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medizin&technik 04.2022

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<strong>04.2022</strong><br />

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für die Medizin<strong>technik</strong><br />

TITELTHEMA<br />

Nachhaltigkeit<br />

In vielen kleinen Schritten zu<br />

nachhaltigeren Medizinprodukten<br />

Seite 20<br />

Hightech aus der Schweiz<br />

Medtech-Branche braucht neue<br />

Strategien im Wettbewerb Seite 14<br />

Textile Medizinprodukte<br />

Herzklappe und Trommelfell-Ersatz<br />

aus textilen Fasern Seite 28<br />

SPECIAL<br />

Fertigung: Spezialwerkzeuge,<br />

Nachhaltige Produktion,<br />

Implantatreinigung Seite 37


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2 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


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Additive Fertigung für<br />

Keramikkomponenten<br />

Nachhaltigkeit: Von Pflicht<br />

bis Herzensangelegenheit<br />

Nachhaltigkeit – man kann fast nicht anders, als diesen Begriff<br />

spontan als Modethema zu bezeichnen. Schnell in einen<br />

Satz eingebaut, kommt immer gut. Aber im Regelfall blüht<br />

Themen dieser Art bald ein schnelles Ende. Die Recherche im<br />

Medizin<strong>technik</strong>-Umfeld führt aber zu Menschen, bei denen etwas<br />

anderes zu hören war: Von einer Herzensange legenheit ist<br />

da die Rede, vom Gefühl persönlicher Verantwortung.<br />

Diese Art von Engagement braucht es, wenn sich das Gesundheitswesen<br />

in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln soll. Denn<br />

der Schwenk von eingefahrenen Gleisen zu etwas Komplexem,<br />

für das so viele Faktoren zu berücksichtigen sind, ist kein<br />

Spaziergang. Doch auch aus der Medizin<strong>technik</strong> gibt es schon<br />

Beispiele, wie man zu Fortschritten kommt. Was Anwender und<br />

Kliniken erwarten und wie Hersteller „einfach anfangen“, stellen<br />

wir Ihnen im Titelthema dieser Ausgabe ab Seite 20 vor. Wie<br />

man zu Nachhaltigkeit in der Produktion kommt, zeigt die Studie<br />

Sustainable Production, über die wir im Special Fertigung<br />

berichten (Seite 38). Müllberge im OP und Ansatzpunkte für<br />

Änderungen beschreibt Prof. Wirtz vom Universitätsklinikum<br />

Bonn aus der Sicht des Mediziners (Seite 10). Und warum rechtliche<br />

Pflichten, die die EU in der Corporate Sustainability<br />

Reporting Directive (CSRD) zusammenfasst, künftig auch kleine<br />

Unternehmen betreffen könne, lesen Sie ab Seite 54.<br />

Reden wir jetzt nur noch über Nachhaltigkeit? Nein, es gibt<br />

natürlich auch andere spannende Themen: seien es die Entwicklung<br />

des Medtech-Standortes Schweiz (Seite 14), ein Venen -<br />

implantat aus dem 3D-Drucker (Seite 16) oder die Reinigung<br />

3D-gedruckter Implantate (Seite 42). Neugierig? Zurecht,<br />

denn auch in diesen Themen steckt mit Sicherheit Herzblut.<br />

Biokompatibel<br />

und robust<br />

Keramik kommt zum Einsatz,<br />

wenn andere Materialien versagen,<br />

wie z.B. in der Medizin<strong>technik</strong>.<br />

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Eine Themenseite zu Nachhaltigkeit in der Medizin<strong>technik</strong><br />

bündelt im Online-Magazin alle Artikel zu diesem Gebiet:<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/nachhaltigkeit-medizin<strong>technik</strong><br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 3<br />

Anzeige_maxon_ceramic_60x270_Medical.indd 1 22.07.2022 11:13:54


20<br />

(Bild: Universitätsklinikum Bonn)<br />

■ Medizin im Dialog<br />

Nachhaltigkeit<br />

Es entsteht zu viel Müll im OP. Deshalb<br />

wünscht sich Prof. Dieter Christian Wirtz,<br />

dass Kliniken und Hersteller mehr über<br />

Nachhaltigkeit nachdenken. ..............10<br />

10<br />

Sonderteil<br />

Hightech aus der<br />

Schweiz<br />

Die Schweiz braucht Strategien für einen<br />

starken Medizin<strong>technik</strong>-Markt ...........14<br />

Venenimplantat aus Tissue Engineering<br />

soll die Durchblutung verbessern .......16<br />

Display nach Maß für medizinische<br />

Anwendungen ...................................17<br />

Start-up und Dienstleister: Gemeinsames<br />

Projekt für die Alzheimer-Diagnose ....18<br />

14<br />

Für ein nachhaltigeres<br />

Gesundheitswesen<br />

setzt sich der<br />

Mediziner Prof.<br />

Dr. Wirtz ein<br />

■ Technik<br />

Entwicklung & Komponenten<br />

Miniatur-Kugelgewindetrieb unterstützt<br />

den Herzschlag ..................................26<br />

Werkstoffe<br />

Textiler Ersatz für Trommelfell<br />

und Herzklappe .................................28<br />

Mikrosystem<strong>technik</strong><br />

Glas-Micro-Bonding verkapselt<br />

die Elektronik im Implantat ...............30<br />

Oberflächen<strong>technik</strong><br />

Implantate und Prothesen im<br />

Schleppfinisher poliert ......................32<br />

Sterilisation<br />

Sicher sterilisiert mit ionisierender<br />

Strahlung ..........................................34<br />

Qualitätssicherung<br />

Anwendungspartner für KI-basierte<br />

Prüftechnologie gesucht ....................36<br />

Special<br />

Fertigung<br />

Übersicht ...........................................37<br />

Nachhaltige Produktion: Abläufe neu<br />

ausrichten, Mitarbeiter einbeziehen ...38<br />

Messe AMB: Im September in Präsenz<br />

und ergänzend digital ........................40<br />

Produzieren mit weniger Energie .......41<br />

Titanimplantate aus dem 3D-Drucker<br />

mikrofein reinigen .............................42<br />

So werden Chirurgie-Instrumente<br />

rückstandslos sauber .........................44<br />

Präzise Qualitätskontrolle bei<br />

der Orthesen-Herstellung ..................46<br />

Formfräsen: Werkzeuge auch für<br />

ein komplexes Implantat ....................48<br />

Profilwalz<strong>technik</strong> sorgt für richtige<br />

Haptik des Chirurgie-Instruments ......50<br />

(Bild: nui7711/stock.adobe.com)<br />

Die Schweiz hat viele<br />

Traditionen. Eine davon<br />

ist die Fertigung erstklassiger<br />

Medizinprodukte<br />

4 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


■ Fokus Forschung<br />

(Bild: Syda Productions/stock.adobe.com)<br />

Titelthema<br />

Verbindungs<strong>technik</strong><br />

Super-Kleber aus Misteln – auch für<br />

die Medizin<strong>technik</strong> interessant ..........52<br />

Rückverfolgbarkeit<br />

So lassen sich Teile auch ohne<br />

Markierung verfolgen ........................53<br />

Nachhaltigkeit für<br />

Medizinprodukte<br />

Wie werden Medizinprodukte nachhal -<br />

tiger? Der beste Weg ist, nicht auf den<br />

großen Plan zu setzen, sondern mit kleinen<br />

Testprojekten zu beginnen. Beispiele<br />

zeigen, wie das aussehen kann ...........20<br />

■ Recht<br />

Corporate Sustainability Reporting<br />

Was die EU-Richtlinie CSRD fordert<br />

und wo sie auch KMU betrifft .............54<br />

Solutions<br />

for life<br />

(Bild: Contexo)<br />

37<br />

Special Fertigung: Messe AMB,<br />

Nachhaltigkeit und Reinigung<br />

Rubriken<br />

Editorial ............................................03<br />

Nachrichten .......................................06<br />

Innovationen .....................................56<br />

Firmenscout ......................................56<br />

Impressum .........................................58<br />

Meilensteine ......................................59<br />

Zum Titelbild: Herstellen, nutzen, verbrennen.<br />

Für kontaminierte Abfälle aus dem Gesundheitsbereich<br />

ist das der einzige Weg. Es<br />

gibt aber auch Medizinprodukte, mit denen<br />

man nachhaltiger umgehen kann – und damit<br />

fangen die Hersteller gerade erst an<br />

(Bild: Syda Productions/stock.adobe.com)<br />

Assembly<br />

& Montage<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 5


■ [ NACHRICHTEN ]<br />

Wege aus dem<br />

MDR-Chaos<br />

EU-MDR | Für Hersteller bedeutet die MDR deutlich<br />

mehr Dokumentationsaufwand. In einem neuen<br />

Positionspapier gibt der VDE Handlungsempfehlungen,<br />

wie und wo die MDR nachgebessert werden muss.<br />

Die neue MDR bringt einen hohen Dokumentationsaufwand<br />

für Medizinprodukte mit sich<br />

Seit 26. Mai 2021 gilt die MDR. Sie regelt, wie Medizinprodukte<br />

in der Europäischen Union auf den Markt gebracht<br />

werden dürfen. Nach einem Jahr Praxis zeigt sich jedoch: Vor allem<br />

für die Hersteller ist die Verordnung viel zu kompliziert. In<br />

der Folge warnen Krankenhäuser vor Engpässen bei der Versorgung<br />

mit lebenswichtigen Medizinprodukten. Der VDE hat daher<br />

das Positionspapier „Europäische Verordnung über Medizinprodukte<br />

(MDR): Empfehlungen zur Umsetzung der Anforderungen“<br />

vorgestellt, das konkret die Probleme bei der praktischen<br />

Umsetzung der MDR benennt und Empfehlungen gibt, wo sie<br />

nachgebessert werden sollte.<br />

Insgesamt leiten die VDE-Experten zu 17 Teilthemen der MDR-<br />

Umsetzung 32 Handlungsempfehlungen für die EU-Kommission,<br />

aber auch für die nationalen zuständigen Behörden sowie Fördergeber<br />

im Bereich der Medizintechnologien ab. So zeigt sich,<br />

dass die Anforderungen, die Medizinprodukte nach der neuen<br />

MDR erfüllen müssen, deutlich gestiegen sind. Der Dokumentationsaufwand<br />

habe so stark zugenommen, dass die Unternehmen<br />

zusätzliches Personal in erheblichem Umfang einstellen<br />

müssen, heißt es. Ein weiteres Problem ist der Zertifizierungsprozess,<br />

da die Zahl der Benannten Stellen bislang geringer ist<br />

als die Zahl Benannter Stellen, die nach den (alten) Medizinprodukterichtlinien<br />

notifiziert waren. Dr. Cord Schlötelburg, Leiter<br />

VDE Health, macht darauf aufmerksam, dass viele Hersteller es<br />

derzeit schwer hätten, eine Benannte Stelle mit freien Kapazitäten<br />

zu finden: „Hier wäre es sinnvoll, eine EU-Servicestelle für<br />

freie Kapazitäten einzuführen. Zudem droht eine ‘Bugwelle‘ an<br />

Rezertifizierungen von Bestandsprodukten zum Ende der MDR-<br />

Übergangsfrist am 26. Mai 2024, die zu einem weiteren Kapazitätsengpass<br />

führen wird.“ Sollte die EU-Kommission nicht zügig<br />

handeln, drohen viele Medizintechnologien „Made in Europe“<br />

nicht mehr auf den Markt zu kommen, so der VDE. Daher empfiehlt<br />

der Verband, eine umfassende Bewertung, welche Auswirkungen<br />

die MDR tatsächlich auf die Patientenversorgung hat.<br />

Zum Positionspapier: www.vde.com<br />

(Bild: zinkevych/stock.adobe.com)<br />

Neues aus dem<br />

Online-Magazin<br />

Neue Themenseite Nachhaltigkeit<br />

Wie Nachhaltigkeit in der Medizin<strong>technik</strong> gelingt<br />

Ressourcen, Lieferketten, Green Production, Kreislaufwirtschaft:<br />

Das Thema Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der auch<br />

den Unternehmen der Medtech-Branche neue Chancen eröffnet,<br />

sie aber auch vor viele Herausforderungen stellt. Fakt ist,<br />

dass sich ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategien immer auf<br />

den gesamten Produktlebenszyklus beziehen sollten – von der<br />

Rohstoffgewinnung über die Fertigung bis zur Entsorgung des<br />

Medizinprodukts.<br />

Für Unternehmen eine große Bandbreite also, um an ein paar<br />

Stellen auf mehr Nachhaltigkeit zu setzen. Welche Ansätze es<br />

dafür bereits gibt, haben wir auf unserer Themenseite „Nachhaltigkeit“<br />

für Sie aufbereitet.<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.industrie.de/nachhaltigkeitmedizin<strong>technik</strong>/<br />

Abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter auf:<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de<br />

Via Twitter: @med_redaktion<br />

Turnuswechsel<br />

Messe Automatica geht 2023<br />

mit Messe Laser an den Start<br />

Anlässlich der Messe Automatica haben 574 Aussteller<br />

im Juni in München ihre Technologien und Neuheiten<br />

präsentiert. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit<br />

wird die Leitmesse für automatisierte, intelligente<br />

Produktion auch im nächsten Jahr ihre Tore öffnen:<br />

Ab 2023 wechselt die Automatica in die ungeraden<br />

Jahre und wird ab dann parallel mit der Laser World<br />

of Photonics veranstaltet.<br />

Beide Weltleitmessen finden erstmals im Juni 2023,<br />

und zwar vom 27. bis 30. Juni, und danach im Zwei-<br />

Jahresturnus zeitgleich und unter einem Dach statt.<br />

Mit diesem Angebot will die Messe München nach eigenen<br />

Angaben nicht nur weiter Attraktivität und<br />

Kundennutzen für Aussteller und Besucher erhöhen.<br />

Die Kombination von zwei starken Leitmessen, die<br />

auf zukunftsträchtigen Trendtechnologien ausgerichtet<br />

sind, zu einem Zeitpunkt soll auch für zusätzliche<br />

Aufmerksamkeit für deren Kernthemen sorgen.<br />

Dr. Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Messe<br />

München: „Sowohl Laser wie auch die Automatica<br />

bieten als Fertigungsgeneralisten Lösungen für alle<br />

Branchen. Und es gibt Schnittmengen, die ausbau -<br />

fähig sind.“<br />

6 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Neue strategische Partnerschaft<br />

VDMA AG Medizin<strong>technik</strong> und BVMed stärken Verbindung<br />

zwischen Herstellern und Zulieferern der Medtech-Branche<br />

Zusammenarbeit auf neuer Basis: BVMed-<br />

Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll (links)<br />

und Niklas Kuczaty, Geschäftsführer der<br />

VMDA-Arbeitsgemeinschaft Medizin<strong>technik</strong><br />

(Bild: BVMed/VDMA)<br />

Der Bundesverband Medizintechnologie<br />

hat die Arbeitsgemeinschaft Medizin<strong>technik</strong><br />

des VDMA (Verband Deutscher Maschinen-<br />

und Anlagenbau) als neues Mitglied<br />

aufgenommen. Laut Dr. Marc-Pierre<br />

Möll, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied<br />

des BVMed, und Niklas Kuczaty, Geschäftsführer<br />

der VDMA Arbeitsgemeinschaft<br />

Medizin<strong>technik</strong>, ist „die BVMed-<br />

VDMA-Allianz Ausdruck einer engen,<br />

strategischen Verbindung zwischen Herstellern<br />

und Zulieferern der Medizin<strong>technik</strong>-Branche.“<br />

Die Partner wollen den gestiegenen<br />

regulatorischen Anforderungen<br />

aus der Medizinprodukte-Verordnung<br />

und weiteren Herausforderungen für die<br />

Medtech-Branche gemeinsam in einem<br />

ganzheitlichen Ansatz gerecht werden.<br />

Um die Herausforderungen der Medtech-<br />

Zulieferer besser zu bewältigen, hat der<br />

BVMed einen neuen Fachbereich Zulieferer<br />

(FBZ) gegründet. Neben den Zuliefer-<br />

Unternehmen des BVMed wird hier auch<br />

die VDMA AG Medizin<strong>technik</strong> aktiv mitarbeiten.<br />

Der BVMed repräsentiert rund 240 Hersteller,<br />

Händler und Zulieferer der Medizin<strong>technik</strong>-Branche<br />

sowie Hilfsmittel-<br />

Leistungserbringer und Homecare-Versorger.<br />

Die VDMA Arbeitsgemeinschaft Medizin<strong>technik</strong><br />

ist das Netzwerk für die Zuliefererindustrie<br />

der Medtech-Branche.<br />

Mit insgesamt über 320 Unternehmen,<br />

Forschungsinstituten und Start-ups bildet<br />

der Verband zuliefererseitig die komplette<br />

Prozesskette der Medizin<strong>technik</strong> ab.<br />

Medical Device Regulation<br />

Neuer GHA-Arbeitskreis Regulatory Ark unterstützt<br />

Medizin<strong>technik</strong>-Hersteller<br />

In der GHA – German Health Alliance,<br />

Berlin und Bonn, ist ein großer Teil der<br />

Unternehmen vereint, die von den Folgen<br />

der neuen Medizinprodukte-Verordnung<br />

betroffen sind. Unterstützung sollen sie<br />

ab sofort durch den neu gegründeten<br />

GHA-Arbeitskreis Regulatory Ark bekommen.<br />

Ende Juni fand das erste digitale Arbeitskreistreffen<br />

statt, an dem zahlreichen<br />

Medizin<strong>technik</strong>-Unternehmen teilnahmen.<br />

Die German Health Alliance sowie andere<br />

Branchenverbände, fordern eine deutliche<br />

Verbesserung und Realisierbarkeit<br />

der MDR-Verordnung. Erhard Fichtner,<br />

Vorstandsvorsitzender der GHA: „Die<br />

neuen Regulierungsvorgaben für Medizinprodukte<br />

stellen eine immense Gefahr<br />

für die gesamte Medtech-Branche in<br />

Deutschland dar. Mit unserem Arbeitskreis<br />

bündeln wir unsere Kompetenzen<br />

und die Erfahrungen der Mitgliedsunternehmen,<br />

um Kernfragen zu lösen und Synergieeffekte<br />

zu nutzen.“ Insbesondere<br />

die Exportlieferungen und somit das Auslandsgeschäft<br />

der meist mittelständischen<br />

Unternehmen seien durch die neuen<br />

Regularien stark gefährdet. Die German<br />

Health Alliance fordert von der Politik<br />

einen deutlichen Kurswechsel, denn<br />

mehr als 66 % der deutschen Medizinprodukte<br />

sind für den Export bestimmt. Die<br />

im Arbeitskreis Regulatory Ark engagierten<br />

Unternehmen laden interessierte Medizin<strong>technik</strong>-Hersteller<br />

ein, sich im Arbeitskreis<br />

die notwendige Unterstützung<br />

zu holen.<br />

Leichter und<br />

kompakter<br />

geht es nicht<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 7


■ [ NACHRICHTEN ]<br />

In Kürze<br />

CE-Kennzeichnung<br />

Die Osypka AG Medizin<strong>technik</strong> aus<br />

Rheinfelden/Baden erhält das erste<br />

CE-Zeichen nach der neuen Medical<br />

Device Regulation für ein Klasse III<br />

Produkt im Bereich Cardiac Rhythm<br />

Management. Seit 1977 entwickelt<br />

und produziert Osypka Klasse III<br />

Medizinprodukte komplett in-house,<br />

und bietet diesen Service, inklusive<br />

Zulassung, auch Auftragskunden im<br />

In- und Ausland an.<br />

Medizinische Konfektion<br />

Seit 2021 ist das Unternehmen A&G<br />

AS, mit Sitz in der estnischen Hauptstadt<br />

Tallinn, Teil der Raumedic Unternehmensfamilie.<br />

Nun wurde der Name<br />

des Unternehmens in Raumedic<br />

Estonia AS umbenannt. Damit tritt<br />

der Standort nun auch öffentlichkeitswirksam<br />

als Teil von Raumedic<br />

auf. Das Unternehmen ist im Bereich<br />

der medizintechnischen Konfektion<br />

spezialisiert und verfügt über Reinraumproduktionsflächen.<br />

Pharma- und Diagnostikindustrie<br />

Die Röchling Medical Neuhaus GmbH<br />

& Co. KG in Thüringen firmiert seit<br />

Ende Mai unter dem Namen Röchling<br />

Medical Solutions SE. Diese Namensänderung<br />

liegt in der Verschmelzung<br />

mit dem Röchling-Medical-Standort<br />

in Brensbach/Hessen begründet. Bereits<br />

2021 wurde der Brensbacher<br />

Medical-Standort in die Röchling Medical<br />

Solutions SE umfirmiert. Damit<br />

trägt die Medical-Sparte des Mannheimer<br />

Kunststoffverarbeiters Röchling<br />

der Tatsache Rechnung, dass beide<br />

Standorte schon in der Vergangenheit<br />

eng zusammengearbeitet haben.<br />

Technik-Gesundheits-Cluster<br />

Die Bioregio Stern Management<br />

GmbH möchte gemeinsam mit der<br />

Wirtschaftsförderung Region Stuttgart<br />

GmbH (WRS) ein Technologie-<br />

Gesundheit-Cluster entwickeln. Ziel<br />

sei es, Akteure aus der Region zu unterstützen,<br />

die Medizin der Zukunft<br />

mitzugestalten und die Transforma -<br />

tion zu fördern. KI und Robotik sollen<br />

bessere Behandlung ermöglichen.<br />

Automatisierungslösungen<br />

BBS Automation stärkt seine Medizin<strong>technik</strong>-Sparte<br />

durch die Übernahme von Kahle Automation<br />

Das EQT-Portfoliounternehmen BBS Automation<br />

GmbH aus Garching bei München<br />

beschleunigt seine Medizin<strong>technik</strong>-<br />

Strategie durch die Akquisition der Kahle<br />

Automation S.r.l., Caravaggio. Der italienische<br />

Anbieter von Hochgeschwindigkeits-Automationsanlagen<br />

für die Medizin<strong>technik</strong><br />

und Life Sciences Industrie<br />

deckt ein breites Spektrum an medizinischen<br />

Anwendungen ab und soll das<br />

BBS-Portfolio ergänzen. Kahle soll künftig<br />

zum neuen globalen Zentrum für die<br />

Medizin<strong>technik</strong>- und Life Sciences-Aktivitäten<br />

von BBS werden. Die Übernahme<br />

ergänze die bestehenden BBS-Hubs in<br />

Chicago (USA) und Kunshan (China) und<br />

beschleunigt die Entwicklung von BBS zu<br />

einem diversifizierten, weltweit führenden<br />

Automatisierungsanbieter auch im<br />

Bereich Medizin<strong>technik</strong>, teilt das Unternehmen<br />

mit.<br />

Der italienische Automatisierungsexperte<br />

wird von CEO Federico Ceresetti und Präsidentin<br />

Julie Logothetis geführt und behält<br />

seinen Markennamen unter der Bezeichnung<br />

„Kahle – a BBS Company“. Das<br />

Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeiter<br />

und ist weltweit vor allem in den<br />

Marktbereichen Spritzen und Nadeln,<br />

Flüssigkeitsabgabe, Katheter und dia -<br />

gnostische Geräte tätig. Die Transaktion<br />

steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung<br />

der Aufsichtsbehörden. Die finanziellen<br />

Einzelheiten der Transaktion wurden<br />

nicht bekannt gegeben.<br />

Start-up-Unterstützung<br />

Infoteam bringt Software-Expertise ins Netzwerk<br />

Swiss Healthcare Startups<br />

Die Infoteam-Software-Gruppe mit<br />

Stammsitz in Bubenreuth ist seit Juli<br />

2022 Industriemitglied beim schweizerischen<br />

Netzwerk Swiss Healthcare Startups.<br />

Im Rahmen der Mitgliedschaft wird<br />

Infoteam vor allem sein Fachwissen im<br />

Bereich App- und Webentwicklung für digitale<br />

Gesundheitsanwendungen und<br />

Software für normativ regulierte Medizinprodukte<br />

einbringen. Etwa 1100 Startups<br />

aus dem Gesundheitssektor existieren<br />

in der Schweiz, an die 600 davon vereint<br />

(Bild: Infoteam)<br />

das Netzwerk Swiss Healthcare Startups.<br />

Diese entwickeln Gesundheitslösungen in<br />

Bereichen wie Medtech, Digital Health, KI<br />

und vielen mehr.<br />

„Zu Beginn einer Geschäftsgründung ist<br />

vielen Verantwortlichen in den Start-ups<br />

meist noch nicht klar, welch komplexe<br />

Anforderungen Software als Medizinprodukt<br />

und Software in Medizinprodukten<br />

erfüllen muss“, erklärt Thomas Eichmann,<br />

Business Development Manager<br />

bei der Infoteam Software AG in der<br />

Schweiz. Zum Kerngeschäft von Infoteam<br />

gehören die Teil- oder Gesamtentwicklung<br />

von Steuerungs- und Embedded-<br />

Software, Middleware und Anwendungssoftware.<br />

Spezialdisziplinen sind unter<br />

anderem normativ regulierte Software<br />

für den Einsatz in Medizin- und Laborgeräten<br />

gemäß IVDR, MDR, FDA, ISO 13485<br />

und IEC 62304 sowie funktional sichere<br />

Software bis zur höchsten Sicherheitsstufe<br />

gemäß IEC 61508 und DIN EN 50128.<br />

(Bild: BBS Automation)<br />

8 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Wearables<br />

System<strong>technik</strong> Leber koordiniert Forschungsprojekt<br />

für sensorgesteuertes Monitoring an Frühgeborenen<br />

(Bild: System<strong>technik</strong> Leber)<br />

Die STL System<strong>technik</strong> Leber GmbH beteiligt<br />

sich gemeinsam mit dem Südklinikum<br />

Nürnberg, der Fraunhofer-Gesellschaft<br />

München und weiteren Unternehmen<br />

am Forschungsprojekt Preemo, das<br />

im Rahmen des Förderprogramms „Kleine<br />

Patienten, großer Bedarf – Medizintechnische<br />

Lösungen für eine kindgerechte<br />

Gesundheitsversorgung“ vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung unterstützt<br />

wird. Im Fokus steht die Erkennung<br />

von Veränderungen im Elektrolyt -<br />

haushalt von Frühgeborenen durch nichtinvasives<br />

und kontinuierliches Monitoring,<br />

das den Kleinen eine mehrfache<br />

Blutabnahme am Tag erspart. Ermöglichen<br />

soll dies ein im Idealfall textilintegriertes<br />

Sensoriksystem. Dieses soll lebensbedrohliche<br />

Zustandsveränderung<br />

schneller erkennen.<br />

Kern der Lösung ist die Kombination aus<br />

elektrochemischen Ionensensoren sowie<br />

ergänzender Auslese- und Datenverarbeitungselektronik,<br />

auf die die Leber-Ingenieure<br />

spezialisiert sind. Das Forschungsprojekt<br />

Preemo will zu diesem Vorgehen<br />

die mobile Detektion von Hyper- und Hyponatriämien<br />

aufzeigen. Ausgangspunkt<br />

der Arbeiten ist die Annahme, dass die<br />

entsprechenden Werte auch im Körperschweiß<br />

messbar sind. Die Messung erfolgt<br />

durch einen Elektrolyt-Multisensor,<br />

der im Wearable integriert wird. Das Projekt<br />

befindet sich in der ersten Projektphase.<br />

Der Vorsitz des Preemo-Konsor -<br />

tiums liegt bei System<strong>technik</strong> Leber.<br />

Digitalisierung<br />

Bund und Land fördern neues Zentrum für Digitale Medizin<br />

und Gesundheit an der TU München<br />

Prof. Daniel Rückert wird künftig das ZDMG<br />

leiten<br />

(Bild: Juli Eberle/TUM)<br />

Am neuen Zentrum für Digitale Medizin<br />

und Gesundheit (ZDMG) bündelt die TU<br />

München (TUM) künftig ihre Forschungsstärken<br />

in den Bereichen Informatik, Mathematik<br />

und Medizin. Durch die Einbindung<br />

natur- und ingenieurwissenschaftlicher<br />

Kompetenzen am interdisziplinären<br />

Forschungszentrum soll die Entwicklung<br />

innovativer Methoden und Technologien<br />

in den Bereichen KI und Data Science für<br />

verschiedene medizinische Anwendungsbereiche<br />

nutzbar gemacht werden. Das<br />

ZDMG wird unter dem Dach des Munich<br />

Data Science Institute (MDSI) als unabhängiges<br />

Forschungszentrum neue datengetriebene<br />

Ansätze und Methoden entwickeln<br />

und deren Einsatz zum Nutzen von<br />

Patientinnen und Patienten insbesondere<br />

in den Bereichen Krebs-, Herz-Kreislaufund<br />

neurologische Erkrankungen fördern,<br />

heißt es. Ein wesentlicher Schwerpunkt<br />

sei die Entwicklung individualisierter<br />

und personalisierter Therapien und<br />

Interventionen. „Das ZDMG bietet eine<br />

einmalige Gelegenheit, um die Stärken<br />

des Klinikums rechts der Isar und der<br />

Technischen Universität München zu<br />

bündeln und so die digitale Gesundheitsversorgung<br />

durch datengetriebene Ansätze<br />

voranzutreiben“, sagt der künftige Leiter<br />

des Zentrums, Prof. Daniel Rückert,<br />

der die Professur Artificial Intelligence in<br />

Healthcare and Medicine an der TU München<br />

innehat. Bund und Land fördern das<br />

ZDMG mit rund 43,6 Mio. Euro.<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 9


