektronischen Komponenten des<br />
Implantats während des gesamten Fertigungsprozesses<br />
geschützt werden. Während<br />
bei vielen herkömmlichen Versiegelungsmethoden<br />
das gesamte Bauteil erhitzt<br />
wird und das Implantat beschädigt<br />
werden könnte, wird beim Laser-Micro-<br />
Bonding nur ein präziser winziger Bereich<br />
erhitzt. Die Erhitzung erfolgt somit bei<br />
Raumtemperatur und damit unkritisch<br />
für die wärmeempfindliche Elektronik.<br />
„Dank der einzigartigen Technologie<br />
von Schott Primoceler konnten wir die<br />
Entwicklung des NR600 Miniaturimplantats<br />
gemeinsam realisieren“, sagt Mendelewicz.<br />
„Das extrem stabile, biokompatible,<br />
hermetische Implantat kann in Zukunft<br />
das Leben von sehbehinderten Patienten<br />
und ihren Familien auf der ganzen<br />
Welt verändern.“<br />
2020 wurde das NR600 Netzhautimplantat<br />
erstmals in Europa in klinischen<br />
Studien mit Patienten getestet und lieferte<br />
vielversprechende Ergebnisse. Zuvor<br />
blinde Patienten haben zum ersten Mal<br />
seit Jahren wieder Bilder gesehen. Ein<br />
Moment, der nicht nur das Leben der Patienten<br />
verändert, sondern für die gesamte<br />
Medizinbranche erstaunliche Auswirkungen<br />
hat.<br />
■<br />
Ville Hevonkorpi<br />
Schott Primoceler Oy, Tampere, Finnland<br />
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Über das Verfahren<br />
Glas-Micro-Bonding ist ein innovatives<br />
Verfahren, das vollkommen neue Möglichkeiten<br />
für die Wafer-Level Elektronik-<br />
Verkapselung auf Basis hermetischer<br />
Ganzglas-Gehäuse eröffnet. Die hermetische<br />
Verschmelzung wird durch einen extrem<br />
präzisen Laser gebildet. Hierbei<br />
wird Glas mit Glas nur an den sich berührenden<br />
Flächen miteinander verbunden<br />
– eine Fläche von nur wenigen Mikrometern<br />
–; alle anderen Oberflächen bleiben<br />
unberührt. Für Bauteile, die mit Glas-Micro-Bonding-Technologie<br />
gekapselt werden,<br />
reicht eine Baugröße von wenigen<br />
Kubikmillimetern aus.<br />
Das Verfahren bietet flexible Implementierungsmöglichkeiten<br />
und kann für<br />
Chip-Scale bis hin zu Wafern von 12“ eingesetzt<br />
werden. Dadurch ist eine Hochskalierung<br />
der Fertigung einfach und kosteneffizient<br />
möglich.<br />
Glas-Micro-Bonding von Schott Primoceler<br />
eignet sich für die Glasverkapselung<br />
von Implantaten und bietet eine echte<br />
hermetische Abdichtung. Speziell entwickelte<br />
Glastypen sind nicht nur biokompatibel,<br />
sondern auch HF-transparent,<br />
was eine drahtlose Daten- und Stromübertragung<br />
ermöglicht. Das hochpräzise<br />
Versiegelungsverfahren generiert so<br />
gut wie keine Wärme und ermöglicht eine<br />
extreme Miniaturisierung sowie die<br />
Fertigung von High-Tech-Bauteilen.<br />
(Bild: Schott Primoceler)<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 31<br />
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■ [ TECHNIK ]<br />
Implantate und Prothesen werden im<br />
Schleppfinisher poliert<br />
Gleitschliff-Verfahren | Ob für Teilbereiche von Hüftimplantaten oder für Prothesen<br />
und Orthesen – automatisierte Gleitschliffprozesse sorgen für glatte, hochglanzpolierte<br />
Oberflächen und reproduzierbare Ergebnisse. Dabei ermöglicht ein Schleppfinisher<br />
von Rösler die präzise Einzelteilbearbeitung von zwölf Hüftschäften gleichzeitig.<br />
Das Polieren der Hüftschäfte erfolgt trocken mit<br />
einem staubarmen Maiszellulose-Produkt<br />
(Bild: MBN Präzisionstechnk)<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Oberflächen<strong>technik</strong><br />
Polieren durch Gleitschleifen<br />
Automatisierung<br />
Reproduzierbarkeit und Nachhaltigkeit<br />
Keramo-Finish-Prozess<br />
Die spanende Herstellung von feinmechanischen<br />
Komponenten und Baugruppen<br />
ist das Metier, dem sich die im<br />
niederösterreichischen Pottendorf ansässige<br />
MBN Präzisions<strong>technik</strong> GmbH seit 20<br />
Jahren widmet. Der Schwerpunkt liegt in<br />
der Produktion von chirurgischen Implantaten<br />
und Instrumenten aus Titan und<br />
Edelstahl. Diese ist weitestgehend automatisiert<br />
und stellt eine lückenlose Rückverfolgbarkeit<br />
vom Rohmaterial bis zum<br />
fertigen Produkt sicher.<br />
Das Polieren der Schafthälse von Hüft -<br />
implantaten erfolgte allerdings bis vor<br />
kurzem noch in Handarbeit durch manuelles<br />
Vor- und Feinschleifen sowie anschließendes<br />
Elektropolieren. Dieser Fertigungsschritt<br />
verursachte nicht nur einen<br />
enormen Zeit-, Personal- und Kostenaufwand,<br />
sondern war auch unter den Aspekten<br />
Reproduzierbarkeit und Nachhaltigkeit<br />
nicht optimal.<br />
Geschäftsführer Thomas Müllner suchte<br />
deshalb bereits seit längerem eine automatisierte<br />
Alternative. „Da nur ein genau<br />
definierter Bereich poliert werden darf<br />
und verschiedene Schafttypen in unterschiedlichen<br />
Größen zu bearbeiten sind,<br />
stellte die Automatisierung eine gewisse<br />
Herausforderung dar.“ Auf Empfehlung<br />
eines Endkunden von MBN folgten Versuche<br />
mit der österreichischen Niederlassung<br />
von Rösler, die sich in unmittelbarer<br />
Nähe befindet und über ein kombiniertes<br />
Versuchs- und Dienstleistungszentrum<br />
verfügt.<br />
Zum Einsatz kam dabei der kompakte<br />
Schleppfinisher R 4/700 SF. Die Plugand-Play-Maschine<br />
verfügt über einen Arbeitsbehälter<br />
mit 700 mm Durchmesser<br />
sowie ein Karussell für vier Arbeitsspin-<br />
deln mit jeweils drei Teileaufnahmen. Karussell<br />
und Arbeitsspindeln werden von<br />
separaten Motoren angetrieben, sodass<br />
deren Bewegungen individuell einstellbar<br />
sind. Die spezielle Gleitschliffanlage ermöglicht<br />
eine sehr präzise und gezielte<br />
Einzelbearbeitung komplex geformter,<br />
hochwertiger Werkstücke. Exakt wiederholbare<br />
Prozessparameter gewährleisten<br />
dabei reproduzierbare Ergebnisse.<br />
Reproduzierbare Ergebnisse<br />
durch Schleppfinishen<br />
„Das umfangreiche Know-how und die Erfahrung<br />
aus dem Lohnbetrieb haben wesentlich<br />
dazu beigetragen, dass wir in den<br />
Schleppfinish-Versuchen sehr schnell einen<br />
zweistufigen Prozess mit den Schritten<br />
Nassschleifen und Trockenpolieren<br />
entwickeln konnten, mit dem wir in kurzen<br />
Bearbeitungszeiten gleichbleibend<br />
gute Ergebnisse erzielen“, so Müllner. Die<br />
nicht zu bearbeitenden Bereiche der Hüftschäfte<br />
werden vor dem Schleifen maskiert<br />
und die Implantate manuell in Werkstückhalterungen<br />
gespannt. Nach dem<br />
Start des entsprechenden Bearbeitungsprogramms<br />
fahren die Spindeln rotierend<br />
in das Bearbeitungsmedium. Für das<br />
Nassschleifen kommt ein Gemisch aus<br />
kunststoffgebundenen Schleifkörpern<br />
unterschiedlicher Geometrien mit abgestimmtem<br />
Compound zum Einsatz.<br />
Das Polieren erfolgt mit einem pflanzlichen<br />
Trockenpoliermedium. Für diesen<br />
Prozessschritt wird der Arbeitsbehälter<br />
einfach ausgetauscht. „Durch den automatischen<br />
Schleppfinish-Prozess konnten<br />
wir einerseits die Qualität und Reproduzierbarkeit<br />
weiter erhöhen. Andererseits<br />
fallen für das Schleifen und Polieren der<br />
32 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: Rösler Oberflächen<strong>technik</strong>)<br />
Der Rundvibrator R 420 EC<br />
wird bei Ottobock mit abgestimmten<br />
Schleifkörpern und<br />
Compounds eingesetzt<br />
Schafthälse nur noch rund ein Drittel der<br />
vorherigen Kosten an. Dadurch amortisierte<br />
sich die Investition bei MBN in rund<br />
drei Jahren.<br />
Keramo-Finish statt<br />
säurebasierter Bearbeitung<br />
Auch für die Ottobock SE, Duderstadt,<br />
war Rösler der Wunschpartner, als neue<br />
Gleitschlifflösungen für eine optimierte<br />
und nachhaltigere Komponentenfertigung<br />
für seine Orthesen und Prothesen<br />
im 2021 eröffneten Produktionswerk in<br />
Blagoevgrad,Bulgarien, gesucht wurden.<br />
So wurde unter anderem eine bisher säurebasierte<br />
Nachbearbeitung für eine<br />
Hochglanzpolitur durch einen maßgeschneiderten<br />
Keramo-Finish-Prozess ersetzt.<br />
Durch den neuen säurefreien Prozess<br />
kann das Prozesswasser im Kreislauf<br />
geführt werden. Dies trägt zu einer spürbaren<br />
Verringerung des Wasser- und<br />
Compoundverbrauchs bei.<br />
Der Polierprozess erfolgt in einem Rösler<br />
Rundvibrator R 780 EC. Durch den<br />
speziell gestalteten Arbeitsbehälter wird<br />
ein gleichmäßiges Fließen der Werkstück-<br />
Schleifkörpermischung erzielt und somit<br />
werden sowohl kleine und empfindliche<br />
Werkstücke als auch große, sperrige Komponenten<br />
schnell und schonend poliert<br />
und separiert. Ein zweiter Rundvibrator R<br />
420 EC wird bei Ottobock mit abgestimmten<br />
Schleifkörpern und Compounds für<br />
ein breites Anwendungsspektrum – vom<br />
Entgraten über das Kantenverrunden bis<br />
zum Glätten der Oberflächen – eingesetzt.<br />
Für die Trocknung der Teile nach<br />
der Gleitschliffbearbeitung setzt Ottobock<br />
einen Rundtrockner mit Direkt-Heizung<br />
ein, der über ein innovatives Wärmeblock-Heizsystem<br />
verfügt.<br />
■<br />
Doris Schulz<br />
Fachjournalistin in Korntal<br />
Kreissegment-Fräser<br />
Die Kreissegment-Fräser aus der Produkt linie<br />
FRANKEN Expert ermöglichen mit ihrer speziellen<br />
Geometrie eine deutliche Reduzierung der<br />
Bearbeitungszeit bei gleichzeitiger Verbesserung<br />
der Oberflächen güte. Vier Geometrien stehen für<br />
eine breite Anwendungsvielfalt zur Verfügung:<br />
Kegel-, Tonnen-, Tropfen- und Linsenform.<br />
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13.–19.09.2022<br />
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Stand H40 H43 H51<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 33
■ [ TECHNIK ]<br />
Sicher steril mit ionisierender Strahlung<br />
Strahlensterilisation | Zur Sterilisation von Medizinprodukten stehen verschiedene<br />
Verfahren und Technologien zur Verfügung. Eine der gängigsten ist die Sterilisation<br />
mit ionisierender Strahlung. Im vorausgehenden Validierungsprozess prüft der Dienstleister<br />
zusammen mit dem Kunden die Anwendung für das jeweilige Produkt.<br />
(Bild: BGS)<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Für Medizinproduktehersteller übernimmt BGS die Sterilisation von Verpackungs- und<br />
Verbrauchsmaterialien bis hin zu hochsensiblen Medizinprodukten<br />
Sterile Medizinprodukte<br />
Strahlensterilisation<br />
Validierungsprozess<br />
Materialauswahl<br />
Dienstleister-Expertise nutzen<br />
Ein Medizinprodukt ist steril, wenn die<br />
statistische Wahrscheinlichkeit, einen<br />
lebensfähigen Mikroorganismus auf<br />
oder in dem Produkt zu finden, kleiner als<br />
1:1000 000 ist. Man spricht von einem<br />
SAL (Sterility Assurance Level) von 10 -6 .<br />
So definiert es die Norm DIN EN 556-1.<br />
Doch selbst bei größter hygienischer<br />
Sorgfalt und kontrollierten Produktionsprozessen<br />
im Reinraum ist es nicht möglich,<br />
ein steriles Produkt herzustellen. Um<br />
einen sterilen Zustand zu erreichen,<br />
müssen die Produkte, beispielsweise Einmalprodukte<br />
für den OP-Bereich wie<br />
Ka.theter, Kanülen, Stents oder Wund -<br />
ab deckungen, nach der Fertigung einen<br />
Sterilisationsprozess durch laufen.<br />
Eine der gängigsten Technologien ist<br />
die Sterilisation mit ionisierender Strahlung.<br />
Die Strahlung schädigt die DNA von<br />
Mikroorganismen, so dass diese zuver -<br />
lässig ihre Reproduktionsfähigkeit verlieren<br />
beziehungsweise absterben. Besonders<br />
häufig wird mit Gammastrahlen, zunehmend<br />
auch mit Elektronenstrahlen<br />
sterilisiert. Röntgenstrahlung (X-Ray)<br />
befindet sich in einer frühen Entwicklungsstufe<br />
und wird hier nicht weiter betrachtet.<br />
Die Strahlensterilisation erlaubt es,<br />
Produkte in ihrer abgedichteten Endverpackung<br />
ohne nennenswerte Temperaturerhöhung<br />
zu sterilisieren. Ein weiterer<br />
Vorteil der Strahlensterilisation liegt in<br />
der zuverlässigen Durchdringungsfähigkeit<br />
der Materialien. Der Hauptunterschied<br />
zwischen Elektronen- und Gam-<br />
mastrahlung besteht in der Eindringtiefe<br />
in das Material und der Dosisrate:<br />
• Elektronenstrahlen: hohe Dosisrate<br />
und eingeschränkte Eindringtiefe<br />
• Gammastrahlen: hohe Eindringtiefe<br />
und relativ geringe Dosisrate<br />
Elektronenstrahlen zeichnen sich durch<br />
die Fähigkeit aus, einzelne Verpackungen<br />
innerhalb von wenigen Sekunden zu bestrahlen,<br />
sodass eine ganze LKW-Ladung<br />
innerhalb von wenigen Stunden sterilisiert<br />
werden kann. Im Gegensatz dazu<br />
dauert die Bestrahlung in Gamma-Anlagen<br />
einige Stunden. Gammastrahlen haben<br />
eine hohe Eindringtiefe und durchdringen<br />
komplette Paletten oder Gebinde.<br />
Die zu bestrahlenden Produkte können im<br />
Regelfall direkt auf den Anlieferungspaletten<br />
durch den Bestrahlungsprozess geführt<br />
werden. Sofern die Produkte für eine<br />
Bestrahlung geeignet sind, ist die Sterilisation<br />
mittels Elektronen- oder Gammastrahlen<br />
für zeitlich anspruchsvolle Lieferketten<br />
die beste Wahl. Denn: Nach dem<br />
Bestrahlungsprozess wird die aufgebrachte<br />
Strahlendosis mithilfe der am Produkt<br />
angebrachten Dosimeter überprüft. Entspricht<br />
alles den Vorgaben, ist das Produkt<br />
ohne Wartezeit direkt einsatzbereit.<br />
Validierungsprozess: Vom nicht<br />
sterilen zum sterilen Produkt<br />
Der Bestrahlung geht ein umfangreicher<br />
Validierungsprozess voraus, in dessen<br />
Verlauf der Dienstleister zusammen und<br />
im engen Austausch mit dem Kunden die<br />
Anwendung der Strahlensterilisation für<br />
das jeweilige Produkt prüft. Die Validierung<br />
der Strahlensterilisation ist über die<br />
Verfahrensnorm DIN EN ISO 11137 geregelt<br />
und beschreibt die mikrobiologische<br />
und die dosimetrische Validierung.<br />
In der mikrobiologischen Validierung<br />
wird die Bestrahlungsdosis ermittelt, die<br />
ein nicht steriles Produkt in ein steriles<br />
überführt. Hierzu wird zunächst der mikrobiologische<br />
Ausgangszustand (Bioburden)<br />
an repräsentativen Mustern be-<br />
34 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
SystemTechnologie<br />
stimmt. Im zweiten Teil der mikrobiologischen<br />
Validierung werden Musterteile mit<br />
der so genannten Verifikationsdosis bestrahlt.<br />
Dies dient dazu, den Nachweis zu<br />
erbringen, dass mit dieser Dosis alle Teile<br />
in einen sterilen Zustand überführt werden<br />
können.<br />
Anhand der dosimetrischen Validierung<br />
wird die Dosisverteilung bezogen<br />
auf eine definierte Produktanordnung in<br />
der Verpackung während der Bestrahlung<br />
bestimmt. Danach werden die Routine-<br />
Bestrahlungsbedingungen festgelegt.<br />
Die anwendungstechnische Validierung<br />
dient zur Bewertung der Eigenschaften<br />