■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />

WIE DAS GESUNDHEITSWESEN<br />

NACHHALTIGER WERDEN KANN<br />

Nachhaltigkeit | Wie stehen Mediziner zu Energieverbrauch und CO 2 -Fußabdruck? Im<br />

Herbst 2021 sprach Prof. Dieter Christian Wirtz beim Deutschen Kongress für Orthopädie<br />

und Unfallchirurgie (DKOU) von einem „Mülltsunami“ im OP. Hier beschreibt er,<br />

wo er die Ursachen der Probleme und mögliche Lösungsansätze sieht.<br />

Finanzierung des Gesundheitswesens<br />

und den Personalmangel. Dennoch<br />

laufe n Überlegungen zu Umweltfragen<br />

jetzt an. Das ist es auch, was ich mir<br />

wünsche, Nachhaltigkeit sollte Kongressthema<br />

sein, Sitzungen sollten dazu<br />

stattfinden. Grundsätzliches Interesse<br />

ist bei Medizinern schon erkennbar.<br />

(Bild: Universitätsklinikum Bonn)<br />

Prof. Dr. med. Dieter Christian Wirtz ist seit 2006 Direktor der Klinik und<br />

Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn<br />

■ Herr Prof. Wirtz, wo fällt Nachhaltigkeit<br />

im Gesundheitswesen ins Auge?<br />

Da etwa 20 bis 30 Prozent des Mülls,<br />

den ein Krankenhaus produziert, im<br />

OP-Umfeld und damit auch in meinem<br />

Arbeitsbereich entstehen, fällt mir das<br />

natürlich als allererstes auf. Zahlreiche<br />

Einwegkittel, Einweg-Abdecktücher<br />

und -Instrumente – da reden wir über<br />

Tonnen an Abfall, die täglich anfallen.<br />

Wenn wir über Nachhaltigkeit im Ge-<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Nachhaltigkeit im Krankenhaus<br />

Müllberge im OP<br />

Handlungsbedarf bei Medizinprodukten<br />

Mehr Forschung zu Entscheidungen<br />

über Ein- oder Mehrwegprodukte<br />

sundheitswesen sprechen, geht es aber<br />

nicht nur um den Müll, sondern auch<br />

um den Energieverbrauch. Hier ist der<br />

OP ebenfalls ein gutes Beispiel mit seinen<br />

vielen Geräten und Lampen, die<br />

Strom verbrauchen. Und was einem im<br />

Detail auffällt, wirkt sich natürlich auch<br />

in der Fläche aus. Studien haben gezeigt,<br />

dass der Gesundheitsbereich insgesamt<br />

einen beachtlichen Anteil am<br />

CO 2 -Fußabdruck eines Landes ausmacht.<br />

In den USA sind es beispielsweise<br />

10 Prozent, in Deutschland rund 5<br />

Prozent. Darüber muss man reden, und<br />

daran müssen wir etwas ändern.<br />

■ Wie stehen Mediziner dazu?<br />

Das Thema Nachhaltigkeit ist unter den<br />

Medizinern noch nicht auf der großen<br />

Bühne angekommen. Derzeit geht es<br />

mehr um die Pandemie, auch wenn es<br />

da jetzt gerade ruhiger wird, um die<br />

Es ist nicht einfach, aber<br />

über Nachhaltigkeit sollten<br />

wir jetzt nachdenken<br />

■ Was ließe sich konkret verbessern?<br />

Vieles. Es gibt Ansatzpunkte bei den<br />

Produkten, bei den Prozessen und bei<br />

den Vorschriften. Wir haben heute viel<br />

mehr Einwegprodukte als früher. Diese<br />

werden sehr günstig eingekauft. Daher<br />

ist der Bedarf für eine eigene Sterilisa -<br />

tionsanlage geringer. Also wird dieser<br />

Bereich ausgelagert. Die Instrumente,<br />

die wieder verwendet werden, transportieren<br />

wir dann 20 oder 30 Kilometer<br />

bis zum Dienstleister und wieder<br />

zurück – was sich natürlich im CO 2 -Fußabdruck<br />

bemerkbar macht.<br />

Der Standard-Sterilisationsprozess mit<br />

Heißdampf verbraucht sehr viel Wasser,<br />

das auch ein kostbares Gut ist. Da ließen<br />

sich mit Verfahren wie der Plasmasterilisation<br />

bestimmt Verbesserungen<br />

erreichen. Und wenn ich mir anschaue,<br />

wie viel Verpackungsmaterial<br />

anfällt – weil es in der Hygieneverordnung<br />

so steht und weil für jede Knochenschraube<br />

eine Rückverfolgbarkeit<br />

bis zum Titanhersteller gegeben sein<br />

muss –, dann denke ich, auch im regulatorischen<br />

Bereich sind wir vom Optimum<br />

weit entfernt. Am Ende landet der<br />

10 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


gesamte Müll einer OP im selben Eimer,<br />

weil es keine Trennung gibt, und der<br />

komplette Inhalt wird als Sondermüll<br />

teuer entsorgt. Also gibt es schon allein<br />

bei den genannten Beispielen mehr als<br />

genug Ansatzpunkte, um etwas zu ändern.<br />

Die Liste ließe sich übrigens problemlos<br />

verlängern.<br />

■ Wer muss den ersten Schritt machen:<br />

Gesetzgeber, Hersteller oder Krankenhäuser<br />

als Kunden?<br />

Wir brauchen zunächst mehr Forschung,<br />

die sich gezielt mit Fragen der<br />

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />

beschäftigt. Es gibt meiner Meinung<br />

nach zum Beispiel keine belastbaren<br />

Beweise dafür, dass Einwegprodukte Infektionen<br />

verhindern oder wiederverwendbare<br />

Produkte zu mehr Infektionen<br />

führen. Es ist sinnvoll, sich evidenzbasiert<br />

für die eine oder andere Lösung<br />

zu entscheiden. Wenn solche Nachweise<br />

vorliegen und der Einkauf im Krankenhaus<br />

in die entsprechende Richtung<br />

schwenkt, glaube ich, dass die Hersteller<br />

sich zügig darauf einstellen. Was<br />

mich erstaunt, ist, dass es auf politischer<br />

Seite bisher keine einzige Initiative<br />

gibt, die sich gezielt damit befasst,<br />

wie das Gesundheitssystem nachhaltiger<br />

werden kann, auch kein darauf ausgerichtetes<br />

Forschungsförderungsprogramm<br />

– obwohl unsere Branche nach<br />

dem Automobilbereich den größten<br />

Einfluss auf den CO 2 -Fußabdruck hat.<br />

■ Woran müssten Forschungsprojekte<br />

ausgerichtet sein?<br />

Das ist für das Gesundheitswesen nicht<br />

anders als für andere Branchen. Es gelten<br />

die 5 R: Reuse, Reduce, Recycle<br />

leuchtet sofort ein. Rethink beträfe zum<br />

Beispiel auch Prozesse im Krankenhaus.<br />

Zur Untersuchung muss ein Patient persönlich<br />

anwesend sein. Aber die Digitalisierung<br />

ermöglicht es, die Ergebnisse<br />

gemeinsam vom heimischen Bildschirm<br />

aus zu besprechen und damit eine Anreise<br />

von -zig Kilometern zu verhindern.<br />

Das fünfte R für Research ist das, woran<br />

es, wie gesagt, bisher am meisten hapert.<br />

Dabei bin ich überzeugt, dass ein<br />

Krankenhaus, das Ideen des Green Hospital<br />

umsetzt, ein sehr gutes Marketing-Instrument<br />

an die Hand bekommt,<br />

um das Image bei Patienten und Mitarbeitern<br />

zu verbessern.<br />

■ Wie reagieren Hersteller von Medizinprodukten<br />

bisher auf dieses Thema?<br />

Mein Eindruck ist, dass Nachhaltigkeit<br />

dort bisher eher ein Randthema ist. Die<br />

EU-MDR hat die Medizinprodukte-Industrie<br />

schon in den vergangenen Jahren<br />

stark belastet und tut es immer<br />

noch. Da sind wenig Ressourcen für Innovationen<br />

übrig. Die aktuelle Energiekrise<br />

macht es nicht besser – und Umsatzeinbußen<br />

in Folge abgesagter Behandlungen,<br />

die wegen der Pandemie<br />

ausfielen, müssen die Hersteller ebenfalls<br />

verkraften. Eine größere Nachfrage<br />

für nachhaltige Produkte könnte aber<br />

Änderungen bewirken.<br />

■ Wo sehen Sie im internationalen<br />

Vergleich mögliche Vorbilder?<br />

Mir ist kein Gesundheitssystem bekannt,<br />

das in der Fläche so weit vorangekommen<br />

ist, dass man sich daran orientieren<br />

könnte. Aber es gibt viele einzelne<br />

Projekte zu mehr Nachhaltigkeit.<br />

■ Wie lange wird es dauern, bis sich der<br />

Gedanke der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />

durchsetzt?<br />

Wer hätte vor zehn Jahren gedacht,<br />

dass heute ein Wurstwarenhersteller<br />

mit einem veganen Sortiment so erfolgreich<br />

ist? Wer hätte gedacht, dass<br />

Glasflaschen für Mineralwasser innerhalb<br />

weniger Jahre wieder die Hälfte<br />

des Sortiments ausmacht? Die Lebensmittelbranche<br />

ist da schnell weit vorangekommen.<br />

Vielleicht lassen sich in absehbarer<br />

Zeit auch Infusionsbeutel<br />

durch Infusionsflaschen aus Glas ersetzen,<br />

wer weiß. Und da wir gerade im<br />

Alltag ständig mit Nachhaltigkeit und<br />

Energiesparen konfrontiert sind, könnte<br />

sich das auf das Gesundheitswesen<br />

übertragen, vielleicht schneller, als man<br />

vermutet. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass<br />

wir schon bald viel mehr über Nachhaltigkeit<br />

in unserem Bereich nachdenken.<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 11


■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />

Mit Ultraschall das<br />

Gehirn untersuchen<br />

Medizinische Bildgebung | Aus seismischen Wellen<br />

lässt sich der Aufbau des Planeten rekonstruieren. Das<br />

Team um ETH- Professor Andreas Fichtner nutzt dieses<br />

Wissen für die medizinische Bildgebung.<br />

Die Seismologie erfasst die Ausbreitung von Wellen durch<br />

Materie: Treffen seismische Wellen auf Materialunterschiede,<br />

werden sie an den Grenzflächen reflektiert und gebrochen.<br />

Das verändert die Geschwindigkeit der Wellen. Aus entsprechenden<br />

Messdaten lassen sich mit Algorithmen und Hochleistungsrechnern<br />

Details über das Erdinnere ableiten.<br />

Andreas Fichtner, Professor am Institut für Geophysik der ETH<br />

Zürich, und sein Team nutzen dieses Wissen über die Wellenausbreitung<br />

aber auch für medizinischen Ultraschall. Gemeinsam<br />

mit Medizinern hat Fichtners Gruppe bereits eine Methode entwickelt,<br />

um mit Ultraschall Brustkrebs früh zu erkennen. Nun<br />

geht es darum, wie sich das Gehirn mit Ultraschall untersuchen<br />

lassen könnte, um zum Beispiel Schlaganfallpatienten zu überwachen<br />

oder Gehirntumore zu identifizieren. Doch Ultraschall<br />

durch die Schädeldecke zu bekommen, ist schwierig.<br />

Bilder mittels Ultraschallquelle (blaue Scheibe in beiden Bildern): Es<br />

braucht ein hexaedrisches Finite- Elemente-Netz des Schädels und<br />

des Gehirns (links), um zu Momentaufnahmen der resultierenden<br />

Ultraschallsimulation zu kommen (rechts)<br />

Mit einem neuen Verfahren soll das künftig aber gelingen. Die<br />

Schweizer Forscher entwickeln dafür sowohl die Simulation der<br />

Wellenausbreitung durch das Gehirn als auch Algorithmen weiter<br />

und verwenden für ihre Arbeiten ein spezielles Gitternetz.<br />

Herzstück ist dabei ein Softwarepaket namens Salvus. Es nutzt<br />

alle greifbaren Informationen, zur Form der Welle, Frequenz,<br />

Geschwindigkeit und Amplitude an jedem Punkt ihrer Ausbreitung.<br />

Ihr Modell entwickeln die Forscher mit einer MRT-<br />

Aufnahme des Gehirns als Referenzbild. Auf einem Supercomputer<br />

führen sie Berechnungen durch, bis das simulierte Bild mit<br />

dem des MRT übereinstimmt.<br />

So entsteht ein Bild, mit dem sich Gewebe bestimmen und unterscheiden<br />

lassen – beispielsweise Gehirnmasse oder Tumorgewebe.<br />

Doch bis das Verfahren in die klinische Praxis gelange, sei es<br />

aber noch ein weiter Weg, betonen die Forscher.<br />

(Bild:aus Physics of Med. Imag., 2022, Marty, P. et al.<br />

Medical Imaging 2022: Physics of Medical Imaging;<br />

120313H (2022)<br />

Medizin<strong>technik</strong> in ländlichen Regionen<br />

MRT-Untersuchung im LKW<br />

weist Herzinsuffizienz an zwölf Standorten nach<br />

Digitale Transformation<br />

Innovationszentrum<br />

verknüpft Branchen<br />

(Bild: Joachim Kloock)<br />

Mit umgebauten Lkw bringt das Projekt<br />

„Herzcheck“ MRT-Untersuchungen in<br />

ländliche Regionen, um eine Herzinsuffizienz<br />

frühzeitig erkennen und zielgerichtet<br />

behandeln zu können. Im ersten Jahr<br />

haben rund 2000 Patienten an mittlerweile<br />

zwölf Standorten in Brandenburg und<br />

Mecklenburg-Vorpommern dieses kostenlose<br />

Angebot in Anspruch genommen –<br />

und die Nachfrage wächst.<br />

Herzcheck, das unter medizinischer Leitung<br />

des Deutschen Herzzentrums Berlin<br />

Eine Patientin wird im „Herzcheck“-MRT-Trailer<br />

untersucht<br />

durchgeführt wird, erhält vom Innovationsfonds<br />

des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />

(G-BA) Fördermittel für drei<br />

Jahre. Knapp zwei Jahre der Projektlaufzeit<br />

entfallen auf die MRT-Untersuchungen,<br />

eines auf die wissenschaftliche Auswertung.<br />

Dabei wird untersucht, ob eine<br />

frühzeitige mobile Herz-MRT-Untersuchung<br />

dazu beitragen kann, die Prognose<br />

von Patienten mit Herzinsuffizienz zu verbessern.<br />

Bisher zeigte sich bei mindestens<br />

jedem vierten Teilnehmenden eine<br />

asymptomatische Herzinsuffizienz, die<br />

den Betroffenen vorher nicht bewusst<br />

war.<br />

Wenn die abschließende Evaluation zeigt,<br />

dass die frühzeitige Entdeckung der Herzinsuffizienz<br />

zu weniger Krankenhausaufenthalten<br />

führt, „stehen die Chancen gut,<br />

dass der Gemeinsame Bundesausschuss<br />

mit Herzcheck ein weiteres Innovationsfondsprojekt<br />

für die Regelversorgung<br />

empfiehlt“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende<br />

der AOK Nordost.<br />

www.herzcheck.org<br />

Branchenübergreifendes Lernen, um<br />

Künstliche Intelligenz, Interoperabilität<br />

und Cybersicherheit für den Mittelstand<br />

zugänglich zu machen: Das ist das Ziel eines<br />

neuen Kompetenzzentrums in Oldenburg<br />

und Osnabrück. Das Cross-Industry<br />

Transformation in Agriculture and Health<br />

– kurz Citah – soll im Januar 2023 an den<br />

Start gehen und Food & Agrar sowie Gesundheitswesen<br />

in Kontakt bringen. Eingebunden<br />

ist es in das neu geschaffene<br />

Netzwerk der „European Digital Innova -<br />

tion Hubs“. Citah baut auf Arbeiten des<br />

2019 vom Land Niedersachsen gegründeten<br />

Zentrums für Digitale Innovation in<br />

Niedersachsen (ZDIN) sowie des niedersächsischen<br />

Innovationsverbunds Smart -<br />

hybrid auf. Durch die Verknüpfung der<br />

Wirtschaftszweige erwarten die Initiatoren<br />

Synergien und Lerneffekte. Citah<br />

wird Dienstleistungen wie Weiterbildung,<br />

Innovationslabore und Beratung zur Finanzierung<br />

von Digitalisierungsaktivitäten<br />

anbieten sowie zur Vernetzung mit<br />

Unternehmen aus dem Bereich der Informations<strong>technik</strong><br />

beitragen.<br />

12 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Wearables<br />

Smartwatch: Vom Life-Style-Gadget zum Medizinprodukt<br />

(Bild: Timeo Brants)<br />

Wearables können medizinische Daten<br />

wie Elektrokardiogramme aufzeichnen.<br />

Damit könnten sie im klinischen Bereich<br />

als Messgerät beispielsweise für Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen nützlich sein –<br />

wenn sie künftig als Medizinprodukte zugelassen<br />

werden. Prof. Dr. Christoph<br />

Russmann und Dr. Sinje Gehr von der<br />

Göttinger HAWK-Fakultät Ingenieurwissenschaften<br />

und Gesundheit haben in einem<br />

Artikel in Nature Reviews Cardiology<br />

Strategien für eine sichere Umwidmung<br />

der Lifestyle-Produkte zu Medizinprodukten<br />

erörtert. Smartwatches böten schon<br />

jetzt Diagnosemöglichkeiten für Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen, die eine Rund-<br />

um-die-Uhr-Überwachung möglich machen.<br />

Auch könne mit ihnen die Therapie<br />

individuell angepasst und verfolgt werden.<br />

Das schaffe Chancen für Medtechund<br />

Software-Unternehmen sowie Start-<br />

Ups, sich im Markt zu profilieren.<br />

www.hawk.de<br />

BMBF-Zukunftscluster<br />

Herz und Kreislauf<br />

besser behandeln mit<br />

neuen Ansätzen<br />

Das Clusterkonzept Curatime<br />

gehört seit Juli zu insgesamt<br />

sieben Zukunftsclustern, die<br />

in der zweiten Wettbewerbs -<br />

runde der Clusters4future-<br />

Initiative des Bundesforschungsministeriums<br />

in die<br />

Umsetzungsphase starten.<br />

Bei Curatime geht es um die<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />

für die maßgeschneiderte,<br />

innovative Behandlungsmethoden,<br />

Präventions -<br />

konzepte und Diagnostika<br />

entwickelt werden. Das Konzept<br />

haben drei Partner gemeinsam<br />

erstellt: die Tron<br />

gGmbH, die Universitäts -<br />

medizin Mainz und das<br />

Deutsche Forschungszentrum<br />

für Künstliche Intelligenz<br />

(DFKI). Mit dem „Cluster<br />

für Atherothrombose und<br />

Individualisierte Medizin“<br />

wollen die drei Schlüsselakteure<br />

ein Netzwerk zur Bekämpfung<br />

von Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

aufbauen.<br />

Curatime vereint dafür<br />

KI-getriebene Biomarkerforschung<br />

mit immunologischen<br />

Lösungsansätzen, was<br />

zu individuellen Behandlungs-<br />

und Präventionskonzepten<br />

führen soll: „Hoch-innovative<br />

Diagnostika und<br />

Therapeutika“ sind das Ziel.<br />

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■ [ HIGHTECH AUS DER SCHWEIZ ]<br />

Made in Switzerland<br />

hat Tradition.<br />

Auch Hightech-<br />

Medizinprodukte<br />

aus der Schweiz<br />

sind auf der ganzen<br />

Welt gefragt<br />

(Bild: nui7711/stock.adobe.com)<br />

Strategien für starken Medtech-Markt<br />

Standortstärkung | Will die Schweizer Medizinprodukteindustrie wettbewerbsfähig<br />

bleiben und weiterhin eine hochklassige Gesundheitsversorgung im eigenen Land<br />

bieten , braucht sie neben dem traditionellen Erfindergeist auch neue Strategien.<br />

Die MDR ist nur eine der Herausforderungen.<br />

Um Wirkung und Nebenwirkungen<br />

von Medikamenten zuverlässig zu<br />

testen, braucht es entweder Tierversuche<br />

oder In-vitro-Zellkulturen. Oder künftig<br />

das Lung-on-Chip-Modell der Alveolix<br />

AG. Die neue Technologie des Berner<br />

Start-ups simuliert im Innern des Chips<br />

die Mikroumgebung der Lungenbläschen<br />

inklusive Atembewegung. Die dünne, poröse<br />

Membran ermöglicht die Kultivierung<br />

von menschlichen Lungenzellen unter<br />

äußerst physiologischen Bedingungen.<br />

In dieser natürlichen Umgebung reagieren<br />

die Zellen so, wie sie es im menschlichen<br />

Körper tun würden.<br />

„Dank unserer Technologie wird die<br />

Arzneimittelentwicklung effizienter, sicherer<br />

und personalisierter, da die Tests<br />

mit Zellen eines bestimmten Patienten auf<br />

dem Chip durchgeführt werden können.<br />

In Zukunft hilft unsere Technologie, die<br />

Kosten und die Zahl der Tierversuche zu<br />

senken“, sagt Dr. Janick Stucki, CEO und<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Swiss Medtech Award für<br />

Lung-on-Chip-Modell<br />

■ Start-up-Förderung<br />

■ Zielbild Medtech Standort Schweiz 2030<br />

■ MDR und Produktion im Hochlohnland<br />

Technischer Direktor sowie Co-Gründer<br />

von Alveolix. Für seine Entwicklung wurde<br />

das Start-up im Juni mit dem Swiss<br />

Medtech Award im Wert von 75 000 CHF<br />

ausgezeichnet. Das Jungunternehmen arbeitet<br />

bereits mit großen Pharmaunternehmen<br />

zusammen, die die Technologie<br />

nutzen, um ihre sich in der Entwicklung<br />

befindenden Medikamente zu testen. Das<br />

ist für Alveolix ein wichtiger Schritt in<br />

Richtung Produktvermarktung.<br />

Aber auch ein Punkt, an dem viele<br />

Start-ups vor großen Herausforderungen<br />

stehen und, wie Peter Biedermann, Direktor<br />

des Verbandes Swiss Medtech, erklärt,<br />

Unterstützung benötigen: „In der Schweiz<br />

scheitern findige Ideen leider viel zu oft<br />

auf dem Weg vom Prototyp zum marktreifen<br />

Produkt. Beim Überwinden dieses<br />

Translation-Gap muss unser Land besser<br />

werden.“ Dazu brauche es nicht mehr Fördergelder,<br />

vielmehr müssen die vorhandenen<br />

Mittel gezielter auf Innovationsprojekte<br />

mit dem größten Marktpotenzial<br />

umgeschichtet und auch direkt an Unternehmen<br />

ausbezahlt werden, beschreibt<br />

Biedermann ein Ziel, für das sich der Verband<br />

auf politischer Ebene einsetzt.<br />

Denn vor allem dank des Schweizer Erfindergeistes<br />

sind innovative Medizinprodukte<br />

am Weltmarkt begehrt und auch<br />

ein Aushängeschild für den Schweizer<br />

Healthcare-Markt . „Unsere Gesundheits-<br />

versorgung ist erstklassig. Alle Menschen,<br />

die in der Schweiz leben, haben Zugang<br />

zu medizinischen Dienstleistungen“, sagt<br />

Swiss-Medtech-Präsident Dr. Beat Vonlanthen.<br />

Doch will sie ihre Position als einer<br />

der attraktivsten Medtech-Standorte<br />

der Welt dauerhaft stärken, braucht die<br />

Schweiz eine gemeinsame Strategie aller<br />

Akteure.<br />

Zielbild zeigt Lösungen für<br />

Medtech-Markt der Zukunft<br />

In seinem aktuellen Zielbild „Medtech-<br />

Standort Schweiz 2030“ skizziert Swiss<br />

Medtech einen Weg, wie die Schweiz ihre<br />

Attraktivität als Medtech-Standort dauerhaft<br />

stärken kann. Der Report beinhaltet<br />

unter anderem stabile Handelsbeziehungen,<br />

offene Märkte, Innovationsförderung<br />

sowie an die Medtech-Industrie angepasste<br />

Vergütungsmodelle. Die Reform -<br />

agenda ist umso wichtiger, als die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Branche im Zusammenhang<br />

mit dem Abbruch der Verhandlungen<br />

zum institutionellen Abkommen<br />

zwischen der Schweiz und der Europäischen<br />

Union geschwächt wurde. „Wer<br />

denkt, damit sei der Erfolgskurs der<br />

Schweizer Medtech gesichert, verkennt,<br />

wie hart der internationale Konkurrenzkampf<br />

ist“, so Vonlanthen.<br />

Mit 63 000 Beschäftigten zählt die<br />

Branche heute ein Fünftel mehr Arbeits-<br />

14 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


plätze als noch vor zehn Jahren. Gut jede<br />

hundertste Arbeitskraft in der Schweiz ist<br />

unterdessen in der Medizin<strong>technik</strong> tätig.<br />

Hinzu kommt ein jährliches Umsatzwachstum,<br />

das mit durchschnittlich 6 %<br />

deutlich über dem gesamtschweizerischen<br />

BIP-Wachstum liegt. Im Jahr 2020<br />

erwirtschaftete die Unternehmen ins -<br />

gesamt rund 17.9 Mrd. CHF. Und ihre innovative<br />

Medizin<strong>technik</strong> ist die Basis für<br />

eine erstklassige Gesundheitsversorgung.<br />

Die Bedeutung der Branche ist spätestens<br />

seit der Corona-Pandemie ins öffentliche<br />

Bewusstsein gerückt.<br />

Die Schweizer Medtech-Branche steht<br />

jedoch nicht nur vor der Herausforderung,<br />

die Anforderungen der euro -<br />

päischen Medizinprodukteverordnung<br />

(MDR) zu erfüllen, sondern muss auch<br />

die Produktion mit den hohen Qualitätsmaßstäben<br />

und der Wirtschaftlichkeit in<br />

Einklang zu bringen. Die Branche könne<br />

im Hochlohnland Schweiz nur dann langfristig<br />

wettbewerbsfähig produzieren,<br />

wenn sie es schaffe, ihre Produktivität<br />

weiter zu steigern, so Swiss Medtech. „Ich<br />

sehe eine Chance für die Schweizer Medizin<strong>technik</strong>industrie,<br />

sich im Spannungsfeld<br />

von zunehmender Produktindivi -<br />

dualisierung und industrieller Serienfertigung<br />

in punkto Gesamtkosten zu profi -<br />

lieren. Das gelingt ihr aber nur dann,<br />

wenn sie ihre Kernprozesse konsequent<br />

auf Effektivität und Effizienz trimmt“, ist<br />

Dr. Raphael Laubscher, der in sechster<br />

Generation das Zulieferunternehmen<br />

Laubscher Präzision AG führt und im<br />

Swiss- Medtech-Vorstand mitarbeitet,<br />

überzeugt.<br />

Der Erfolg beruhe dabei maßgeblich<br />

auf der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte.<br />

Doch genau daran fehle es.<br />

Der Fachkräftemangel ziehe sich als große<br />

Sorge durch die gesamte Branche und<br />

betreffe nicht nur akademische Berufe,<br />

sondern insbesondere produktionsnahe<br />

Lehrberufe wie die des Polymechanikers.<br />

„Wir brauchen Mitarbeitende mit Fähigkeiten,<br />

die heute notwendig sind für das<br />

Medizin<strong>technik</strong>geschäft von morgen“,<br />

bringt es Laubscher auf den Punkt. ■<br />

Susanne Schwab<br />

susanne.schwab@konradin.de<br />

Zulassung von Medizinprodukten<br />

– Ausgangslage und Herausforderungen<br />

Herausforderungen für die Schweiz<br />

■ Nationale Versorgung der Bevölkerung<br />

mit Medizinprodukten nachhaltig sicherzustellen<br />

– in Bezug auf deren<br />

Qualität, Vielfalt und Verfügbarkeit<br />

■ Innovative Medizinprodukte zum Patienten<br />

in der Schweiz zu bringen<br />

■ Innovationskraft der Schweizer Medizin<strong>technik</strong>branche<br />

weiter zu stärken<br />

Ausgangslage<br />

■ Die Schweiz akzeptiert für die nationale<br />

Versorgung ausschließlich Medizinprodukte,<br />

die mit der Medizinprodukte-Regulierung<br />

der EU übereinstimmen<br />

und CE-gekennzeichnet sind.<br />

■ Die Schweiz wird von der EU seit dem<br />

26. Mai 2021 als Drittstaat eingestuft.<br />

■ Um den gegenseitig privilegierten Zugang<br />

für Medizinprodukte wieder zu<br />

erlangen, ist die Aktualisierung des<br />

Mutual Recognition Agreements<br />

(MRA) Voraussetzung.<br />

■ Als Folge des Drittstaat-Modus sind<br />

die Schweizer Behörden aus dem<br />

Marktüberwachungssystem der EU<br />

ausgeschlossen (beispielsweise kein<br />

Zugang zur europäischen Datenbank<br />

Eudamed). Zudem gibt es in der<br />

Schweiz keine europäische Zertifizierungsstelle<br />

mehr.<br />

Forderung an Politik und Verwaltung<br />

Die nationale Gesetzgebung muss so angepasst<br />

werden, dass auch Medizinprodukte<br />

aus vergleichbaren außereuropäischen<br />

Regulierungssystemen akzeptiert<br />

werden können. Dies gilt insbesondere<br />

für Medizinprodukte, die von der FDA zugelassen<br />

sind. Abzuwarten, bis die Bundesverwaltung<br />

festlegt, unter welchen<br />

Voraussetzungen eine Anerkennung außereuropäischer<br />

Regulierungssysteme<br />

möglich ist, wie es der Bundesrat in seiner<br />

ablehnenden Position zur Motion<br />

20.3370 (Albert Rösti) schreibt, sei keine<br />

Option. Im Interesse der Versorgungssicherheit<br />

und Innovationsfähigkeit der<br />

Schweiz müsse jetzt gehandelt werden.<br />

Quelle: www.swiss-medtech.ch<br />

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BORN04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 15


■ [ HIGHTECH AUS DER SCHWEIZ ]<br />

Neues Venenimplantat<br />

soll Durchblutung verbessern<br />

Internationales Projekt | Das norwegische Start-up Clexbio und die CSEM arbeiten in<br />

einem gemeinsamen Projekt an einer Maschine, die mittels Tissue Engineering<br />

menschliche Venen im Labor herstellen soll. Ziel ist es, ein neuartiges Venentransplantat<br />

für Patienten zu entwickeln, die an tiefer Veneninsuffizienz leiden.<br />

(Bild: Solarisys/stock.adobe.com)<br />

Die schwere chronische Veneninsuffizienz<br />

(CVI) ist eine Krankheit, von<br />

der weltweit Millionen Menschen betroffen<br />

sind. Sie verursacht Beschwerden wie<br />

geschwollene, schmerzhafte Beine, Ödeme,<br />

Krämpfe, Krampfadern und Geschwüre.<br />

Der Grund dafür ist eine<br />

schlechte Durchblutung, die zu einem<br />

Blutstau in den Beinen führt und die Gehfähigkeit<br />

beeinträchtigt. Zudem belasten<br />

die hohen Kosten für die Wundversorgung<br />

das Gesundheitssystem. Derzeit gibt<br />

es noch keine effiziente Lösung.<br />

Weitere Informationen<br />

Das CSEM ist eine Forschungs- und<br />

Technologieorganisation (RTO) und<br />

eine öffentlich-private Partnerschaft.<br />

Ihre Aufgabe ist es, die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Schweizer Industrie<br />

sicherzustellen, indem sie<br />

mit einem umfangreichen Netzwerk<br />

aus Hochschulen, Forschung und<br />

Wirtschaft zusammenarbeitet.<br />

www.csem.ch<br />

Die im Forschungsprojekt<br />

hergestellten<br />

Venentransplantate<br />

sollen<br />

neue Wege bei der<br />

Reparatur von beschädigten<br />

Geweben<br />

und Organen<br />

aufzeigen<br />

„Das Tragen von Kompressionsstrümpfen<br />

ist nach wie vor die Standardbehandlung<br />

bei chronischer Veneninsuffizienz,<br />

deren Wirkung hinsichtlich des Wiederauftretens<br />

von Geschwüren und der<br />

Symptomlinderung jedoch kaum signifikant<br />

ist“, erklärt Dr. Antonio Rosale, Leiter<br />

der National Unit For Reconstructive<br />

Deep Venous Surgery am Universitätsspital<br />

Oslo (NOVI/OUS) und leitender klinischer<br />

Mitarbeiter des norwegischen Startups<br />

Clexbio. „Ein durch Tissue Engineering<br />

hergestelltes Venentransplantat würde<br />

Millionen von CVI-Patientinnen und<br />

-Patienten neue Perspektiven eröffnen.“<br />

Bei Menschen ohne CVI leiten die Venen<br />

das Blut aus den Organen zurück zum<br />

Herzen. Sie verfügen über kleine Klappen,<br />

die verhindern, dass das Blut aufgrund<br />

der Schwerkraft zurückfließt. Diese<br />

komplexe Struktur lässt sich nur sehr<br />

schwer künstlich nachbilden.<br />

Das Start-up Clexbio hat dafür nun ein<br />

mikrostrukturiertes 3D-Biomaterial entwickelt,<br />

das mit menschlichen Zellen, beispielsweise<br />

aus einer Zellbank, kombiniert<br />

werden kann und diese dazu bringt,<br />

sich nach einem bestimmten Muster zu<br />

vermehren und echtes menschliches Gewebe<br />

zu bilden. Hat sich das gewünschte<br />

Gewebe gebildet, werden sowohl Zellen<br />

als auch Gerüst entfernt. Zurück bleibt ein<br />

Implantat, das aus menschlicher extrazellulärer<br />

Matrix besteht, ein durch Tissue<br />

Engineering gewonnenes Venentransplantat.<br />

Geschlossenes System für die<br />

automatisierte Produktion<br />

Die Herstellung dieser Implantate erfordert<br />

ein geschlossenes biotechnologisches<br />

Produktionssystem, das automatisch arbeiten<br />

kann. Dafür hat sich das junge Unternehmen<br />

mit den Experten der Schweizer<br />

Forschungsorganisation CSEM zusammengetan.<br />

Die Ingenieurinnen und<br />

Ingenieure des CSEM verfügen über eine<br />

umfassende Erfahrung mit Hydrogelen,<br />

Automatisierung und physiologischen Mikrosystemen.<br />

„Ein geschlossenen Produktionssystem<br />

verringert das Kontaminationsrisiko,<br />

trägt dazu bei, die Produktqualität und Sicherheit<br />

zu gewährleisten und erleichtert<br />

die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften“,<br />

sagt Gilles Weder, Gruppenleiter im<br />

Bereich Cell-Mikrotechnologien am<br />

CSEM. Sein Kollege Vincent Revol, Leiter<br />

R&D für die Life Science Technologien,<br />

fügt hinzu: „Im Bereich der regenerativen<br />

Medizin besteht eine der größten Herausforderungen<br />

darin, den Übergang vom<br />

Labor zur klinischen Anwendung zu<br />

schaffen, weil dafür standardisierte und<br />

automatisierte Herstellungsprozesse erforderlich<br />

sind. Für die Erschließung des<br />

unerhörten Potenzials neuartiger Zellund<br />

Gentherapien werden neue Technologien<br />

wie diese entscheidend sein“.<br />

Zur Finanzierung der Forschungen<br />

stellt die norwegische Regierung rund<br />

2 Mio. CHF zur Verfügung. (su) ■<br />

16 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Display nach Maß<br />

Displays | Um das richtige TFT-LCD-Modul für eine<br />

medizinische Anwendung auszuwählen, müssen<br />

Ingenieure und Entscheidungsträger wissen, wie sich<br />

die Spezifikationen von TFT-LCD-Displays auf das<br />

Endprodukt auswirken.<br />

Ein Display für die medizinische Anwendung unterscheidet<br />

sich von einem Display für Industrie- oder Consumer-Produkte:<br />

Applikationen mit mechanischen Knöpfen und Zifferblätter<br />

sind überholt und ein guter Nährboden für schädliche Krankheitserreger.<br />

In der modernen Entwicklung wird deshalb auf eine<br />

leicht zu reinigende Oberfläche gesetzt. Die Touchscreen-<br />

Technologie mit Glasoberfläche ist prädestiniert für eine gründliche<br />

Desinfektion. Zudem sind medizinische Geräte Umwelteinflüssen<br />

wie schnellen Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit,<br />

mechanischem Schock und dem Umgebungslicht ausgesetzt.<br />

Das erfordert einen zuverlässigen und zur Applikation passenden<br />

TFT-LCD. Meist ähneln sich die Schlüsselspezifikationen wie<br />

Kontrast, Ablesewinkel, Helligkeit, Dimmbarkeit, Auflösung,<br />

Farbtiefe und Graustufensteuerung. Schlussfolgernd kann die<br />

Bildqualität nicht an einzelnen Werten wie Kontrast 450:1 oder<br />

der Helligkeit von 1000 cd/m 2 abgeleitet werden. Vielmehr<br />

Displays für medizinische Anwendungen müssen hohe<br />

Anforderungen erfüllen<br />

macht das Zusammenspiel aller Parameter ein gutes Display aus.<br />

Medizinische TFT-LCDs werden in drei Anwendungsarten verwendet:<br />

Standard (Monitor am Krankenbett), lebenserhaltend<br />

(Blutzuckermessgerät) und lebenswichtig (Beatmungsgerät).<br />

Diese Anwendungen haben unterschiedliche Anforderungen an<br />

Funktionalität, Zuverlässigkeit und MTBF (Mean Time Between<br />

Failure). Die Akzeptanztestregeln von zwei bekannten Standardorganisationen<br />

werden von der Industrie allgemein akzeptiert:<br />

DIN und AAPS (Association of American Physicians and Sur -<br />

geons) haben einen klar definierten Standard für Auflösung,<br />

Rauschen, Betrachtungswinkel, Blendung, Farbgleichmäßigkeit,<br />

Verzerrung, Reflexion und Leuchtdichtereaktion. Der Qualifizierungsprozess<br />

für diese Standards ist langwierig und teuer. Gerätehersteller<br />

fordern deshalb eine langfristige Verfügbarkeit für<br />

LCD-Displays. Die Schweizer DMB Technics AG, Hünenberg, garantiert<br />

die Langlebigkeit des TFT-LCD-Moduls.<br />

(Bild: DMB Technics)<br />

Genauigkeit<br />

macht sicher.<br />

Agile Prozesse für internationales Wachstum<br />

Ständige Innovation, hohe Compliance-Auflagen<br />

und fortschreitende Internationalisierung sind die<br />

Herausforderungen mittelständischer Unternehmen der<br />

Medizin<strong>technik</strong>. proALPHA mit seinen leistungsstarken<br />

ERP-Kern- und -Zusatzlösungen bildet hierbei das digitale<br />

Rückgrat der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 17<br />

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■ [ HIGHTECH AUS DER SCHWEIZ ]<br />

Swiss Engineering – Start-up trifft<br />

Entwicklungsdienstleister<br />

Digitale Therapielösungen für Alzheimer-Patienten | Bei der Entwicklung neuer medizinischer<br />

Geräte ist es für Start-ups wichtig, die Produkte regulatorisch konform,<br />

schnell und mit niedrigen Kosten zu realisieren. Je mehr Erfahrung ein Partner dafür<br />

mitbringt, desto mehr profitiert das Start-up-Team. Dass diese Ausgangslage für beide<br />

Vorteile hat, zeigt die Zusammenarbeit zwischen Bottneuro und IMT.<br />

Das neueste Design des von Bottneuro 3D-gedruckten,<br />

personalisierten Headsets für nicht-invasive Hirnstimulation<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Alzheimer-Krankheit<br />

■ Transkranielle elektrische Stimulation<br />

■ 3D-gedrucktes Headset<br />

■ Unterstützung für Start-ups<br />

■ Medizingeräte-Entwicklung<br />

(Bild: Bottneuro)<br />

Die Alzheimer-Krankheit (Alzheimer’s<br />

Disease, kurz AD) ist eine progressive<br />

neurodegenerative Erkrankung, die<br />

zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn<br />

führt. AD ist die häufigste Form der<br />

Demenz und führt zu einem kontinuierlichen<br />

Abbau der kognitiven Leistungen. In<br />

der Folge treten meist Persönlichkeitsund<br />

Verhaltensänderungen auf. Dies<br />

führt zum Verlust der eigenen Selbständigkeit<br />

und letztlich zum Tod durch Hirnversagen.<br />

Bis heute ist Alzheimer unheilbar<br />

und wird aufgrund des demografischen<br />

Wandels eine der größten Herausforderungen<br />

dieses Jahrhunderts sein.<br />

Weltweit sind mehr als 50 Millionen Menschen<br />

betroffen – allein in Europa und<br />

den USA werden jede Minute acht neue<br />

Patienten mit AD diagnostiziert.<br />

Das Basler Startup Bottneuro arbeitet<br />

an einer frühzeitigen und zuverlässigen<br />

AD Diagnosemöglichkeit, sowie an einem<br />

nicht-invasiven und kostengünstigen Therapieansatz.<br />

Dadurch kann eine AD Behandlung<br />

vor dem beginnenden kognitiven<br />

Zerfall der breiten Bevölkerung zugänglich<br />

gemacht werden. Derzeit wird<br />

die Diagnose von AD in der Regel erst<br />

nach Feststellung einer kognitiven Beeinträchtigung<br />

gestellt. Pathologische Veränderungen<br />

im Gehirn sind jedoch bereits<br />

Jahrzehnte früher detektierbar. An dieser<br />

Stelle kommt die Bottneuro AG, mit ihrer<br />

Vision ins Spiel. Für die Diagnose von<br />

Alzheimer ist die Einrichtung von Brain<br />

Clinics mit einer neuen Generation<br />

von Positronen-Emissions-Tomographen-<br />

(PET)-Scannern geplant, um den Ausbruch<br />

von AD in einem sehr frühen Stadium<br />

zu erkennen – bevor der kognitive Verfall<br />

einsetzt.<br />

Der Therapieansatz für Patientinnen<br />

und Patienten im frühen und mittleren<br />

Stadium von AD verwendet eine personalisierte<br />

Wechselstromtherapie. Sie soll die<br />

neuronale Aktivität wiederherstellen und<br />

die grundlegende chronische Entzündung<br />

stoppen. Die Therapie wird mittels<br />

eines ultraleichten 3D-gedruckten Headsets<br />

realisiert und ist schmerz- und nebenwirkungsfrei.<br />

Aufgrund des Designs kann<br />

die über Monate dauernde Therapie zu<br />

Hause ohne Hilfe von medizinischem<br />

Fachpersonal durchgeführt werden.<br />

Behandlung von Alzheimer mit<br />

digitalen Lösungen<br />

Die PET-Daten werden verwendet, um die<br />

von der Krankheit betroffenen Hirnareale<br />

zu identifizieren. Dadurch kann eine optimale<br />

Elektrodenpositionierung für die<br />

Stimulation spezifischer Hirnareale und<br />

somit eine personalisierte Stimulationstherapie<br />

gewährleistet werden. Die personalisierte<br />

Behandlung der betroffenen<br />

Hirnareale verspricht eine hohe Wirksamkeit.<br />

Das Gerät für den Patienten besteht<br />

aus einem 3D-gedruckten Helm mit eingebetteten<br />

Elektroden und einem Tablet<br />

zur vereinfachten Bedienung einschließlich<br />

des Therapiemonitorings durch das<br />

medizinische Fachpersonal.<br />

Der Wirkmechanismus basiert auf der<br />

Induktion von neuronaler Aktivität in definierten<br />

Frequenzen in den betroffenen<br />

18 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


2022_medizin & <strong>technik</strong>_STÜKEN MEDICAL Anzeige 60x270 Druck.pdf<br />

(Bild: IMT)<br />

Hirnregionen. Die induzierten Oszillationen<br />

können die Aktivität der hirneigenen<br />

Immunzellen, der Mikroglia, von einem<br />

neurotoxischen zu einem neuroprotektiven<br />

Zustand modulieren und so die chronische,<br />

nervenschädigende Entzündung<br />

stoppen. Das Ziel ist es, das Fortschreiten<br />

der Krankheit zu verlangsamen oder sogar<br />

zu unterbinden.<br />

Partner von Konzeptionierung<br />

bis zur Entwicklung<br />

Zu Beginn eines Projekts fragen sich Startups<br />

oft, was erforderlich ist, um ihre Vision<br />

in erfolgreiche Produkte umzusetzen.<br />

Von der Konzeptphase bis zur Entwicklung<br />

des Geräts arbeitete Bottneuro zusammen<br />

mit der IMT Information Management<br />

Technology AG. Das Unternehmen<br />

aus Buchs (SG) wurde beauftragt,<br />

die Elektronik, Embedded Software, Tablet-basierte<br />

Benutzeroberfläche, Cloudbasierte<br />

Anwendung zur Einhaltung von<br />

Therapievorschriften sowie die technische<br />

Dokumentation für die Registrierung<br />

von Medizinprodukten zu entwickeln.<br />

„IMT ist für Bottneuro ein kompetenter<br />

Partner und stellt für uns das benötigte<br />

Know-how zur Verfügung. Sie sind<br />

innovativ, zuverlässig und schnell – so<br />

lässt sich die Markteinführung im Vergleich<br />

zu einer Eigenentwicklung erheblich<br />

beschleunigen“, sagt Dr. Bekim Osmani,<br />

Bottneuro-CEO und Co-Founder.<br />

Damit solche komplexen Projekte erfolgreich<br />

umgesetzt werden können,<br />

muss der Entwicklungspartner die nötige<br />

Expertise mitbringen. Speziell im Bereich<br />

der Medizin<strong>technik</strong> sind zertifizierte<br />

Prozesse und die Fähigkeit, sich an die<br />

Tools der Kunden anzupassen, von hoher<br />

Bedeutung. So kann eine effiziente<br />

Projektleitung gewährleistet und die Entwicklung<br />

mit einer präzisen Dokumen -<br />

tation erfolgreich umgesetzt werden –<br />

was wiederum Zeit spart und Kosten<br />

senkt. Eine offene und proaktive Kommunikation<br />

seitens des Entwicklungsdienstleisters<br />

bedeutet, dass der Kunde jederzeit<br />

umfänglich informiert ist und wichtige<br />

Printed Circuit Board (PCB)-<br />

Schulterteil mit integrierter<br />

Elektronik für die Alzheimer-<br />

Therapie<br />

Entscheidungen rasch getroffen werden<br />

können.<br />

Für die Entwicklung der Elektronik<br />

von Bottneuro’s Headframe und Schulterteil<br />

setzt IMT auf ihre Experten und agile<br />

Prozesse, um die Ideen schnell und effizient<br />

umzusetzen. Die Entwicklung der<br />

Hardware und der Stimulationssoftware<br />

konnte dank Simulationen mit Matlab Simulink<br />

parallel stattfinden. Um die zum<br />

Patienten abgegebenen elektrischen Ströme<br />

zu simulieren, wurde ein Modell des<br />

Kopfes sowie der Elektronik erstellt. Der<br />

generierte Code aus der Simulation wurde<br />

im nächsten Schritt mit der Hardware<br />

getestet. Anpassungen der Software<br />

konnten einfach in der Simulation erfolgen,<br />

da keine physischen Anpassungen,<br />

wie beispielsweise das Umstecken von Kabeln,<br />

erforderlich sind.<br />

Mit verschiedenen Evalkits wurde ein<br />

Brettaufbau mit den wichtigsten Funktionalitäten<br />

und Bauteilen erstellt, um Probleme<br />

frühzeitig zu erkennen und vor der<br />

Prototypenherstellung korrigieren zu<br />

können. Durch diesen Prozess entstehen<br />

in der Entwicklung weniger Iterationen,<br />

und die Funktionen können vor dem finalen<br />

Produkt bereits vollumfänglich getestet<br />

werden. Folglich kann Bottneuro das<br />

Projekt schneller umsetzen und frühzeitig<br />

mit den klinischen Studien beginnen. In<br />

der Entwicklung werden künftige Funktionen<br />

bereits berücksichtigt, die später<br />

mit einer erweiterten Software rasch umgesetzt<br />

werden können.<br />

(su) ■<br />

Weitere Informationen<br />

Zum Medizin<strong>technik</strong>-Start-up und<br />

zur Diagnose und nicht-invasiven<br />

Behandlung der Alzheimer-Krankheit<br />

bei Patienten:<br />

www.bottneuro.ch<br />

Zum Schweizer Partner für die Beratung,<br />

Konzepterstellung, Produktentwicklung<br />

und Regulatory Services<br />

von Medizingeräten:<br />

www.imt.ch<br />

Ihr Entwicklungspartner<br />

in der Medizin<strong>technik</strong><br />

Unser Produktspektrum:<br />

• Tiefziehteile<br />

• Stanz- und Stanzbiegeteile<br />

• Kunststoffumspritzte Bauteile<br />

• Baugruppen und Montagen<br />

Anwendungsgebiete:<br />

• Medizinische Geräte,<br />

z.B. Pumpen<br />

• Applikation von Medikamenten,<br />

z.B. Insulinstifte<br />

• Primärverpackungen von<br />

Medikamenten<br />

• Medizinische Gehäuse<br />

und Verpackungen,<br />

z.B. für Herzschrittmacher<br />

Sauberkeit<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 19


TITELTHEMA<br />

In kleinen Schritten zu<br />

nachhaltigen Produkten<br />

Nachhaltigkeit für Medizinprodukte | Den großen Plan für das komplexe Thema Nachhaltigkeit, den<br />

man einfach an das eigene Unternehmen anpassen kann – ihn gibt es wohl nicht. Weil aber auch Medizinprodukte<br />

nachhaltiger werden müssen, ist der beste Weg, mit kleinen Testprojekten zu beginnen<br />

und alle Bemühungen in einen eigenen Plan einzubinden. Beispiele zeigen, wie das aussehen kann<br />

und wo es Unterstützung gibt.<br />

20 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Am Anfang der Nachhaltigkeit<br />

Hauptsache anfangen – das<br />

scheint eine gute Maxime für dieses<br />

komplexeThema zu sein.<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

(Bild: Syda Productions/stock.adobe.com)<br />

Nachhaltigkeit? „Wir sind dran.“ Die<br />

Antwort ergibt Sinn, in beiden möglichen<br />

Varianten. Schließlich sind „alle“,<br />

so auch Gesundheitswesen und Industrie,<br />

aufgerufen, sorgsam mit Ressourcen aller<br />

Art umzugehen. Das ist der einzige Weg,<br />

um folgenden Generationen nicht schon<br />

jetzt das Leben auf der Erde zu vermiesen.<br />

Und mit „wir sind dran“ – im Sinne von<br />

„wir haben schon mal angefangen, aber<br />

noch keine vollständig zufriedenstellende<br />

Lösung gefunden“ – lässt sich der aktuelle<br />

Stand der Dinge in Sachen Nachhaltigkeit<br />

auch ganz gut zusammenfassen.<br />

Lohnt es sich trotzdem, das Thema<br />

jetzt für die Branche Medizin<strong>technik</strong> zu<br />

diskutieren? Ja. Denn gerade weil Nachhaltigkeit<br />

so viele Facetten hat, wird es<br />

Zeit brauchen, das individuelle Ziel zu definieren<br />

und zu erreichen. Oder anders<br />

ausgedrückt: „Es hat keinen Sinn, auf den<br />

großen Wurf zu warten, auf die ultimativen<br />

Best-Practice-Beispiele oder ein fertiges<br />

Konzept, das sich auf jedes beliebige<br />

Unternehmen übertragen lässt.“ So beschreibt<br />

es Prof. Wolfgang Boos von der<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Nachhaltige Medizinprodukte gefordert<br />

Entwicklung und Produktion verändern<br />

Digitalisiertes Abfallmanagement<br />

Corporate Sustainability Reporting<br />

Directive (CSRD)<br />

Herstellen, nutzen, verbrennen. Für<br />

kontaminierte Abfälle aus dem Gesundheitsbereich<br />

ist das der einzige<br />

Weg. Es gibt aber auch Medizinprodukte,<br />

mit denen man nachhaltiger umgehen<br />

kann – und damit fangen die Hersteller<br />

gerade erst an<br />

RWTH Aachen. Für den geschäftsführenden<br />

Oberingenieur am Lehrstuhl für Produktionssystematik<br />

am Werkzeugmaschinenlabor<br />

(WZL) ist Nachhaltigkeit „eine<br />

Herzensangelegenheit“. Wie sich das in<br />

der Produktion umsetzen lässt – auch in<br />

der Medizin<strong>technik</strong> –, wird später noch<br />

Thema sein.<br />

Auch Krankenhäuser streben<br />

mehr Nachhaltigkeit an<br />

Aber vor dem „wie“ steht ja noch das „warum<br />

eigentlich?“ Eine Begründung dafür,<br />

auch bei Medizinprodukten die Nachhaltigkeit<br />

auf der Prioritätenliste nach oben<br />

zu schieben, sind Anforderungen der<br />

Kunden, vor allem der Krankenhäuser.<br />

„Eine Klinik der Vollversorgung hat viele<br />

Gebäude, Anlagen, Aspekte, die bisher zu<br />

einem hohen Kohlendioxid-Ausstoß führen“,<br />

sagt Frank Dzukowski. Er leitet am<br />

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br />

(UKE) die Vorstandsstabsstelle für<br />

Nachhaltigkeit und Klimamanagement.<br />

„Wir sehen natürlich unsere gesellschaftliche<br />

Verantwortung, etwas zu tun und<br />

unsere Arbeitsweise zu verbessern.“<br />

Am UKE haben solche Überlegungen<br />

Tradition. Die ersten Projekte starteten<br />

2009, als die Arbeitsgruppe „Das grüne<br />

UKE“ begann, umweltrelevante Aspekte<br />

des Unternehmens Krankenhaus zu beschreiben.<br />

2014 wurde die Nachhaltigkeit<br />

zu einer von fünf Säulen, die die Weiterentwicklung<br />

der Klinik tragen. Seit 2020<br />

bündelt die Stabsstelle die Aktivitäten.<br />

Das Ziel: Wie die gesamte Stadt Hamburg<br />

soll das UKE bis 2040 klimaneutral sein.<br />

Ansatzpunkte dafür sind natürlich Heizungs-<br />

und Lüftungsanlagen, eine mög-<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 21