des Medizinproduktes und seiner Primärverpackung<br />
nach Abschluss aller Herstellprozesse.<br />
Denn: Durch die Bestrahlung<br />
können sich die Eigenschaften der<br />
eingesetzten Materialien verändern. Um<br />
mögliche Materialveränderungen zu bewerten,<br />
werden unter anderem ausgewählte<br />
Muster mit einer vorher definierten<br />
Maximaldosis bestrahlt.<br />
Bestrahlung von<br />
Kunststoffen<br />
Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften<br />
haben Werkstoffe unterschiedliche<br />
Beständigkeiten gegenüber<br />
Strahlung. Die Bestrahlung<br />
kann in den behandelten Werkstoffen<br />
chemische Reaktionen auslösen.<br />
Dementsprechend ist es von höchster<br />
Relevanz, die möglichen Veränderungen<br />
im Produkt oder in der<br />
Verpackung zu ermitteln. Diese reichen<br />
von leichten Farbveränderungen<br />
bis hin zu Modifikationen der<br />
internen Struktur, die negative Auswirkungen<br />
auf die Funktion haben<br />
können. Eine Übersicht über die Materialbeständigkeit<br />
von Polymeren<br />
gegenüber Bestrahlung ist im Whitepaper<br />
„Sterilisation von Medizinprodukten“<br />
von zu finden:<br />
www.bgs.eu/news/whitepaper/<br />
Material entscheidet über das<br />
Sterilisationsverfahren<br />
Für Hersteller von Medizinprodukten<br />
empfiehlt es sich, der Wahl des Sterilisa -<br />
tionsverfahren schon in der Designphase<br />
des Produkts entsprechende Aufmerksamkeit<br />
zu schenken. Denn ob die Strahlensterilisation<br />
Anwendung finden kann<br />
und die Validierung erfolgreich verläuft,<br />
ist wie bei allen Verfahren mit einer Reihe<br />
von Vorbetrachtungen verbunden, vor allem<br />
Materialfragen. So können Elektronen-<br />
und Gammastrahlen die Materialeigenschaften<br />
der Produkte, insbesondere<br />
bei vielen Polymerwerkstoffen, verändern.<br />
Dies ist abhängig vom Material<br />
selbst und der verwendeten Bestrahlungsdosis.<br />
Hintergrund sind durch die Strahlenenergie<br />
induzierte chemische Reaktionen,<br />
wie Vernetzung oder Abbaureaktionen.<br />
Einige Kunststoffe lassen sich problemlos<br />
bestrahlen, andere weniger gut<br />
oder sind sogar ungeeignet. Glas verfärbt<br />
sich unter Einfluss von ionisierender<br />
Strahlung. Metalle, Metalllegierungen<br />
und Keramik verhalten sich gegenüber<br />
Bestrahlung unauffällig.<br />
Neben der Wahl eines geeigneten Materials<br />
sind weitere Kriterien zur Anwendung<br />
der Strahlensterilisation zu prüfen.<br />
So spielen Produktaufbau und Funktionalität<br />
eine wichtige Rolle bei der Beurteilung.<br />
Weil das komplette Produkt durchstrahlt<br />
wird, empfiehlt sich die Strahlen -<br />
sterilisation zwar grundsätzlich auch bei<br />
schwierigen Geometrien – der Bestrahlung<br />
mit Elektronen sind in Abhängigkeit<br />
vom Aufbau und der Dichte des Produkts<br />
jedoch Grenzen gesetzt. Ebenso spielt eine<br />
mengenmäßige Einordnung der Produkte<br />
eine wichtige Rolle bei der Beurteilung:<br />
Handelt es sich um ein Einzelprodukt<br />
oder um eine Produktfamilie? Und<br />
besteht das Produkt aus einem einzigen<br />
Material oder aus einer Kombination verschiedener<br />
Materialien? Enthalten Produkte<br />
beispielsweise mikroelektronische<br />
Komponenten, ist die Sterilisation mit<br />
Strahlen nicht geeignet, da die Elektronik<br />
zerstört werden würde.<br />
Bei der Auswahl der richtigen Sterilisationsmethode<br />
handelt es sich um eine<br />
Entscheidung, die über die zu erzielende<br />
Sterilität eines Produktes hinausgeht. Neben<br />
der Funktionalität sind auch die Verfügbarkeit<br />
der Sterilisationsverfahren<br />
oder die Zeit bis zum Markteintritt strategische<br />
Parameter, die schon bei der Entwicklung<br />
eines Medizinproduktes erwogen<br />
werden müssen.<br />
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sowie unserer langjährigen<br />
Erfahrung.<br />
GENTHNER SystemTechnologie GmbH<br />
Gewerbestraße 40<br />
75217 Birkenfeld-Gräfenhausen<br />
Tel. +49 7082 79182-0 · info@genthner.com<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 35<br />
www.genthner.com
■ [ TECHNIK ]<br />
Gut oder defekt? Anwendungspartner<br />
für KI-basierte Prüftechnologie gesucht<br />
Qualitätssicherung | Anomaliedetektion: Passt die neue KI-basierte Technologie zu<br />
Ihren Prüfaufgaben? Die Entwickler am Fraunhofer IPK suchen Unternehmen, die<br />
Neu- und Gebrauchtteile für eine Potenzialanalyse einsenden.<br />
Mit KI-basierter optischer Prüfung<br />
lassen sich Defekte an unterschied -<br />
lichsten Bauteilen erkennen<br />
Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI)<br />
lassen sich viele industrielle Prozesse<br />
automatisieren, die bisher auf manuelle<br />
Tätigkeiten angewiesen waren. Dazu<br />
gehören auch Wareneingangskontrolle<br />
oder Qualitätsprüfungen an Bauteilen<br />
und Komponenten. Aber: Die meisten KI-<br />
Systeme nutzen Methoden des überwachten<br />
Lernens, für die große Datenmengen<br />
erforderlich sind. Für viele Unternehmen<br />
sind die zugehörigen Kosten zu hoch, der<br />
Personalaufwand ist enorm.<br />
Eine neuartige Technologie zur KI-basierten<br />
optischen Qualitätskontrolle von<br />
(Bild: Fraunhofer IPK)<br />
industriellen Gütern haben nun Forscher<br />
am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen<br />
und Konstruktions<strong>technik</strong> IPK in<br />
Berlin entwickelt. Um die Lösung für unterschiedlichste<br />
Anwendungen zu testen,<br />
sind Partner aus der Industrie gefragt.<br />
Im Projekt „Viaduct – Aufwandsverkleinerung<br />
von KI-Anwendungen in der<br />
Industrie durch Reduzierung von Trainingsdaten“<br />
haben die Forscher gemeinsam<br />
mit dem armenischen Technologiepartner<br />
Ngene LLC ihren neuen Ansatz<br />
für datenreduzierte KI-Lösungen ent -<br />
wickelt. Die so genannte bildbasierte<br />
Anomaliedetektion soll es Unternehmen<br />
ermöglichen, die Vorteile KI-basierter<br />
Bildverarbeitung in ihre Inspektionsprozesse<br />
einzubinden, ohne dabei große Aufwände<br />
für das Erheben der Trainingsdaten<br />
in Kauf nehmen zu müssen.<br />
Wer die Aufgabe richtig<br />
formuliert, spart viel Aufwand<br />
Möglich macht dies die Umformulierung<br />
der Inspektionsaufgabe: Anstatt nach bereits<br />
bekannten Fehlern zu suchen, lautet<br />
die Aufgabe bei der Anomaliedetektion,<br />
nach jeglichen Abweichungen (Anomalien)<br />
von einem vorab festgelegten Qualitätsstandard<br />
Ausschau zu halten. Dazu<br />
wird die KI mit defektfreien Produkten<br />
trainiert, die naturgemäß in deutlich größerer<br />
Stückzahl vorliegen als defekte Produkte.<br />
Zwar müssen auch die Gutteile zunächst<br />
bildhaft erfasst werden, allerdings<br />
entfällt die sehr zeitaufwendige pixelweise<br />
Annotation von Defekten. Das Fraunhofer-Team<br />
konnte in einer ersten Studie<br />
bereits zeigen, dass auf diese Weise bei<br />
der Datener hebung bis zu 97 % des Aufwands<br />
entfallen können.<br />
Um die neue Technologie an einem<br />
möglichst breiten Spektrum industrieller<br />
Objekte zu erproben, sucht das Fraunhofer<br />
IPK jetzt Anwendungspartner. Interesse<br />
an der Technologie haben bereits ver-<br />
schiedene Unternehmen bekundet, darunter<br />
die Würth Industrie Service GmbH<br />
& Co. KG, die Charité CFM Facility Management<br />
GmbH, die Maschinenfabrik<br />
Bernard Krone GmbH & Co. sowie die Metaq<br />
GmbH.<br />
Solche Produkte sind für<br />
die Potenzialanalyse geeignet<br />
Interessenten werden gebeten, Produkte<br />
oder auch Bauteile einzuschicken, die<br />
dann auf das Anwendungspotenzial untersucht<br />
werden. Dafür müssen bestimmte<br />
Rahmenbedingungen erfüllt sein:<br />
• Gesucht sind Objekte, die in Länge,<br />
Breite und Höhe gut ausgeprägt sind.<br />
• Gebraucht werden mindestens zehn<br />
defektfreie Objekte pro Produkt<br />
• Ebenfalls erforderlich: Mindestens<br />
zehn Objekte mit produktionsbedingten<br />
Defekten pro Produkt.<br />
• Hinsichtlich der Maße darf die längste<br />
Ausprägung mindestens 5 mm und maximal<br />
500 mm betragen.<br />
Teilnehmende Unternehmen erhalten im<br />
Anschluss eine individuelle, kostenfreie<br />
und unverbindliche Potenzialanalyse, wie<br />
sich KI-basierte Bildverarbeitung ohne<br />
großen Aufwand in ihre Inspek -<br />
tionsprozesse integrieren lässt. Das dafür<br />
erstellte Bildmaterial zu den eingesandten<br />
Produkten wird nach Projektabschluss<br />
in einen öffentlich zugänglichen Datensatz<br />
übergehen. Ist keine Veröffentlichung<br />
von Produktbildern gewünscht, ist<br />
dennoch eine Kooperation außerhalb des<br />
Projekts möglich. Auf Wunsch werden die<br />
eingereichten Produkte an die Interessenten<br />
zurückgeschickt.<br />
(op) ■<br />
Das Bundesforschungsministerium fördert<br />
das Projekt Viaduct im Rahmen seiner<br />
Strategien zur Künstlichen Intelligenz sowie<br />
zur Integration der Länder der Östlichen Partnerschaft<br />
in den Europäischen Forschungsraum.<br />
36 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Special<br />
Fertigung<br />
(Bild: Contexo)<br />
Nachhaltige Produktion: Jedes Detail zählt<br />
Messe AMB | Reinigung für Instrumente und 3D-gedruckte Implantate | Werkzeuge – an die Anwendungen angepasst<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 37
■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />
NACHHALTIGE PRODUKTION:<br />
ABLÄUFE NEU AUSRICHTEN<br />
Studie Sustainable Productivity | Um die Produktion nachhaltiger zu machen, kann<br />
Technik – wie zum Beispiel die Digitalisierung – hilfreich sein, sagt Prof. Wolfgang<br />
Boos von der RWTH Aachen. Aber noch wichtiger sei die Einstellung: die Abkehr von<br />
rein finanziellen Erwägungen und das Einbeziehen aller Mitarbeiter.<br />
Ohne Kühlschmierstoffe kommt die Metallbearbeitung<br />
nicht aus. Aber es gibt einfache<br />
Möglichkeiten, die entsorgten Mengen zu<br />
reduzieren – diese zu nutzen, macht die<br />
Produktion nachhaltiger<br />
tet, von Energie, von Rohstoffen, auch<br />
von Arbeitszeit und Arbeitskosten“, sagt<br />
Boos.<br />
(Bild: Jeannette Diel/stock.adobe.com)<br />
Abwarten? Das Thema Nachhaltigkeit<br />
nochmal hintenanstellen... bis man<br />
klarer sieht... Das ist für Prof. Wolfgang<br />
Boos von der RWTH Aachen die schlechteste<br />
aller denkbaren Optionen, denn er<br />
ist der Meinung, dass die Zeit drängt. „Wir<br />
haben es in den rund 70 Jahren nach dem<br />
zweiten Weltkrieg geschafft, mit den Regeln,<br />
denen unsere wirtschaftliche Entwicklung<br />
gefolgt ist, eine Menge kaputtzumachen“,<br />
sagt der geschäftsführende<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Studie zeigt Wege, wie die Produktion<br />
nachhaltiger werden kann<br />
Strategie der kleinen Schritte<br />
Beteiligung aller ist wichtig<br />
Beratung durch Experten nutzen<br />
Oberingenieur am Lehrstuhl für Produk -<br />
tionssystematik am Werkzeugmaschinenlabor<br />
(WZL). Jetzt sei es an der Zeit, nicht<br />
nur zu erkennen, was man besser machen<br />
kann, sondern auch so schnell wie möglich<br />
damit anzufangen. „Ich möchte die<br />
Produktion in diese Richtung lenken“,<br />
sagt Boos. Das versucht er zum Beispiel,<br />
indem er die Inhalte der Studie Sustain -<br />
able Productivity bekannt macht, die zusammen<br />
mit weiteren Fachleuten aus Aachen<br />
entstanden ist.<br />
Sie soll beantworten, was die entscheidenden<br />
Bausteine für eine nachhaltigere<br />
Produktion sein könnten. Dabei gibt es<br />
laut Boos einen Kernpunkt: Bisher ging es<br />
vor allem darum, Kosten zu senken und<br />
die Qualität zu steigern. Alle Kennzahlen,<br />
nach denen in Unternehmen etwas bewertet<br />
wurde, seien daran ausgerichtet gewesen.<br />
„Wir haben uns in diesem Denk -<br />
modell aber viel Verschwendung geleis-<br />
Neben den Finanzen werden<br />
andere Faktoren wichtig<br />
Dem stellen er und die anderen Autoren<br />
der Studie „Sustainable Productivity“ ein<br />
umfangreicheres Modell der Be wertung<br />
gegenüber. Die finanzielle Betrachtung,<br />
mit „F“ abgekürzt, entfällt darin nicht,<br />
aber sie bekommt gewissermaßen<br />
Konkurrenz. Weitere Faktoren werden<br />
in die Waagschale gelegt: E, S und G.<br />
Genauer gesagt, ökologische Effekte (E),<br />
soziale Auswirkungen des unternehmerischen<br />
Handelns (S) und eine innovationsfreundliche<br />
Steuerung (Governance, daher<br />
G), die wirklich innovative Lösungen<br />
erst ermöglichen soll. „Wenn eine Veränderung<br />
Vorteile im finanziellen Bereich,<br />
aber Nachteile in den drei anderen mit<br />
sich bringt, sollte ein Entscheider diesen<br />
Schritt nicht gehen“, so Boos.<br />
Es geht aber nicht nur darum, bestimmte<br />
Entscheidungen zu verhindern.<br />
Umgekehrt zeige sich anhand einer solchen<br />
Bewertung auch, dass selbst kleine<br />
Projekte, die zu mehr Nachhaltigkeit führen,<br />
die entsprechenden Kennzahlen<br />
schon sichtbar verbessern.<br />
Und klein kann wirklich klein heißen,<br />
wie ein konkretes Beispiel aus der Metallbearbeitung<br />
zeigt, „auch wenn das vielleicht<br />
ganz banal klingt“, sagt Boos. Standardmäßig<br />
greife ein Mitarbeiter zum Papiertuch,<br />
um Reste ölgetränkter Späne an<br />
der Maschine zu entfernen. Papier sowie<br />
38 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: WZL RWTH Aachen)<br />
Prof. Wolfgang Boos ist geschäftsführender<br />
Oberingenieur am Lehrstuhl für Produk -<br />
tionssystematik am Werkzeugmaschinen -<br />
labor (WZL)<br />
verschmutzte Späne landen im Restmüll.<br />
Nachhaltigere Alternative: Ein textiler<br />
Lappen, der vom Dienstleister sauber zurückkommt,<br />
eine Reinigung und Wiederverwertung<br />
der Späne und ein Abtrennen<br />
des Öls von Metallresten und Textilien.<br />
„Das sind genau die Schritte, die wir brauchen.<br />
Das summiert sich.“ Allein anhand<br />
einer eher kurzfristigen finanziellen Bewertung<br />
käme so eine Idee sicher nicht<br />
gut weg, da das Papiertuch „erstmal billiger“<br />
zu sein scheint. Im Zusammenhang<br />
mit allen Faktoren, also F, E, S und G, zeige<br />
sich aber, dass der Umstieg langfristig<br />
sinnvoll sei.<br />
Laut Boos gibt es auch schon eine Reihe<br />
von Unternehmen, die solche Schritte<br />
gehen. Das habe sich in der Studie gezeigt,<br />
die auf Input aus rund 300 Betrieben<br />
unterschiedlicher Branchen beruht –<br />
auch die Medizin<strong>technik</strong> war dabei vertreten.<br />
Die Wahrheit dabei ist aber auch:<br />
Die Abkehr von der finanziellen Sicht -<br />
weise ist eine erste große Hürde, die es zu<br />
überwinden gilt.<br />
Gewohnheiten ändern sich nur,<br />
wenn alle im Betrieb mitziehen<br />
Der größte Knackpunkt scheint allerdings<br />
im „S“ zu stecken, im sozialen Mit -<br />
einander, in der Denkweise jedes Einzelnen:<br />
Im Prinzip müssten wirklich alle am<br />
gleichen Strang ziehen, von der Chefetage<br />
bis zum einzelnen Mitarbeiter in der Produktion<br />
– damit nicht doch irgendwo wieder<br />