TITELTHEMA<br />

lichst umweltgerechte Mobilität der Mitarbeiter<br />

und vieles mehr. Ebenfalls auf<br />

der langen Liste: die Nachhaltigkeit bei<br />

Medizinprodukten. Daten dazu seien bisher<br />

nur schwer zu bekommen, sagt Stabsstellenleiter<br />

Dzukowski. Man arbeite zum<br />

Teil mit Schätzungen. Ein Beispiel: Betrachte<br />

man den Stromverbrauch von Medizingeräten,<br />

so mache dieser einen Anteil<br />

von 20 bis 25 % des gesamten Stromverbrauchs<br />

des Klinikums aus. Ob ein<br />

Haus eine Radiologie betreibt und dazu<br />

ein IT-System, das die Daten verwaltet,<br />

spielt dabei natürlich eine Rolle, ebenso<br />

die Zahl der Operationssäle mit ihren vielen<br />

Geräten. Unabhängig von Details: Da<br />

steckt Potenzial für Verbesserungen.<br />

Patientensicherheit mit<br />

dem Klimaschutz vereinbaren<br />

Das gilt laut Dzukowski genauso für das<br />

Verbrauchsmaterial, von der Elektrode<br />

über den Katheter bis zum Schlauch. „Natürlich<br />

kann man nicht einfach etwas an<br />

den Produkten verändern, denn die sichere<br />

Diagnose und Therapie für die Patienten<br />

stehen an erster Stelle.“ Aber man<br />

könne es klug anfangen und versuchen,<br />

Patientensicherheit mit einem verbesserten<br />

Klimaschutz zu vereinbaren.<br />

Diese Frage mit Herstellern zu diskutieren,<br />

erfordere oft aufwendige Kleinprojekte.<br />

Fachleute erstellen eine Gefährdungsanalyse,<br />

um zu sehen, wo sich Ansatzpunkte<br />

bieten könnten. Muss es eine<br />

Kunststoffverpackung sein? Kann diese<br />

entfallen, wenn die Raumluft im Lager<br />

anders eingestellt ist? „Das ist ganz<br />

schnell eine komplexe Geschichte.“<br />

Trotzdem werden Aspekte der Nachhaltigkeit<br />

in Ausschreibungen schon jetzt<br />

mit berücksichtigt – auch wenn bisher die<br />

Bedienbarkeit oder die Patientensicherheit<br />

den Ausschlag geben. „Mittelfristig<br />

erwarten wir aber, dass Hersteller uns<br />

ihre Produkte CO 2 -neutral zur Verfügung<br />

stellen, wie es sich im Consumer-Bereich<br />

jetzt schon durchsetzt“, sagt Dzukowski.<br />

Solche Erwartungen werden nicht nur<br />

in Hamburg formuliert. Das Universitätsklinikum<br />

Heidelberg beispielsweise startete<br />

im Juli 2022 mit einem Kick-off-Event<br />

ein neues Projekt. Ziel: Den vollständigen<br />

Treibhausgasausstoß zu ermitteln, inklusive<br />

Lieferketten und Mobilität von Mitarbeitenden,<br />

Patienten und Besuchern,<br />

Emissionen für Medikamente, dem Entsorgen<br />

der Abfälle und Emissionen durch<br />

Medizinprodukte. Unter anderem geplant<br />

ist ein Pilotprojekt zur Mülltrennung in einem<br />

OP-Bereich, um Praxistauglichkeit<br />

und Effekte zu überprüfen.<br />

Was diese Entwicklung für Hersteller<br />

bedeutet, fasst Britta Norwat zusammen:<br />

„Nachhaltigkeit ist kein ‚nice to have‘<br />

mehr, sondern Bestandteil wirtschaftlichen<br />

Denkens.“ Norwat leitet bei Medical<br />

Mountains in Tuttlingen das Ressort Innovationsprojekte<br />

und organisiert auch das<br />

Innovation Forum im Oktober 2022 – bei<br />

dem Frank Dzukowski als Keynoter über<br />

die Herangehensweise des UKE berichtet.<br />

In der Medizin<strong>technik</strong><br />

gibt es noch Nachholbedarf<br />

Dass Nachhaltigkeit die Medizin<strong>technik</strong><br />

betrifft, betont auch Ronald Kröger, der in<br />

der B.Braun-Konzernzentrale in Melsungen<br />

als Sustainability Manager tätig ist.<br />

Das Team, in dem er arbeitet, entstand im<br />

Jahr 2021. „Generell kann man sagen,<br />

dass die Medizin<strong>technik</strong> als Branche noch<br />

Aufholpotenzial hat, was die Nachhaltigkeit<br />

angeht“, sagt Kröger. Über die Gründe<br />

dafür könne man spekulieren, entscheidend<br />

sei, dass Anforderungen auch<br />

an Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich<br />

formuliert werden. „Unsere Kunden<br />

(Bild: UKE)<br />

„Mittelfristig erwarten wir, dass<br />

Hersteller uns ihre Produkte<br />

CO 2 -neutral zur Verfügung stellen“,<br />

sagt Frank Dzukowski, der<br />

am Universitätsklinikum Eppendorf<br />

(UKE) die Vorstandsstabsstelle<br />

für Nachhaltigkeit und<br />

Klimamanagement leitet<br />

fragen vermehrt nach, was wir in dieser<br />

Richtung tun.“<br />

Das gelte besonders für Skandinavien<br />

und für das Vereinigte Königreich. Krögers<br />

Fazit braucht wenige Worte: „Wenn<br />

wir in Sachen Nachhaltigkeit nichts tun,<br />

verlieren wir Umsätze.“ Selbst Banken berücksichtigten<br />

in Kreditverträgen inzwischen,<br />

was der Kreditnehmer hier vorzuweisen<br />

hat. Für ein traditionsreiches Unternehmen<br />

wie B.Braun sei es aber selbstverständlich,<br />

nicht in Quartalszahlen zu<br />

denken, sondern in Zeiträumen, die Generationen<br />

umfassen. „Wir müssen und<br />

wollen unseren Beitrag leisten, um dem<br />

Klimawandel entgegenzutreten.“<br />

Auf Konzernebene und angesichts von<br />

rund 5000 Produkten ist Nachhaltigkeit<br />

allerdings eine komplexe Angelegenheit.<br />

Eine Roadmap definiert bereits Ziele.<br />

Zum Beispiel den CO 2 -Ausstoß bis 2030<br />

zu halbieren, den Einfluss der Lieferkette<br />

zu berücksichtigen und Produkte, Dienstleister,<br />

Prozesse und Logistik unter dem<br />

Aspekt der Nachhaltigkeit zu optimieren.<br />

Ohne eine zentrale Abteilung wäre das<br />

kaum zu schaffen, sagt Kröger. „Es gibt so<br />

viele Ansatzpunkte – und je größer das<br />

Unternehmen, desto wichtiger ist es, die<br />

Aktivitäten in Bahnen zu lenken. Wenn<br />

wir zum Beispiel an Life Cycle Assessment<br />

denken, müssen wir konzernweit einheitlich<br />

rechnen, sonst kommen wir nicht zu<br />

sinnvollen Ergebnissen.“<br />

22 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Kreislaufwirtschaft<br />

und Nachhaltigkeit<br />

Dafür wird auch externes Wissen gebraucht.<br />

Der Melsunger Konzern hat daher<br />

seinen B.Braun-Accelerator 2022 dem<br />

Thema Nachhaltigkeit gewidmet. Im Rahmen<br />

des „Accelerator“ stellen innovative<br />

Unternehmen Lösungen vor, mit denen<br />

B.Braun aktuellen Anforderungen gerecht<br />

werden kann. Software und Systeme für<br />

das Life Cycle Assessment, das Erfassen<br />

der relevanten Daten über den gesamten<br />

Produktlebenszyklus, zählen dazu.<br />

Zeitlichen Druck, bei der Nachhaltigkeit<br />

voranzukommen, erzeugt auch die<br />

von der EU vorgegebene Corporate Sustainability<br />

Reporting Directive (CSRD).<br />

Sie sieht vor, dass Unternehmen mit mehr<br />

als 250 Mitarbeitern und mehr als 40 Mio.<br />

Euro Umsatz ab 2025 jährlich über ihre<br />

Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit Rechenschaft<br />

ablegen müssen. „Da rollt eine<br />

Riesenwelle an Vorgaben auf uns zu“, sagt<br />

Kröger.<br />

Kleine Unternehmen müssen solche<br />

Reports zwar nicht erstellen. Doch wenn<br />

ihre (größeren) Kunden, wie zum Beispiel<br />

Krankenhäuser, berichtspflichtig sind,<br />

werden sie auf Zahlen aus der Lieferkette<br />

angewiesen sein – und auch Investoren<br />

dürften sich für das Thema interessieren.<br />

Darauf weist die Berliner Ökotec Energiemanagement<br />

GmbH hin, die Softwarelösungen<br />

und Beratung für den Weg zur klimaneutralen<br />

Wirtschaft anbietet.<br />

Mit Lösungen auf die Krankenhäuser<br />

zukommen<br />

Doch es gibt ja schon Medizinproduktehersteller,<br />

die sich intensiv mit der Nachhaltigkeit<br />

befassen und auf die Krankenhäuser<br />

zukommen. Genau diesen Ansatz<br />

hat auch Daniel Unger verfolgt. „Ich wollte<br />

Lösungen, keine Claims“, sagt Unger,<br />

der bei Ethicon, einem Geschäftsbereich<br />

von Johnson&Johnson Medtech, zunächst<br />

im Vertrieb gearbeitet hat und<br />

auch die Wünsche von Medizinern und<br />

Pflegepersonal zu Abfall und Nachhaltigkeit<br />

zu hören bekam. Seit Mai 2022 ist er<br />

in Vollzeit Sustainability Manager, und<br />

aus seiner Sicht ist klar: Für Anwender<br />

von Medizinprodukten entstehe „eine kognitive<br />

Dissonanz“, wenn Hersteller<br />

Nachhaltigkeit zum Ziel machen, es aber<br />

immer noch jeden Tag „Berge von Müll im<br />

Operationssaal gibt“.<br />

Daher wollte Unger handeln, Ideen mit<br />

umsetzen und das Gelernte möglichst<br />

schnell in größerem Maße nutzen. Bisherige<br />

Bilanz: Zwei Recycling-Projekte zu<br />

Einweginstrumenten und Aluminiumbestandteilen<br />

in Verpackungen sind abgeschlossen,<br />

ein Projekt zu umweltfreundli-<br />

Der Begriff der Nachhaltigkeit bezieht<br />

sich darauf, Ressourcen nur so stark<br />

zu nutzen, wie sie diese Inanspruchnahme<br />

dauerhaft aushalten können,<br />

ohne Schaden zu nehmen.<br />

Als Kreislaufwirtschaft wird die Idee<br />

bezeichnet, Produktion und Verbrauch<br />

so zu gestalten, dass Materialien und<br />

Produkte so lange wie möglich geteilt,<br />

geleast, wiederverwendet, repariert,<br />

aufgearbeitet und recycelt werden.<br />

Der Lebens zyklus eines Produktes soll<br />

also möglichst lang sein, um Abfälle<br />

zu minimieren. Auch am Ende der Lebensdauer<br />

verbleiben die Ressourcen<br />

und Materialien dann so weit wie<br />

möglich in der Wirtschaft und werden<br />

produktiv weiterverwendet. Die Kreislaufwirtschaft<br />

ist also das Gegenteil<br />

der Wegwerfwirtschaft, dem traditionellen,<br />

linearen Wirtschaftsmodell.<br />

Im März 2020 legte die Europäische<br />

Kommission einen Aktionsplan für die<br />

Kreislaufwirtschaft vor – als wichtigen<br />

Baustein des europäischen Grünen<br />

Deals und Teil der neuen EU-Industriestrategie.<br />

Mehr zu den Plänen der EU:<br />

http://hier.pro/ZIA9n<br />

Eine geeignete Verpackung für<br />

ein Medizinprodukt kann aus<br />

Recyclingmaterial bestehen.<br />

Dass zum Beispiel alle wichtigen<br />

Informationen im Einsatz<br />

lesbar sind, haben Tests gezeigt.<br />

Akzeptanz laut Hersteller: In<br />

der Klinik kamen Idee und Umsetzung<br />

gut an<br />

(Bild: Ethicon)<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 23


TITELTHEMA<br />

Weitere Informationen<br />

Über die Stabsstelle Nachhaltigkeit<br />

und Klimamanagement beim UKE:<br />

http://hier.pro/YXan8<br />

Zum Tuttlinger Innovation Forum<br />

Medizin<strong>technik</strong> im Oktober 2022<br />

(Keynote Nachhaltigkeit):<br />

https://innovation-forum-medizin<br />

<strong>technik</strong>.de/<br />

Über Ökotec (Stichwort CSRD)<br />

http://hier.pro/BZc6k<br />

Mehr zu den Konsequenzen der<br />

Richtlinie ab Seite 54<br />

Über digitales Abfallmanagement<br />

und das Start-up Resourcify:<br />

www.resourcify.com/de/<br />

Studie Sustainable Productivity<br />

http://hier.pro/hYtS0<br />

Mehr dazu, wie man mit Industrie<br />

4.0 – aber auch ohne – zu Nachhaltigkeit<br />

kommt: s. Beitrag Seite38<br />

Nachhaltigkeit aus der Sicht<br />

von Medizinern: Interview mit<br />

Prof. Wirtz ab Seite 10<br />

(Bild: B. Braun SE)<br />

Sind die für das Recycling gesammelten Späne sortenrein? Das überprüft der<br />

Mitarbeiter bei Aesculap hier mittels Röntgen-Fluoreszenz-Analyse<br />

cheren Verpackungen ist in Arbeit, weitere<br />

sind geplant. Alle haben klein angefangen,<br />

mit überschaubaren Tests.<br />

„Ich glaube, dass es nur so wirklich vorangeht“,<br />

sagt der Sustainability Manager,<br />

„nach dem Motto ‚einfach mal anfangen‘.“<br />

Im Konzern habe er dafür viel Unterstützung<br />

bekommen, soziale und ökologische<br />

Nachhaltigkeit sei bei Johnson&Johnson<br />

schon lange Tradition.<br />

Laut Unger hängt der Erfolg von Nachhaltigkeitsprojekten<br />

auch davon ab, dass<br />

sich eine Verbesserung datenbasiert nachweisen<br />

lässt. „Ich muss belegen können,<br />

dass eine Recycling-Idee am Ende – trotz<br />

zusätzlicher Transportschritte und der<br />

Aufwände für die Weiterverarbeitung –<br />

zu einem niedrigeren Kohlendioxid-Ausstoß<br />

führt als die Verbrennung eines Einmalproduktes“,<br />

sagt er.<br />

Diesen Nachweis zu führen, sei nicht<br />

einfach. Daher hat Ethicon externe Partner<br />

gesucht. Es gab Sitzungen mit einem<br />

Entsorgungsdienstleister, mit Fachleuten<br />

aus der Stadt Hamburg und dem Land<br />

Schleswig-Holstein. So richtig Schwung<br />

in die Sache brachte der Kontakt zu einem<br />

spezialisierten Start-up in der Hansestadt,<br />

der Resourcify GmbH. „Resourcify hat es<br />

geschafft, das Abfallgeschehen zu digitalisieren“,<br />

erläutert Unger. Die Plattform<br />

veranschauliche, welcher Abfall wo entsteht,<br />

was damit passiert und wo es eventuell<br />

Entsorger gibt, die damit etwas anfangen<br />

können. „Man hat das Gefühl, dass<br />

die Details bis zum Inhalt des Papierkorbs<br />

unter meinem Schreibtisch reichen.“ Genau<br />

das sei erforderlich, um zu belegen,<br />

dass eine Maßnahme den CO 2 -Ausstoß<br />

tatsächlich senkt.<br />

Manchmal machen Details das<br />

Recycling zur Herausforderung<br />

Doch es geht nicht nur darum, das Ende<br />

des Produktlebenszyklus genauer zu<br />

betrachten. „Die Zusammenarbeit hat<br />

auch gezeigt, dass eine Verpackung für<br />

orthopädische Schrauben in der aktuellen<br />

Form nicht recycelbar war“, erzählt<br />

Unger. Vier Werkstoffe, ein Klebeband<br />

für den Verschluss – für die Wieder -<br />

verwendung ist das nicht ideal. Aber nach<br />

einer Möglichkeit auch dafür wird derzeit<br />

schon gesucht, denn so schnell wollen die<br />

Nachhaltigkeitsexperten dann doch nicht<br />

aufgeben.<br />

Dennoch geht die Botschaft an De -<br />

signer und Ingenieure, es in Zukunft anders,<br />

nämlich möglichst von Anfang an<br />

recy clinggerecht zu machen. Wie, das sei<br />

am besten bei Entsorgungsfachleuten in<br />

Erfahrung zu bringen.<br />

Die Projekte, die in Hamburg mit mehreren<br />

Asklepios-Kliniken für Ethicon funk -<br />

tionierten, ließen sich laut Unger schnell<br />

skalieren und auf andere europäische<br />

Länder übertragen. Damit hat Ethicon<br />

Vorarbeit geleistet, sagt der Sustainabi -<br />

lity Manager und will die Vorreiterrolle<br />

auch nutzen. Aber nicht für lange, das<br />

ist klar. „Wenn wir mehr Recyceln und daher<br />

mehr Produkte oder Verpackungen<br />

einsammeln wollen, geht das nur, wenn<br />

nicht jeder Hersteller sein eigenes System<br />

schafft.“ Zig Abfallbehälter im OP, um<br />

alles säuberlich zu trennen? Unrea -<br />

listisch. „Ich denke, dass es eher zu einer<br />

Art Allianz kommen kann. Einem ein -<br />

heitlichen System, das viele Hersteller<br />

nutzen wollen und auf das sie einzahlen.<br />

Das wäre meine persönliche Vision.“<br />

Entwicklung, Verpackung, Recycling<br />

können also das Thema Nachhaltigkeit<br />

voranbringen. Aber auch in der Produk -<br />

tion gibt es Ansatzpunkte. Ein Beispiel dafür<br />

ist die Aufbereitung von Metallspänen<br />

im Chirurgie-Bereich von B. Braun in<br />

Tuttlingen. Bei der Produktion von Implantaten<br />

und Chirurgieinstrumenten fallen<br />

dort Prozessabwässer an. Die Entsorgung<br />

über einen Dienstleister erwies sich<br />

schon früh als kostspielig. „Daraus entstand<br />

die Idee, eine interne Lösung zu pla-<br />

24 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


sie mit Patienten nicht in Kontakt kommen.<br />

Richtung Kreislaufwirtschaft gehen<br />

die Überlegungen beim Prozesswasser.<br />

Kühlschmierstoffhaltige Lösungen oder<br />

das Abwasser aus Reinigungsschritten behandeln<br />

die Tuttlinger mit einer Vakuumverdampfungsanlage.<br />

Diese liefert am Ende<br />

ein Destillat, das alle Anforderungen<br />

erfüllt, um in kommunale Kläranlagen<br />

eingeleitet zu werden. „Aber wir würden<br />

es gern intern weiterverwenden, es in unserem<br />

Kreislauf halten“, sagt Riester. Für<br />

den letzten Reinigungsschritt an Medizinprodukten<br />

in einer validierten Anlage<br />

geht das zwar nicht. Aber für Reinigungsvorgänge<br />

im Verlauf der Fertigung, für<br />

neue Kühlschmierstofflösungen, das Ausspülen<br />

von Spänekübeln oder das Kühlen<br />

des Gebäudes könnte das Destillat interessant<br />

sein.<br />

Insgesamt sieht Riester Umweltprojekte<br />

als guten Start, um sich dem Thema<br />

Nachhaltigkeit zu nähern. Das sei auch<br />

für kleine Betriebe machbar, als erster<br />

Schritt mit vertretbarem Aufwand. „Wer<br />

ein Umweltmanagementsystem einführt,<br />

begegnet vielen Aspekten, die Nachhaltigkeit<br />

betreffen.“ Das gelte für die Zertifizierung<br />

nach ISO 14001 oder EMAS (Eco-<br />

Management and Audit Scheme) für Umweltmanagementsysteme.<br />

Da sich die<br />

Vorgaben auch bei den Umweltmanagementsystemen<br />

weiterentwickeln, behalte<br />

man auf diese Weise veränderte Anforderungen<br />

gleich mit im Blick.<br />

Bei Aesculap sollen die Ansätze bald<br />

über das Späne-Recycling deutlich hinausgehen.<br />

„Wir haben tolle Projekte in<br />

der Pipeline“, sagt Isabell Riester. Für -<br />

Details sei es noch zu früh, aber für aus -<br />

gewählte Produkte aus Metall und Kunststoff<br />

sei der Einstieg in das Thema Öko -<br />

bilanzen und Life Cycle Assessment, also<br />

Lebenszyklusanalysen, geplant.<br />

Das Sterilcontainersystem Aicon bietet Aesculap für Instrumente schon seit<br />

langem an. Es hilft, steriles Einweg-Verpackungsmaterial zu vermeiden und<br />

kann mehrfach verwendet werden. Da es nicht direkt mit den Patienten in<br />

Kontakt kommt, lassen sich die Container aus Sekundärrohstoffen wie recycelten<br />

Spänen herstellen<br />

nen“, berichtet Isabell Riester, die das<br />

Thema als Umweltingenieurin bei Aesculap<br />

betreut. Geplant und genehmigt wurden<br />

eine Anlage für die Wasseraufbereitung<br />

und das Schreddern von Metallspänen<br />

schon in den Jahren 2014 und 2015.<br />

„Wie wir das System heute nutzen, leistet<br />

aber einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des<br />

Unternehmens“, sagt Riester.<br />

Potenzial für eine nachhaltigere<br />

Produktion von Metallteilen<br />

Heißt konkret: Die Metallspäne aus Edelstahl,<br />

Titan, Kobalt-Chrom-haltigen Legierungen<br />

oder auch Aluminium sammeln<br />

die Mitarbeiter in der Fertigung sortenrein.<br />

Durch das Schreddern der Späne<br />

schrumpft das Volumen der Abfälle – der<br />

Entsorgungsdienstleister muss also seltener<br />

kommen und hat weniger zu transportieren.<br />

Das ist gut für die Entsorgungskosten,<br />

aber auch gut für den CO 2 -Ausstoß.<br />

Die Späne aus hochwertigen Metallen<br />

haben zwar als Sekundärrohstoffe derzeit<br />

keine Chance, direkt in Medizinpro dukten<br />

verwendet zu werden. „Dem stehen re -<br />

gulatorische Vorgaben entgegen“, sagt<br />

Riester. „Aber die Automobilindustrie ist<br />

offen dafür.“ Für metallene Steril -<br />

container seien Sekundärrohstoffe sogar<br />

im Gesundheitsbereich verwendbar, da<br />

(Bild: B. Braun SE)<br />

Studie Sustainable Productivity<br />

zeigt Ansatzpunkte<br />

Jetzt anfangen. Das ist, wie eingangs erwähnt,<br />

auch die Maxime von Prof. Wolfgang<br />

Boos von der RWTH Aachen. Und<br />

hier folgt auf das „Warum“ das „Wie“. Was<br />

die entscheidenden Bausteine für eine<br />

„Sustainable Productivity“ sein könnten,<br />

hat Boos mit weiteren Fachleuten in einer<br />

gleichnamigen Studie zusammengefasst.<br />

Unternehmen müssen neben finanziellen<br />

Faktoren auch ökologische und soziale<br />

Belange berücksichtigen und eine Umgebung<br />

schaffen, in der wirklich innovative<br />

Ideen für mehr Nachhaltigkeit umgesetzt<br />

werden können. Veränderungen, die nur<br />

finanzielle Vorteile, aber Nachteile bei der<br />

Nachhaltigkeit mit sich bringen, sollten<br />

Entscheider laut Boos vermeiden. Unterstützung<br />

für die Suche nach besseren Ansatzpunkten<br />

sei inzwischen über Institutionen<br />

und Verbände verfügbar, sagt er.<br />

Hauptsache, es geht los.<br />

Je mehr Ideen umgesetzt werden, desto<br />

schneller entwickeln sich nachhaltigere<br />

Systeme , von denen langfristig alle profitieren.<br />

Denn es lässt sich kaum leugnen,<br />

dass letzten Endes wir alle „dran“ sind. ■<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

birgit.oppermann@konradin.de<br />

Online<br />

weiterlesen<br />

Mehr zu den Projekten bei Ethicon<br />

und über die Unterstützung, die das<br />

Start-up Resourcify bietet, lesen Sie in<br />

unserem Online-Magazin unter<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />

nachhaltigkeit-medizin<strong>technik</strong><br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 25


■ [ TECHNIK ]<br />

Miniatur-Kugelgewindetrieb,<br />

der das Herz mit unterstützt<br />

Antriebs<strong>technik</strong> | Miniatur-Kugelgewindetriebe sind ein zentrales Antriebselement<br />

in extrakorporalen Pumpen, die das Herz unterstützen können. Sie sichern unter<br />

anderem die Druckbeaufschlagung eines Ballons an diesem Organ. Dafür müssen<br />

die Bauteile besonders kompakt und präzise sein.<br />

In extrakorporalen<br />

Herzpumpen<br />

sorgen Miniatur-<br />

Kugelgewindetriebe<br />

als zentrales<br />

Antriebselement<br />

mit für den Druckaufbau,<br />

der das<br />

Herz entlastet<br />

(Bild: August Steinmeyer)<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

sind<br />

häufig und mitunter gefährlich. Bei<br />

Schäden am kardiovaskulären System<br />

kann der Einsatz einer Herzpumpe aber<br />

nicht nur Menschenleben retten. Er kann<br />

Patienten auch zu mehr Lebensqualität<br />

verhelfen, da sie sich mit einem solchen<br />

Gerät auch außerhalb des Krankenhauses<br />

aufhalten können.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Kugelgewindetrieb<br />

Miniatur-Ausführung<br />

Extrakorporale Herzunterstützung<br />

Geschliffene Version für mehr Präzision<br />

Spezielles Verfahren reduziert Rauheit<br />

Zuletzt kamen für solche Anwendungen<br />

zunehmend Pumpen auf den Markt,<br />

die implantiert werden. Sie zu entwickeln<br />

und herzustellen, ist recht kostenintensiv.<br />

Und sie sind nicht für alle Patienten geeignet,<br />

da der für die Implantation erforderliche<br />

invasive Eingriff medizinisch nicht<br />

immer möglich ist.<br />

Die Kombination aus einem implantierten<br />

Ballon mit einer externen, portablen<br />

Pumpe ist hingegen eine zuverlässige<br />

und weniger invasive Alternative, die bei<br />

mehr Patienten und Erkrankungen einsetzbar<br />

ist. Der Ballon wird dabei in die<br />

Hauptschlagader eingeführt und ist über<br />

einen Katheter mit der portablen Antriebseinheit<br />

außerhalb des Körpers verbunden.<br />

Im Herzrhythmus wird der Ballon<br />

ausgedehnt und wieder zusammengeschrumpft.<br />

Druck und Unterdruck beim<br />

Auf- und Abpumpen entlasten das Herz.<br />

Die Entwickler eines solchen kardiovaskulären<br />

Assistenzgerätes müssen jedoch<br />

verschiedene Faktoren beachten:<br />

Zum einen muss sich die Druckbeaufschlagung<br />

des Ballons im Herzen präzise<br />

steuern lassen und reversibel sein. Zum<br />

anderen muss das Gerät speziellen Ansprüchen<br />

an Gewicht, Größe und Lautstärke<br />

gerecht werden und eine Lebensdauer<br />

von mindestens einem Jahr bei<br />

gleichbleibender Leistung aufweisen.<br />

Um diesen Anforderungen zu entsprechen,<br />

wählte ein Hersteller portabler<br />

Pumpen einen Miniatur-Kugelgewindetrieb<br />

aus dem Portfolio der August Steinmeyer<br />

GmbH & Co. KG aus Albstadt als<br />

Antriebsmechanismus. Diesen kombinierte<br />

er mit einem speziell entwickelten Metallbalg<br />

als Druckkammer. Die kleinen<br />

Kugelgewindetriebe bieten nicht nur eine<br />

große Schubdichte, sie ermöglichen zu-<br />

26 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


dem eine hohe lineare Beschleunigung –<br />

was sowohl vorwärts als auch rückwärts<br />

gilt. Da sie einen Wirkungsgrad von mehr<br />

als 90 % erreichen, lassen sie sich mit<br />

Kleinmotoren betreiben. Das wiederum<br />

senkt den Stromverbrauch des Gerätes.<br />

Über den Hersteller<br />

Die August Steinmeyer GmbH & Co.<br />

KG wurde 1920 von August Steinmeyer<br />

als feinmechanische Werkstätten<br />

gegründet. Typische Appli -<br />

kationen für die High-End-Kugel -<br />

gewindetriebe finden sich heute im<br />

Werkzeugmaschinenbau, der Mechatronik,<br />

der optischen Industrie,<br />

der Medizin<strong>technik</strong> sowie in der<br />

Luft- und Raumfahrtindustrie.<br />

www.steinmeyer.com<br />

Gerollte Spindeln als Standard,<br />

geschliffene für mehr Präzision<br />

August Steinmeyer hat sich auf die Entwicklung<br />

und Fertigung solcher präziser<br />

und langlebiger Antriebselemente spezialisiert.<br />

Die Kugelgewindetriebe mit Spindelgrößen<br />

von 3 mm bis 16 mm beispielsweise<br />

eignen sich sehr gut für den Einsatz<br />

in der Medizin<strong>technik</strong>. Die Spindeln sind<br />

grundsätzlich mit gerolltem oder geschliffen<br />

Gewinde verfügbar. Dabei eignen sich<br />

die gerollten Ausführungen in der Regel<br />

für Standardansprüche und erfüllen die<br />

Anforderungen der Genauigkeitsklassen<br />

T5 bis T10.<br />

Wenn hohe Präzision gefragt ist – wie<br />

beim Herzunterstützungssystem –, werden<br />

geschliffene Varianten bevorzugt, die<br />

den Genauigkeitsklassen P1 bis P5 entsprechen.<br />

Auch die Spindelsteigung beeinflusst<br />

die Genauigkeit: „Je kleiner die<br />

Steigung, desto besser die theoretisch erreichbare<br />

Auflösung und damit die Präzision“,<br />

erklärt Wolfgang Klöblen, Entwicklungsleiter<br />

bei August Steinmeyer. Üblicherweise<br />

haben Miniatur-Kugelgewindetriebe<br />

Steigungen von 1 mm bis 2 mm.<br />

Die Entwicklungsabteilung arbeite<br />

stets eng mit dem Auftraggeber zusammen,<br />

um individuelle Lösungen zu realisieren.<br />

„In der Herzpumpe wird zum Beispiel<br />

eine 12-mm-Spindel mit einer Zylindermutter<br />

im Kurzhub-Betrieb eingesetzt.“<br />

So konnte das Gesamtsystem, das<br />

die kardiovaskuläre Funktion unterstützt,<br />

klein und leicht konzipiert werden.<br />

Neben der Genauigkeit und großen<br />

Laufruhe spielte für die Herzunterstützung<br />

vor allem die Verlässlichkeit der<br />

Komponenten eine entscheidende Rolle.<br />

„Die Qualität unserer Miniatur-Kugelgewindetriebe<br />

ist ausschlaggebend für die<br />

Präzision und Ausfallsicherheit des Antriebsmechanismus<br />

zur Druckregelung<br />

der Blutpumpe“, erläutert Klöblen. „Diese<br />

konnten wir durch die Anwendung unseres<br />

hauseigenen Gleitschleifverfahrens<br />

noch weiter verbessern.“<br />

Damit lassen sich mikroskopisch kleine<br />

Unregelmäßigkeiten auf der Laufbahnoberfläche<br />

des Spindelgewindes entfernen,<br />

was die Oberflächenrauheit erheblich<br />

reduziert. Das führt zu verbesserten<br />

Schmiereigenschaften und einem glatteren<br />

Lauf der Mutter. Auch ist das Leerlaufdrehmoment<br />

über die gesamte Spindellänge<br />

gleichmäßig. Weniger Vibrationen<br />

und eine geringere Geräuschentwicklung<br />

bei hohen Drehzahlen sind weitere positive<br />

Effekte. Dass die optimierten Lauf -<br />

eigenschaften Qualität und Lebensdauer<br />

der Kugelgewindetriebe verbessern, haben<br />

Versuche gezeigt. Das weiterentwickelte<br />

Schleifverfahren ermöglicht auch<br />

eine energieeffiziente Auslegung des jeweiligen<br />

Antriebs so wie eine höhere Positioniergenauigkeit.<br />

Und während sich die tragbare Herzpumpe<br />

derzeit in späten klinischen Studien<br />

befindet, denken andere Hersteller bereits<br />

über neue Modelle nach: Die Ballonkatheter<br />

sollen künftig intelligent werden.<br />

Ausgestattet mit flexiblen Sensoren<br />

und Elektronik könnten sie beim Erfassen<br />

und Sammeln körpereigener Daten helfen<br />

– was für die Therapie kardiovaskulärer<br />

Erkrankungen besonders hilfreich ist.<br />

Auch in solch innovativen Herzpumpen<br />

lassen sich Miniatur-Kugelgewindetriebe<br />

sinnvoll einsetzen.<br />

■<br />

Jens-Uwe Gühring<br />

August Steinmeyer, Albstadt<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 27


■ [ TECHNIK ]<br />

Textiler Ersatz für Trommelfell<br />

und Herzklappe<br />

Werkstoffe | Textilforscher der TU Dresden haben ein neuartiges Trommelfellimplantat<br />

aus Fasern entwickelt. In Tests schnitt die bioinspirierte Innovation deutlich besser<br />

ab als herkömmliche Implantate. Demselben Forscherteam gelang jüngst ein weiterer<br />

medizin-textiler Quantensprung: die weltweit erste gewebte Herzklappe ohne Naht.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Das textile Ersatz-Trommelfell wurde auf der Techtextil 2022 vorgestellt<br />

Medizintextilien<br />

Textile Implantate<br />

Biologische Herzklappe<br />

Regenerative Medizin<br />

Messe Techtextil<br />

(Bild: ITM/TU Dresden)<br />

Weltweit erleiden pro Jahr über 30<br />

Millionen Menschen eine Trommelfellverletzung.<br />

Wird diese nicht oder<br />

nur unzureichend behandelt, führt das im<br />

schlimmsten Fall zum Hörverlust. Abhilfe<br />

schaffen Implantate aus körpereigenem<br />

Knorpel, Muskelhaut oder synthetischen<br />

Kunststoffen. Diese sind aber oft so dick,<br />

dass sie nicht so gut schwingen wie das<br />

natürliche Trommelfell. In der Folge müssen<br />

Patienten trotz Implantat dauerhaft<br />

mit eingeschränktem Hörvermögen leben.<br />

Um die volle Hörfähigkeit wiederherzustellen,<br />

haben Forscher des Instituts für<br />

Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstoff<strong>technik</strong><br />

(ITM) und der Poliklinik<br />

für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde<br />

der Medizinischen Fakultät, beide<br />

TU Dresden, ein textiles Ersatz-Trommelfell<br />

entwickelt. Das neuartige Hightech-<br />

Textil wurde Ende Juni auf der Techtextil,<br />

Weltleitmesse für technische Textilien<br />

und Vliesstoffe, erstmals einer breiten<br />

Fachöffentlichkeit vorgestellt.<br />

„Die textile Membran ermöglicht eine<br />

komplette, dauerhafte und naturgetreue<br />

Rekonstruktion des Trommelfells“, sagt<br />

Dr.-Ing. Dilbar Aibibu, Forschungsgruppenleiterin<br />

Bio- und Medizintextilien am<br />

ITM. Vergleichende Schwingungstests mit<br />

einem natürlichen Trommelfell und einem<br />

Implantat aus Knorpel hätten gezeigt:<br />

Das textile Ersatz-Trommelfell besitzt<br />

die gleichen Schwingungseigenschaften<br />

wie ein echtes Trommelfell. „Das<br />

ist bisher einmalig“, sagt Aibibu.<br />

Wie aber gelingt es, den Schall derart<br />

naturgetreu zu leiten? Das interdisziplinäre<br />

Forscherteam setzt dafür auf Biomaterialien<br />

wie Polycaprolacton, einen biologisch<br />

abbaubaren Kunststoff, und Sei-<br />

denfibroin, ein Protein, das aus den Kokons<br />

von Seidenraupen gewonnen wird.<br />

Mittels Elektrospinnverfahren, mit dem<br />

man auch Stents für die regenerative Medizin<br />

herstellt, werden aus dieser Protein-<br />

Kunststofflösung feinste Fäden gezogen<br />

und zum textilen Ersatz-Trommelfell abgelegt.<br />

„Ein echtes Trommelfell besteht<br />

aus Kollagen, deshalb haben wir ähnliche<br />

Materialien verwendet“, erklärt Aibibu.<br />

Das textile Material fühle sich operativ<br />

wie natürliches Gewebe an. Man habe zudem<br />

darauf geachtet, schneidbare Materialien<br />

zu verwenden, um die Ersatz-<br />

Membran besser an den Patienten anpassen<br />

zu können. Doch das Trommelfellimplantat<br />

war nicht die einzige medizin-textile<br />

Innovation des ITM, die auf der Tech -<br />

textil für Aufsehen sorgte.<br />

Innovation Award für textile<br />

Herzklappe<br />

Das Textilforschungsinstitut erhielt außerdem<br />

einen Techtextil Innovation<br />

Award in der Kategorie „New Product“ für<br />

die laut ITM weltweit erste gewebte Herzklappe,<br />

die ohne eine einzige Naht oder<br />

sonstige Füge<strong>technik</strong> auskommt. Entwickelt<br />

wurde sie mit Herzchirurgen aus<br />

dem Herzzentrum Dresden und der Uniklinik<br />

Würzburg. Laut ITM-Forschungsgruppenleiterin<br />

Aibibu ließen sich solche<br />

gewebten Herzklappen aufgrund der<br />

komplexen Geometrie und Funktion bisher<br />

nicht in dieser Form herstellen. Möglich<br />

wurde der Quantensprung demnach<br />

durch eine spezielle am ITM entwickelte<br />

Fertigungstechnologie auf Basis der sogenannten<br />

Jacquard-Spulenweb<strong>technik</strong>.<br />

Mit ihr sei es erstmals gelungen, Schläuche<br />

mit eingebauten Ventilen komplett<br />

ohne Nähschritte auf einer Webmaschine<br />

zu weben. Erste Versuche hätten die gute<br />

Funktionalität der eingewebten Ventile<br />

bereits gezeigt. „Die Ergebnisse sind eine<br />

hervorragende Basis für die Entwicklung<br />

28 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: Eckert)<br />

Die textile Herzklappe erhielt<br />

auf der Messe einen Innovation<br />

Award<br />

von gewebten Herzklappen mit hoher Lebensdauer<br />

und minimalem Fertigungsaufwand“,<br />

sagt Dr. Aibibu.<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören<br />

zu den häufigsten natürlichen Todesursachen;<br />

weltweit sterben daran etwa 17 Millionen<br />

Menschen jährlich. Erhalten Patienten<br />

die Möglichkeit für einen Herzklappen-Ersatz,<br />

kommen in der Regel<br />

künstlich-mechanische oder biologische<br />

Herzklappen zum Einsatz. Ein Nachteil<br />

der mechanischen Lösung besteht darin,<br />

dass damit eine lebenslange gerinnungshemmende<br />

Therapie einhergeht. Biologische<br />

Herzklappen indes weisen eine deutlich<br />

kürzere Lebensdauer auf und erfordern<br />

einen hohen manuellen Herstellungsaufwand.<br />

Geht es nach dem ITM,<br />

soll die mit dem Innovation Award ausgezeichnete<br />

textile Herzklappe künftig eine<br />

Alternative sein. „Unsere Neuentwicklung<br />

könnte in Zukunft auch Kindern mit Herzklappenfehlern<br />

helfen“, sagt Aibibu. „Weil<br />

sie mit dem Herzen mitwächst, lassen sich<br />

so die üblicherweise wiederholten chirurgischen<br />

Eingriffe für die kleinen Patienten<br />

vermeiden.“<br />

■<br />

(Bild:ITM/TU Dresden)<br />

Dr.-Ing. Dilbar<br />

Aibibu leitet die<br />

Forschungsgruppe<br />

Bio- und Medizintextilien<br />

am Institut<br />

für Textilmaschinen<br />

und Textile Hochleistungswerkstoff<strong>technik</strong><br />

(ITM) der TU<br />

Dresden<br />

ES KOMMT<br />

DOCH AUF DIE<br />

GRÖSSE AN.<br />

Ronny Eckert<br />

Fachjournalist in Berlin<br />

Medtech auf der Techtextil<br />

Auf der Techtextil, Weltleitmesse für technische Textilien und<br />

Vliesstoffe, präsentieren Aussteller Produkte aus zwölf Anwendungsbereichen,<br />

darunter Medizin<strong>technik</strong>. Der Bereich umfasst<br />

neue Produkte, Materialien und Technologien für den<br />

Einsatz in Medizin, Gesundheit und Hygiene. Neueste Fasern,<br />

Garne und (Vlies)Stoffe für OP-Bekleidung, Wundauflagen,<br />

Nähfäden und FFP2-Masken spielen dabei ebenso eine Rolle<br />

wie textile Implantate, Prothesen, Stents und intelligente<br />

Textilien zur Überwachung von Vitalparametern.<br />

Die Techtextil und die parallel stattfindende Texprocess 2022<br />

zogen Ende Juni mit über 1300 Ausstellern aus 51 Ländern<br />

rund 48 000 Besucher an. Die nächste Techtextil und Texprocess<br />

finden 2024 vom 23. bis 26. April wieder in Frankfurt am<br />

Main statt.<br />

www.techtextil.messefrankfurt.com<br />

In Miniaturbauteilen für Medizinprodukte sind<br />

wir ganz groß. Unsere Präzision bleibt dabei<br />

ungeschlagen.<br />

Sembach perfektioniert Technische Keramik.<br />

Für die Medizin, für die Menschen.<br />

Mehr unter<br />

sembach.de/medizin<strong>technik</strong><br />

Sembach GmbH & Co. KG<br />

91207 Lauf a. d. Pegnitz<br />

Tel.: +49 (0) 9123 167 0<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 29


■ [ TECHNIK ]<br />

Sensible Elektronik im Implantat<br />

hermetisch verkapseln<br />

Glas-Micro-Bonding | Sie ist zwar klein, aber ein Wunderwerk des menschlichen Körpers:<br />

die Netzhaut. Nimmt sie Schaden und droht der Verlust des Sehvermögens, kann<br />

ein nur 5 mm großes Netzhautimplantat helfen. Für die hermetische Verkapselung<br />

des Implantats kommt das Glas-Micro-Bonding von Schott Primoceler zum Einsatz.<br />

Mit dem biokompatiblen<br />

Mikroimplantat<br />

und einer<br />

besonderen Brille<br />

sollen Menschen<br />

mit einem Netzhautdefekt<br />

wieder<br />

sehen können<br />

(Bild: Nano Retina)<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Netzhautimplantat<br />

Miniaturisierung<br />

Glas-Micro-Bonding<br />

Hermetisch abgedichtete Gehäuse<br />

Schutz elektronischer Komponenten<br />

Obwohl sie nur 0,5 mm dick ist, enthält<br />

die menschliche Netzhaut über<br />

sechs Millionen Zapfen, hocheffiziente<br />

Fotorezeptoren, die Farben, feine Details<br />

und schnelle Bewegungen wahrnehmen.<br />

Hinzu kommen 120 Millionen Stäbchen,<br />

mit denen man bei Nacht und in der Peripherie<br />

sehen kann. Die Netzhaut sorgt dafür,<br />

dass ein fokussiertes Bild in eine Reihe<br />

elektrischer Impulse übersetzt wird,<br />

die dann über den Sehnerv an das Gehirn<br />

übertragen werden. Eine wichtige Aufgabe,<br />

denn damit wird einer unserer wichtigsten<br />

Sinne ermöglicht: das Sehen.<br />

Doch was passiert, wenn die Netzhaut<br />

degeneriert oder beschädigt ist? Für Millionen<br />

von Menschen führen degenerative<br />

Netzhauterkrankungen wie Makuladegeneration<br />

oder Retinitis pigmentosa oft zu<br />

einem schweren Verlust des Sehvermögens.<br />

Dieser tritt in Form einer verschwommenen<br />

Sicht oder eines Tunnelblicks<br />

auf und kann sogar völlig erblinden<br />

lassen. Die Pionierarbeit von Nano Retina<br />

bietet Hoffnung. Das israelische Nanotechnologie-Unternehmen<br />

mit Sitz in<br />

Herzliya entwickelte ein 5 mm großes<br />

Netzhautimplantat, das durch einen risikoarmen<br />

chirurgischen Eingriff in das Auge<br />

eingesetzt wird und im Zusammenspiel<br />

mit einer besonderen Brille funktioniert.<br />

Nano Retina hat sieben Jahre am Netzhautimplantat<br />

NR600 geforscht. Die Anforderungen<br />

an die Technologie waren ei-<br />

ne schnelle Bilderkennung und die Umwandlung<br />

der Bilder in elektrische Impulse,<br />

die wiederum Nervenzellen stimulieren<br />

und elektrische Signale an das Gehirn<br />

senden. „Wir hatten die entsprechende<br />

Technologie bereits. Wir benötigten aber<br />

eine innovative Lösung für die hermetische<br />

Verkapselung, um das Implantat im<br />

menschlichen Körper zu schützen. Dabei<br />

waren wir auf der Suche nach einer Lösung,<br />

die über die traditionellen Verkapselungsansätze<br />

hinausgeht“, sagt Rani<br />

Mendelewicz, Vice President Forschung<br />

und Entwicklung von Nano Retina.<br />

Laser-Micro-Bonding verbindet<br />

Glas ohne Kleber<br />

Hier kam die Expertise von Schott Primoceler<br />

Oy aus dem finnischen Tampere ins<br />

Spiel. Das Primoceler- Team arbeitete seit<br />

Beginn des Projekts mit Nano Retina zusammen.<br />

Um das Netzhautimplantat opti-<br />

30 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: Nano Retina)<br />

Das Glas-Mikro-Bonding ermöglicht eine transparente<br />

Verkapselung des Implantats von nur<br />

20 bis 100 µm Dicke. So sind die hitzeempfindlichen<br />

elektronischen Komponenten auch während<br />

des Fertigungsprozesses geschützt<br />

Medical Device<br />

Engineering<br />

mal zu verkapseln, nutzen die Experten<br />

eine präzise Laser-Micro-Bonding-Technologie,<br />

bei der Glas mit Glas gebondet<br />

wird. Der Vorteil: Der Prozess funktioniert<br />

ohne jegliche Kleb- oder Zusatzstoffe<br />

und verbindet das aufeinandertreffende<br />

Glas nur an den mikrometerkleinen<br />

Kontaktpunkten.<br />

Die innovative Technologie ermöglicht<br />

eine extreme Miniaturisierung – für Mikroimplantate<br />

ein Muss. „Das Verfahren<br />

erzeugt eine transparente Verkapselung<br />

von nur 20 bis 100 µm Dicke. Damit war<br />

es ideal für unser Miniaturgerät NR600“,<br />

sagt Mendelewicz. Eine weitere wichtige<br />

Anforderung war, dass die hitzeempfindlichen<br />

elektronischen Komponenten des<br />

Implantats während des gesamten Fertigungsprozesses<br />

geschützt werden. Während<br />

bei vielen herkömmlichen Versiegelungsmethoden<br />

das gesamte Bauteil erhitzt<br />

wird und das Implantat beschädigt<br />

werden könnte, wird beim Laser-Micro-<br />

Bonding nur ein präziser winziger Bereich<br />

erhitzt. Die Erhitzung erfolgt somit bei<br />

Raumtemperatur und damit unkritisch<br />

für die wärmeempfindliche Elektronik.<br />

„Dank der einzigartigen Technologie<br />

von Schott Primoceler konnten wir die<br />

Entwicklung des NR600 Miniaturimplantats<br />

gemeinsam realisieren“, sagt Mendelewicz.<br />

„Das extrem stabile, biokompatible,<br />

hermetische Implantat kann in Zukunft<br />

das Leben von sehbehinderten Patienten<br />

und ihren Familien auf der ganzen<br />

Welt verändern.“<br />

2020 wurde das NR600 Netzhautimplantat<br />

erstmals in Europa in klinischen<br />

Studien mit Patienten getestet und lieferte<br />

vielversprechende Ergebnisse. Zuvor<br />

blinde Patienten haben zum ersten Mal<br />

seit Jahren wieder Bilder gesehen. Ein<br />

Moment, der nicht nur das Leben der Patienten<br />

verändert, sondern für die gesamte<br />

Medizinbranche erstaunliche Auswirkungen<br />

hat.<br />

■<br />

Ville Hevonkorpi<br />

Schott Primoceler Oy, Tampere, Finnland<br />

Möchten Sie Ihre Produktentwicklung<br />

mit unseren<br />

Kompetenzen ergänzen?<br />

Über das Verfahren<br />

Glas-Micro-Bonding ist ein innovatives<br />

Verfahren, das vollkommen neue Möglichkeiten<br />

für die Wafer-Level Elektronik-<br />

Verkapselung auf Basis hermetischer<br />

Ganzglas-Gehäuse eröffnet. Die hermetische<br />

Verschmelzung wird durch einen extrem<br />

präzisen Laser gebildet. Hierbei<br />

wird Glas mit Glas nur an den sich berührenden<br />

Flächen miteinander verbunden<br />

– eine Fläche von nur wenigen Mikrometern<br />

–; alle anderen Oberflächen bleiben<br />

unberührt. Für Bauteile, die mit Glas-Micro-Bonding-Technologie<br />

gekapselt werden,<br />

reicht eine Baugröße von wenigen<br />

Kubikmillimetern aus.<br />

Das Verfahren bietet flexible Implementierungsmöglichkeiten<br />

und kann für<br />

Chip-Scale bis hin zu Wafern von 12“ eingesetzt<br />

werden. Dadurch ist eine Hochskalierung<br />

der Fertigung einfach und kosteneffizient<br />

möglich.<br />

Glas-Micro-Bonding von Schott Primoceler<br />

eignet sich für die Glasverkapselung<br />

von Implantaten und bietet eine echte<br />

hermetische Abdichtung. Speziell entwickelte<br />

Glastypen sind nicht nur biokompatibel,<br />

sondern auch HF-transparent,<br />

was eine drahtlose Daten- und Stromübertragung<br />

ermöglicht. Das hochpräzise<br />

Versiegelungsverfahren generiert so<br />

gut wie keine Wärme und ermöglicht eine<br />

extreme Miniaturisierung sowie die<br />

Fertigung von High-Tech-Bauteilen.<br />

(Bild: Schott Primoceler)<br />

IMT meistert zuverlässig<br />

seit über 30 Jahren Projekte<br />

und Herausforderungen für<br />

globale medizinische Marken<br />

und Startups.<br />

Unser Angebot:<br />

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> System- und Softwarearchitektur<br />

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Entwicklung<br />

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Komponenten-Redesign<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 31<br />

T +41 81 750 06 40 | E imt@imt.ch<br />

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■ [ TECHNIK ]<br />

Implantate und Prothesen werden im<br />

Schleppfinisher poliert<br />

Gleitschliff-Verfahren | Ob für Teilbereiche von Hüftimplantaten oder für Prothesen<br />

und Orthesen – automatisierte Gleitschliffprozesse sorgen für glatte, hochglanzpolierte<br />

Oberflächen und reproduzierbare Ergebnisse. Dabei ermöglicht ein Schleppfinisher<br />

von Rösler die präzise Einzelteilbearbeitung von zwölf Hüftschäften gleichzeitig.<br />

Das Polieren der Hüftschäfte erfolgt trocken mit<br />

einem staubarmen Maiszellulose-Produkt<br />

(Bild: MBN Präzisionstechnk)<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Oberflächen<strong>technik</strong><br />

Polieren durch Gleitschleifen<br />

Automatisierung<br />

Reproduzierbarkeit und Nachhaltigkeit<br />

Keramo-Finish-Prozess<br />

Die spanende Herstellung von feinmechanischen<br />

Komponenten und Baugruppen<br />

ist das Metier, dem sich die im<br />

niederösterreichischen Pottendorf ansässige<br />

MBN Präzisions<strong>technik</strong> GmbH seit 20<br />

Jahren widmet. Der Schwerpunkt liegt in<br />

der Produktion von chirurgischen Implantaten<br />

und Instrumenten aus Titan und<br />

Edelstahl. Diese ist weitestgehend automatisiert<br />

und stellt eine lückenlose Rückverfolgbarkeit<br />

vom Rohmaterial bis zum<br />

fertigen Produkt sicher.<br />

Das Polieren der Schafthälse von Hüft -<br />

implantaten erfolgte allerdings bis vor<br />

kurzem noch in Handarbeit durch manuelles<br />

Vor- und Feinschleifen sowie anschließendes<br />

Elektropolieren. Dieser Fertigungsschritt<br />

verursachte nicht nur einen<br />

enormen Zeit-, Personal- und Kostenaufwand,<br />

sondern war auch unter den Aspekten<br />

Reproduzierbarkeit und Nachhaltigkeit<br />

nicht optimal.<br />

Geschäftsführer Thomas Müllner suchte<br />

deshalb bereits seit längerem eine automatisierte<br />

Alternative. „Da nur ein genau<br />

definierter Bereich poliert werden darf<br />

und verschiedene Schafttypen in unterschiedlichen<br />

Größen zu bearbeiten sind,<br />

stellte die Automatisierung eine gewisse<br />

Herausforderung dar.“ Auf Empfehlung<br />

eines Endkunden von MBN folgten Versuche<br />

mit der österreichischen Niederlassung<br />

von Rösler, die sich in unmittelbarer<br />

Nähe befindet und über ein kombiniertes<br />

Versuchs- und Dienstleistungszentrum<br />

verfügt.<br />

Zum Einsatz kam dabei der kompakte<br />

Schleppfinisher R 4/700 SF. Die Plugand-Play-Maschine<br />

verfügt über einen Arbeitsbehälter<br />

mit 700 mm Durchmesser<br />

sowie ein Karussell für vier Arbeitsspin-<br />

deln mit jeweils drei Teileaufnahmen. Karussell<br />

und Arbeitsspindeln werden von<br />

separaten Motoren angetrieben, sodass<br />

deren Bewegungen individuell einstellbar<br />

sind. Die spezielle Gleitschliffanlage ermöglicht<br />

eine sehr präzise und gezielte<br />

Einzelbearbeitung komplex geformter,<br />

hochwertiger Werkstücke. Exakt wiederholbare<br />

Prozessparameter gewährleisten<br />

dabei reproduzierbare Ergebnisse.<br />

Reproduzierbare Ergebnisse<br />

durch Schleppfinishen<br />

„Das umfangreiche Know-how und die Erfahrung<br />

aus dem Lohnbetrieb haben wesentlich<br />

dazu beigetragen, dass wir in den<br />

Schleppfinish-Versuchen sehr schnell einen<br />

zweistufigen Prozess mit den Schritten<br />

Nassschleifen und Trockenpolieren<br />

entwickeln konnten, mit dem wir in kurzen<br />

Bearbeitungszeiten gleichbleibend<br />

gute Ergebnisse erzielen“, so Müllner. Die<br />

nicht zu bearbeitenden Bereiche der Hüftschäfte<br />

werden vor dem Schleifen maskiert<br />

und die Implantate manuell in Werkstückhalterungen<br />

gespannt. Nach dem<br />

Start des entsprechenden Bearbeitungsprogramms<br />

fahren die Spindeln rotierend<br />

in das Bearbeitungsmedium. Für das<br />

Nassschleifen kommt ein Gemisch aus<br />

kunststoffgebundenen Schleifkörpern<br />

unterschiedlicher Geometrien mit abgestimmtem<br />

Compound zum Einsatz.<br />

Das Polieren erfolgt mit einem pflanzlichen<br />

Trockenpoliermedium. Für diesen<br />

Prozessschritt wird der Arbeitsbehälter<br />

einfach ausgetauscht. „Durch den automatischen<br />

Schleppfinish-Prozess konnten<br />

wir einerseits die Qualität und Reproduzierbarkeit<br />

weiter erhöhen. Andererseits<br />

fallen für das Schleifen und Polieren der<br />

32 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: Rösler Oberflächen<strong>technik</strong>)<br />