jemand eine Papierrolle hervorzaubert,<br />
weil das irgendwie schneller geht.<br />
„Es ist sehr menschlich, dass es Zeit<br />
braucht, um eine Gewohnheit abzulegen<br />
und sie durch neue Handlungsweisen zu<br />
ersetzen“, sagt Boos. Und auf dem Weg zu<br />
mehr Nachhaltigkeit wird sich seiner Ansicht<br />
nach in der Produktion an den Technologien<br />
selbst gar nicht so viel ändern.<br />
„Wir müssen sie nur anders nutzen.“<br />
Gute Möglichkeiten dazu bieten seiner<br />
Meinung nach all die Sensoren und Aktoren,<br />
die mit Industrie 4.0 in den Werks -<br />
hallen Einzug halten. „Wir verstehen mit<br />
den Daten, die wir auf diesem Weg bekommen,<br />
die Prozesse viel besser. Das<br />
heißt, wir können uns trauen, sogar einen<br />
Prozess, der robust läuft, anzufassen.“<br />
Bisher lasse man das aus Vorsicht eher<br />
sein. „Nun sehen wir aber, wo die Stellschrauben<br />
sind, um etwas zu verändern<br />
und damit zum Beispiel nachhaltiger zu<br />
arbeiten, in dem wir Verschwendung erkennen<br />
und vermeiden.“<br />
Ist Industrie 4.0 also die Voraussetzung<br />
für eine nachhaltige Produktion? „Die Daten<br />
helfen und schaffen mehr Möglichkeiten“,<br />
sagt Boos. Aber vieles ginge auch<br />
ganz ohne sie, wie das Beispiel mit den<br />
Spänen zeige – und von dieser Sorte gebe<br />
es viele. Ebenfalls ohne Industrie 4.0 könne<br />
ein Fühler am Vorratsbehälter für<br />
Kühlschmierstoffe helfen, rechtzeitig die<br />
Konzentrationen der chemischen Komponenten<br />
anzupassen. „Aber der Alltag sieht<br />
oft so aus, dass tausend Liter umweltschädliche<br />
Kühlschmierstofflösung entsorgt<br />
werden müssen, weil die letzte händische<br />
Untersuchung zu lange her ist und<br />
man dann schon von Weitem riecht, dass<br />
sich Mikroorganismen im Tank vermehrt<br />
haben.“<br />
Es geht also um die kleinen Schritte…<br />
Angesichts zahlreicher Herausforderungen<br />
wie Energiemangel, Rohstoffmangel<br />
oder Lieferkettenproblemen scheint aber<br />
selbst das für Mittelständler oft zu viel<br />
verlangt. Doch die Anforderungen in dieser<br />
Richtung wachsen. „Für die Old Economy<br />
bekommen Sie kaum noch Finanzierungen,<br />
während die Stakeholder sich<br />
stark für Green Fonds oder Start-ups interessieren,<br />
die sich um Nachhaltigkeit<br />
kümmern“, sagt Boos. Anreize aus dieser<br />
Richtung sieht der Produktionsexperte<br />
grundsätzlich positiv. Sie seien jedenfalls<br />
besser als regulatorische Eingriffe. „Es<br />
würde viel zu lange dauern, bis man über<br />
gesetzliche Vorgaben etwas erreicht– und<br />
es könnte gut sein, dass der Effekt dann<br />
wäre, die jeweilige Vorgabe mit möglichst<br />
minimalem Aufwand zu erfüllen.“ Anstöße<br />
seitens der Finanzierer kitzelten mehr<br />
heraus: „Das bringt die Unternehmen dazu,<br />
alle Möglichkeiten zu suchen und zu<br />
nutzen, die sich ihnen bieten.“<br />
Dabei seien die Entscheider nicht auf<br />
sich allein gestellt, es gebe viele Experten<br />
in zahlreichen Institutionen, die fachlich<br />
weiterhelfen können. Hauptsache, es ändere<br />
sich möglichst schnell etwas, damit<br />
nicht alle Maßnahmen zu spät kommen.<br />
Zu spät, um das zu erreichen, was im<br />
Grunde der Antrieb für alle Aktivitäten in<br />
Richtung Nachhaltigkeit ist: die Schäden,<br />
die in den vergangenen rund 70 Jahren<br />
am Ökosystem entstanden sind, „so weit<br />
zu begrenzen, dass auch kommende Generationen<br />
ein lebenswertes Leben führen<br />
können“.<br />
■<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
birgit.oppermann@konradin.de<br />
Über die Studie<br />
Prof. Wolfgang Boos ist einer der<br />
Autoren der Studie Sustainable<br />
Productivity . Deren Ziel: ein neues<br />
Verständnis des Produktivitätsbegriffs<br />
zu erarbeiten, um die Produktionswende<br />
in Richtung Nachhaltigkeit<br />
einleiten zu können. Monetarisierbarer<br />
Mehrwert gehört dazu.<br />
Die Studie zum Download:<br />
http://hier.pro/hYtS0<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 39
■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />
Messe AMB in Präsenz,<br />
digital ergänzt<br />
Branchentreff Metallbearbeitung | Nach der Corona-<br />
Zwangspause findet 2022 wieder die Fachmesse AMB<br />
für die Metallbearbeitung statt. Die Nachfrage ist da –<br />
digitale Angebote versprechen zusätzlichen Nutzen.<br />
Highlights der internationalen Metallbearbeitungsindustrie“<br />
soll auch in diesem Jahr auf der Messe AMB 2022 zu sehen<br />
sein. Mit Stand vom Mai hatten sich laut Landesmesse Stuttgart<br />
1061 Aussteller angemeldet, davon 901 Haupt- und 160 Mitaussteller.<br />
Knapp ein Drittel der Aussteller kommen aus dem Ausland,<br />
was in der Anzahl und auch in der belegten Fläche in etwa<br />
dem Wert der AMB 2018 entspricht.<br />
Digitale Angebote sollen in das Messegeschehen vom 13. bis 17.<br />
September eingebunden werden. Dazu zählt das Online-Ausstellerverzeichnis,<br />
in dem Unternehmen neben statischen Informationen<br />
auch Videos und Animationssequenzen, Produkt-Broschüren<br />
und weiteres Material zum Download anbieten. Auch<br />
interaktive Inhalte oder der Social-Media-Auftritt können hinterlegt<br />
sein. Ansprechpartner für unterschiedliche Zielgruppen lassen<br />
sich hinterlegen, um am Messestand die richtigen Personen<br />
zusammenzubringen.<br />
Lösungsansätze und Konzepte für die Produktion von morgen<br />
werden an den Ständen der AMB-Aussteller zu sehen sein<br />
Über eine im Online-Ausstellerverzeichnis hinterlegte Funktion<br />
lassen sich auch individuelle Thementouren planen. Diese Self-<br />
Guided-Tours werden gesteuert durch zahlreiche Filtermöglichkeiten<br />
zu Exponaten und Anwendungen auf den Messeständen<br />
zu verschiedenen Highlight-Themen.<br />
Vorträge zu täglich wechselnden Themen sind für die Trend-<br />
Lounge im ICS-Foyer geplant. Die aufgezeichneten Inhalte sind<br />
nach der Messe on-demand zugänglich. Schwerpunktthemen<br />
sind hier unter anderem Additive Manufacturing mit dem Werkstoff<br />
Metall, Industrial Security, Digitale Vernetzung, Klimawandel<br />
und Nachhaltigkeit sowie Start-up Pitches.<br />
Die Messe bietet mehrere Sonderschauen und Highlights. Ein<br />
Beispiel ist die Sonderschau Smart Factory im Eingang Ost, die<br />
eine vollautomatisierte und digitalisierte Prozesskette darstellt.<br />
www.messe-stuttgart.de/amb/<br />
(Bild: Landesmesse Stuttgart)<br />
HIGHSPEED, HYGIENE UND WIRTSCHAFTLICHKEIT<br />
Zum Innentitel<br />
Montageanlagen für Medical Devices: Mehr denn je steht die Fertigung von<br />
Medizinprodukten unter wirtschaftlichem Druck. Neue Ideen sollen möglichst<br />
schnell in die Massenfertigung gehen. Gefragt sind Maschinenkonzepte, die<br />
effizient betrieben werden können. Contexo hat jahrelange Erfahrung im Bau<br />
von technisch anspruchsvollen Anlagen. In enger Zusammenarbeit mit dem<br />
Kunden können neue Ideen – vom Neuprodukt bis hin zum neuen Konzept – umgesetzt<br />
werden. „Entwicklungspartnerschaft“ nennt das Geschäftsführer Matthias<br />
Müller. Contexo hat mit seinem modularen Plattformsystem die ideale Basis für<br />
solche Konzepte. Bereits während der Entwicklungsphase stellt Contexo sicher,<br />
dass alle Module den aktuellen Zertifizierungsstandards entsprechen.<br />
(Bild: Contexo)<br />
PROMOTION<br />
Contexo GmbH<br />
Herrenäckerstr. 7-9<br />
73650 Winterbach<br />
Tel.: 07181-606-100<br />
E-Mail: info@contexo-gmbh.de<br />
www.contexo-automation.de<br />
KI in der Produktion<br />
Zykluszeit-Optimierung in der<br />
automatisierten Zerspanung<br />
Ähnliche oder sogar identische Maschinen<br />
mit vergleichbaren Prozessen laufen<br />
häufig nicht auf dem gleichen Produktivitätslevel.<br />
Verluste durch Verschleiß oder<br />
variierende Programmierung haben zur<br />
Folge, dass sich der Leistungsgrad der Maschinen<br />
individuell reduziert. Um mehr<br />
Transparenz über mögliche Optimierungspotenziale<br />
zu schaffen, entwickelte<br />
die Augsburger Plus10 GmbH, ein Spin off<br />
des Fraunhofer IPA, das intelligente und<br />
KI-basierte Software-Tool Darwin. Der intelligente<br />
Machine Benchmark vergleicht<br />
die einzelnen Prozessschritte mehrerer<br />
angeschlossener Maschinen. Daraus erlernt<br />
er einen virtuellen Idealprozess, um<br />
die technischen Nebenzeiten und damit<br />
die Zykluszeit deutlich zu reduzieren und<br />
die Overall Equipment Effectiveness<br />
(OEE) zu verbessern. In der automatisierten<br />
Zerspanung hat die Software bereits<br />
signifikante Optimierungspotenziale ausfindig<br />
gemacht, heißt es.<br />
https://plus10.de<br />
40 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Produzieren mit viel<br />
weniger Energie<br />
Initiative zur Energieeffizienz | Wie lässt sich in der Produktion<br />
der Energieverbrauch senken? Das sollen Beispiele<br />
zeigen – zwei Mal pro Woche via Social Media.<br />
WGP-Präsident Prof. Jens P. Wulfsberg setzt sich für energieeffizientere<br />
Lösungen in der Produktion ein<br />
(Bild: LaFT Hamburg)<br />
Es gibt für sehr viele, auch energieintensive Prozesse bereits<br />
Lösungen, die erheblich Energie sparen helfen. Das Problem<br />
ist, dass sie nicht ausreichend bekannt sind – oder es bisher nicht<br />
für notwendig erachtet wurde, sie einzuführen. Das dürfte sich<br />
mit der Energiekrise ändern“, sagt Prof. Jens P. Wulfsberg, Präsident<br />
der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktions<strong>technik</strong><br />
(WGP). Nun hat die WGP im Sommer 2022 eine Effizienzinitia -<br />
tive gestartet und berichtet in ihrem Linkedin-Kanal zwei Mal<br />
pro Woche über Beispiele. 45 Prozent Einsparung in der Produktion<br />
sind demnach möglich. Das zeige unter anderem die Demofabrik<br />
ETA an der TU Darmstadt.<br />
Die Maßnahmen, die dort greifen, wurden bereits von mehreren<br />
Unternehmen umgesetzt. Aber es gebe noch viel mehr zum Teil<br />
einfach und schnell umsetzbare Maßnahmen mit großem Effekt.<br />
So zeige ein Beispiel, dass das optimierte Regeln raumlufttechnischer<br />
Anlagen in Trockenräumen gut 35 % Energie einsparen<br />
kann. Minimalmengenschmierung wiederum kann die benötigte<br />
Leistung um 28 % senken.<br />
„Die dramatisch veränderte politische, wirtschaftliche und ökologische<br />
Lage zwingt uns, die Evolution hin zu umweltverträglicher<br />
und krisenfester Produktion zu einer Revolution zu machen“,<br />
mahnt Wulfsberg, der auch das Laboratorium Fertigungs<strong>technik</strong><br />
(LaFT) der Universität der Bundeswehr in Hamburg leitet.<br />
Interessierte Unternehmen können in den Maßnahmenpaketen<br />
recherchieren, und WGP-Mitarbeitende passen sie auf<br />
Wunsch kostenfrei ans Unternehmen an .<br />
http://hier.pro/7yj2e<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 41<br />
Medizin_Technik_AA_D_188x133_RZ.indd 1 07.07.22 14:15
■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />
IMPLANTATE: ERST 3D-DRUCK,<br />
DANN PULVER ENTFERNEN<br />
Reinigungsverfahren | Ein Hersteller von künstlichen Hüft- und Kniegelenken suchte<br />
eine Lösung, um Titan-Implantate aus dem 3D-Drucker mikrofein zu reinigen. Ein spe -<br />
zielles Doppelkammer-System auf der Basis des Cyclic Nucleation Process erfüllt alle<br />
Anforderungen.<br />
Die additive Fertigung bietet konstruktive<br />
Freiheiten, die auch für die<br />
Herstellung von Hüft- und Knieimplantate<br />
aus Titan interessant sind. Ein US-amerikanischer<br />
Hersteller, der den 3D-Druck<br />
für seine Produkte nutzt, suchte allerdings<br />
auch nach einer Möglichkeit, die<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Pulverrückstände nach 3D-Druck<br />
■ Verfahren, Anlage und Medien für<br />
Austrag großer Partikelmengen geeignet<br />
■ Standard-Anlagensystem für Reinigung<br />
im AM-Umfeld in Vorbereitung<br />
Poröse Strukturen an Hüftpfannenprothesen,<br />
die in die Knochenzellen<br />
gut einwachsen, lassen sich im<br />
3D-Druck herstellen. Allerdings muss<br />
sichergestellt sein, dass sich Pulverrückstände<br />
aus einer solchen Oberfläche<br />
auch wieder entfernen lassen<br />
(Bild: Stryker)<br />
Implantatbauteile an seinem Standort in<br />
Irland prozesssicher von Pulverrückständen<br />
zu befreien. Das schafft die Voraussetzungen<br />
für die Folgeverarbeitung.<br />
Bei der Recherche stießen die Fachleute<br />
auf das vakuumbasierte Druckwechselverfahren<br />
der zyklischen Nukleation<br />
(auch Cyclic Nucleation Process oder kurz<br />
CNp genannt). Damit lassen sich schwierige<br />
Reinigungsaufgaben an schwer zugänglichen<br />
Stellen lösen. Das Verfahren<br />
hat sich für Nordamerika und Europa die<br />
LPW Reinigungs<strong>technik</strong> GmbH aus dem<br />
schwäbischen Riederich patentieren lassen<br />
– und diese erhielt 2019 die Anfrage<br />
für die Auslegung, Planung und Umsetzung<br />
einer reinigungstechnischen Lösung<br />
für die 3D-gedruckten Implantate.<br />
Aus Grundlagenversuchen sowie anhand<br />
von Erfahrungen aus bereits realisierten<br />
AM-Projekten in Industrie und<br />
Forschung hatte LPW schnell mögliche<br />
Lösungsansätze definiert. Schon 2019<br />
fanden daher die ersten Tests gemeinsam<br />
mit dem US-Hersteller statt.<br />
Das Pulver soll raus – darf<br />
aber der Anlage nicht schaden<br />
Es ging hier im ersten Schritt nicht darum,<br />
filmische oder sonstige Rückstände<br />
aus der Fertigung zu entfernen, sondern<br />
das Titan-Pulver aus dem 3D-Druck. Doch<br />
haben die porösen Bereiche der Implantate<br />
eine immense Oberfläche, und es gilt,<br />
durchaus große Mengen an Rückständen<br />
aus den schwammähnlichen Strukturen<br />
auszutragen. Wenn das gelingt, befinden<br />
sich zahlreiche Partikel im Reinigungsmedium,<br />
und das kann Auswirkungen auf<br />
dessen Stabilität und den Chemieaustrag<br />
haben. Pulverrückstände können auch<br />
Pumpen, Ventilbaugruppen, Armaturen<br />
oder die klassischen Filtrationssysteme<br />
beschädigen. Zudem kann eine Re-Kontamination<br />
auftreten, was in der Prozessentwicklung<br />
ausgeschlossen werden<br />
musste.<br />
Die zentralen Fragen für den Entwurf<br />
der Anlage waren daher:<br />
• Wann tragen wir noch freies Pulver<br />
aus, und ab wann schädigt der Reinigungsschritt<br />
unmittelbar nach dem<br />
Druck schon die Strukturen?<br />
• Wie müssen die Fluid- und Medienaufbereitungssysteme<br />
in einem Serienprozess<br />
ausgelegt werden, damit sie die<br />
spezielle Kontaminationslast und<br />
-menge bewältigen können?<br />
Speziell gefertigte AM-Coupons – Bauteile,<br />
die den späteren Implantaten in wichtigen<br />
Eigenschaften wie dem Material<br />
und der porösen Oberfläche gleichen –<br />
durchliefen im Testzentrum in Riederich<br />
42 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
Über das CNp-Verfahren<br />
Das Reinigungsverfahren Cyclic Nuclea -<br />
tion Process, kurz CNp, wirkt unmittelbar<br />
an der Grenzschicht eines Bauteils. Es ist<br />
in der Lage, Verunreinigungen zu lösen<br />
und verschleppte Restkontaminationen<br />
sicher auszutragen. Es erzielt diese Wirkung<br />
durch gezielte Druckschwankungen<br />
im Bereich der flüssigkeitsspezifischen<br />
Dampfdruckkurve. Diese lassen Dampfblasen<br />
und eine milde Kavitation entstehen.<br />
So reduziert sich beim CNp die Zahl<br />
der Spülbäder im Vergleich zu reinen Ultraschallanwendungen<br />
deutlich.<br />
Das Verfahren wirkt auch in schwer erreichbaren<br />
Innenkonturen, wie sie zum<br />
Beispiel bei 3D-gedruckten-Implantaten<br />
auftreten, oder in feinen Kapillaren im<br />
zweistelligen µm-Bereich.<br />
Mit der Kombination aus Ultraschall und<br />
CNp-als Prozessverstärker lassen sich daher<br />
schwierige Aufgabenstellungen lösen,<br />
wie sie häufig in der Medizin- oder auch in<br />
der Hochvakuum<strong>technik</strong> auftreten.<br />
Im Cyclic Nucleation Process entstehen Dampfblasen und implodieren. Das erzeugt Strömungen an der Grenzschicht zwischen<br />
Flüssigkeit und Material sowie Turbulenzen und mechanische Kräfte, die insgesamt den Reinigungseffekt ergeben<br />
(Bild: LPW)<br />
unterschiedliche Versuchsreihen und<br />
wurden anschließend gewogen. Die Messergebnisse<br />
sollten zeigen, wie viel Pulver<br />
tatsächlich ausgetragen wurde, aber<br />
auch, ob möglicherweise Schäden an den<br />
Bauteilen auftraten – zum Beispiel an den<br />
filigranen Strukturen der Oberfläche.<br />
Kombination zweier Verfahren<br />
war die Lösung<br />
Insgesamt ließ sich die Aufgabe nur mit<br />
der Kombination zweier Verfahren lösen:<br />
Der Schlüssel für die Erreichbarkeit von<br />
Verunreinigungen und deren Austransport<br />
ist demnach CNp – wobei sich der<br />
Prozess durch Ultraschall beschleunigen<br />
lässt. Doch der Ultraschall muss so dosiert<br />
sein, dass er am Bauteil keine ungewollten<br />
Beschädigungen verursacht.<br />
Auf Basis der Versuchsreihen haben<br />
die Experten von LPW mit dem Implantat-<br />
Hersteller im Jahr 2021 schließlich das finale<br />
Anlagensystem ausgearbeitet. Es ist<br />
in Form von zwei identischen vollauto -<br />
matisierten Doppelkammer-Reinigungs -<br />
anlagen konzipiert. Diese werden in die<br />
Prozesskette eingebunden: Auf den Titan-<br />
3D-Druck folgen als erstes das mechanische<br />
Grobentpulvern und das Entfernen<br />
der Druckplatte. Die Anlage von LPW beseitigt<br />
das Pulver in der Innengeometrie<br />
mit dem kombinierten CNp-Ultraschall-<br />
Reinigen. Dann werden locker oder leicht<br />
anhaftende Partikel durch eine Hochtemperaturbehandlung<br />
bei rund 1000 °C, also<br />
einen Sinterprozess, gefestigt.<br />
Nach dem Entfernen der Stützstruktur<br />
werden die Implantate maskiert und<br />
nochmals mechanisch bearbeitet. Es folgen<br />
die finale Reinigung – aktuell in der<br />
klassischen Form durch Ultraschall-Bestandsanlagen,<br />
da durch den Maskierungsprozess<br />
lediglich die Außenkonturen<br />
kontaminiert sind – sowie Sterilisa -<br />
tion und Verpackung.<br />
Die Anlage, die LPW für den ersten Reinigungsschritt<br />
nach dem 3D-Druck entwickelt<br />
hat, reinigt pro Stunde mindestens<br />
drei Chargen mit 50 bis 80 Implantaten.<br />
Wie viele Teile in eine Charge kommen,<br />
hängt vom Implantat-Typ ab. Pulverrückstände<br />
auf den Original-Teilen werden zu<br />
mindestens 99 % entfernt. Das Metallpulver<br />
separiert die Anlage automatisch extern,<br />
um Ablagerungen im laufenden Betrieb<br />
zu verhindern.<br />
Um die Voraussetzungen für die in<br />
Europa und Nordamerika erforderliche<br />
Validierung zu schaffen, musste das LPW-<br />
Anlagensystem Power Jet 530 Twin Medical,<br />
das auch die Basis für die Reinigung<br />
der 3D-gedruckten Implantate bildet, bezüglich<br />
seiner Prozesse und Funktionen<br />
einer Typenabnahme unterzogen werden.<br />
Danach lassen sich die Verfahren und Prozesse<br />
in eine Gesamtprozessvalidierung<br />
übernehmen. Hierzu unterstützte LPW direkt<br />
bei der Durchführung und Formulierung.<br />
Künftige Anwender mit vergleichbaren<br />
Aufgaben profitieren von dieser<br />
Vorarbeit – auch wenn jede Anlage an die<br />
jeweilige Prozesslandschaft angepasst<br />
wird.<br />
Aktuell entsteht bei LPW auch ein<br />
Standardanlagensystem für AM-Aufgabenstellungen<br />
– bisher machen Reinigungsaufgaben<br />
im Umfeld des 3D-Druckes<br />
zwar nur 5 bis 10 % der Anfragen<br />
aus, aber das Interesse aus verschiedenen<br />
Branchen wächst, auch aus der Medizin<strong>technik</strong>.<br />
■<br />
Gerhard Koblenzer<br />
LPW Reinigungssysteme, Riederich<br />
www.lpw-cleaning.de<br />
Auf der Messe AMB: Halle 5, Stand 5D84<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 43
■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />
CHIRURGIE-INSTRUMENTE<br />
RÜCKSTANDSLOS REINIGEN<br />
Reinigungs<strong>technik</strong> | Edelstahlkomponenten für chirurgische Instrumente müssen<br />
zuverlässig und gemäß hoher Anforderungen gereinigt werden. Damit der Prozess<br />
wirtschaftlich laufen kann, ist die Wahl der Anlage und das Einstellen der Parameter<br />
entscheidend, wie sich am Beispiel Gebrüder Zepf Medizin<strong>technik</strong> zeigt.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Teile für Chirurgieinstrumente reinigen<br />
Verbesserte Beschichtung durch neuen<br />
Reinigungsprozess<br />
Wässrige Reinigung mit fleckfreier<br />
Trocknung in einer kompakten Anlage<br />
Fleckenfreie Oberflächen. Diese sind<br />
unverzichtbar, um hochwertige chirurgische<br />
Instrumente herzustellen. „Dabei<br />
spielt die Trocknung eine wichtige<br />
Rolle,“ erklärt Markus Lutter, Leiter Werkstatt<br />
und Produktion bei der Zepf Medizin<strong>technik</strong><br />
GmbH & Co. KG in Dürbheim.<br />
Das Unternehmen fertigt chirurgische<br />
Instrumente für die Knochen- und Wirbelsäulenchirurgie<br />
und kombiniert nach eigenen<br />
Angaben moderne Fertigungsmethoden<br />
und traditionelle Handwerkskunst.<br />
Das Ziel: besonders schneidfähige<br />
und langlebige Instrumente herzustellen.<br />
Die Komponenten für die Instrumente<br />
haben die Mitarbeiter lange Zeit in mehreren<br />
Kleinbecken gereinigt und manuell<br />
mit der Druckluftpistole getrocknet. „Wegen<br />
des Personalaufwands und der steigenden<br />
Stückzahlen war das schon länger<br />
nicht mehr rentabel“, sagt Prokurist Markus<br />
Lippoth. „Als wir zusammen mit unserem<br />
Beschichter bei Versuchen feststellten,<br />
dass eine bessere Vorreinigung der<br />
Edelstahlkomponenten bei uns im Haus<br />
zu direkten Verbesserungen bei der Beschichtung<br />
führt, war es Zeit zu handeln.“<br />
Reinigung muss Anforderungen<br />
gemäß MDR erfüllen<br />
Es galt, einen Reinigungsprozess neu aufzustellen,<br />
der flexibel genug ist für das<br />
breite Teilespektrum und zu einem Reinigungsergebnis<br />
führt, das die Sauberkeitsansprüche<br />
gemäß der europäischen Medizinprodukteverordnung<br />
(Medical Device<br />
Regulation kurz MDR) erfüllt. Ansprüche,<br />
„die es früher so nicht gab,“ wie Juniorchef<br />
Tobias Zepf berichtet.<br />
Diese Anforderungen ließen sich mit<br />
einem Reinigungsprozess umsetzen, der<br />
auf der Spritz-Flutreinigungsmaschine<br />
Mafac Java basiert. Die Entscheidung für<br />
Drehen, Fräsen, Schweißen und Härten.<br />
Schleifen, Polieren und Mattieren. Bearbeitungsrückstände<br />
(links im Bild) aus dem gesamten<br />
Prozess sowie Handschweiß und<br />
Talg muss der Reinigungsprozess von den<br />
Oberflächen der Instrumente entfernen<br />
können (Bild rechts)<br />
diese Maschine fiel bei Zepf, weil die Mafac<br />
– E. Schwarz GmbH & Co. KG aus Alpirsbach<br />
eine gleich- und gegenläufige<br />
Rotation von Spritz- und Korbaufnahmesystem<br />
entwickelt hat, die Maschine eine<br />
Vakuumtrocknung bietet und mit einem<br />
Einkammersystem arbeitet.<br />
Die Mafac-Java-Maschine wird sowohl<br />
zur Zwischen- als auch zur Endreinigung<br />
genutzt. Dabei sorgen Spritz- und Flutvorgänge<br />
für hohe Turbulenzen. In Kombi -<br />
nation mit Temperatur, Reinigungs -<br />
chemie und Zeit lassen sich die Bauteil -<br />
oberflächen so sicher und effektiv reinigen.<br />
Da beim Spritzreinigen Drücke und<br />
bei der Rotationsbewegung Fliehkräfte<br />
auf die Werkstücke wirken, werden diese<br />
als Setzware im Werkstückträger fixiert.<br />
Insgesamt drei Programme, deren Laufzeit<br />
bei durchschnittlich 20 min liegt, stehen<br />
bei Zepf zur Verfügung. „In unserem<br />
Fall geht es beim Reinigen weniger um die<br />
(Bild: Mafac)<br />
44 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: Mafac)<br />
Wenn aufbereitbare<br />
chirurgische<br />
Instrumente<br />
der Risikoklasse<br />
Ir hergestellt<br />
werden, ist nicht<br />
nur eine Reinigungs-<br />
und Aufbereitungsvalidierung<br />
gefordert.<br />
Auch die<br />
Überwachung<br />
und Kontrolle<br />
der Produktionsprozesse<br />
ist<br />
nachzuweisen<br />
dizin<strong>technik</strong> führte die Wahl des richtigen<br />
Reinigers und die Kombination der Verfahrensschritte<br />
zum Erfolg. Testreinigungen<br />
und Prozessoptimierungen haben<br />
sich laut Prokurist Lippoth jedoch gelohnt:<br />
„Ich bin begeistert, wie anpassungsfähig<br />
die Maschinen sind und wie<br />
vielseitig die wässrige Teilereinigung ist.“<br />
Mit der Mafac-Java sei das Unternehmen<br />
für die Zukunft gut aufgestellt. ■<br />
Monika Andreasch<br />
Fachjournalistin in Stuttgart<br />
www.mafac.de<br />
Auf der Messe AMB: Halle 5, Stand A73<br />
Zeit als um die Gründlichkeit,“ sagt Prokurist<br />
Markus Lippoth.<br />
Der Reinigungsprozess hat zwei Phasen.<br />
Während der Reinigungsphase wechseln<br />
sich Spritzen, Spritzfluten und Spritzen<br />
ab. Dabei werden alle Schmutzpartikel<br />
gelöst und über das Fluten entfernt.<br />
Nach einem Impulsblasvorgang und Überhebeprozess,<br />
der eine Medienverschleppung<br />
verhindert, startet Phase Zwei mit<br />
einem Spritzprozess. Dieser zusätzliche<br />
Spülvorgang ist für die Beschichtung<br />
wichtig, da er Reinigerrückstände entfernt<br />
und die Haftbarkeit sichert.<br />
Um Edelstahlkomponenten zu beschichten<br />
oder mit Silikon zu umspritzen,<br />
ist die Trocknung entscheidend. Daher ist<br />
in der Anlage für Zepf die Heißluft-Impulstrocknung<br />
mit einer Vakuumtrocknung<br />
kombiniert. Zunächst werden die<br />
gereinigten Werkstücke über ein rotierendes<br />
Blassystem impulsartig mit hochreiner<br />
Druckluft abgeblasen. Anschließend<br />
erfolgt eine Beaufschlagung mit feinstgefilterter<br />
Heißluft – ebenfalls in Rotation.<br />
Die Vakuumtrocknung bewirkt, dass<br />
selbst in Vertiefungen, engen Bohrungen<br />
oder verborgenen Passagen kein Wasser<br />
übrig bleibt. „Für uns ist das eine zusätzliche<br />
Sicherheit, dass weder Feuchtigkeit<br />
aufblühen noch sich Wasserränder ausbilden<br />
können,“ so Produktionsleiter Lutter.<br />
Um die wässrige Teilereinigung individuell<br />
und prozesssicher auf die Anforderungen<br />
einzustellen, galt es, viele Parameter<br />
anzupassen. Bei Gebrüder Zepf Me-<br />
Über den Hersteller<br />
der Instrumente<br />
Die Gebrüder Zepf Medizin<strong>technik</strong><br />
GmbH & Co. KG wurde 1949 in<br />
Dürbheim nahe Tuttlingen gegründet<br />
und wird als Familienunternehmen<br />
heute in zweiter Generation<br />
geführt. Rund 65 Mitarbeiter tragen<br />
dazu bei, dass Kerrison-Knochenstanzen,<br />
Rongeure, Zangen, Küretten<br />
und endoskopische Schäfte – vor allem<br />
im Hochpreissegment – international<br />
verfügbar sind.<br />
https://gz-medizin<strong>technik</strong>.de<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 45<br />
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■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />
(Bild: Hexagon/G&G Präzisions<strong>technik</strong>)<br />
Der Einsatz präziser<br />
Mess<strong>technik</strong> ist für<br />
G&G die Grundvoraussetzung<br />
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zuverlässige und<br />
hochwertige Produkte<br />
PRÄZISE QUALITÄTSKONTROLLE<br />
BEI DER ORTHESEN-HERSTELLUNG<br />
Künstliche Kniegelenke | Die On-Machine-Messung mit einem Absolute Arm und einem<br />
3D-Laserscanner macht die Herstellung innovativer medizinischer Orthesen sowohl<br />
genauer als auch einfacher. Die neue Gelenke, die G&G Präzisions<strong>technik</strong> mit diesem<br />
Verfahren herstellt, können Fehlstellungen sanfter korrigieren.<br />
Die G&G Präzisions<strong>technik</strong> GmbH mit<br />
Sitz in Süßen bei Göppingen ist ein<br />
junges und dynamisches Unternehmen,<br />
das hochwertige industrielle Fertigung<br />
von Präzisionsteilen aus verschiedenen<br />
Werkstoffen anbietet. Das Unternehmen<br />
übernimmt Projekte unterschiedlicher<br />
Größenordnung, vom Einzelteil bis zur<br />
Kleinserie, in verschiedenen Branchen<br />
wie Luft- und Raumfahrt, Medizin<strong>technik</strong><br />
und Rennsport.<br />
Michael Nonnengässer, Orthopädie<strong>technik</strong>ermeister<br />
und Geschäftsführer der<br />
Nonnengässer Orthopädie Technik in<br />
Donzdorf, wandte sich mit einem ganz<br />
besonderen Anliegen im Bereich der Orthopädie<br />
an Martin Gabriel, Gründer der<br />
G&G Präzisions<strong>technik</strong>. Das Unternehmen<br />
ist einer der führenden Anbieter auf<br />
dem Gebiet der Orthopädie<strong>technik</strong> in der<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Qualitätssicherung<br />
■ Herstellung künstlicher Kniegelenke<br />
■ Langzeitkorrektur der Orthesen<br />
■ On-Machine-Messung mit Absolute Arm<br />
■ Werkstück-Prüfung auf der Maschine<br />
Region und behandelt in seiner täglichen<br />
Arbeit viele Patientinnen und Patienten<br />
mit Varus- und Valgusgonarthrosen, umgangssprachlich<br />
als Kniefehlstellungen<br />
bezeichnet. „Wir waren mit den Ergebnissen<br />
der Langzeitkorrektur der auf dem<br />
Markt befindlichen Orthesen unzufrieden<br />
und suchten nach einem Partner, der eigene<br />
Gelenke entwickelt, die unseren Ansprüchen<br />
gerecht werden”, erinnert sich<br />
Nonnengässer.<br />
Der Gedanke, leicht verstellbare Gelenke<br />
zu haben, ist reizvoll, aber die Umsetzung<br />
ist eine Herausforderung, da diese<br />
Gelenke relativ schmal, klein und leicht<br />
sein sollten. Doch G&G nahm die Herausforderung<br />
an und entwickelte die ersten<br />
Prototypen. „Ich fand das Thema insgesamt<br />
sehr spannend”, erklärt Gabriel. „Es<br />
ist eine neue Herausforderung, die es<br />
nicht jeden Tag gibt, und ich finde es sehr<br />
interessant, neue Dinge zu entwickeln.”<br />
Weniger Schmerzen durch<br />
künstliche Kniegelenke<br />
Vorgefertigte und individuell gefertigte<br />
Orthesen funktionieren nicht immer auf<br />
Anhieb gut. Es ging nicht darum, etwas<br />
völlig Neues zu erfinden, sondern einfach<br />
Dinge zu optimieren, die es schon gibt.<br />
„Man muss das Rad nicht neu erfinden,<br />
aber wenn wir ein Problem erkennen,<br />
müssen wir uns daran machen, um vielleicht<br />