Der Rundvibrator R 420 EC<br />

wird bei Ottobock mit abgestimmten<br />

Schleifkörpern und<br />

Compounds eingesetzt<br />

Schafthälse nur noch rund ein Drittel der<br />

vorherigen Kosten an. Dadurch amortisierte<br />

sich die Investition bei MBN in rund<br />

drei Jahren.<br />

Keramo-Finish statt<br />

säurebasierter Bearbeitung<br />

Auch für die Ottobock SE, Duderstadt,<br />

war Rösler der Wunschpartner, als neue<br />

Gleitschlifflösungen für eine optimierte<br />

und nachhaltigere Komponentenfertigung<br />

für seine Orthesen und Prothesen<br />

im 2021 eröffneten Produktionswerk in<br />

Blagoevgrad,Bulgarien, gesucht wurden.<br />

So wurde unter anderem eine bisher säurebasierte<br />

Nachbearbeitung für eine<br />

Hochglanzpolitur durch einen maßgeschneiderten<br />

Keramo-Finish-Prozess ersetzt.<br />

Durch den neuen säurefreien Prozess<br />

kann das Prozesswasser im Kreislauf<br />

geführt werden. Dies trägt zu einer spürbaren<br />

Verringerung des Wasser- und<br />

Compoundverbrauchs bei.<br />

Der Polierprozess erfolgt in einem Rösler<br />

Rundvibrator R 780 EC. Durch den<br />

speziell gestalteten Arbeitsbehälter wird<br />

ein gleichmäßiges Fließen der Werkstück-<br />

Schleifkörpermischung erzielt und somit<br />

werden sowohl kleine und empfindliche<br />

Werkstücke als auch große, sperrige Komponenten<br />

schnell und schonend poliert<br />

und separiert. Ein zweiter Rundvibrator R<br />

420 EC wird bei Ottobock mit abgestimmten<br />

Schleifkörpern und Compounds für<br />

ein breites Anwendungsspektrum – vom<br />

Entgraten über das Kantenverrunden bis<br />

zum Glätten der Oberflächen – eingesetzt.<br />

Für die Trocknung der Teile nach<br />

der Gleitschliffbearbeitung setzt Ottobock<br />

einen Rundtrockner mit Direkt-Heizung<br />

ein, der über ein innovatives Wärmeblock-Heizsystem<br />

verfügt.<br />

■<br />

Doris Schulz<br />

Fachjournalistin in Korntal<br />

Kreissegment-Fräser<br />

Die Kreissegment-Fräser aus der Produkt linie<br />

FRANKEN Expert ermöglichen mit ihrer speziellen<br />

Geometrie eine deutliche Reduzierung der<br />

Bearbeitungszeit bei gleichzeitiger Verbesserung<br />

der Oberflächen güte. Vier Geometrien stehen für<br />

eine breite Anwendungsvielfalt zur Verfügung:<br />

Kegel-, Tonnen-, Tropfen- und Linsenform.<br />

Besuchen Sie uns:<br />

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13.–19.09.2022<br />

Halle 1<br />

Stand H40 H43 H51<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 33


■ [ TECHNIK ]<br />

Sicher steril mit ionisierender Strahlung<br />

Strahlensterilisation | Zur Sterilisation von Medizinprodukten stehen verschiedene<br />

Verfahren und Technologien zur Verfügung. Eine der gängigsten ist die Sterilisation<br />

mit ionisierender Strahlung. Im vorausgehenden Validierungsprozess prüft der Dienstleister<br />

zusammen mit dem Kunden die Anwendung für das jeweilige Produkt.<br />

(Bild: BGS)<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Für Medizinproduktehersteller übernimmt BGS die Sterilisation von Verpackungs- und<br />

Verbrauchsmaterialien bis hin zu hochsensiblen Medizinprodukten<br />

Sterile Medizinprodukte<br />

Strahlensterilisation<br />

Validierungsprozess<br />

Materialauswahl<br />

Dienstleister-Expertise nutzen<br />

Ein Medizinprodukt ist steril, wenn die<br />

statistische Wahrscheinlichkeit, einen<br />

lebensfähigen Mikroorganismus auf<br />

oder in dem Produkt zu finden, kleiner als<br />

1:1000 000 ist. Man spricht von einem<br />

SAL (Sterility Assurance Level) von 10 -6 .<br />

So definiert es die Norm DIN EN 556-1.<br />

Doch selbst bei größter hygienischer<br />

Sorgfalt und kontrollierten Produktionsprozessen<br />

im Reinraum ist es nicht möglich,<br />

ein steriles Produkt herzustellen. Um<br />

einen sterilen Zustand zu erreichen,<br />

müssen die Produkte, beispielsweise Einmalprodukte<br />

für den OP-Bereich wie<br />

Ka.theter, Kanülen, Stents oder Wund -<br />

ab deckungen, nach der Fertigung einen<br />

Sterilisationsprozess durch laufen.<br />

Eine der gängigsten Technologien ist<br />

die Sterilisation mit ionisierender Strahlung.<br />

Die Strahlung schädigt die DNA von<br />

Mikroorganismen, so dass diese zuver -<br />

lässig ihre Reproduktionsfähigkeit verlieren<br />

beziehungsweise absterben. Besonders<br />

häufig wird mit Gammastrahlen, zunehmend<br />

auch mit Elektronenstrahlen<br />

sterilisiert. Röntgenstrahlung (X-Ray)<br />

befindet sich in einer frühen Entwicklungsstufe<br />

und wird hier nicht weiter betrachtet.<br />

Die Strahlensterilisation erlaubt es,<br />

Produkte in ihrer abgedichteten Endverpackung<br />

ohne nennenswerte Temperaturerhöhung<br />

zu sterilisieren. Ein weiterer<br />

Vorteil der Strahlensterilisation liegt in<br />

der zuverlässigen Durchdringungsfähigkeit<br />

der Materialien. Der Hauptunterschied<br />

zwischen Elektronen- und Gam-<br />

mastrahlung besteht in der Eindringtiefe<br />

in das Material und der Dosisrate:<br />

• Elektronenstrahlen: hohe Dosisrate<br />

und eingeschränkte Eindringtiefe<br />

• Gammastrahlen: hohe Eindringtiefe<br />

und relativ geringe Dosisrate<br />

Elektronenstrahlen zeichnen sich durch<br />

die Fähigkeit aus, einzelne Verpackungen<br />

innerhalb von wenigen Sekunden zu bestrahlen,<br />

sodass eine ganze LKW-Ladung<br />

innerhalb von wenigen Stunden sterilisiert<br />

werden kann. Im Gegensatz dazu<br />

dauert die Bestrahlung in Gamma-Anlagen<br />

einige Stunden. Gammastrahlen haben<br />

eine hohe Eindringtiefe und durchdringen<br />

komplette Paletten oder Gebinde.<br />

Die zu bestrahlenden Produkte können im<br />

Regelfall direkt auf den Anlieferungspaletten<br />

durch den Bestrahlungsprozess geführt<br />

werden. Sofern die Produkte für eine<br />

Bestrahlung geeignet sind, ist die Sterilisation<br />

mittels Elektronen- oder Gammastrahlen<br />

für zeitlich anspruchsvolle Lieferketten<br />

die beste Wahl. Denn: Nach dem<br />

Bestrahlungsprozess wird die aufgebrachte<br />

Strahlendosis mithilfe der am Produkt<br />

angebrachten Dosimeter überprüft. Entspricht<br />

alles den Vorgaben, ist das Produkt<br />

ohne Wartezeit direkt einsatzbereit.<br />

Validierungsprozess: Vom nicht<br />

sterilen zum sterilen Produkt<br />

Der Bestrahlung geht ein umfangreicher<br />

Validierungsprozess voraus, in dessen<br />

Verlauf der Dienstleister zusammen und<br />

im engen Austausch mit dem Kunden die<br />

Anwendung der Strahlensterilisation für<br />

das jeweilige Produkt prüft. Die Validierung<br />

der Strahlensterilisation ist über die<br />

Verfahrensnorm DIN EN ISO 11137 geregelt<br />

und beschreibt die mikrobiologische<br />

und die dosimetrische Validierung.<br />

In der mikrobiologischen Validierung<br />

wird die Bestrahlungsdosis ermittelt, die<br />

ein nicht steriles Produkt in ein steriles<br />

überführt. Hierzu wird zunächst der mikrobiologische<br />

Ausgangszustand (Bioburden)<br />

an repräsentativen Mustern be-<br />

34 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


SystemTechnologie<br />

stimmt. Im zweiten Teil der mikrobiologischen<br />

Validierung werden Musterteile mit<br />

der so genannten Verifikationsdosis bestrahlt.<br />

Dies dient dazu, den Nachweis zu<br />

erbringen, dass mit dieser Dosis alle Teile<br />

in einen sterilen Zustand überführt werden<br />

können.<br />

Anhand der dosimetrischen Validierung<br />

wird die Dosisverteilung bezogen<br />

auf eine definierte Produktanordnung in<br />

der Verpackung während der Bestrahlung<br />

bestimmt. Danach werden die Routine-<br />

Bestrahlungsbedingungen festgelegt.<br />

Die anwendungstechnische Validierung<br />

dient zur Bewertung der Eigenschaften<br />

des Medizinproduktes und seiner Primärverpackung<br />

nach Abschluss aller Herstellprozesse.<br />

Denn: Durch die Bestrahlung<br />

können sich die Eigenschaften der<br />

eingesetzten Materialien verändern. Um<br />

mögliche Materialveränderungen zu bewerten,<br />

werden unter anderem ausgewählte<br />

Muster mit einer vorher definierten<br />

Maximaldosis bestrahlt.<br />

Bestrahlung von<br />

Kunststoffen<br />

Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften<br />

haben Werkstoffe unterschiedliche<br />

Beständigkeiten gegenüber<br />

Strahlung. Die Bestrahlung<br />

kann in den behandelten Werkstoffen<br />

chemische Reaktionen auslösen.<br />

Dementsprechend ist es von höchster<br />

Relevanz, die möglichen Veränderungen<br />

im Produkt oder in der<br />

Verpackung zu ermitteln. Diese reichen<br />

von leichten Farbveränderungen<br />

bis hin zu Modifikationen der<br />

internen Struktur, die negative Auswirkungen<br />

auf die Funktion haben<br />

können. Eine Übersicht über die Materialbeständigkeit<br />

von Polymeren<br />

gegenüber Bestrahlung ist im Whitepaper<br />

„Sterilisation von Medizinprodukten“<br />

von zu finden:<br />

www.bgs.eu/news/whitepaper/<br />

Material entscheidet über das<br />

Sterilisationsverfahren<br />

Für Hersteller von Medizinprodukten<br />

empfiehlt es sich, der Wahl des Sterilisa -<br />

tionsverfahren schon in der Designphase<br />

des Produkts entsprechende Aufmerksamkeit<br />

zu schenken. Denn ob die Strahlensterilisation<br />

Anwendung finden kann<br />

und die Validierung erfolgreich verläuft,<br />

ist wie bei allen Verfahren mit einer Reihe<br />

von Vorbetrachtungen verbunden, vor allem<br />

Materialfragen. So können Elektronen-<br />

und Gammastrahlen die Materialeigenschaften<br />

der Produkte, insbesondere<br />

bei vielen Polymerwerkstoffen, verändern.<br />

Dies ist abhängig vom Material<br />

selbst und der verwendeten Bestrahlungsdosis.<br />

Hintergrund sind durch die Strahlenenergie<br />

induzierte chemische Reaktionen,<br />

wie Vernetzung oder Abbaureaktionen.<br />

Einige Kunststoffe lassen sich problemlos<br />

bestrahlen, andere weniger gut<br />

oder sind sogar ungeeignet. Glas verfärbt<br />

sich unter Einfluss von ionisierender<br />

Strahlung. Metalle, Metalllegierungen<br />

und Keramik verhalten sich gegenüber<br />

Bestrahlung unauffällig.<br />

Neben der Wahl eines geeigneten Materials<br />

sind weitere Kriterien zur Anwendung<br />

der Strahlensterilisation zu prüfen.<br />

So spielen Produktaufbau und Funktionalität<br />

eine wichtige Rolle bei der Beurteilung.<br />

Weil das komplette Produkt durchstrahlt<br />

wird, empfiehlt sich die Strahlen -<br />

sterilisation zwar grundsätzlich auch bei<br />

schwierigen Geometrien – der Bestrahlung<br />

mit Elektronen sind in Abhängigkeit<br />

vom Aufbau und der Dichte des Produkts<br />

jedoch Grenzen gesetzt. Ebenso spielt eine<br />

mengenmäßige Einordnung der Produkte<br />

eine wichtige Rolle bei der Beurteilung:<br />

Handelt es sich um ein Einzelprodukt<br />

oder um eine Produktfamilie? Und<br />

besteht das Produkt aus einem einzigen<br />

Material oder aus einer Kombination verschiedener<br />

Materialien? Enthalten Produkte<br />

beispielsweise mikroelektronische<br />

Komponenten, ist die Sterilisation mit<br />

Strahlen nicht geeignet, da die Elektronik<br />

zerstört werden würde.<br />

Bei der Auswahl der richtigen Sterilisationsmethode<br />

handelt es sich um eine<br />

Entscheidung, die über die zu erzielende<br />

Sterilität eines Produktes hinausgeht. Neben<br />

der Funktionalität sind auch die Verfügbarkeit<br />

der Sterilisationsverfahren<br />

oder die Zeit bis zum Markteintritt strategische<br />

Parameter, die schon bei der Entwicklung<br />

eines Medizinproduktes erwogen<br />

werden müssen.<br />

■<br />

Michaela Loos<br />

BGS Beta-Gamma-Service, Wiehl<br />

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hochwertigen Fertigungseinrichtungen,<br />

umfangreicher Qualitäts<strong>technik</strong><br />

sowie unserer langjährigen<br />

Erfahrung.<br />

GENTHNER SystemTechnologie GmbH<br />

Gewerbestraße 40<br />

75217 Birkenfeld-Gräfenhausen<br />

Tel. +49 7082 79182-0 · info@genthner.com<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 35<br />

www.genthner.com


■ [ TECHNIK ]<br />

Gut oder defekt? Anwendungspartner<br />

für KI-basierte Prüftechnologie gesucht<br />

Qualitätssicherung | Anomaliedetektion: Passt die neue KI-basierte Technologie zu<br />

Ihren Prüfaufgaben? Die Entwickler am Fraunhofer IPK suchen Unternehmen, die<br />

Neu- und Gebrauchtteile für eine Potenzialanalyse einsenden.<br />

Mit KI-basierter optischer Prüfung<br />

lassen sich Defekte an unterschied -<br />

lichsten Bauteilen erkennen<br />

Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI)<br />

lassen sich viele industrielle Prozesse<br />

automatisieren, die bisher auf manuelle<br />

Tätigkeiten angewiesen waren. Dazu<br />

gehören auch Wareneingangskontrolle<br />

oder Qualitätsprüfungen an Bauteilen<br />

und Komponenten. Aber: Die meisten KI-<br />

Systeme nutzen Methoden des überwachten<br />

Lernens, für die große Datenmengen<br />

erforderlich sind. Für viele Unternehmen<br />

sind die zugehörigen Kosten zu hoch, der<br />

Personalaufwand ist enorm.<br />

Eine neuartige Technologie zur KI-basierten<br />

optischen Qualitätskontrolle von<br />

(Bild: Fraunhofer IPK)<br />

industriellen Gütern haben nun Forscher<br />

am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen<br />

und Konstruktions<strong>technik</strong> IPK in<br />

Berlin entwickelt. Um die Lösung für unterschiedlichste<br />

Anwendungen zu testen,<br />

sind Partner aus der Industrie gefragt.<br />

Im Projekt „Viaduct – Aufwandsverkleinerung<br />

von KI-Anwendungen in der<br />

Industrie durch Reduzierung von Trainingsdaten“<br />

haben die Forscher gemeinsam<br />

mit dem armenischen Technologiepartner<br />

Ngene LLC ihren neuen Ansatz<br />

für datenreduzierte KI-Lösungen ent -<br />

wickelt. Die so genannte bildbasierte<br />

Anomaliedetektion soll es Unternehmen<br />

ermöglichen, die Vorteile KI-basierter<br />

Bildverarbeitung in ihre Inspektionsprozesse<br />

einzubinden, ohne dabei große Aufwände<br />

für das Erheben der Trainingsdaten<br />

in Kauf nehmen zu müssen.<br />

Wer die Aufgabe richtig<br />

formuliert, spart viel Aufwand<br />

Möglich macht dies die Umformulierung<br />

der Inspektionsaufgabe: Anstatt nach bereits<br />

bekannten Fehlern zu suchen, lautet<br />

die Aufgabe bei der Anomaliedetektion,<br />

nach jeglichen Abweichungen (Anomalien)<br />

von einem vorab festgelegten Qualitätsstandard<br />

Ausschau zu halten. Dazu<br />

wird die KI mit defektfreien Produkten<br />

trainiert, die naturgemäß in deutlich größerer<br />

Stückzahl vorliegen als defekte Produkte.<br />

Zwar müssen auch die Gutteile zunächst<br />

bildhaft erfasst werden, allerdings<br />

entfällt die sehr zeitaufwendige pixelweise<br />

Annotation von Defekten. Das Fraunhofer-Team<br />

konnte in einer ersten Studie<br />

bereits zeigen, dass auf diese Weise bei<br />

der Datener hebung bis zu 97 % des Aufwands<br />

entfallen können.<br />

Um die neue Technologie an einem<br />

möglichst breiten Spektrum industrieller<br />

Objekte zu erproben, sucht das Fraunhofer<br />

IPK jetzt Anwendungspartner. Interesse<br />

an der Technologie haben bereits ver-<br />

schiedene Unternehmen bekundet, darunter<br />

die Würth Industrie Service GmbH<br />

& Co. KG, die Charité CFM Facility Management<br />

GmbH, die Maschinenfabrik<br />

Bernard Krone GmbH & Co. sowie die Metaq<br />

GmbH.<br />

Solche Produkte sind für<br />

die Potenzialanalyse geeignet<br />

Interessenten werden gebeten, Produkte<br />

oder auch Bauteile einzuschicken, die<br />

dann auf das Anwendungspotenzial untersucht<br />

werden. Dafür müssen bestimmte<br />

Rahmenbedingungen erfüllt sein:<br />

• Gesucht sind Objekte, die in Länge,<br />

Breite und Höhe gut ausgeprägt sind.<br />

• Gebraucht werden mindestens zehn<br />

defektfreie Objekte pro Produkt<br />

• Ebenfalls erforderlich: Mindestens<br />

zehn Objekte mit produktionsbedingten<br />

Defekten pro Produkt.<br />

• Hinsichtlich der Maße darf die längste<br />

Ausprägung mindestens 5 mm und maximal<br />

500 mm betragen.<br />

Teilnehmende Unternehmen erhalten im<br />

Anschluss eine individuelle, kostenfreie<br />

und unverbindliche Potenzialanalyse, wie<br />

sich KI-basierte Bildverarbeitung ohne<br />

großen Aufwand in ihre Inspek -<br />

tionsprozesse integrieren lässt. Das dafür<br />

erstellte Bildmaterial zu den eingesandten<br />

Produkten wird nach Projektabschluss<br />

in einen öffentlich zugänglichen Datensatz<br />

übergehen. Ist keine Veröffentlichung<br />

von Produktbildern gewünscht, ist<br />

dennoch eine Kooperation außerhalb des<br />

Projekts möglich. Auf Wunsch werden die<br />

eingereichten Produkte an die Interessenten<br />

zurückgeschickt.<br />

(op) ■<br />

Das Bundesforschungsministerium fördert<br />

das Projekt Viaduct im Rahmen seiner<br />

Strategien zur Künstlichen Intelligenz sowie<br />

zur Integration der Länder der Östlichen Partnerschaft<br />

in den Europäischen Forschungsraum.<br />

36 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Special<br />

Fertigung<br />

(Bild: Contexo)<br />

Nachhaltige Produktion: Jedes Detail zählt<br />

Messe AMB | Reinigung für Instrumente und 3D-gedruckte Implantate | Werkzeuge – an die Anwendungen angepasst<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 37


■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />

NACHHALTIGE PRODUKTION:<br />

ABLÄUFE NEU AUSRICHTEN<br />

Studie Sustainable Productivity | Um die Produktion nachhaltiger zu machen, kann<br />

Technik – wie zum Beispiel die Digitalisierung – hilfreich sein, sagt Prof. Wolfgang<br />

Boos von der RWTH Aachen. Aber noch wichtiger sei die Einstellung: die Abkehr von<br />

rein finanziellen Erwägungen und das Einbeziehen aller Mitarbeiter.<br />

Ohne Kühlschmierstoffe kommt die Metallbearbeitung<br />

nicht aus. Aber es gibt einfache<br />

Möglichkeiten, die entsorgten Mengen zu<br />

reduzieren – diese zu nutzen, macht die<br />

Produktion nachhaltiger<br />

tet, von Energie, von Rohstoffen, auch<br />

von Arbeitszeit und Arbeitskosten“, sagt<br />

Boos.<br />

(Bild: Jeannette Diel/stock.adobe.com)<br />

Abwarten? Das Thema Nachhaltigkeit<br />

nochmal hintenanstellen... bis man<br />

klarer sieht... Das ist für Prof. Wolfgang<br />

Boos von der RWTH Aachen die schlechteste<br />

aller denkbaren Optionen, denn er<br />

ist der Meinung, dass die Zeit drängt. „Wir<br />

haben es in den rund 70 Jahren nach dem<br />

zweiten Weltkrieg geschafft, mit den Regeln,<br />

denen unsere wirtschaftliche Entwicklung<br />

gefolgt ist, eine Menge kaputtzumachen“,<br />

sagt der geschäftsführende<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Studie zeigt Wege, wie die Produktion<br />