etwas zu verbessern“, erklärt Nonnengässer.<br />
Schließlich gehe es dabei um<br />
die Mobilität der Orthesenträger.<br />
Zielgruppe sind Patientinnen und Patienten<br />
mit osteoarthritischen Kniegelenken,<br />
besser bekannt als typische O-Beine<br />
oder Knick-Kniegelenke. „Diese Symptomatik<br />
verursacht im Alter Schmerzen und<br />
Bewegungseinschränkungen, sodass eine<br />
Operation oft die einzige Lösung darstellt.<br />
Ziel dieser Gelenke oder Orthesen ist es,<br />
eine sanfte Korrektur herbeizuführen und<br />
eine Schmerzlinderung für den Patienten<br />
zu erreichen.”<br />
Die neuen Gelenke, die G&G nun herstellt,<br />
bieten eine Korrektur, ähnlich einer<br />
Zahnspange. „Bei diesen modernisierten<br />
Orthesen wird das Kniegelenk jetzt einfach<br />
nur sanft in seine Position gedrückt,<br />
so wie es sein soll; die Druckpunkte haben<br />
sich durch die Längsverschiebung komplett<br />
verändert”, erklärt Nonnengässer.<br />
„Das Ergebnis ist eine bessere Korrektur<br />
und, viel wichtiger, eine bessere Akzeptanz<br />
bei den Patienten, vor allem, weil wir<br />
die Orthese jederzeit analog zum Therapieverlauf<br />
nachjustieren können und das<br />
Bein nicht unveränderbar fixieren.”<br />
Um dies zu erreichen, müssen die Orthesen<br />
währen der Produktion hochgenau<br />
vermessen und geprüft werden. Dafür set-<br />
46 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: Hexagon/G&G Präzisions<strong>technik</strong>)<br />
zen die Präzisions<strong>technik</strong>-Spezialisten aus<br />
Süßen auf modernste Technik im Bereich<br />
des Messens: Zur Anwendung kommt ein<br />
Absolute Arm der Hexagon Metrology<br />
GmbH, Wetzlar, mit einem Messbereich<br />
von 2000 mm und einer Messgenauigkeit<br />
von weniger als 5 µm. „Das System bietet<br />
uns die Möglichkeit, Werkstücke direkt<br />
auf der Maschine zu prüfen“, so Gabriel.<br />
Mess<strong>technik</strong> verbessert den<br />
Korrektur-Ansatz der Orthese<br />
G&G arbeitet seit vielen Jahren mit Hexagon<br />
zusammen und ist sehr zufrieden.<br />
„Da ein hoher Qualitätsstandard unsere<br />
Leitlinie ist, sichern wir den Qualitätsstandard<br />
unserer Produkte nach DIN EN<br />
ISO 9001 zertifizierten Prozessen durch<br />
unsere umfangreichen Mess- und Prüfsysteme.<br />
Ein wichtiger Grundsatz ist dabei<br />
die Fehlervermeidung, Null-Fehler ist unser<br />
Ziel“, sagt Gabriel. Der Absolute Arm<br />
arbeitet mit einem modularen 3D-Laserscanner,<br />
um die Bauteile zu digitalisieren.<br />
„Auf dieser Grundlage ist vor Beginn des<br />
Fräsprozesses eine Nachrüstung einfach<br />
zu berechnen und eine Best-Fit-Ausrichtung<br />
durchführbar.“<br />
Auch in der Qualitätssicherung setzt<br />
das Unternehmen bereits erfolgreich auf<br />
Mess<strong>technik</strong> von Hexagon. „Aber die Mobilität<br />
unseres Absolute Arms erleichtert<br />
uns jetzt die Arbeit enorm“, erklärt<br />
G&G-Geschäftsführer Gabriel. Es sei nun<br />
nicht mehr nötig, das zu messende Teil<br />
von der Produktionsmaschine wegzu -<br />
nehmen, in den Qualitätsraum zu bringen<br />
und dort die Prüfung durchzuführen.<br />
„Die Mobilität des Arms erlaubt den<br />
Einsatz überall, auch direkt an der<br />
Maschine, an der das Teil gefertigt wird.<br />
Das ist eine unglaubliche Produktivitätssteigerung.“<br />
(su) ■<br />
www.hexagonmi.com<br />
Zur Erstellung einer<br />
Orthese analysiert<br />
das G&G-Team<br />
die Beinstruktur<br />
eines Patienten mit<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 47<br />
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■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />
FORMFRÄSEN: WERKZEUGE AUCH<br />
FÜR EIN KOMPLEXES IMPLANTAT<br />
Titanbearbeitung | 20 Freiformflächen und zahlreiche Hohlkehlflächen an einem<br />
Implantat: Um diese zu fertigen, setzt der Hersteller auf DS-Titanfräser der Tübinger<br />
Paul Horn GmbH. Und auf das Know-how der Mitarbeiter dort.<br />
(Bild: Horn/Sauermann)<br />
Komplexe Geometrien: Die muss ein<br />
Bildhauer Schritt für Schritt im Blick<br />
haben, wenn er aus dem rohen Block die<br />
Statue erschaffen will, die er vor dem<br />
geistigen Auge schon längst vor sich sieht.<br />
Ähnliches kann auch moderne Maschinentechnologie<br />
leisten – sei es, um die<br />
Form für ein komplexes medizinisches<br />
Implantat herzustellen oder für ein<br />
Scheinwerferbauteil für die Automobil -<br />
industrie.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Werkzeuge für die Fertigung eines<br />
komplex geformten Titan-Implantats<br />
Präzision und Know-how<br />
für den Werkzeug- und Formenbau<br />
Supermini-Set zur AMB<br />
Um dieses komplex geformte Titan-Implantat<br />
zu bearbeiten, setzte der Hersteller eine<br />
Reihe unterschiedlicher DS-Titanfräser von<br />
Horn ein<br />
Die Konturen des Produkts zu definieren,<br />
ist dabei immer noch die Aufgabe von<br />
Menschen. Aber erst moderne Fünf-Achs-<br />
Fräsmaschinen ermöglichen die produktive<br />
Bearbeitung, wie sie vor allem im Werkzeug-<br />
und Formenbau gefragt ist. Neben<br />
präzisen Maschinen und der Programmierung<br />
spielen die Werkzeuge eine große<br />
Rolle für die wirtschaftliche Fertigung.<br />
Fräser mit unterschiedlichen<br />
Geometrien sind im Einsatz<br />
Für die Herstellung eines Titan-Implantates<br />
beispielsweise setzt ein Anwender aus<br />
der Medizin<strong>technik</strong> auf die DS- Titanfräser<br />
der Tübinger Paul Horn GmbH. Die Form<br />
des Implantates umfasst zahlreiche Freiformflächen.<br />
Sie weist etwa 20 verschiedene<br />
Radien auf und enthält viele, unter<br />
verschiedenen Winkeln angeordnete<br />
Hohlkehlen.<br />
Um die komplexe Geometrie zu Fräsen,<br />
bietet Horn mit seinem Werkzeugportfolio<br />
und Know-how einige Lösungen.<br />
Zum Schruppen der Form kommt etwa<br />
ein Fräser mit 10 mm Durchmesser und<br />
einem Eckenradius von 0,2 mm in Frage.<br />
Er wird ergänzt durch einen weiteren Fräser<br />
mit 6 mm Durchmesser und 0,5 mm<br />
Eckenradius. Das Schlichten übernimmt<br />
ein Schaftfräser mit 1 mm Durchmesser.<br />
Um weitere Arbeitsgänge auszuführen,<br />
sind eine ganze Reihe DS-Fräser mit<br />
Durchmessern zwischen 0,6 mm und<br />
10 mm im Einsatz. Auch ein Kugelfräser<br />
mit 2 mm und ein Gewindefräser des Typs<br />
DCG mit drei Schneiden werden gebraucht.<br />
Das Werkzeug fräst das unter 35°<br />
geneigte, 8 mm tiefe Durchgangsgewinde<br />
M 3,5 x 0,5 in einem Durchgang.<br />
Als höchst anspruchsvoll erwies sich<br />
das Fräsen zweier kegelförmiger Absätze.<br />
Ihr 43°-Kegel ist etwa 2 mm hoch und<br />
muss in einer geometrisch „perfekten“ Kegelspitze<br />
enden. Diese Forderungen konnte<br />
ein Mikrofräser im Schrupp- und<br />
Schlichtdurchgang erfüllen.<br />
Eine Vielzahl an Fräswerkzeugen des<br />
Tübinger Herstellers führt auch beim Bearbeiten<br />
einer Scheinwerferform zu einem<br />
präzisen Ergebnis. Das Bauteil aus<br />
der Automotive-Industrie ist wegen seiner<br />
unterschiedlichen Flächen, Absätze und<br />
Radien eine echte Herausforderung. Zum<br />
Schruppen kommen unterschiedliche<br />
Hochvorschubfräser des Systems DAH 8<br />
zum Einsatz. Beim Schlichten der Form<br />
setzen die Horn-Techniker auf verschiedene<br />
Varianten des Werkzeugsystems DS.<br />
Neben Kugelfräsern mit verschiedenen<br />
Durchmessern sind auch Kreissegmentfräser<br />
im Einsatz. Diese brauchen beim<br />
Abzeilen von Freiformflächen weniger<br />
Zustellungen als Kugel- oder Torusfräser,<br />
erreichen aber die gleiche Oberflächengüte.<br />
Dies macht sich insbesondere bei<br />
der Bearbeitungszeit bemerkbar.<br />
Spritzgussform fräsen und<br />
dabei Vibrationen vermeiden<br />
Ein anderes Bearbeitungsbeispiel, bei<br />
dem das Know-how im Werkzeug- und<br />
Formenbau gefragt war, ist das Fräsen einer<br />
Spritzgussform. Hier wird für das<br />
Schruppen der Freiformflächen ein Hochvorschubfräser<br />
mit 12 mm Durchmesser<br />
verwendet. Weil diese Fräser eine doppelte<br />
Radiusgeometrie haben, ist der Kraftfluss<br />
in axialer Richtung der Spindel begünstigt.<br />
In radialer Richtung treten dafür<br />
weniger Kräfte auf. Durch diese Geometrie<br />
lassen sich auch bei langen Werkzeugauskragungen<br />
hohe Vorschübe fahren,<br />
ohne dass Vibrationen im Werkzeug auftreten.<br />
Wenn es darum geht, eine Form mit<br />
unterschiedlichen Kugelfräsern zu<br />
schlichten, beeinflussen drei Faktoren die<br />
Oberflächenqualität:<br />
48 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
• Präzision des Werkzeugs,<br />
• leistungsstarke CAM-Software für eine<br />
präzise Bearbeitung sowie<br />
• Rundlaufgenauigkeit des Spannmittels.<br />
Horn fertigt die Fräser-Radien mit einer<br />
Formabweichung von unter ± 5 µm. Wie<br />
wichtig die Präzision ist, zeigte sich beim<br />
Ansetzen unterschiedlicher Fräser an einer<br />
zu schlichtenden Form. Programmiert<br />
wurde diese mit einem 6 mm und einem 4<br />
mm Kugelfräser. Das Resultat waren perfekt<br />
ineinander gehende Übergänge zwischen<br />
den einzelnen Formabschnitten.<br />
Dies ist insbesondere wichtig, wenn verschiedene<br />
Fräser an einem Formübergang<br />
die Schlichtbearbeitung ansetzen.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass das Werkzeugportfolio<br />
des Tübinger Herstellers für<br />
nahezu jede Anwendung beim Fräsen von<br />
Formen und Freiformflächen eine passende<br />
Lösung zu bieten hat.<br />
■<br />
Nico Sauermann<br />
Paul Horn, Tübingen<br />
www.phorn.de<br />
1793053-2.PDF - Januar 5, 2022 x<br />
Supermini-Set auf der Messe AMB<br />
Ein neues Supermini-Set stellt die Paul<br />
Horn GmbH erstmals zur AMB 2022 in<br />
Stuttgart vor. Damit ist das bewährte<br />
Haltersystem mit stirnseitiger Klemmung<br />
nun auch als komplettes Set verfügbar.<br />
Das Halter-Set besteht aus einem Rundschaftklemmhalter<br />
und drei unterschiedlichen<br />
Spannelementen. Diese eignen<br />
sich für die Schneidplattenhöhen des Supermini-Systems,<br />
03, 04 und 05. Der Anwender<br />
kann den Durchmesser des<br />
Rundschaftklemmhalters aus sieben Varianten<br />
zwischen 10 mm und 28 mm<br />
auswählen. Die Spannung erfolgt bei dieser<br />
Haltervariante nicht über die Mantelfläche<br />
der Schneidplatte, sondern über<br />
einen stirnseitigen Spannkeil. Die so erzeugte<br />
höhere Halterkraft der Schneidplatte<br />
macht das Gesamtsystem steifer.<br />
Durch die Spannung erhöht sich auch die<br />
Wiederholgenauigkeit beim Schneidplattenwechsel.<br />
Auch wird der Bauraum besser<br />
genutzt. Dies ist auf Langdrehmaschinen<br />
von Vorteil, da der Anwender den<br />
Schneideinsatz wechseln kann, ohne den<br />
Werkzeughalter auszubauen.<br />
Paul Horn auf der Messe AMB:<br />
Halle 1, Stand 1J10<br />
Das bewährte Haltersystem mit stirnseitiger<br />
Klemmung ist nun auch als<br />
Supermini-Set verfügbar<br />
(Bild: Horn/Sauermann)<br />
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RICHTIGE HAPTIK FÜR GRIFFZONEN<br />
AM CHIRURGIEINSTRUMENT<br />
Profilwalz<strong>technik</strong> | Hochpräzise gerändelte Griffbereiche für chirurgische Werkzeuge lassen<br />
sich spanlos per Profilwalz<strong>technik</strong> herstellen. Das Verfahren ermöglicht eine gleichbleibende<br />
Haptik und sehr gute Optik. Rollwerkzeuge von Emuge-Franken tragen entscheidend dazu bei.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Rändeln von Griffstrukturen an<br />
chirurgischen Instrumenten<br />
Zwei Verfahren für das Profilwalzen<br />
Werkzeugqualität entscheidet<br />
Spezielle Werkzeuge für die Anwendung<br />
Wenn Griffe für Chirurgieinstrumente gerändelt werden, zählen Haptik und<br />
Optik. Kontrolle unterm Mikroskop ist daher angesagt<br />
Das Fingerspitzengefühl der Chirurgen<br />
ist legendär. Das gilt auch dann,<br />
wenn der Mediziner sein Werkzeug in die<br />
Hand nimmt. Kleinste Unterschiede bei<br />
den Griffdurchmessern würde der Chirurg<br />
sofort bemerken. Und: „Wenn die<br />
Griffe nicht ordentlich ausgeformt sind<br />
und die Sauberkeit nicht stimmt, ist die<br />
Haptik eine andere“, ergänzt Tobias<br />
Kuolt, Geschäftsführer der Paul Kuolt<br />
Feinmechanik GmbH & Co. KG in Deilingen.<br />
Das Unternehmen, das sein Vater<br />
Paul Kuolt 1978 gründete, ist auf solche<br />
Anforderungen spezialisiert und bietet als<br />
Lohnfertiger zum Beispiel das Rändeln<br />
der Oberfläche im Griffbereich chirurgischer<br />
Werkzeuge an.<br />
Rändeln? Das ist ein Verfahren, dass<br />
über die Medizin<strong>technik</strong> hinaus wohl eher<br />
weniger bekannt ist. Beim Profilwalzen,<br />
wozu auch das Rändelwalzen zählt, entsteht<br />
eine Profilkontur dadurch, dass Material<br />
verdrängt wird – also durch Kaltmassivumformung<br />
und damit spanlos.<br />
Dabei wird das Negativprofil der Walzen<br />
als Positiv auf dem Werkstück abgebildet.<br />
Für jede Gewindeart, Gewindegröße,<br />
Rändel oder Verzahnung, die so hergestellt<br />
wird, ist ein eigenes Werkzeugpaar<br />
erforderlich. Der Umfang des Rollwerkzeugs<br />
muss dabei ein Vielfaches des Werkstücks<br />
sein. „Da die Abwicklung wieder<br />
zueinander passen muss, benötige ich<br />
zum Beispiel bei verschiedenen Gewindedurchmessern<br />
trotz gleicher Gewindesteigung<br />
stets ein separates Rollenpaar.“ Damit<br />
lassen sich Kerb- und Schrägverzahnungen<br />
ebenso herstellen wie Schnecken<br />
und natürlich Gewinde – über die Kuolt<br />
sagt: „Das ist unser Hauptgeschäft.“<br />
Rändeln: Verfahren mit<br />
Potenzial rund um Tuttlingen<br />
Doch sein Unternehmen ist an der Südwest-Alb<br />
in Deilingen ansässig, das zum<br />
Landkreis Tuttlingen gehört. Diese Region<br />
erreicht die weltweit wohl höchste Dichte<br />
an Herstellern chirurgischer Instrumente.<br />
Und bei deren Herstellung gibt es Aufgaben,<br />
für die das Rändeln „einfach das perfekte<br />
Verfahren“ ist.<br />
Während Hersteller wie Aesculap, der<br />
größte Arbeitgeber in Tuttlingen, meist im<br />
eigenen Haus rändeln, rentiere sich für<br />
die kleineren der rund 600 kleinen und<br />
mittleren Betriebe in der Region eine eigene<br />
Maschine oft nicht, erklärt Kuolt.<br />
„Hier kommen dann wir ins Spiel.“<br />
Aber auch von Unternehmen mit eigenen<br />
Maschinen erhält er Aufträge: nämlich<br />
dann, wenn es um Losgrößen zwischen<br />
20 und 500 Stück geht. „Diese Betriebe<br />
wechseln nicht gerne ihre Werkzeuge,<br />
die standardmäßig für große Serien<br />
verwendet werden.“<br />
Kuolt, der vier Mitarbeiter beschäftigt,<br />
hält über 1200 Werkzeugsätze am Lager<br />
vor. Jeder davon hat einen Wert zwischen<br />
800 und 2500 Euro. Die Vielzahl der Möglichkeiten,<br />
die sich daraus ergeben, hat<br />
für die Auftraggeber Vorteile: „Wenn es<br />
brennt, können wir innerhalb von zwei<br />
Tagen einen Auftrag ausführen“, berichtet<br />
der Geschäftsführer. „Unser Alleinstellungsmerkmal<br />
ist, dass sich mit unseren<br />
Werkzeugsätzen sehr viele Sonderschrau-<br />
(Bild: Emuge-Franken)<br />
50 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
en herstellen lassen.“ Darum sei der<br />
Kundenstamm mit über 500 recht groß.<br />
Die Vorprodukte kommen immer als<br />
Drehteile, auch bei chirurgischen Instrumenten<br />
wie zum Beispiel Pinzetten, die<br />
einen gerändelten Griffbereich haben.<br />
„Die werden nachher vom Kunden durch<br />
Fräsen halbiert und hinten zusammengeschweißt.“<br />
Jedes Werkzeugpaar für den Profilwalzprozess<br />
ist aufgabenspezifisch geschliffen.<br />
Es wird in der genormten Aufnahme<br />
der Walzmaschine befestigt und<br />
eingespurt. Sobald das Walzwerkzeug in<br />
der Maschine rotiert, wird der Walzschlitten<br />
hydraulisch zugestellt. Dabei werden<br />
die beiden rotierenden Werkzeuge mit hohem<br />
Druck gegen das Werkstück gepresst.<br />
So füllen sich nach dem Verdrängungsverhältnis<br />
die Profillücken der Walzen mit<br />
dem auffließenden Werkstoff.<br />
Profilspitzen okay?<br />
Das wird regelmäßig geprüft<br />
Dabei darf das zu verdrängende Material<br />
gerade so viel sein, dass die Profilspitzen<br />
vollständig ausgeformt werden. Deshalb<br />
findet nach dem Einrichten der Werkzeuge<br />
ein Probelauf statt, dessen Ergebnis optisch<br />
per Mikroskop kontrolliert wird.<br />
Beim Rollen entstehen pressblanke<br />
Oberflächen, die sich mit keinem anderen<br />
Verfahren so herstellen lassen. Als weitere<br />
Vorteile nennt Kuolt die Oberflächenverfestigung<br />
im gerollten Profil und den nach<br />
dem Rollenwalzen optimalen Faserverlauf.<br />
„Und natürlich die beim Einstechwalzen<br />
unerreicht kurze Bearbeitungszeit<br />
pro Teil.“ Er erläutert: „Mit einer sehr steifen<br />
Maschine erreiche ich durch Profilwalzen<br />
eine äußerst hohe Form- und<br />
Maßhaltigkeit über die gesamte Charge<br />
hinweg. Alle unsere acht Maschinen erfüllen<br />
diese Voraussetzungen, wobei die<br />
größte über eine Walzkraft von bis zu<br />
25 000 kN verfügt.“<br />
Doch die Kraft allein macht keine perfekte<br />
Oberfläche – nur mit passenden<br />
Werkzeugen ist diese zu erreichen. Die<br />
Werkzeugpaare, die Kuolt nutzt, stammen<br />
mehrheitlich von der Emuge-Franken-Gruppe<br />
aus Lauf und sind oft speziell<br />
für eine Aufgabe ausgelegt.<br />
Zwei mögliche Methoden unterscheidet<br />
man beim Profiwalzen: das Einstechund<br />
das Durchlaufverfahren. Beim Einstechverfahren<br />
wird in einem Prozessschritt<br />
über die gesamte Länge gewalzt.<br />
Die einzige Grenze setzt die Breite der<br />
Rollwerkzeuge – diese liegt bei Kuolt bei<br />
140 mm. Dabei werden die Rollen mit<br />
gleicher Drehzahl in entgegengesetzter<br />
Drehrichtung angetrieben. Auf diese Weise<br />
dreht sich das Werkstück ohne axiale<br />
Verschiebung und erhält so sein Profil.<br />
Für Griffe an den Instrumenten<br />
ist das Einstechwalzen geeignet<br />
Besonders gut geeignet ist das Einstechwalzen<br />
laut Kuolt einerseits für die Herstellung<br />
kurzer Rändel in den Griffbereichen<br />
chirurgischer Instrumente, an -<br />
dererseits auch, um Gewinde mit höchster<br />
Steigungsgenauigkeit herzustellen.<br />
„Hier gibt es keinen Verzug, und die Optik<br />
ist perfekt“, erläutert Michael Sischka, der<br />
für den Werkzeughersteller Emuge-Franken<br />
das südwestliche Baden-Württemberg<br />
und damit auch die Region Tuttlingen<br />
betreut. Für die Einstechrollen liegt<br />
die erzielbare Oberflächengüte bei<br />
R a =0,2 am gewalzten Profil.<br />
Beim zweiten Verfahren, dem Durchlaufwalzen,<br />
wird das Werkstück in Axialrichtung<br />
durch die Werkzeuge trans -<br />
portiert. So lassen sich zum Beispiel Gewindestangen<br />
herstellen. Das Rohma -<br />
terial wandert zwischen den Rollen bis zu<br />
einer Gewindesteigung pro Werkstückumdrehung.<br />
Dafür muss auch das Werkzeug<br />
anders gestaltet sein, wie Sischka erläutert:<br />
„Es besteht aus drei Umformbereichen:<br />
einem Einlaufkegel, einem zylindrischen<br />
Bereich zum Kalibrieren des Profils<br />
und einem Auslaufkegel.“ Das Durchlaufwalzen<br />
wird eingesetzt, wenn das<br />
Profil des Werkstücks länger als die Werkzeugbreite<br />
selbst ist. Bei Kuolt werden so<br />
Werkstücke bis zu einer Länge von 1000<br />
mm gerollt.<br />
„Bei beiden Verfahren kommt es auch<br />
auf den Werkstoff an, der gerollt werden<br />
soll“, sagt Anwendungsingenieur Sischka.<br />
Bei den chirurgischen Werkzeugen zum<br />
Beispiel reicht das Werkstoffspektrum<br />
von Edelstahl bis hin zu Titan. Schwer zu<br />
rollende Werkstoffe mit einer niedrigeren<br />
Bruchdehnung erfordern Rollen aus<br />
hochfesten Stählen – für Werkstücke aus<br />
gut kaltumformbaren Materialien mit einer<br />
Bruchdehnung von über 12 % kommen<br />
ebenso Werkzeuge aus anderen Materialien<br />
in Frage. Auch Prozessparameter<br />
in der Härterei vor dem abschließenden<br />
Schliff spielen eine Rolle, so Sischka.<br />
Vom Know-how und der Erfahrung bei<br />
Emuge-Franken profitieren Anwender<br />
wie Paul Kuolt Feinmechanik. Für Geschäftsführer<br />
Kuolt ist „die Betreuung<br />
durch den Werkzeughersteller beim kundenindividuellen<br />
Profilwalzen ein wichtiger<br />
Parameter“. Was er dabei besonders<br />
schätze, sei der persönliche Kontakt zu<br />
Michael Sischka. Der würde regelmäßig<br />
vorbeischauen, fragen, ob er irgendwo<br />
helfen könne und auch schon mal einen<br />
verschlissenen Werkzeugsatz zum Nachschleifen<br />
im Kofferraum mitnehmen. ■<br />
Jörg Teichgräber<br />
Emuge-Franken, Lauf<br />
(Bild: Emuge-Franken)<br />
www.emuge-franken.com<br />
Spanlos zur perfekten<br />
Oberfläche: Mit<br />
den beiden Rändelrollen<br />
wird beim<br />
Einstechwalzen der<br />
Griffbereich einer<br />
chirurgischen Pinzette<br />
gerändelt.<br />
Ausgangsprodukt<br />
ist stets ein Drehteil<br />
Auf der Messe AMB: Halle 1, Stand H40<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 51
■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />
Super-Kleber, der aus<br />
Misteln stammt<br />
Verbindungs<strong>technik</strong> | In Beeren einer Mistelart findet<br />
sich ein biologischer Klebstoff: Er soll die Samen auf<br />
Bäumen haften lassen, ist aber auch interessant für<br />
medizinische und technische Anwendungen.<br />
In den weißen Mistelbeeren verbirgt sich der Stoff Viszin, der die<br />
Samen an Bäumen haften lässt. Und der klebt ganz schön...<br />
Starke Klebeeigenschaften an den Früchten der Weißbeerigen<br />
Mistel hat ein Team von Forschern des Max-Planck-Instituts<br />
für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam<br />
und der McGill Universität in Kanada entdeckt. Die flexiblen Fasern<br />
der Mistelbeere haften demnach sowohl an Haut und Knorpel<br />
als auch an verschiedenen synthetischen Materialien. Sie<br />
könnten durch einfache Verarbeitung in vielen Bereichen angewendet<br />
werden, sagen die Forscher, beispielsweise als Wundverschlussmittel<br />
in der Biomedizin.<br />
Um die Klebeeigenschaften zu beobachten, trug der Materialwissenschaftler<br />
Dr. Nils Horbelt im Selbstversuch den Mistelkleber<br />
drei Tage an den Fingern: „Anschließend konnte ich das den natürlichen<br />
Zelluloseklebstoff durch einfaches Aneinanderreiben<br />
der Finger wieder ablösen.“<br />
Jede Mistelbeere kann von diesem Viscin genannten Klebstoff einen<br />
bis zu 2 m langen klebrigen Faden produzieren. Damit haften<br />
die Samen der halbparasitären Pflanze an ihren Wirtspflanzen.<br />
Viscinfasern lassen sich durch einfaches Verarbeiten im nassen<br />
Zustand zu dünnen Filmen dehnen oder zu 3D-Strukturen<br />
zusammenfügen.<br />
Der natürliche Superkleber könnte nach Angaben der Wissenschaftler<br />
zum Beispiel Anwendung als Wund verschlussmittel<br />
finden. Er haftet aber auch an Metallen, Glas und Kunststoffen.<br />
Spannend sei auf jeden Fall die Tatsache, dass die Klebeeigenschaften<br />
unter feuchten Bedingungen vollständig reversibel<br />
sind.<br />
„Es bleiben noch viele Fragen zu diesem sehr außergewöhnlichen<br />
Material offen,“ sagt Nils Horbelt, Erstautor einer kürzlich<br />
veröffentlichten Studie. In einem nächsten Schritt wird nun die<br />
Chemie hinter diesem quellfähigen, extrem klebrigen Material<br />
untersucht, um den Klebeprozess in einem zweiten Schritt imitieren<br />
zu können.<br />
(Bild: Nils Horbelt/Max-Planck-Institut für<br />
Kolloid - und Grenzflächenforschung)<br />
Diagnostik<br />
Alternative zur invasiven Probenahme:<br />
Tränen statt Blut für die Diagnose nutzen<br />
Kennzeichnung von Produkten<br />
Markieren mit nanoskaligen<br />
Fluoreszenzschichten<br />
(Bild: Chepko Danil/stock.adobe.com)<br />
Tränen gehören zu den Körperflüssigkeiten,<br />
die sich als Probematerial nicht-invasiv<br />
gewinnen lassen. Das macht sie für die<br />
Diagnostik interessant<br />
Tränen enthalten Substanzen, die auf eine<br />
Erkrankung hinweisen, und solche, die<br />
eine Messung stören können. Wie man<br />
das eine vom anderen trennt und zu Ergebnissen<br />
kommt, hat ein Forscherteam<br />
aus China anhand der Gelbsucht gezeigt.<br />
Die Wissenschaftler haben ein handliches<br />
Testkit entwickelt, um Gelbsucht-Patienten<br />
zu identifizieren – untersucht wurde<br />
dafür nur die Tränenflüssigkeit. Der<br />
Schlüsselfaktor war ein hybrider Sensor,<br />
der Verunreinigungen aus der Probe abtrennt.<br />
Der Ansatz könnte neue Wege für<br />
Früherkennung und Diagnostik anhand<br />
komplexer Körperflüssigkeiten aufzeigen,<br />
wie das Team in einem Artikel in der Zeitschrift<br />
Angewandte Chemie beschreibt.<br />
Ein Vorteil der Tränen-Diagnostik ist die<br />
bequeme, nichtinvasive Probengewinnung.<br />
Als Analysenmethode für enthaltene<br />
Biomoleküle bietet sich die oberflächenverstärkte<br />
Raman-Spektroskopie<br />
(Surface-Enhanced Raman Spectroscopy,<br />
SERS) an. Kompakte Handgeräte stünden<br />
für die direkte Diagnostik beim Patienten<br />
zur Verfügung. Tränen-Bestandteile deaktivieren<br />
jedoch die bisher verfügbaren<br />
SERS-Sensoren rasch, da sie sich darauf<br />
ablagern.<br />
Das Team um Yun Feng (Peking University<br />
Third Hospital), Zhou Yang (University<br />
of Science and Technology Beijing) und<br />
Tie Wang (Tianjin University of Technology<br />
und Chinese Academy of Sciences Beijing)<br />
trennte die störenden Moleküle<br />
durch eine hybride Schicht von Siliziumdioxid-Nanokügelchen<br />
ab.<br />
Mit einer patentierten Entwicklung lassen<br />
sich funktionale Dünnschicht-Coatings<br />
nutzen, um Produkte zu kennzeichnen.<br />
Fluoreszierende Beschichtungen können<br />
je nach Produkt klein- oder großflächig<br />
abgeschieden und die Farbstoffe sparsam<br />
eingesetzt werden und mit einer neun<br />
Nachweistechnologie mittels Handheld-<br />
Fluoreszenzmikroskop nachgewiesen<br />
werden. An der Entwicklung war die Industrieforschungseinrichtung<br />
Innovent<br />
e.V. beteiligt, die Mess<strong>technik</strong> entstand<br />
am Berliner Ferdinand-Braun-Institut<br />
(FBH). In die farbig beschichteten Flächen<br />
können zum Nachverfolgen von Produkten<br />
Individualisierungen wie Logos<br />
oder Barcodes mittels Laser „eingraviert“<br />
werden. Die Technologie basiert auf Plasma-<br />
und Sol-Gel-Beschichtungen. Diese<br />
haften auf einer Vielzahl von Materialien<br />
wie Kunststoffen, Metallen, Glas/Keramik,<br />
Leichtbau- und 3D-Druck-Erzeugnissen.<br />
Aktuell werden weitere Partner gesucht,<br />
um die Technologie künftig wirtschaftlich<br />
nutzbar zu machen.<br />
52 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
(Bild: Fraunhofer IPM)<br />
Rückverfolgung ohne<br />
Markierung<br />
Rückverfolgbarkeit | Das Track&Trace-Fingerprint-Verfahren<br />
ist eine Möglichkeit, Bauteile durch die Produk -<br />
tion zu verfolgen. Das ist nun auch für rotationssymmetrische<br />
Objekte möglich und dient der Qualität.<br />
Die Qualität von Präzisionsbauteilen<br />
über den<br />
gesamten Produktionsprozess<br />
über Werks- oder Unternehmensgrenzen<br />
hinaus durchgehend<br />
zu prüfen, ist nicht trivial.<br />
Geometrie- oder Oberflächendefekte<br />
lassen sich zwar<br />
in der Produktion aufspüren.<br />
Wer jedoch aus wiederkehrenden<br />
Fehlern lernen möchte,<br />
muss in der Lage sein, die<br />
Messdaten intelligent zu nutzen<br />
und sie an jeder Stelle der<br />
Produktion individuellen Bauteilen<br />
zuzuordnen.<br />
Voraussetzung dafür ist eine<br />
Bauteil-Rückverfolgung, in<br />
der Regel mit Barcodes oder<br />
Datamatrixcodes. Bei Präzisionsbauteilen<br />
ist dafür aber<br />
kein Platz. Das am Fraunhofer-<br />
Institut für Physikalische<br />
Mess<strong>technik</strong> IPM entwickelte<br />
Track&Trace-Fingerprint-Verfahren<br />
ist hingegen markierungsfrei:<br />
Es nutzt die individuelle<br />
Mikrostruktur der Bauteiloberfläche<br />
für die Identifikation.<br />
Ein definierter Bereich der<br />
Bauteiloberfläche wird mit einer<br />
Kamera hochaufgelöst<br />
aufgenommen. Aus der Bildaufnahme<br />
mit ihren spezifischen<br />
Strukturen und deren<br />
Rotationssymmetrische Kopfwelle<br />
für ein Dentalinstrument:<br />
Das Track&Trace-Lesesystem<br />
erkennt die filigranen Hochleistungsbauteile<br />
anhand der<br />
Oberflächenstruktur der Mantelfläche<br />
Position wird eine numerische<br />
Kennung errechnet und einer<br />
ID zugeordnet, dem Fingerprint.<br />
Diese Paarung wird in<br />
einer Datenbank hinterlegt.<br />
Zur späteren Identifizierung<br />
wird der Vorgang wiederholt,<br />
ein Datenabgleich liefert die<br />
ID zurück.<br />
Oberfläche erkennbar<br />
auch für runde Teile<br />
Im Projekt ProIQ haben Mitarbeiter<br />
des Fraunhofer-Instituts<br />
für Physikalische Mess<strong>technik</strong><br />
IPM in Freiburg gemeinsam<br />
mit Partnern diese Technologie<br />
nun auch für rotationssymmetrische<br />
Teile verfügbar gemacht.<br />
Als Beispiel verwendeten<br />
sie ein Hochleistungsinjektor-Bauteil<br />
und eine Kopfwelle<br />
für ein filigranes Dentalinstrument<br />
der Projektpartner Robert<br />
Bosch GmbH und Sirona<br />
Dental Systems GmbH.<br />
Eine besondere Herausforderung<br />
war, dass die Bauteile geschliffen<br />
und gehärtet werden,<br />
was die Oberfläche verändert.<br />
Dennoch wurden zum Projektabschluss<br />
mit Ausnahme eines<br />
einzigen, stark beschädigten<br />
Bauteils alle Komponenten sicher<br />
identifiziert. Damit ist die<br />
markierungsfreie Rückverfolgung<br />
anhand der Oberfläche<br />
alternativen Technologien wie<br />
dem Datamatrix-Code überlegen.<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 53
■ [ RECHT ]<br />
Corporate Sustainability Reporting:<br />
Was die EU-Richtlinie CSRD fordert<br />
Nachhaltigkeitsberichte | Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)<br />
entsteht in der EU eine neue Nachhaltigkeitsberichtspflicht für Unternehmen. Nichtbörsennotierte<br />
KMU sind nach heutigem Stand davon nicht direkt betroffen, müssen<br />