nachhaltiger werden kann<br />

Strategie der kleinen Schritte<br />

Beteiligung aller ist wichtig<br />

Beratung durch Experten nutzen<br />

Oberingenieur am Lehrstuhl für Produk -<br />

tionssystematik am Werkzeugmaschinenlabor<br />

(WZL). Jetzt sei es an der Zeit, nicht<br />

nur zu erkennen, was man besser machen<br />

kann, sondern auch so schnell wie möglich<br />

damit anzufangen. „Ich möchte die<br />

Produktion in diese Richtung lenken“,<br />

sagt Boos. Das versucht er zum Beispiel,<br />

indem er die Inhalte der Studie Sustain -<br />

able Productivity bekannt macht, die zusammen<br />

mit weiteren Fachleuten aus Aachen<br />

entstanden ist.<br />

Sie soll beantworten, was die entscheidenden<br />

Bausteine für eine nachhaltigere<br />

Produktion sein könnten. Dabei gibt es<br />

laut Boos einen Kernpunkt: Bisher ging es<br />

vor allem darum, Kosten zu senken und<br />

die Qualität zu steigern. Alle Kennzahlen,<br />

nach denen in Unternehmen etwas bewertet<br />

wurde, seien daran ausgerichtet gewesen.<br />

„Wir haben uns in diesem Denk -<br />

modell aber viel Verschwendung geleis-<br />

Neben den Finanzen werden<br />

andere Faktoren wichtig<br />

Dem stellen er und die anderen Autoren<br />

der Studie „Sustainable Productivity“ ein<br />

umfangreicheres Modell der Be wertung<br />

gegenüber. Die finanzielle Betrachtung,<br />

mit „F“ abgekürzt, entfällt darin nicht,<br />

aber sie bekommt gewissermaßen<br />

Konkurrenz. Weitere Faktoren werden<br />

in die Waagschale gelegt: E, S und G.<br />

Genauer gesagt, ökologische Effekte (E),<br />

soziale Auswirkungen des unternehmerischen<br />

Handelns (S) und eine innovationsfreundliche<br />

Steuerung (Governance, daher<br />

G), die wirklich innovative Lösungen<br />

erst ermöglichen soll. „Wenn eine Veränderung<br />

Vorteile im finanziellen Bereich,<br />

aber Nachteile in den drei anderen mit<br />

sich bringt, sollte ein Entscheider diesen<br />

Schritt nicht gehen“, so Boos.<br />

Es geht aber nicht nur darum, bestimmte<br />

Entscheidungen zu verhindern.<br />

Umgekehrt zeige sich anhand einer solchen<br />

Bewertung auch, dass selbst kleine<br />

Projekte, die zu mehr Nachhaltigkeit führen,<br />

die entsprechenden Kennzahlen<br />

schon sichtbar verbessern.<br />

Und klein kann wirklich klein heißen,<br />

wie ein konkretes Beispiel aus der Metallbearbeitung<br />

zeigt, „auch wenn das vielleicht<br />

ganz banal klingt“, sagt Boos. Standardmäßig<br />

greife ein Mitarbeiter zum Papiertuch,<br />

um Reste ölgetränkter Späne an<br />

der Maschine zu entfernen. Papier sowie<br />

38 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: WZL RWTH Aachen)<br />

Prof. Wolfgang Boos ist geschäftsführender<br />

Oberingenieur am Lehrstuhl für Produk -<br />

tionssystematik am Werkzeugmaschinen -<br />

labor (WZL)<br />

verschmutzte Späne landen im Restmüll.<br />

Nachhaltigere Alternative: Ein textiler<br />

Lappen, der vom Dienstleister sauber zurückkommt,<br />

eine Reinigung und Wiederverwertung<br />

der Späne und ein Abtrennen<br />

des Öls von Metallresten und Textilien.<br />

„Das sind genau die Schritte, die wir brauchen.<br />

Das summiert sich.“ Allein anhand<br />

einer eher kurzfristigen finanziellen Bewertung<br />

käme so eine Idee sicher nicht<br />

gut weg, da das Papiertuch „erstmal billiger“<br />

zu sein scheint. Im Zusammenhang<br />

mit allen Faktoren, also F, E, S und G, zeige<br />

sich aber, dass der Umstieg langfristig<br />

sinnvoll sei.<br />

Laut Boos gibt es auch schon eine Reihe<br />

von Unternehmen, die solche Schritte<br />

gehen. Das habe sich in der Studie gezeigt,<br />

die auf Input aus rund 300 Betrieben<br />

unterschiedlicher Branchen beruht –<br />

auch die Medizin<strong>technik</strong> war dabei vertreten.<br />

Die Wahrheit dabei ist aber auch:<br />

Die Abkehr von der finanziellen Sicht -<br />

weise ist eine erste große Hürde, die es zu<br />

überwinden gilt.<br />

Gewohnheiten ändern sich nur,<br />

wenn alle im Betrieb mitziehen<br />

Der größte Knackpunkt scheint allerdings<br />

im „S“ zu stecken, im sozialen Mit -<br />

einander, in der Denkweise jedes Einzelnen:<br />

Im Prinzip müssten wirklich alle am<br />

gleichen Strang ziehen, von der Chefetage<br />

bis zum einzelnen Mitarbeiter in der Produktion<br />

– damit nicht doch irgendwo wieder<br />

jemand eine Papierrolle hervorzaubert,<br />

weil das irgendwie schneller geht.<br />

„Es ist sehr menschlich, dass es Zeit<br />

braucht, um eine Gewohnheit abzulegen<br />

und sie durch neue Handlungsweisen zu<br />

ersetzen“, sagt Boos. Und auf dem Weg zu<br />

mehr Nachhaltigkeit wird sich seiner Ansicht<br />

nach in der Produktion an den Technologien<br />

selbst gar nicht so viel ändern.<br />

„Wir müssen sie nur anders nutzen.“<br />

Gute Möglichkeiten dazu bieten seiner<br />

Meinung nach all die Sensoren und Aktoren,<br />

die mit Industrie 4.0 in den Werks -<br />

hallen Einzug halten. „Wir verstehen mit<br />

den Daten, die wir auf diesem Weg bekommen,<br />

die Prozesse viel besser. Das<br />

heißt, wir können uns trauen, sogar einen<br />

Prozess, der robust läuft, anzufassen.“<br />

Bisher lasse man das aus Vorsicht eher<br />

sein. „Nun sehen wir aber, wo die Stellschrauben<br />

sind, um etwas zu verändern<br />

und damit zum Beispiel nachhaltiger zu<br />

arbeiten, in dem wir Verschwendung erkennen<br />

und vermeiden.“<br />

Ist Industrie 4.0 also die Voraussetzung<br />

für eine nachhaltige Produktion? „Die Daten<br />

helfen und schaffen mehr Möglichkeiten“,<br />

sagt Boos. Aber vieles ginge auch<br />

ganz ohne sie, wie das Beispiel mit den<br />

Spänen zeige – und von dieser Sorte gebe<br />

es viele. Ebenfalls ohne Industrie 4.0 könne<br />

ein Fühler am Vorratsbehälter für<br />

Kühlschmierstoffe helfen, rechtzeitig die<br />

Konzentrationen der chemischen Komponenten<br />

anzupassen. „Aber der Alltag sieht<br />

oft so aus, dass tausend Liter umweltschädliche<br />

Kühlschmierstofflösung entsorgt<br />

werden müssen, weil die letzte händische<br />

Untersuchung zu lange her ist und<br />

man dann schon von Weitem riecht, dass<br />

sich Mikroorganismen im Tank vermehrt<br />

haben.“<br />

Es geht also um die kleinen Schritte…<br />

Angesichts zahlreicher Herausforderungen<br />

wie Energiemangel, Rohstoffmangel<br />

oder Lieferkettenproblemen scheint aber<br />

selbst das für Mittelständler oft zu viel<br />

verlangt. Doch die Anforderungen in dieser<br />

Richtung wachsen. „Für die Old Economy<br />

bekommen Sie kaum noch Finanzierungen,<br />

während die Stakeholder sich<br />

stark für Green Fonds oder Start-ups interessieren,<br />

die sich um Nachhaltigkeit<br />

kümmern“, sagt Boos. Anreize aus dieser<br />

Richtung sieht der Produktionsexperte<br />

grundsätzlich positiv. Sie seien jedenfalls<br />

besser als regulatorische Eingriffe. „Es<br />

würde viel zu lange dauern, bis man über<br />

gesetzliche Vorgaben etwas erreicht– und<br />

es könnte gut sein, dass der Effekt dann<br />

wäre, die jeweilige Vorgabe mit möglichst<br />

minimalem Aufwand zu erfüllen.“ Anstöße<br />

seitens der Finanzierer kitzelten mehr<br />

heraus: „Das bringt die Unternehmen dazu,<br />

alle Möglichkeiten zu suchen und zu<br />

nutzen, die sich ihnen bieten.“<br />

Dabei seien die Entscheider nicht auf<br />

sich allein gestellt, es gebe viele Experten<br />

in zahlreichen Institutionen, die fachlich<br />

weiterhelfen können. Hauptsache, es ändere<br />

sich möglichst schnell etwas, damit<br />

nicht alle Maßnahmen zu spät kommen.<br />

Zu spät, um das zu erreichen, was im<br />

Grunde der Antrieb für alle Aktivitäten in<br />

Richtung Nachhaltigkeit ist: die Schäden,<br />

die in den vergangenen rund 70 Jahren<br />

am Ökosystem entstanden sind, „so weit<br />

zu begrenzen, dass auch kommende Generationen<br />

ein lebenswertes Leben führen<br />

können“.<br />

■<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

birgit.oppermann@konradin.de<br />

Über die Studie<br />

Prof. Wolfgang Boos ist einer der<br />

Autoren der Studie Sustainable<br />

Productivity . Deren Ziel: ein neues<br />

Verständnis des Produktivitätsbegriffs<br />

zu erarbeiten, um die Produktionswende<br />

in Richtung Nachhaltigkeit<br />

einleiten zu können. Monetarisierbarer<br />

Mehrwert gehört dazu.<br />

Die Studie zum Download:<br />

http://hier.pro/hYtS0<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 39


■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />

Messe AMB in Präsenz,<br />

digital ergänzt<br />

Branchentreff Metallbearbeitung | Nach der Corona-<br />

Zwangspause findet 2022 wieder die Fachmesse AMB<br />

für die Metallbearbeitung statt. Die Nachfrage ist da –<br />

digitale Angebote versprechen zusätzlichen Nutzen.<br />

Highlights der internationalen Metallbearbeitungsindustrie“<br />

soll auch in diesem Jahr auf der Messe AMB 2022 zu sehen<br />

sein. Mit Stand vom Mai hatten sich laut Landesmesse Stuttgart<br />

1061 Aussteller angemeldet, davon 901 Haupt- und 160 Mitaussteller.<br />

Knapp ein Drittel der Aussteller kommen aus dem Ausland,<br />

was in der Anzahl und auch in der belegten Fläche in etwa<br />

dem Wert der AMB 2018 entspricht.<br />

Digitale Angebote sollen in das Messegeschehen vom 13. bis 17.<br />

September eingebunden werden. Dazu zählt das Online-Ausstellerverzeichnis,<br />

in dem Unternehmen neben statischen Informationen<br />

auch Videos und Animationssequenzen, Produkt-Broschüren<br />

und weiteres Material zum Download anbieten. Auch<br />

interaktive Inhalte oder der Social-Media-Auftritt können hinterlegt<br />

sein. Ansprechpartner für unterschiedliche Zielgruppen lassen<br />

sich hinterlegen, um am Messestand die richtigen Personen<br />

zusammenzubringen.<br />

Lösungsansätze und Konzepte für die Produktion von morgen<br />

werden an den Ständen der AMB-Aussteller zu sehen sein<br />

Über eine im Online-Ausstellerverzeichnis hinterlegte Funktion<br />

lassen sich auch individuelle Thementouren planen. Diese Self-<br />

Guided-Tours werden gesteuert durch zahlreiche Filtermöglichkeiten<br />

zu Exponaten und Anwendungen auf den Messeständen<br />

zu verschiedenen Highlight-Themen.<br />

Vorträge zu täglich wechselnden Themen sind für die Trend-<br />

Lounge im ICS-Foyer geplant. Die aufgezeichneten Inhalte sind<br />

nach der Messe on-demand zugänglich. Schwerpunktthemen<br />

sind hier unter anderem Additive Manufacturing mit dem Werkstoff<br />

Metall, Industrial Security, Digitale Vernetzung, Klimawandel<br />

und Nachhaltigkeit sowie Start-up Pitches.<br />

Die Messe bietet mehrere Sonderschauen und Highlights. Ein<br />

Beispiel ist die Sonderschau Smart Factory im Eingang Ost, die<br />

eine vollautomatisierte und digitalisierte Prozesskette darstellt.<br />

www.messe-stuttgart.de/amb/<br />

(Bild: Landesmesse Stuttgart)<br />

HIGHSPEED, HYGIENE UND WIRTSCHAFTLICHKEIT<br />

Zum Innentitel<br />

Montageanlagen für Medical Devices: Mehr denn je steht die Fertigung von<br />

Medizinprodukten unter wirtschaftlichem Druck. Neue Ideen sollen möglichst<br />

schnell in die Massenfertigung gehen. Gefragt sind Maschinenkonzepte, die<br />

effizient betrieben werden können. Contexo hat jahrelange Erfahrung im Bau<br />

von technisch anspruchsvollen Anlagen. In enger Zusammenarbeit mit dem<br />

Kunden können neue Ideen – vom Neuprodukt bis hin zum neuen Konzept – umgesetzt<br />

werden. „Entwicklungspartnerschaft“ nennt das Geschäftsführer Matthias<br />

Müller. Contexo hat mit seinem modularen Plattformsystem die ideale Basis für<br />

solche Konzepte. Bereits während der Entwicklungsphase stellt Contexo sicher,<br />

dass alle Module den aktuellen Zertifizierungsstandards entsprechen.<br />

(Bild: Contexo)<br />

PROMOTION<br />

Contexo GmbH<br />

Herrenäckerstr. 7-9<br />

73650 Winterbach<br />

Tel.: 07181-606-100<br />

E-Mail: info@contexo-gmbh.de<br />

www.contexo-automation.de<br />

KI in der Produktion<br />

Zykluszeit-Optimierung in der<br />

automatisierten Zerspanung<br />

Ähnliche oder sogar identische Maschinen<br />

mit vergleichbaren Prozessen laufen<br />

häufig nicht auf dem gleichen Produktivitätslevel.<br />

Verluste durch Verschleiß oder<br />

variierende Programmierung haben zur<br />

Folge, dass sich der Leistungsgrad der Maschinen<br />

individuell reduziert. Um mehr<br />

Transparenz über mögliche Optimierungspotenziale<br />

zu schaffen, entwickelte<br />

die Augsburger Plus10 GmbH, ein Spin off<br />

des Fraunhofer IPA, das intelligente und<br />

KI-basierte Software-Tool Darwin. Der intelligente<br />

Machine Benchmark vergleicht<br />

die einzelnen Prozessschritte mehrerer<br />

angeschlossener Maschinen. Daraus erlernt<br />

er einen virtuellen Idealprozess, um<br />

die technischen Nebenzeiten und damit<br />

die Zykluszeit deutlich zu reduzieren und<br />

die Overall Equipment Effectiveness<br />

(OEE) zu verbessern. In der automatisierten<br />

Zerspanung hat die Software bereits<br />

signifikante Optimierungspotenziale ausfindig<br />

gemacht, heißt es.<br />

https://plus10.de<br />

40 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Produzieren mit viel<br />

weniger Energie<br />

Initiative zur Energieeffizienz | Wie lässt sich in der Produktion<br />

der Energieverbrauch senken? Das sollen Beispiele<br />

zeigen – zwei Mal pro Woche via Social Media.<br />

WGP-Präsident Prof. Jens P. Wulfsberg setzt sich für energieeffizientere<br />

Lösungen in der Produktion ein<br />

(Bild: LaFT Hamburg)<br />

Es gibt für sehr viele, auch energieintensive Prozesse bereits<br />

Lösungen, die erheblich Energie sparen helfen. Das Problem<br />

ist, dass sie nicht ausreichend bekannt sind – oder es bisher nicht<br />

für notwendig erachtet wurde, sie einzuführen. Das dürfte sich<br />

mit der Energiekrise ändern“, sagt Prof. Jens P. Wulfsberg, Präsident<br />

der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktions<strong>technik</strong><br />

(WGP). Nun hat die WGP im Sommer 2022 eine Effizienzinitia -<br />

tive gestartet und berichtet in ihrem Linkedin-Kanal zwei Mal<br />

pro Woche über Beispiele. 45 Prozent Einsparung in der Produktion<br />

sind demnach möglich. Das zeige unter anderem die Demofabrik<br />

ETA an der TU Darmstadt.<br />

Die Maßnahmen, die dort greifen, wurden bereits von mehreren<br />

Unternehmen umgesetzt. Aber es gebe noch viel mehr zum Teil<br />

einfach und schnell umsetzbare Maßnahmen mit großem Effekt.<br />

So zeige ein Beispiel, dass das optimierte Regeln raumlufttechnischer<br />

Anlagen in Trockenräumen gut 35 % Energie einsparen<br />

kann. Minimalmengenschmierung wiederum kann die benötigte<br />

Leistung um 28 % senken.<br />

„Die dramatisch veränderte politische, wirtschaftliche und ökologische<br />

Lage zwingt uns, die Evolution hin zu umweltverträglicher<br />

und krisenfester Produktion zu einer Revolution zu machen“,<br />

mahnt Wulfsberg, der auch das Laboratorium Fertigungs<strong>technik</strong><br />

(LaFT) der Universität der Bundeswehr in Hamburg leitet.<br />

Interessierte Unternehmen können in den Maßnahmenpaketen<br />

recherchieren, und WGP-Mitarbeitende passen sie auf<br />

Wunsch kostenfrei ans Unternehmen an .<br />

http://hier.pro/7yj2e<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 41<br />

Medizin_Technik_AA_D_188x133_RZ.indd 1 07.07.22 14:15


■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />

IMPLANTATE: ERST 3D-DRUCK,<br />

DANN PULVER ENTFERNEN<br />

Reinigungsverfahren | Ein Hersteller von künstlichen Hüft- und Kniegelenken suchte<br />

eine Lösung, um Titan-Implantate aus dem 3D-Drucker mikrofein zu reinigen. Ein spe -<br />

zielles Doppelkammer-System auf der Basis des Cyclic Nucleation Process erfüllt alle<br />

Anforderungen.<br />

Die additive Fertigung bietet konstruktive<br />

Freiheiten, die auch für die<br />

Herstellung von Hüft- und Knieimplantate<br />

aus Titan interessant sind. Ein US-amerikanischer<br />

Hersteller, der den 3D-Druck<br />

für seine Produkte nutzt, suchte allerdings<br />

auch nach einer Möglichkeit, die<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Pulverrückstände nach 3D-Druck<br />

■ Verfahren, Anlage und Medien für<br />

Austrag großer Partikelmengen geeignet<br />

■ Standard-Anlagensystem für Reinigung<br />

im AM-Umfeld in Vorbereitung<br />

Poröse Strukturen an Hüftpfannenprothesen,<br />

die in die Knochenzellen<br />

gut einwachsen, lassen sich im<br />

3D-Druck herstellen. Allerdings muss<br />

sichergestellt sein, dass sich Pulverrückstände<br />

aus einer solchen Oberfläche<br />

auch wieder entfernen lassen<br />

(Bild: Stryker)<br />

Implantatbauteile an seinem Standort in<br />

Irland prozesssicher von Pulverrückständen<br />

zu befreien. Das schafft die Voraussetzungen<br />

für die Folgeverarbeitung.<br />

Bei der Recherche stießen die Fachleute<br />

auf das vakuumbasierte Druckwechselverfahren<br />

der zyklischen Nukleation<br />

(auch Cyclic Nucleation Process oder kurz<br />

CNp genannt). Damit lassen sich schwierige<br />

Reinigungsaufgaben an schwer zugänglichen<br />

Stellen lösen. Das Verfahren<br />

hat sich für Nordamerika und Europa die<br />

LPW Reinigungs<strong>technik</strong> GmbH aus dem<br />

schwäbischen Riederich patentieren lassen<br />

– und diese erhielt 2019 die Anfrage<br />

für die Auslegung, Planung und Umsetzung<br />

einer reinigungstechnischen Lösung<br />

für die 3D-gedruckten Implantate.<br />

Aus Grundlagenversuchen sowie anhand<br />

von Erfahrungen aus bereits realisierten<br />

AM-Projekten in Industrie und<br />

Forschung hatte LPW schnell mögliche<br />

Lösungsansätze definiert. Schon 2019<br />

fanden daher die ersten Tests gemeinsam<br />

mit dem US-Hersteller statt.<br />

Das Pulver soll raus – darf<br />

aber der Anlage nicht schaden<br />

Es ging hier im ersten Schritt nicht darum,<br />

filmische oder sonstige Rückstände<br />

aus der Fertigung zu entfernen, sondern<br />

das Titan-Pulver aus dem 3D-Druck. Doch<br />

haben die porösen Bereiche der Implantate<br />

eine immense Oberfläche, und es gilt,<br />

durchaus große Mengen an Rückständen<br />

aus den schwammähnlichen Strukturen<br />

auszutragen. Wenn das gelingt, befinden<br />

sich zahlreiche Partikel im Reinigungsmedium,<br />

und das kann Auswirkungen auf<br />

dessen Stabilität und den Chemieaustrag<br />

haben. Pulverrückstände können auch<br />

Pumpen, Ventilbaugruppen, Armaturen<br />

oder die klassischen Filtrationssysteme<br />

beschädigen. Zudem kann eine Re-Kontamination<br />

auftreten, was in der Prozessentwicklung<br />

ausgeschlossen werden<br />

musste.<br />

Die zentralen Fragen für den Entwurf<br />

der Anlage waren daher:<br />

• Wann tragen wir noch freies Pulver<br />

aus, und ab wann schädigt der Reinigungsschritt<br />

unmittelbar nach dem<br />

Druck schon die Strukturen?<br />

• Wie müssen die Fluid- und Medienaufbereitungssysteme<br />

in einem Serienprozess<br />

ausgelegt werden, damit sie die<br />

spezielle Kontaminationslast und<br />

-menge bewältigen können?<br />

Speziell gefertigte AM-Coupons – Bauteile,<br />

die den späteren Implantaten in wichtigen<br />

Eigenschaften wie dem Material<br />

und der porösen Oberfläche gleichen –<br />

durchliefen im Testzentrum in Riederich<br />

42 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


Über das CNp-Verfahren<br />

Das Reinigungsverfahren Cyclic Nuclea -<br />

tion Process, kurz CNp, wirkt unmittelbar<br />

an der Grenzschicht eines Bauteils. Es ist<br />

in der Lage, Verunreinigungen zu lösen<br />

und verschleppte Restkontaminationen<br />

sicher auszutragen. Es erzielt diese Wirkung<br />

durch gezielte Druckschwankungen<br />

im Bereich der flüssigkeitsspezifischen<br />

Dampfdruckkurve. Diese lassen Dampfblasen<br />

und eine milde Kavitation entstehen.<br />

So reduziert sich beim CNp die Zahl<br />

der Spülbäder im Vergleich zu reinen Ultraschallanwendungen<br />

deutlich.<br />

Das Verfahren wirkt auch in schwer erreichbaren<br />

Innenkonturen, wie sie zum<br />

Beispiel bei 3D-gedruckten-Implantaten<br />

auftreten, oder in feinen Kapillaren im<br />

zweistelligen µm-Bereich.<br />

Mit der Kombination aus Ultraschall und<br />

CNp-als Prozessverstärker lassen sich daher<br />

schwierige Aufgabenstellungen lösen,<br />

wie sie häufig in der Medizin- oder auch in<br />

der Hochvakuum<strong>technik</strong> auftreten.<br />

Im Cyclic Nucleation Process entstehen Dampfblasen und implodieren. Das erzeugt Strömungen an der Grenzschicht zwischen<br />

Flüssigkeit und Material sowie Turbulenzen und mechanische Kräfte, die insgesamt den Reinigungseffekt ergeben<br />

(Bild: LPW)<br />

unterschiedliche Versuchsreihen und<br />

wurden anschließend gewogen. Die Messergebnisse<br />

sollten zeigen, wie viel Pulver<br />

tatsächlich ausgetragen wurde, aber<br />

auch, ob möglicherweise Schäden an den<br />

Bauteilen auftraten – zum Beispiel an den<br />

filigranen Strukturen der Oberfläche.<br />

Kombination zweier Verfahren<br />

war die Lösung<br />

Insgesamt ließ sich die Aufgabe nur mit<br />

der Kombination zweier Verfahren lösen:<br />

Der Schlüssel für die Erreichbarkeit von<br />

Verunreinigungen und deren Austransport<br />

ist demnach CNp – wobei sich der<br />

Prozess durch Ultraschall beschleunigen<br />

lässt. Doch der Ultraschall muss so dosiert<br />

sein, dass er am Bauteil keine ungewollten<br />

Beschädigungen verursacht.<br />

Auf Basis der Versuchsreihen haben<br />

die Experten von LPW mit dem Implantat-<br />

Hersteller im Jahr 2021 schließlich das finale<br />

Anlagensystem ausgearbeitet. Es ist<br />

in Form von zwei identischen vollauto -<br />

matisierten Doppelkammer-Reinigungs -<br />

anlagen konzipiert. Diese werden in die<br />

Prozesskette eingebunden: Auf den Titan-<br />

3D-Druck folgen als erstes das mechanische<br />

Grobentpulvern und das Entfernen<br />

der Druckplatte. Die Anlage von LPW beseitigt<br />

das Pulver in der Innengeometrie<br />

mit dem kombinierten CNp-Ultraschall-<br />

Reinigen. Dann werden locker oder leicht<br />

anhaftende Partikel durch eine Hochtemperaturbehandlung<br />

bei rund 1000 °C, also<br />

einen Sinterprozess, gefestigt.<br />

Nach dem Entfernen der Stützstruktur<br />

werden die Implantate maskiert und<br />

nochmals mechanisch bearbeitet. Es folgen<br />

die finale Reinigung – aktuell in der<br />

klassischen Form durch Ultraschall-Bestandsanlagen,<br />

da durch den Maskierungsprozess<br />

lediglich die Außenkonturen<br />

kontaminiert sind – sowie Sterilisa -<br />

tion und Verpackung.<br />

Die Anlage, die LPW für den ersten Reinigungsschritt<br />

nach dem 3D-Druck entwickelt<br />

hat, reinigt pro Stunde mindestens<br />

drei Chargen mit 50 bis 80 Implantaten.<br />

Wie viele Teile in eine Charge kommen,<br />

hängt vom Implantat-Typ ab. Pulverrückstände<br />

auf den Original-Teilen werden zu<br />

mindestens 99 % entfernt. Das Metallpulver<br />

separiert die Anlage automatisch extern,<br />

um Ablagerungen im laufenden Betrieb<br />

zu verhindern.<br />

Um die Voraussetzungen für die in<br />

Europa und Nordamerika erforderliche<br />

Validierung zu schaffen, musste das LPW-<br />

Anlagensystem Power Jet 530 Twin Medical,<br />

das auch die Basis für die Reinigung<br />

der 3D-gedruckten Implantate bildet, bezüglich<br />

seiner Prozesse und Funktionen<br />

einer Typenabnahme unterzogen werden.<br />

Danach lassen sich die Verfahren und Prozesse<br />

in eine Gesamtprozessvalidierung<br />

übernehmen. Hierzu unterstützte LPW direkt<br />

bei der Durchführung und Formulierung.<br />

Künftige Anwender mit vergleichbaren<br />

Aufgaben profitieren von dieser<br />

Vorarbeit – auch wenn jede Anlage an die<br />

jeweilige Prozesslandschaft angepasst<br />

wird.<br />

Aktuell entsteht bei LPW auch ein<br />

Standardanlagensystem für AM-Aufgabenstellungen<br />

– bisher machen Reinigungsaufgaben<br />

im Umfeld des 3D-Druckes<br />

zwar nur 5 bis 10 % der Anfragen<br />

aus, aber das Interesse aus verschiedenen<br />

Branchen wächst, auch aus der Medizin<strong>technik</strong>.<br />

■<br />

Gerhard Koblenzer<br />

LPW Reinigungssysteme, Riederich<br />

www.lpw-cleaning.de<br />

Auf der Messe AMB: Halle 5, Stand 5D84<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 43


■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />

CHIRURGIE-INSTRUMENTE<br />

RÜCKSTANDSLOS REINIGEN<br />

Reinigungs<strong>technik</strong> | Edelstahlkomponenten für chirurgische Instrumente müssen<br />

zuverlässig und gemäß hoher Anforderungen gereinigt werden. Damit der Prozess<br />

wirtschaftlich laufen kann, ist die Wahl der Anlage und das Einstellen der Parameter<br />

entscheidend, wie sich am Beispiel Gebrüder Zepf Medizin<strong>technik</strong> zeigt.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Teile für Chirurgieinstrumente reinigen<br />

Verbesserte Beschichtung durch neuen<br />

Reinigungsprozess<br />

Wässrige Reinigung mit fleckfreier<br />

Trocknung in einer kompakten Anlage<br />

Fleckenfreie Oberflächen. Diese sind<br />

unverzichtbar, um hochwertige chirurgische<br />

Instrumente herzustellen. „Dabei<br />

spielt die Trocknung eine wichtige<br />

Rolle,“ erklärt Markus Lutter, Leiter Werkstatt<br />

und Produktion bei der Zepf Medizin<strong>technik</strong><br />

GmbH & Co. KG in Dürbheim.<br />

Das Unternehmen fertigt chirurgische<br />

Instrumente für die Knochen- und Wirbelsäulenchirurgie<br />

und kombiniert nach eigenen<br />

Angaben moderne Fertigungsmethoden<br />

und traditionelle Handwerkskunst.<br />

Das Ziel: besonders schneidfähige<br />

und langlebige Instrumente herzustellen.<br />

Die Komponenten für die Instrumente<br />

haben die Mitarbeiter lange Zeit in mehreren<br />

Kleinbecken gereinigt und manuell<br />

mit der Druckluftpistole getrocknet. „Wegen<br />

des Personalaufwands und der steigenden<br />

Stückzahlen war das schon länger<br />

nicht mehr rentabel“, sagt Prokurist Markus<br />

Lippoth. „Als wir zusammen mit unserem<br />

Beschichter bei Versuchen feststellten,<br />

dass eine bessere Vorreinigung der<br />

Edelstahlkomponenten bei uns im Haus<br />

zu direkten Verbesserungen bei der Beschichtung<br />

führt, war es Zeit zu handeln.“<br />

Reinigung muss Anforderungen<br />

gemäß MDR erfüllen<br />

Es galt, einen Reinigungsprozess neu aufzustellen,<br />

der flexibel genug ist für das<br />

breite Teilespektrum und zu einem Reinigungsergebnis<br />

führt, das die Sauberkeitsansprüche<br />

gemäß der europäischen Medizinprodukteverordnung<br />

(Medical Device<br />

Regulation kurz MDR) erfüllt. Ansprüche,<br />

„die es früher so nicht gab,“ wie Juniorchef<br />

Tobias Zepf berichtet.<br />

Diese Anforderungen ließen sich mit<br />

einem Reinigungsprozess umsetzen, der<br />

auf der Spritz-Flutreinigungsmaschine<br />

Mafac Java basiert. Die Entscheidung für<br />

Drehen, Fräsen, Schweißen und Härten.<br />

Schleifen, Polieren und Mattieren. Bearbeitungsrückstände<br />

(links im Bild) aus dem gesamten<br />

Prozess sowie Handschweiß und<br />

Talg muss der Reinigungsprozess von den<br />

Oberflächen der Instrumente entfernen<br />

können (Bild rechts)<br />

diese Maschine fiel bei Zepf, weil die Mafac<br />

– E. Schwarz GmbH & Co. KG aus Alpirsbach<br />

eine gleich- und gegenläufige<br />

Rotation von Spritz- und Korbaufnahmesystem<br />

entwickelt hat, die Maschine eine<br />

Vakuumtrocknung bietet und mit einem<br />

Einkammersystem arbeitet.<br />

Die Mafac-Java-Maschine wird sowohl<br />

zur Zwischen- als auch zur Endreinigung<br />

genutzt. Dabei sorgen Spritz- und Flutvorgänge<br />

für hohe Turbulenzen. In Kombi -<br />

nation mit Temperatur, Reinigungs -<br />

chemie und Zeit lassen sich die Bauteil -<br />

oberflächen so sicher und effektiv reinigen.<br />

Da beim Spritzreinigen Drücke und<br />

bei der Rotationsbewegung Fliehkräfte<br />

auf die Werkstücke wirken, werden diese<br />

als Setzware im Werkstückträger fixiert.<br />

Insgesamt drei Programme, deren Laufzeit<br />

bei durchschnittlich 20 min liegt, stehen<br />

bei Zepf zur Verfügung. „In unserem<br />

Fall geht es beim Reinigen weniger um die<br />

(Bild: Mafac)<br />

44 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: Mafac)<br />

Wenn aufbereitbare<br />

chirurgische<br />

Instrumente<br />

der Risikoklasse<br />

Ir hergestellt<br />

werden, ist nicht<br />

nur eine Reinigungs-<br />

und Aufbereitungsvalidierung<br />

gefordert.<br />

Auch die<br />

Überwachung<br />

und Kontrolle<br />

der Produktionsprozesse<br />

ist<br />

nachzuweisen<br />

dizin<strong>technik</strong> führte die Wahl des richtigen<br />

Reinigers und die Kombination der Verfahrensschritte<br />

zum Erfolg. Testreinigungen<br />

und Prozessoptimierungen haben<br />

sich laut Prokurist Lippoth jedoch gelohnt:<br />

„Ich bin begeistert, wie anpassungsfähig<br />

die Maschinen sind und wie<br />

vielseitig die wässrige Teilereinigung ist.“<br />

Mit der Mafac-Java sei das Unternehmen<br />

für die Zukunft gut aufgestellt. ■<br />

Monika Andreasch<br />

Fachjournalistin in Stuttgart<br />

www.mafac.de<br />

Auf der Messe AMB: Halle 5, Stand A73<br />

Zeit als um die Gründlichkeit,“ sagt Prokurist<br />

Markus Lippoth.<br />

Der Reinigungsprozess hat zwei Phasen.<br />

Während der Reinigungsphase wechseln<br />

sich Spritzen, Spritzfluten und Spritzen<br />

ab. Dabei werden alle Schmutzpartikel<br />

gelöst und über das Fluten entfernt.<br />

Nach einem Impulsblasvorgang und Überhebeprozess,<br />

der eine Medienverschleppung<br />

verhindert, startet Phase Zwei mit<br />

einem Spritzprozess. Dieser zusätzliche<br />

Spülvorgang ist für die Beschichtung<br />

wichtig, da er Reinigerrückstände entfernt<br />

und die Haftbarkeit sichert.<br />

Um Edelstahlkomponenten zu beschichten<br />

oder mit Silikon zu umspritzen,<br />

ist die Trocknung entscheidend. Daher ist<br />

in der Anlage für Zepf die Heißluft-Impulstrocknung<br />

mit einer Vakuumtrocknung<br />

kombiniert. Zunächst werden die<br />

gereinigten Werkstücke über ein rotierendes<br />

Blassystem impulsartig mit hochreiner<br />

Druckluft abgeblasen. Anschließend<br />

erfolgt eine Beaufschlagung mit feinstgefilterter<br />

Heißluft – ebenfalls in Rotation.<br />

Die Vakuumtrocknung bewirkt, dass<br />

selbst in Vertiefungen, engen Bohrungen<br />

oder verborgenen Passagen kein Wasser<br />

übrig bleibt. „Für uns ist das eine zusätzliche<br />

Sicherheit, dass weder Feuchtigkeit<br />

aufblühen noch sich Wasserränder ausbilden<br />

können,“ so Produktionsleiter Lutter.<br />

Um die wässrige Teilereinigung individuell<br />

und prozesssicher auf die Anforderungen<br />

einzustellen, galt es, viele Parameter<br />

anzupassen. Bei Gebrüder Zepf Me-<br />

Über den Hersteller<br />

der Instrumente<br />

Die Gebrüder Zepf Medizin<strong>technik</strong><br />

GmbH & Co. KG wurde 1949 in<br />

Dürbheim nahe Tuttlingen gegründet<br />

und wird als Familienunternehmen<br />

heute in zweiter Generation<br />

geführt. Rund 65 Mitarbeiter tragen<br />

dazu bei, dass Kerrison-Knochenstanzen,<br />

Rongeure, Zangen, Küretten<br />

und endoskopische Schäfte – vor allem<br />

im Hochpreissegment – international<br />

verfügbar sind.<br />

https://gz-medizin<strong>technik</strong>.de<br />

Mikrodrehteile für die Medizinprodukte<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 45<br />