aber mit zunehmenden und sehr konkreten Anfragen ihrer Kunden rechnen.<br />
(Bild: Simone Wave/Stocksy /stock.adobe.com)<br />
Wie grün ist ein Unternehmen, gemessen an festgelegten Standards? Das<br />
sollen künftig Berichte zur Nachhaltigkeit zeigen, wie sie die EU fordern will<br />
Nachhaltigkeitsberichte sind an sich<br />
keine neue Erfindung. Traditionell<br />
haben Unternehmen sie bisher auf frei -<br />
williger Basis erstellt und sich dabei an<br />
Berichtsstandards wie dem Deutschen<br />
Nachhaltigkeitskodex (DNK) oder<br />
der Global Reporting Initiative (GRI) orientiert.<br />
Lediglich für börsennotierte<br />
Unternehmen mit mehr als 500 Mitar -<br />
beitenden gab es schon eine gesetzliche<br />
Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die über<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Neue EU-Richtlinie zu Berichten über die<br />
Nachhaltigkeit (CSRD)<br />
Große Unternehmen direkt betroffen,<br />
KMU indirekt auch<br />
Rechtzeitige Vorbereitung empfohlen<br />
die Non-Financial-Reporting-Directive<br />
(NFRD) geregelt ist.<br />
Die Qualität der bislang auf dieser Basis<br />
veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte<br />
blieb vielfach hinter den Erwartungen<br />
der für die Unternehmen relevanten<br />
Anspruchsgruppen zurück. Das lag einerseits<br />
an der starken Heterogenität der Berichterstattung<br />
aufgrund fehlender Standardisierung,<br />
andererseits an fehlenden<br />
belastbaren Daten.<br />
Die geplante neue CSRD soll Teil des<br />
europäischen Sustainable Finance Frameworks<br />
sein, wie vorher schon die EU-Taxonomie<br />
und Sustainable Finance Disclosure<br />
Regulation (SFDR). Das Ziel der neuen<br />
Richtlinie ist, Investitionen in nachhaltige<br />
Wirtschaftsaktivitäten zu lenken.<br />
Die CSRD, die bisher als Entwurf vorliegt,<br />
aktualisiert die Non-Financial Reporting<br />
Directive. Letztere ging mit der<br />
Verabschiedung des CSR-Richtlinien-Um-<br />
setzungsgesetzes (CSR-RUG) durch den<br />
Deutschen Bundestag im Jahr 2017 in<br />
deutsches Recht über.<br />
Mit dem geplanten Update erweitert<br />
sich der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen,<br />
und die Vorgaben sollen es ermöglichen,<br />
Informationen zur Nachhaltigkeit<br />
konsistent und kohärent aufzubereiten<br />
und zu veröffentlichen. Das soll die<br />
Transparenz verbessern und internen und<br />
externen Stakeholdern wie auch Investoren,<br />
Mitarbeitern und Kunden eine verlässlichere<br />
Entscheidungsgrundlage bieten.<br />
Berichtspflichtig sind demnach künftig<br />
nicht mehr nur Unternehmen, die an<br />
der Börse gelistet sind, sondern auch Unternehmen,<br />
die als „große Unternehmen“<br />
eingestuft werden. Dies ist der Fall, wenn<br />
sie zwei der drei der folgenden Kriterien<br />
erfüllen:<br />
• mehr als 250 Mitarbeitende beschäftigen,<br />
• über 40 Mio. Euro Umsatz erzielen<br />
oder<br />
• eine Bilanzsumme von mehr als 20<br />
Mio. Euro erwirtschaften.<br />
Laut Deutschem Nachhaltigkeitskodex<br />
beträfe das rund 15 000 Unternehmen in<br />
Deutschland, die damit berichtspflichtig<br />
wären – darunter auch Krankenhäuser.<br />
Eine vorläufige politische Einigung von<br />
Europäischen Rat und Parlament liegt dazu<br />
seit dem 21. Juni 2022 vor, und eine<br />
formelle Verabschiedung der CSRD wird<br />
zeitnah erwartet. Der Vorschlag des Europäischen<br />
Rates vom Februar 2022 empfiehlt<br />
bei der Einführung der Berichts -<br />
pflicht eine Staffelung der Fristen nach<br />
Unternehmensgröße:<br />
• ab 1. Januar 2024 für Unternehmen,<br />
die bereits der NFRD unterliegen (Bericht<br />
über die Daten von 2024)<br />
• ab 1. Januar 2025 für große Unternehmen,<br />
die derzeit nicht der NFRD unter-<br />
54 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
liegen (Bericht über die Daten von<br />
2025)<br />
• Ab 1. Januar 2026 für börsennotierte<br />
KMU (Bericht über die Daten von<br />
2026)<br />
Die Nachhaltigkeitsberichtserstattung<br />
findet dann ausschließlich im Lagebericht<br />
statt, den mittelgroße und große Kapitalund<br />
Personengesellschaften neben dem<br />
Jahresabschluss veröffentlichen müssen.<br />
Ein unabhängiger, zertifizierter Prüfer<br />
soll den Nachhaltigkeitsbericht begutachten.<br />
Ist das Unternehmen aufgegliedert,<br />
muss die Muttergesellschaft einen Bericht<br />
erstellen, der alle Tochtergesellschaften<br />
umfasst.<br />
CSRD und KMU: Diese Regeln<br />
sollen gelten<br />
Was heißt das nun für kleine und mittlere<br />
Unternehmen? KMU, die kapitalmarktorientiert<br />
und damit direkt berichtspflichtig<br />
sind, dürfen einem vereinfachten Berichtsformat<br />
folgen. Dieser soll sich an Informationen<br />
orientieren, die große Unternehmen<br />
von ihrer Lieferkette erfragen<br />
werden.<br />
Alle anderen kleinen und mittleren Unternehmen<br />
sind eindeutig im ersten<br />
Schritt nicht berichtspflichtig. Sobald sie<br />
aber berichtspflichtige Kunden haben<br />
oder mit Investoren zusammenarbeiten,<br />
die die Vorgaben der CSRD erfüllen müssen,<br />
werden diese mit entsprechenden<br />
Anforderungen an die KMU herantreten.<br />
Nur so werden sie die eigene Berichts -<br />
pflicht und selbst gesteckte Nachhaltigkeitsziele<br />
erfüllen können.<br />
Das, worüber es gemäß der künftigen<br />
CSR-Richtlinie verpflichtend zu berichten<br />
gilt, umfasst alle drei Handlungsfelder<br />
der Nachhaltigkeit, oftmals durch ESG<br />
abgekürzt für die englischen Begriffe Environment,<br />
Social und Governance. Damit<br />
sind im Einzelnen folgende Aspekte gemeint:<br />
• Environment – Umweltschutz, einschließlich<br />
Angaben zu den sechs<br />
Umweltzielen der EU Taxonomie<br />
• Social – Soziale Verantwortung, einschließlich<br />
des Umgangs mit den Beschäftigten,<br />
Chancengleichheit und<br />
Achtung der Menschenrechte<br />
• Governance – einschließlich der Rolle<br />
der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane,<br />
Korruptions- und Bestechungsbekämpfung<br />
und Lobbying-Aktivitäten<br />
Tipps: Auf CSRD vorbereitet sein<br />
Auch wenn die Fristen noch in der Zukunft<br />
liegen, ist es für Unternehmen<br />
sinnvoll, sich zeitnah auf die Berichterstattung<br />
vorzubereiten.<br />
Für einen CSRD-konformen Bericht sind<br />
strategische Entscheidungen zu treffen<br />
und viele Themen mit Akteuren aus unterschiedlichen<br />
Fachabteilungen abzustimmen.<br />
Das braucht seine Zeit.<br />
Mit folgenden Schritten und Maßnahmen<br />
ist ein guter Anfang gemacht:<br />
■ Führen Sie eine Wesentlichkeitsanalyse<br />
oder eine Chancen-Risiken-Analyse<br />
in Bezug auf die Handlungsfelder der<br />
Nachhaltigkeit durch: Umwelt, Soziales<br />
und Governance.<br />
■ Erstellen Sie eine Treibhausgasbilanz<br />
gemäß des Greenhouse Gas Protocol<br />
und erweitern Sie Ihr Energie- und<br />
Umweltdatenmanagement um Treibhausgase.<br />
Die Berechnung des Product<br />
Carbon Footprints (des Treibhausgas-<br />
Dabei soll das Prinzip der Doppelten<br />
Wesentlichkeit (Double Materiality) Beachtung<br />
finden. Es sieht vor, dass sowohl<br />
die positiven als auch die negativen Auswirkungen<br />
der Unternehmensaktivitäten<br />
auf die Umwelt betrachtet werden. Umgekehrt<br />
gehören auch Chancen und Risiken,<br />
wie die Umwelt auf das Unternehmen einwirkt,<br />
dazu.<br />
Gefordert ist ebenfalls eine umfassende<br />
Betrachtung des Geschäftsmodells:<br />
Lässt es sich mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang<br />
bringen, auf das sich die internationale<br />
Staatengemeinschaft im Rahmen des<br />
Pariser Klimaabkommens bereits im Jahr<br />
2015 einigte? Eine Treibhausgas-Bilanz<br />
nach dem Greenhouse Gas Protocol, absolute<br />
und relative Emissionsreduktions -<br />
ziele, geplante Maßnahmen zur Dekarbonisierung<br />
und ein operatives Monitoring<br />
sind dann erforderlich, um mehr Transparenz<br />
über den Grad der Umsetzung zu erhalten.<br />
Wie die Regeln zur CSRD im Einzelnen<br />
aussehen werden, erarbeitet derzeit die<br />
European Financial Reporting Advi sory<br />
Group (EFRAG). Die EU Kommission hat<br />
diese Fachleute damit beauftragt, den<br />
European Sustainability Reporting<br />
Standard (ESRS), also obligatorische Inhalte<br />
und Indikatoren des Berichts festzulegen.<br />
Fußabdrucks eines Produktes) wird Ihnen<br />
helfen, konkrete Kundenanfragen<br />
zu beantworten.<br />
■ Formulieren Sie ein ambitioniertes,<br />
wissenschaftsbasiertes Emissions -<br />
reduktionsziel. Erarbeiten Sie dazu<br />
korrespondierende Maßnahmen, wie<br />
sich der Ausstoß an Treibhausgasen<br />
reduzieren oder ganz vermeiden lässt.<br />
■ Bringen Sie Ihr Datenmanagement<br />
und Controlling in Einklang mit einem<br />
anerkannten Nachhaltigkeitsberichtsstandard.<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />
(DNK) ist mit 20 Kriterien<br />
ein gut strukturierter Rahmen für den<br />
Einstieg, auch für KMU.<br />
■ Professionalisieren und optimieren Sie<br />
die Datenqualität und das Monitoring<br />
Ihrer Hauptemittenten über den Einsatz<br />
von Key Performance Indicators<br />
(KPIs).<br />
Die Vorschläge der EFRAG für den allgemeingültigen<br />
Standard, die so genannten<br />
Working Papers, befinden sich derzeit<br />
in einem öffentlichen Konsultationsprozess,<br />
der bis November 2022 abgeschlossen<br />
sein wird. Sobald die CSRD auf europäischer<br />
Ebene offiziell verabschiedet<br />
wurde, haben die Nationalstaaten 18 Monate<br />
Zeit, diese in nationale Gesetze umzuwandeln.<br />
Bis November 2023 sollen weitere<br />
branchenspezifische Standards und der<br />
vereinfachte KMU-Standard vorliegen.<br />
Fest steht allerdings bereits jetzt, dass Unternehmen<br />
ihren Beitrag zu einer nachhaltigen<br />
Entwicklung und zu den nationalen<br />
und europäischen Klimazielen darzulegen<br />
haben.<br />
■<br />
Mareike Hoffman, Juliane Zenke<br />
Ökotec Energiemanagement, Berlin<br />
Weitere Informationen<br />
Die Ökotec Energiemanagement<br />
GmbH bietet Beratungsdienstleistungen<br />
rund um Klimaneutralität<br />
sowie die Software für Energieeffizienz-Controlling,<br />
Eneffco, an.<br />
www.oekotec.de<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 55
■ [ INNOVATIONEN ]<br />
Knochenplatten auf<br />
den Zahn gefühlt<br />
Prüf<strong>technik</strong> | Für die Lebensdauer prüfung von Implantaten<br />
und chirurgischen Instrumenten werden bei KLS<br />
Martin elekrodynamische Prüfmaschinen eingesetzt.<br />
Die elektrodynamische Prüfmaschine vom Typ LTM eignet sich für<br />
den Test von Knochenplatten<br />
(Bild: Zwick Roell)<br />
Elektrodynamische Prüfmaschinen der LTM-Reihe der Zwick<br />
Roell GmbH & Co. KG, Ulm, sind speziell für die Bestimmung<br />
der Betriebsfestigkeit im Zeit- und Dauerfestigkeitsbereich<br />
an Werkstoffen und Bauteilen konzipiert. Dank des großen Geschwindigkeitsbereichs<br />
können neben statischen Prüfungen<br />
auch die Lebensdauereigenschaften beispielsweise von Knochenplatten<br />
durch zyklische Belastungen ermittelt werden. Hierfür<br />
wurde die Prüfmaschine mit einer speziellen 4-Punkt Biegevorrichtung<br />
ausgestattet, die einen Test gemäß ASTM F382 ermöglicht.<br />
Produktspezifische Prüfungen lassen sich mit individuellen<br />
Aufbauten auf der T-Nutenplatte montieren, was eine<br />
hohe Flexibilität ermöglicht. Die elektrodynamischen Prüfmaschinen<br />
der LTM Reihe stehen mit Kräften von 1, 2, 3, 5 und 10<br />
kN zur Verfügung.<br />
Um Implantate und chirurgische Instrumente auf ihre Lebensdauer<br />
zu prüfen, ist das Verständnis der mechanischen Eigenschaften<br />
der verwendeten Werkstoffe essenziell. Bei der KLS<br />
Martin Group am Standort Mühlheim an der Donau beschäftigten<br />
sich die Ingenieure daher intensiv mit den in der Medizin<strong>technik</strong><br />
gebräuchlichen Materialien. Dazu gehören nicht nur Titan<br />
und Stahl für Instrumente und Implantate, sondern auch resorbierbare<br />
und nicht-resorbierbare Polymere und Polymer-<br />
Compounds. Aus diesem Grund wurde das bereits mit verschiedenen<br />
Prüfmaschinen von Zwick Roell ausgestattete biomechanische<br />
Labor um eine elektrodynamische Prüfmaschine vom Typ<br />
LTM erweitert. Durch ihren ölfreien Antrieb und wegen der einfachen<br />
Installation ist sie sehr gut für den Einsatz in der Medizin<strong>technik</strong><br />
geeignet.<br />
Zwick Roell, Ulm<br />
www.zwickroell.com<br />
Firmenscout (Redaktion/Anzeige)<br />
Aerotech ............................... 58<br />
Alveolix ................................. 14<br />
AOK Nordost ....................... 12<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
Medizin<strong>technik</strong> im VDMA .. 7<br />
Asklepios-Kliniken ............. 20<br />
August Steinmeyer ............ 26<br />
B.Braun ................................. 20<br />
BBS Automation ................... 8<br />
BGS Beta-Gamma-<br />
Service .................................. 34<br />
Bioregio Stern<br />
Management ........................ 8<br />
Bottneuro ............................ 18<br />
BVMed ..................................... 7<br />
Citah ...................................... 12<br />
Clexbio .................................. 16<br />
Cross-Industry Transfor -<br />
mation in Agriculture and<br />
Health (Citah) ..................... 12<br />
Schweizer Zentrum für<br />
Elektronik und<br />
Mikroelektronik (CSEM) ... 16<br />
DFKI ....................................... 13<br />
DMB Technics ............... 17, 49<br />
DMG MORI Global<br />
Marketing ............................60<br />
EMI SAS ................................57<br />
Emuge-Franken-<br />
Gruppe .................................. 50<br />
EMUGE-Werk ......................33<br />
ETH Zürich ........................... 12<br />
Ethicon .................................. 20<br />
Ferdinand-Braun-Institut<br />
(FBH) ..................................... 52<br />
Franke ......................................7<br />
Fraunhofer-Gesellschaft .... 9<br />
Fraunhofer IPK .................... 36<br />
Fraunhofer IPM ................... 53<br />
G&G Präzisions<strong>technik</strong> .... 46<br />
Gemeinsamer Bundes-<br />
ausschuss (G-BA) ............... 12<br />
Genthner GmbH<br />
System Technologie ..........35<br />
GHA – German Health<br />
Alliance ................................... 7<br />
GSC Schwörer GmbH<br />
Antriebs<strong>technik</strong> ..................47<br />
Hartmetall Werkzeugfabrik<br />
Paul Horn ................................2<br />
HAWK ................................... 13<br />
Hexagon Metrology .......... 46<br />
Hubert Stüken ...................19<br />
IMT Information Management<br />
Technology ........ 18, 31<br />
Infoteam Software ............... 8<br />
INNEO Solutions ................53<br />
Innovent ............................... 52<br />
Institut für Textilmaschinen<br />
und Textile Hochleistungswerkstoff<strong>technik</strong><br />
(ITM).....<br />
28<br />
Johnson&Johnson<br />
Medtech ............................... 20<br />
Kahle Automation ................ 8<br />
Landesmesse Stuttgart .... 40<br />
Laubscher Präzision ........... 14<br />
LPW Reinigungs<strong>technik</strong> ... 42<br />
LUKAS-ERZETT ....................47<br />
Mafac – E. Schwarz ............ 44<br />
Maxon Motor ........................3<br />
Max-Planck-Institut für<br />
Kolloid- und Grenzflächenforschung<br />
(MPIKG) ............ 52<br />
MBN Präzisions<strong>technik</strong> .... 32<br />
Mikron Switzerland Agno,<br />
Division Tool ........................15<br />
Nano Retina ........................ 30<br />
Oemeta Chemische<br />
Werke ....................................13<br />
Ökotec Energiemanagement<br />
............................... 20, 55<br />
Ophir Spiricon Europe .......41<br />
Osypka .................................... 8<br />
Ottobock .............................. 32<br />
P.E. Schall .............................59<br />
Paul Horn ............................. 48<br />
Paul Kuolt<br />
Feinmechanik ..................... 50<br />
Plus10 ................................... 40<br />
Polydec SA ............................45<br />
proALPHA Business<br />
Solutions ..............................17<br />
RAUMEDIC .........................5, 8<br />
RCT Reichelt<br />
Chemie<strong>technik</strong>. ...........49, 57<br />
Resourcify ............................ 20<br />
Röchling .................................. 8<br />
Rösler .................................... 32<br />
Schott Primoceler .............. 30<br />
Sembach ..............................29<br />
Smalley Steel Ring<br />
Company ..............................57<br />
STL System<strong>technik</strong><br />
Leber ........................................ 9<br />
Südklinikum Nürnberg ....... 9<br />
Swiss Healthcare<br />
Startups .................................. 8<br />
Swiss Medtech ................... 14<br />
Tsubaki Kabelschlepp ....... 58<br />
TU Dresden .......................... 28<br />
TU München .......................... 9<br />
UNISIG ..................................11<br />
Universitätsklinikum<br />
Bonn ...................................... 10<br />
Universitätsklinikum<br />
Hamburg-Eppendorf<br />
(UKE) ..................................... 20<br />
Universitätsklinikum<br />
Heidelberg ........................... 20<br />
VDE .......................................... 6<br />
WEBER Instrumente ...........9<br />
Wirtschaftsförderung<br />
Region Stuttgart .................. 8<br />
Wissenschaftliche<br />
Gesellschaft für Produk -<br />
tions<strong>technik</strong> (WGP) ........... 41<br />
Werkzeugmaschinen-<br />
labor (WZL),<br />
RWTH Aachen .............. 20, 38<br />
Zentrum für Digitale<br />
Innovation Niedersachsen<br />
(ZDIN) ................................... 12<br />
Zentrum für Digitale<br />
Medizin und Gesundheit<br />
(ZDMG) ................................... 9<br />
Zepf Medizin<strong>technik</strong> ......... 44<br />
ZORN Maschinenbau ........27<br />
Zwick Roell ........................... 56<br />
56 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
medizin&<strong>technik</strong> präsentiert Ihnen<br />
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Qualitäts sicherung Reinraum <strong>technik</strong> Schläuche<br />
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MASCHINENELEMENTE<br />
RCT® Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />
www.rct-online.de<br />
Reichelt Chemie<strong>technik</strong> steht für das Prinzip<br />
„Angebot und Vertrieb der kleinen Quantität“ gepaart<br />
mit einer viele Bereiche umfassenden Produktvielfalt<br />
und einem hohen technischen Beratungsservice.<br />
Das Angebot von Reichelt Chemie<strong>technik</strong> umfasst<br />
ca. 80 000 Artikel, die aus den Bereichen Schlauch<strong>technik</strong>,<br />
Verbindungselemente, Durchfluss<strong>technik</strong>,<br />
Labor <strong>technik</strong>, Halbzeuge, Befestigungselemente,<br />
Filtration und Antriebs<strong>technik</strong> stammen.<br />
Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />
Englerstraße 18, 69126 Heidelberg<br />
Tel. 0 62 21/3 12 50, info@rct-online.de<br />
EMI SAS<br />
www.emi-wissler.com<br />
EMI ist ein französisches Familienunternehmen, das<br />
1995 gegründet wurde und auf die Verarbeitung von<br />
thermoplastischen Kunststoffen spezialisiert ist. Das<br />
Unternehmen beschäftigt 175 Mitarbeiter und liegt im<br />
Dreiländereck (FR-DE-CH). EMI bietet:<br />
- Studie und Co-Entwicklung von Kunststoffteilen<br />
- Herstellung von Werkzeugen<br />
- Spritzgießen von medizinischen Geräten unter ISO8-<br />
Umgebung<br />
- Spritzgießen von technischen Teilen mit Glasfaserverstärkung<br />
und Verbundwerkstoffen<br />
- Montage von Unterbaugruppen und Personalisierung<br />
von Teilen<br />
- Metrologie und Qualitätskontrolle durch Automaten<br />
Smalley Europa<br />
www. smalley.com/de<br />
Das vor mehr als 50 Jahren gegründete Unternehmen<br />
Smalley Steel Ring Company ist zum Weltmarktführer<br />
bei der Fertigung und Entwicklung von Spirolox<br />
Sicherungsringen, Schnappringen mit einheitlichem<br />
Querschnitt und Wellenfedern geworden. Smalley hat<br />
mit der Einführung modernster Produkte die Messlatte<br />
vorgegeben und wird alles dafür tun, dass seine<br />
Innovationen den Weg in die Zukunft auch weiterhin<br />
aufzeigen.<br />
04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 57
ISSN 1863–7604<br />
■ [ INNOVATIONEN ]<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
Verlag:<br />
Konradin-Verlag<br />
Robert Kohlhammer GmbH<br />
Anschrift: Ernst-Mey-Straße 8,<br />
70771 Leinfelden-Echterdingen,<br />
Germany<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
REDAKTION<br />
Chefredakteurin:<br />
Redaktion:<br />
Ständige freie<br />
Mitarbeit:<br />
Redaktionsassistenz:<br />
Layout:<br />
ANZEIGEN<br />
Gesamtanzeigenleiter:<br />
Dr. Birgit Oppermann (op),<br />
Phone +49 711 7594–459<br />
Susanne Schwab (su),<br />
Phone +49 711 7594–444<br />
Sabine Koll (sk),<br />
Daniela Engel,<br />
Phone +49 711 7594–452,<br />
Fax +49 711 7594–1452<br />
E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />
Ana Turina,<br />
Phone +49 711 7594–273<br />
Joachim Linckh,<br />
Phone +49 711 7594–565,<br />
Fax +49 711 7594–1565<br />
Auftragsmanagement: Matthias Rath,<br />
Phone +49 711 7594–323,<br />
Fax +49 711 7594–1323<br />
Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 16 vom 1.10.2021<br />
ABONNEMENTS<br />
Leserservice:<br />
Erscheinungsweise:<br />
medizin&<strong>technik</strong>,<br />
Phone +49 711 7252–209,<br />
E-Mail: konradinversand@zenit-presse.de<br />
6 x jährlich<br />
Bezugspreis:<br />
Inland jährlich 76,20 € inkl. Versandkosten und MwSt;<br />
Ausland: 82,50 € inkl. Versandkosten. Einzelpreis 12,80 €<br />
(inkl. MwSt zzgl. Versand).<br />
Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />
Inland 42,60 € inkl. Versand u. MwSt., Ausland 48,60 € inkl. Versand.<br />
Bestellungen erbitten wir an den Verlag.<br />
Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />
bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />
Bezugszeit:<br />
Das Abonnement kann erstmals vier Wochen zum Ende des<br />
ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach Ablauf des ersten<br />
Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils vier Wochen zum<br />
Quartalsende. Bei Nichterscheinen aus technischen Gründen<br />
oder höherer Gewalt entsteht kein Anspruch auf Ersatz.<br />
AUSLANDSVERTRETUNGEN<br />
Großbritannien/Irland:<br />
Jens Smith Partnership<br />
The Court, Long Sutton<br />
GB-Hook, Hampshire RG 29 1TA<br />
Phone 01256 862589<br />
Fax 01256 862182<br />
E-Mail: jsp@trademedia.info<br />
Japan:<br />
USA:<br />
Mediahouse Inc.<br />
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Kudankita 2-Chome Building Inc. Detlef Fox<br />
2–3–6, Kudankita 5 Penn Plaza, 19th Floor<br />
Chiyoda-ku, Tokyo 102 New York, NY 10001<br />
Phone 03 3234–2161 Phone +1 212 8963881<br />
Fax 03 3234–1140 Fax +1 212 6293988<br />
E-Mail: detleffox@comcast.net<br />
Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors, nicht<br />
unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte keine Gewähr. Alle in medizin&<strong>technik</strong> erscheinenden<br />
Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch<br />
Übersetzungen, vorbehalten. Reproduktionen gleich welcher Art<br />
nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />
Druck: Konradin Druck, Leinfelden-Echterdingen<br />
Printed in Germany<br />
© 2022 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />
Leinfelden-Echterdingen<br />
Digitalisierung<br />
Neues Flachkabelsystem für ein nachhaltiges<br />
Kabelmanagement in Reinräumen<br />
(Bild: Tsubaki Kabelschlepp)<br />
Positioniersysteme<br />
Maschinensteuerung mit Komponenten bietet mehr<br />
als eine reine Bewegungssteuerung<br />
Mit dem Flatveyor ZP verbessert die Tsubaki<br />
Kabelschlepp GmbH, Wenden-Gerlingen,<br />
das Kabelmanagement in Reinräumen:<br />
Die Lösung kombiniert die Vorteile<br />
eines Flachkabelsystems mit der Struktur<br />
einer Energieführungskette. Anwender<br />
sollen von einem einfachen Austausch<br />
von Leitungen profitieren, heißt es. Zudem<br />
können vorhandene Leitungen und<br />
Schläuche eingesetzt werden, was in einer<br />
Kostenreduzierung und mehr Nachhaltigkeit<br />
in der Beschaffung resultiert.<br />
Das System Flatveyor ZP basiert auf besonders<br />
haltbaren und leichtgängigen<br />
Schläuchen, die sich mit einem mitgelieferten<br />
Werkzeug leicht öffnen und schließen<br />
lassen. Diese Zip-Struktur ist flexibel,<br />
öffnet sich aber nicht bei Bewegung. Der<br />
Austausch und die Verwendung von bereits<br />
vorhandenen Leitungen und Schläuchen<br />
soll dank dieser Konstruktion einfach<br />
und bequem möglich sein.<br />
Das freistehende Flachkabelsystem verfügt<br />
über integrierte Stützelemente, die<br />
eine lineare Bewegung mit hoher Geschwindigkeit<br />
erlauben. Die Stützelemente<br />
fungieren als zuverlässige Führungen,<br />
die entlang des vorgesehenen Mindest -<br />
biegeradius in eine Richtung bewegt werden<br />
können, wobei die Kabel und Schläuche<br />
zuverlässig geführt werden.<br />
Flatveyor ZP ist zertifiziert nach ISO-<br />
Reinraumklasse 2 und somit für Produk -<br />
tionsprozesse in hygienesensiblen Branchen<br />
geeignet – zum Beispiel in der Halbleiterindustrie,<br />
Medizin<strong>technik</strong>, Biowissenschaft<br />
und Pharmabranche.<br />
Tsubaki Kabelschlepp, Wenden-Gerlingen<br />
www.kabelschlepp.de<br />
Wer etwas bewegen will, der muss die Bewegung<br />
auch steuern können. Positionierbewegungen<br />
im Nanometerbereich erfordern<br />
eine hochpräzise Steuerung. Aerotech<br />
hat dafür die Steuerungsplattform<br />
Automation1 entwickelt, die im aktuellen<br />
Release 2.2 mit etlichen neuen Features<br />
aufwartet. Sie kann nach Angaben der Aerotech<br />
GmbH, Fürth, die gesamte Peripherie<br />
mit einbinden und soll nach und<br />
nach die bisherigen Steuerungsplattformen<br />
A3200, Ensemble und Soloist ablösen.<br />
Auch andere neue Funktionen in Release<br />
2.2 haben es laut Anbieter in sich. So<br />
wird die bisherige CNC-Bedienoberfläche<br />
durch das neue Machine Apps HMI-Entwicklungstool<br />
ersetzt. Mit dem vollständig<br />
anpassbaren Tool setzt das Unternehmen<br />
mit Hauptsitz in Pittsburgh/USA<br />
neue Maßstäbe bei Benutzerschnittstellen<br />
für Antriebssysteme. Auch für eine nahtlose<br />
Integration von SPS-basierten Systemen<br />
ist mit der Ethercat-Kompatibilität<br />
gesorgt. Damit hat Aerotech die Optionen<br />
für hochpräzise Bewegungsprozesse auf<br />
SPS-Systeme erweitert, wenn diese in einem<br />
herkömmlichen System mit geringerer<br />
Präzision eingebettet sind.<br />
Aerotech, Fürth<br />
www.aerotech.com<br />
(Bild: Aerotech)<br />
58 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022
MEILEN<br />
STEINE<br />
1962<br />
Schall gegen Schnupfen<br />
Der Intra-Schall-Therat Typ<br />
VIII: „Sonderausführung als<br />
Tischapparat für den praktizierenden<br />
Arzt, den Zahnarzt<br />
und den Facharzt“<br />
(Bild: Krankenhausmuseum Bielefeld e.V.)<br />
Überraschende Heilerfolge<br />
„Hallo, wer ist dran?“ Wer aus dem<br />
richtigen Geburtsjahrgang kommt,<br />
kann sich spontan dem Eindruck kaum<br />
entziehen, dass da eine Art Kommunikationsmittel<br />
zu sehen ist. So in der Art<br />
Wählscheiben-Telefon der 1950er Jahre.<br />
Jedoch gehört dieses Stück in die<br />
Sammlung des Krankenhausmuseum<br />
Bielefeld e. V. und ist ein Intraschall-<br />
Therapiegerät.<br />
Es erzeugt ein Schallspektrum von 100<br />
bis 16 000 Hertz und wurde mit verschiedenen<br />
Schallköpfen auf die Haut<br />
aufgesetzt, es war universell einsetzbar,<br />
von Bindehaut- bis Hüftgelenkentzündung.<br />
Beispielsweise verspricht der<br />
Prospekt „überraschende Heilerfolge<br />
(...) bei der Rhinitis, der Sinusitis frontalis<br />
und Sinusitis maxillaris“. Das Gerät<br />
ist vollständig erhalten geblieben,<br />
inklusive der Anleitung, Funktionsbeschreibung,<br />
Indikationsliste und Garantiekarte.<br />
Und ein Test im Jahr 2021<br />
ergab: Es ist auch noch voll funktionsfähig.<br />
Weitere Informationen:<br />
owl.museum-digital.de/object/6592<br />
40. Motek<br />
Internationale Fachmesse<br />
für Produktions- und<br />
Montageautomatisierung<br />
D 04.– 07. Oktober 2022<br />
a Stuttgart<br />
Zum Schluss<br />
Nachhaltig und schön | Der Anblick von Lavendelfeldern ist für<br />
mich verbunden mit der Schönheit der Provence und Urlaubsgefühlen.<br />
Nun wollen Forscher diese Farbenpracht ins Schwabenland,<br />
genauer gesagt auf die Schwäbische Alb bringen. In einem gemeinsamen<br />
Projekt prüfen die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung<br />
Denkendorf, die Uni Hohenheim und das Unternehmen<br />
Naturamus geeignete Lavendelsorten und entwickeln energieeffiziente<br />
Methoden, daraus ätherisches Öl herzustellen. Auch für die<br />
Verwertung der Reststoffe aus der Produktion gibt es schon Ideen:<br />
Aus den feinen Fasern könnten klassische Textilien und aus<br />
den Stängeln gröbere Faserbündel für technische<br />
Anwendungen hergestellt werden. Ob sich die Fasern<br />
irgendwann auch in der Medizin<strong>technik</strong> finden lassen,<br />
ist noch nicht erforscht. Aber ganz sicher werde<br />
ich mir, wenn es soweit ist, vor Ort regelmäßig mein<br />
ganz persönliches Urlaubsgefühl abholen. Ich gebe<br />
Ihnen gerne Bescheid, wenn der schwäbische<br />
Lavendel blüht. Und natürlich auch, sobald es nach -<br />
haltige Lavendel-Hightech-Produkte gibt.<br />
Susanne Schwab<br />
Redakteurin<br />
medizin&<strong>technik</strong><br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 59<br />
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60 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022