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■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />

(Bild: Hexagon/G&G Präzisions<strong>technik</strong>)<br />

Der Einsatz präziser<br />

Mess<strong>technik</strong> ist für<br />

G&G die Grundvoraussetzung<br />

für<br />

zuverlässige und<br />

hochwertige Produkte<br />

PRÄZISE QUALITÄTSKONTROLLE<br />

BEI DER ORTHESEN-HERSTELLUNG<br />

Künstliche Kniegelenke | Die On-Machine-Messung mit einem Absolute Arm und einem<br />

3D-Laserscanner macht die Herstellung innovativer medizinischer Orthesen sowohl<br />

genauer als auch einfacher. Die neue Gelenke, die G&G Präzisions<strong>technik</strong> mit diesem<br />

Verfahren herstellt, können Fehlstellungen sanfter korrigieren.<br />

Die G&G Präzisions<strong>technik</strong> GmbH mit<br />

Sitz in Süßen bei Göppingen ist ein<br />

junges und dynamisches Unternehmen,<br />

das hochwertige industrielle Fertigung<br />

von Präzisionsteilen aus verschiedenen<br />

Werkstoffen anbietet. Das Unternehmen<br />

übernimmt Projekte unterschiedlicher<br />

Größenordnung, vom Einzelteil bis zur<br />

Kleinserie, in verschiedenen Branchen<br />

wie Luft- und Raumfahrt, Medizin<strong>technik</strong><br />

und Rennsport.<br />

Michael Nonnengässer, Orthopädie<strong>technik</strong>ermeister<br />

und Geschäftsführer der<br />

Nonnengässer Orthopädie Technik in<br />

Donzdorf, wandte sich mit einem ganz<br />

besonderen Anliegen im Bereich der Orthopädie<br />

an Martin Gabriel, Gründer der<br />

G&G Präzisions<strong>technik</strong>. Das Unternehmen<br />

ist einer der führenden Anbieter auf<br />

dem Gebiet der Orthopädie<strong>technik</strong> in der<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Qualitätssicherung<br />

■ Herstellung künstlicher Kniegelenke<br />

■ Langzeitkorrektur der Orthesen<br />

■ On-Machine-Messung mit Absolute Arm<br />

■ Werkstück-Prüfung auf der Maschine<br />

Region und behandelt in seiner täglichen<br />

Arbeit viele Patientinnen und Patienten<br />

mit Varus- und Valgusgonarthrosen, umgangssprachlich<br />

als Kniefehlstellungen<br />

bezeichnet. „Wir waren mit den Ergebnissen<br />

der Langzeitkorrektur der auf dem<br />

Markt befindlichen Orthesen unzufrieden<br />

und suchten nach einem Partner, der eigene<br />

Gelenke entwickelt, die unseren Ansprüchen<br />

gerecht werden”, erinnert sich<br />

Nonnengässer.<br />

Der Gedanke, leicht verstellbare Gelenke<br />

zu haben, ist reizvoll, aber die Umsetzung<br />

ist eine Herausforderung, da diese<br />

Gelenke relativ schmal, klein und leicht<br />

sein sollten. Doch G&G nahm die Herausforderung<br />

an und entwickelte die ersten<br />

Prototypen. „Ich fand das Thema insgesamt<br />

sehr spannend”, erklärt Gabriel. „Es<br />

ist eine neue Herausforderung, die es<br />

nicht jeden Tag gibt, und ich finde es sehr<br />

interessant, neue Dinge zu entwickeln.”<br />

Weniger Schmerzen durch<br />

künstliche Kniegelenke<br />

Vorgefertigte und individuell gefertigte<br />

Orthesen funktionieren nicht immer auf<br />

Anhieb gut. Es ging nicht darum, etwas<br />

völlig Neues zu erfinden, sondern einfach<br />

Dinge zu optimieren, die es schon gibt.<br />

„Man muss das Rad nicht neu erfinden,<br />

aber wenn wir ein Problem erkennen,<br />

müssen wir uns daran machen, um vielleicht<br />

etwas zu verbessern“, erklärt Nonnengässer.<br />

Schließlich gehe es dabei um<br />

die Mobilität der Orthesenträger.<br />

Zielgruppe sind Patientinnen und Patienten<br />

mit osteoarthritischen Kniegelenken,<br />

besser bekannt als typische O-Beine<br />

oder Knick-Kniegelenke. „Diese Symptomatik<br />

verursacht im Alter Schmerzen und<br />

Bewegungseinschränkungen, sodass eine<br />

Operation oft die einzige Lösung darstellt.<br />

Ziel dieser Gelenke oder Orthesen ist es,<br />

eine sanfte Korrektur herbeizuführen und<br />

eine Schmerzlinderung für den Patienten<br />

zu erreichen.”<br />

Die neuen Gelenke, die G&G nun herstellt,<br />

bieten eine Korrektur, ähnlich einer<br />

Zahnspange. „Bei diesen modernisierten<br />

Orthesen wird das Kniegelenk jetzt einfach<br />

nur sanft in seine Position gedrückt,<br />

so wie es sein soll; die Druckpunkte haben<br />

sich durch die Längsverschiebung komplett<br />

verändert”, erklärt Nonnengässer.<br />

„Das Ergebnis ist eine bessere Korrektur<br />

und, viel wichtiger, eine bessere Akzeptanz<br />

bei den Patienten, vor allem, weil wir<br />

die Orthese jederzeit analog zum Therapieverlauf<br />

nachjustieren können und das<br />

Bein nicht unveränderbar fixieren.”<br />

Um dies zu erreichen, müssen die Orthesen<br />

währen der Produktion hochgenau<br />

vermessen und geprüft werden. Dafür set-<br />

46 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: Hexagon/G&G Präzisions<strong>technik</strong>)<br />

zen die Präzisions<strong>technik</strong>-Spezialisten aus<br />

Süßen auf modernste Technik im Bereich<br />

des Messens: Zur Anwendung kommt ein<br />

Absolute Arm der Hexagon Metrology<br />

GmbH, Wetzlar, mit einem Messbereich<br />

von 2000 mm und einer Messgenauigkeit<br />

von weniger als 5 µm. „Das System bietet<br />

uns die Möglichkeit, Werkstücke direkt<br />

auf der Maschine zu prüfen“, so Gabriel.<br />

Mess<strong>technik</strong> verbessert den<br />

Korrektur-Ansatz der Orthese<br />

G&G arbeitet seit vielen Jahren mit Hexagon<br />

zusammen und ist sehr zufrieden.<br />

„Da ein hoher Qualitätsstandard unsere<br />

Leitlinie ist, sichern wir den Qualitätsstandard<br />

unserer Produkte nach DIN EN<br />

ISO 9001 zertifizierten Prozessen durch<br />

unsere umfangreichen Mess- und Prüfsysteme.<br />

Ein wichtiger Grundsatz ist dabei<br />

die Fehlervermeidung, Null-Fehler ist unser<br />

Ziel“, sagt Gabriel. Der Absolute Arm<br />

arbeitet mit einem modularen 3D-Laserscanner,<br />

um die Bauteile zu digitalisieren.<br />

„Auf dieser Grundlage ist vor Beginn des<br />

Fräsprozesses eine Nachrüstung einfach<br />

zu berechnen und eine Best-Fit-Ausrichtung<br />

durchführbar.“<br />

Auch in der Qualitätssicherung setzt<br />

das Unternehmen bereits erfolgreich auf<br />

Mess<strong>technik</strong> von Hexagon. „Aber die Mobilität<br />

unseres Absolute Arms erleichtert<br />

uns jetzt die Arbeit enorm“, erklärt<br />

G&G-Geschäftsführer Gabriel. Es sei nun<br />

nicht mehr nötig, das zu messende Teil<br />

von der Produktionsmaschine wegzu -<br />

nehmen, in den Qualitätsraum zu bringen<br />

und dort die Prüfung durchzuführen.<br />

„Die Mobilität des Arms erlaubt den<br />

Einsatz überall, auch direkt an der<br />

Maschine, an der das Teil gefertigt wird.<br />

Das ist eine unglaubliche Produktivitätssteigerung.“<br />

(su) ■<br />

www.hexagonmi.com<br />

Zur Erstellung einer<br />

Orthese analysiert<br />

das G&G-Team<br />

die Beinstruktur<br />

eines Patienten mit<br />

osteoarthritischem<br />

Kniegelenk<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 47<br />

www.gsc-schwoerer.de


■ [ SPECIAL FERTIGUNG ]<br />

FORMFRÄSEN: WERKZEUGE AUCH<br />

FÜR EIN KOMPLEXES IMPLANTAT<br />

Titanbearbeitung | 20 Freiformflächen und zahlreiche Hohlkehlflächen an einem<br />

Implantat: Um diese zu fertigen, setzt der Hersteller auf DS-Titanfräser der Tübinger<br />

Paul Horn GmbH. Und auf das Know-how der Mitarbeiter dort.<br />

(Bild: Horn/Sauermann)<br />

Komplexe Geometrien: Die muss ein<br />

Bildhauer Schritt für Schritt im Blick<br />

haben, wenn er aus dem rohen Block die<br />

Statue erschaffen will, die er vor dem<br />

geistigen Auge schon längst vor sich sieht.<br />

Ähnliches kann auch moderne Maschinentechnologie<br />

leisten – sei es, um die<br />

Form für ein komplexes medizinisches<br />

Implantat herzustellen oder für ein<br />

Scheinwerferbauteil für die Automobil -<br />

industrie.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Werkzeuge für die Fertigung eines<br />

komplex geformten Titan-Implantats<br />

Präzision und Know-how<br />

für den Werkzeug- und Formenbau<br />

Supermini-Set zur AMB<br />

Um dieses komplex geformte Titan-Implantat<br />

zu bearbeiten, setzte der Hersteller eine<br />

Reihe unterschiedlicher DS-Titanfräser von<br />

Horn ein<br />

Die Konturen des Produkts zu definieren,<br />

ist dabei immer noch die Aufgabe von<br />

Menschen. Aber erst moderne Fünf-Achs-<br />

Fräsmaschinen ermöglichen die produktive<br />

Bearbeitung, wie sie vor allem im Werkzeug-<br />

und Formenbau gefragt ist. Neben<br />

präzisen Maschinen und der Programmierung<br />

spielen die Werkzeuge eine große<br />

Rolle für die wirtschaftliche Fertigung.<br />

Fräser mit unterschiedlichen<br />

Geometrien sind im Einsatz<br />

Für die Herstellung eines Titan-Implantates<br />

beispielsweise setzt ein Anwender aus<br />

der Medizin<strong>technik</strong> auf die DS- Titanfräser<br />

der Tübinger Paul Horn GmbH. Die Form<br />

des Implantates umfasst zahlreiche Freiformflächen.<br />

Sie weist etwa 20 verschiedene<br />

Radien auf und enthält viele, unter<br />

verschiedenen Winkeln angeordnete<br />

Hohlkehlen.<br />

Um die komplexe Geometrie zu Fräsen,<br />

bietet Horn mit seinem Werkzeugportfolio<br />

und Know-how einige Lösungen.<br />

Zum Schruppen der Form kommt etwa<br />

ein Fräser mit 10 mm Durchmesser und<br />

einem Eckenradius von 0,2 mm in Frage.<br />

Er wird ergänzt durch einen weiteren Fräser<br />

mit 6 mm Durchmesser und 0,5 mm<br />

Eckenradius. Das Schlichten übernimmt<br />

ein Schaftfräser mit 1 mm Durchmesser.<br />

Um weitere Arbeitsgänge auszuführen,<br />

sind eine ganze Reihe DS-Fräser mit<br />

Durchmessern zwischen 0,6 mm und<br />

10 mm im Einsatz. Auch ein Kugelfräser<br />

mit 2 mm und ein Gewindefräser des Typs<br />

DCG mit drei Schneiden werden gebraucht.<br />

Das Werkzeug fräst das unter 35°<br />

geneigte, 8 mm tiefe Durchgangsgewinde<br />

M 3,5 x 0,5 in einem Durchgang.<br />

Als höchst anspruchsvoll erwies sich<br />

das Fräsen zweier kegelförmiger Absätze.<br />

Ihr 43°-Kegel ist etwa 2 mm hoch und<br />

muss in einer geometrisch „perfekten“ Kegelspitze<br />

enden. Diese Forderungen konnte<br />

ein Mikrofräser im Schrupp- und<br />

Schlichtdurchgang erfüllen.<br />

Eine Vielzahl an Fräswerkzeugen des<br />

Tübinger Herstellers führt auch beim Bearbeiten<br />

einer Scheinwerferform zu einem<br />

präzisen Ergebnis. Das Bauteil aus<br />

der Automotive-Industrie ist wegen seiner<br />

unterschiedlichen Flächen, Absätze und<br />

Radien eine echte Herausforderung. Zum<br />

Schruppen kommen unterschiedliche<br />

Hochvorschubfräser des Systems DAH 8<br />

zum Einsatz. Beim Schlichten der Form<br />

setzen die Horn-Techniker auf verschiedene<br />

Varianten des Werkzeugsystems DS.<br />

Neben Kugelfräsern mit verschiedenen<br />

Durchmessern sind auch Kreissegmentfräser<br />

im Einsatz. Diese brauchen beim<br />

Abzeilen von Freiformflächen weniger<br />

Zustellungen als Kugel- oder Torusfräser,<br />

erreichen aber die gleiche Oberflächengüte.<br />

Dies macht sich insbesondere bei<br />

der Bearbeitungszeit bemerkbar.<br />

Spritzgussform fräsen und<br />

dabei Vibrationen vermeiden<br />

Ein anderes Bearbeitungsbeispiel, bei<br />

dem das Know-how im Werkzeug- und<br />

Formenbau gefragt war, ist das Fräsen einer<br />

Spritzgussform. Hier wird für das<br />

Schruppen der Freiformflächen ein Hochvorschubfräser<br />

mit 12 mm Durchmesser<br />

verwendet. Weil diese Fräser eine doppelte<br />

Radiusgeometrie haben, ist der Kraftfluss<br />

in axialer Richtung der Spindel begünstigt.<br />

In radialer Richtung treten dafür<br />

weniger Kräfte auf. Durch diese Geometrie<br />

lassen sich auch bei langen Werkzeugauskragungen<br />

hohe Vorschübe fahren,<br />

ohne dass Vibrationen im Werkzeug auftreten.<br />

Wenn es darum geht, eine Form mit<br />

unterschiedlichen Kugelfräsern zu<br />

schlichten, beeinflussen drei Faktoren die<br />

Oberflächenqualität:<br />

48 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


• Präzision des Werkzeugs,<br />

• leistungsstarke CAM-Software für eine<br />

präzise Bearbeitung sowie<br />

• Rundlaufgenauigkeit des Spannmittels.<br />

Horn fertigt die Fräser-Radien mit einer<br />

Formabweichung von unter ± 5 µm. Wie<br />

wichtig die Präzision ist, zeigte sich beim<br />

Ansetzen unterschiedlicher Fräser an einer<br />

zu schlichtenden Form. Programmiert<br />

wurde diese mit einem 6 mm und einem 4<br />

mm Kugelfräser. Das Resultat waren perfekt<br />

ineinander gehende Übergänge zwischen<br />

den einzelnen Formabschnitten.<br />

Dies ist insbesondere wichtig, wenn verschiedene<br />

Fräser an einem Formübergang<br />

die Schlichtbearbeitung ansetzen.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass das Werkzeugportfolio<br />

des Tübinger Herstellers für<br />

nahezu jede Anwendung beim Fräsen von<br />

Formen und Freiformflächen eine passende<br />

Lösung zu bieten hat.<br />

■<br />

Nico Sauermann<br />

Paul Horn, Tübingen<br />

www.phorn.de<br />

1793053-2.PDF - Januar 5, 2022 x<br />

Supermini-Set auf der Messe AMB<br />

Ein neues Supermini-Set stellt die Paul<br />

Horn GmbH erstmals zur AMB 2022 in<br />

Stuttgart vor. Damit ist das bewährte<br />

Haltersystem mit stirnseitiger Klemmung<br />

nun auch als komplettes Set verfügbar.<br />

Das Halter-Set besteht aus einem Rundschaftklemmhalter<br />

und drei unterschiedlichen<br />

Spannelementen. Diese eignen<br />

sich für die Schneidplattenhöhen des Supermini-Systems,<br />

03, 04 und 05. Der Anwender<br />

kann den Durchmesser des<br />

Rundschaftklemmhalters aus sieben Varianten<br />

zwischen 10 mm und 28 mm<br />

auswählen. Die Spannung erfolgt bei dieser<br />

Haltervariante nicht über die Mantelfläche<br />

der Schneidplatte, sondern über<br />

einen stirnseitigen Spannkeil. Die so erzeugte<br />

höhere Halterkraft der Schneidplatte<br />

macht das Gesamtsystem steifer.<br />

Durch die Spannung erhöht sich auch die<br />

Wiederholgenauigkeit beim Schneidplattenwechsel.<br />

Auch wird der Bauraum besser<br />

genutzt. Dies ist auf Langdrehmaschinen<br />

von Vorteil, da der Anwender den<br />

Schneideinsatz wechseln kann, ohne den<br />

Werkzeughalter auszubauen.<br />

Paul Horn auf der Messe AMB:<br />

Halle 1, Stand 1J10<br />

Das bewährte Haltersystem mit stirnseitiger<br />

Klemmung ist nun auch als<br />

Supermini-Set verfügbar<br />

(Bild: Horn/Sauermann)<br />

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RICHTIGE HAPTIK FÜR GRIFFZONEN<br />

AM CHIRURGIEINSTRUMENT<br />

Profilwalz<strong>technik</strong> | Hochpräzise gerändelte Griffbereiche für chirurgische Werkzeuge lassen<br />

sich spanlos per Profilwalz<strong>technik</strong> herstellen. Das Verfahren ermöglicht eine gleichbleibende<br />

Haptik und sehr gute Optik. Rollwerkzeuge von Emuge-Franken tragen entscheidend dazu bei.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Rändeln von Griffstrukturen an<br />

chirurgischen Instrumenten<br />

Zwei Verfahren für das Profilwalzen<br />

Werkzeugqualität entscheidet<br />

Spezielle Werkzeuge für die Anwendung<br />

Wenn Griffe für Chirurgieinstrumente gerändelt werden, zählen Haptik und<br />

Optik. Kontrolle unterm Mikroskop ist daher angesagt<br />

Das Fingerspitzengefühl der Chirurgen<br />

ist legendär. Das gilt auch dann,<br />

wenn der Mediziner sein Werkzeug in die<br />

Hand nimmt. Kleinste Unterschiede bei<br />

den Griffdurchmessern würde der Chirurg<br />

sofort bemerken. Und: „Wenn die<br />

Griffe nicht ordentlich ausgeformt sind<br />

und die Sauberkeit nicht stimmt, ist die<br />

Haptik eine andere“, ergänzt Tobias<br />

Kuolt, Geschäftsführer der Paul Kuolt<br />

Feinmechanik GmbH & Co. KG in Deilingen.<br />

Das Unternehmen, das sein Vater<br />

Paul Kuolt 1978 gründete, ist auf solche<br />

Anforderungen spezialisiert und bietet als<br />

Lohnfertiger zum Beispiel das Rändeln<br />

der Oberfläche im Griffbereich chirurgischer<br />

Werkzeuge an.<br />

Rändeln? Das ist ein Verfahren, dass<br />

über die Medizin<strong>technik</strong> hinaus wohl eher<br />

weniger bekannt ist. Beim Profilwalzen,<br />

wozu auch das Rändelwalzen zählt, entsteht<br />

eine Profilkontur dadurch, dass Material<br />

verdrängt wird – also durch Kaltmassivumformung<br />

und damit spanlos.<br />

Dabei wird das Negativprofil der Walzen<br />

als Positiv auf dem Werkstück abgebildet.<br />

Für jede Gewindeart, Gewindegröße,<br />

Rändel oder Verzahnung, die so hergestellt<br />

wird, ist ein eigenes Werkzeugpaar<br />

erforderlich. Der Umfang des Rollwerkzeugs<br />

muss dabei ein Vielfaches des Werkstücks<br />

sein. „Da die Abwicklung wieder<br />

zueinander passen muss, benötige ich<br />

zum Beispiel bei verschiedenen Gewindedurchmessern<br />

trotz gleicher Gewindesteigung<br />

stets ein separates Rollenpaar.“ Damit<br />

lassen sich Kerb- und Schrägverzahnungen<br />

ebenso herstellen wie Schnecken<br />

und natürlich Gewinde – über die Kuolt<br />

sagt: „Das ist unser Hauptgeschäft.“<br />

Rändeln: Verfahren mit<br />

Potenzial rund um Tuttlingen<br />

Doch sein Unternehmen ist an der Südwest-Alb<br />

in Deilingen ansässig, das zum<br />

Landkreis Tuttlingen gehört. Diese Region<br />

erreicht die weltweit wohl höchste Dichte<br />

an Herstellern chirurgischer Instrumente.<br />

Und bei deren Herstellung gibt es Aufgaben,<br />

für die das Rändeln „einfach das perfekte<br />

Verfahren“ ist.<br />

Während Hersteller wie Aesculap, der<br />

größte Arbeitgeber in Tuttlingen, meist im<br />

eigenen Haus rändeln, rentiere sich für<br />

die kleineren der rund 600 kleinen und<br />

mittleren Betriebe in der Region eine eigene<br />

Maschine oft nicht, erklärt Kuolt.<br />

„Hier kommen dann wir ins Spiel.“<br />

Aber auch von Unternehmen mit eigenen<br />

Maschinen erhält er Aufträge: nämlich<br />

dann, wenn es um Losgrößen zwischen<br />

20 und 500 Stück geht. „Diese Betriebe<br />

wechseln nicht gerne ihre Werkzeuge,<br />

die standardmäßig für große Serien<br />

verwendet werden.“<br />

Kuolt, der vier Mitarbeiter beschäftigt,<br />

hält über 1200 Werkzeugsätze am Lager<br />

vor. Jeder davon hat einen Wert zwischen<br />

800 und 2500 Euro. Die Vielzahl der Möglichkeiten,<br />

die sich daraus ergeben, hat<br />

für die Auftraggeber Vorteile: „Wenn es<br />

brennt, können wir innerhalb von zwei<br />

Tagen einen Auftrag ausführen“, berichtet<br />

der Geschäftsführer. „Unser Alleinstellungsmerkmal<br />

ist, dass sich mit unseren<br />

Werkzeugsätzen sehr viele Sonderschrau-<br />

(Bild: Emuge-Franken)<br />

50 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


en herstellen lassen.“ Darum sei der<br />

Kundenstamm mit über 500 recht groß.<br />

Die Vorprodukte kommen immer als<br />

Drehteile, auch bei chirurgischen Instrumenten<br />

wie zum Beispiel Pinzetten, die<br />

einen gerändelten Griffbereich haben.<br />

„Die werden nachher vom Kunden durch<br />

Fräsen halbiert und hinten zusammengeschweißt.“<br />

Jedes Werkzeugpaar für den Profilwalzprozess<br />

ist aufgabenspezifisch geschliffen.<br />

Es wird in der genormten Aufnahme<br />

der Walzmaschine befestigt und<br />

eingespurt. Sobald das Walzwerkzeug in<br />

der Maschine rotiert, wird der Walzschlitten<br />

hydraulisch zugestellt. Dabei werden<br />

die beiden rotierenden Werkzeuge mit hohem<br />

Druck gegen das Werkstück gepresst.<br />

So füllen sich nach dem Verdrängungsverhältnis<br />

die Profillücken der Walzen mit<br />

dem auffließenden Werkstoff.<br />

Profilspitzen okay?<br />

Das wird regelmäßig geprüft<br />

Dabei darf das zu verdrängende Material<br />

gerade so viel sein, dass die Profilspitzen<br />

vollständig ausgeformt werden. Deshalb<br />

findet nach dem Einrichten der Werkzeuge<br />

ein Probelauf statt, dessen Ergebnis optisch<br />

per Mikroskop kontrolliert wird.<br />

Beim Rollen entstehen pressblanke<br />

Oberflächen, die sich mit keinem anderen<br />

Verfahren so herstellen lassen. Als weitere<br />

Vorteile nennt Kuolt die Oberflächenverfestigung<br />

im gerollten Profil und den nach<br />

dem Rollenwalzen optimalen Faserverlauf.<br />

„Und natürlich die beim Einstechwalzen<br />

unerreicht kurze Bearbeitungszeit<br />

pro Teil.“ Er erläutert: „Mit einer sehr steifen<br />

Maschine erreiche ich durch Profilwalzen<br />

eine äußerst hohe Form- und<br />

Maßhaltigkeit über die gesamte Charge<br />

hinweg. Alle unsere acht Maschinen erfüllen<br />

diese Voraussetzungen, wobei die<br />

größte über eine Walzkraft von bis zu<br />

25 000 kN verfügt.“<br />

Doch die Kraft allein macht keine perfekte<br />

Oberfläche – nur mit passenden<br />

Werkzeugen ist diese zu erreichen. Die<br />

Werkzeugpaare, die Kuolt nutzt, stammen<br />

mehrheitlich von der Emuge-Franken-Gruppe<br />

aus Lauf und sind oft speziell<br />

für eine Aufgabe ausgelegt.<br />

Zwei mögliche Methoden unterscheidet<br />

man beim Profiwalzen: das Einstechund<br />

das Durchlaufverfahren. Beim Einstechverfahren<br />

wird in einem Prozessschritt<br />

über die gesamte Länge gewalzt.<br />

Die einzige Grenze setzt die Breite der<br />

Rollwerkzeuge – diese liegt bei Kuolt bei<br />

140 mm. Dabei werden die Rollen mit<br />

gleicher Drehzahl in entgegengesetzter<br />

Drehrichtung angetrieben. Auf diese Weise<br />

dreht sich das Werkstück ohne axiale<br />

Verschiebung und erhält so sein Profil.<br />

Für Griffe an den Instrumenten<br />

ist das Einstechwalzen geeignet<br />

Besonders gut geeignet ist das Einstechwalzen<br />

laut Kuolt einerseits für die Herstellung<br />

kurzer Rändel in den Griffbereichen<br />

chirurgischer Instrumente, an -<br />

dererseits auch, um Gewinde mit höchster<br />

Steigungsgenauigkeit herzustellen.<br />

„Hier gibt es keinen Verzug, und die Optik<br />

ist perfekt“, erläutert Michael Sischka, der<br />

für den Werkzeughersteller Emuge-Franken<br />

das südwestliche Baden-Württemberg<br />

und damit auch die Region Tuttlingen<br />

betreut. Für die Einstechrollen liegt<br />

die erzielbare Oberflächengüte bei<br />

R a =0,2 am gewalzten Profil.<br />

Beim zweiten Verfahren, dem Durchlaufwalzen,<br />

wird das Werkstück in Axialrichtung<br />

durch die Werkzeuge trans -<br />

portiert. So lassen sich zum Beispiel Gewindestangen<br />

herstellen. Das Rohma -<br />

terial wandert zwischen den Rollen bis zu<br />

einer Gewindesteigung pro Werkstückumdrehung.<br />

Dafür muss auch das Werkzeug<br />

anders gestaltet sein, wie Sischka erläutert:<br />

„Es besteht aus drei Umformbereichen:<br />

einem Einlaufkegel, einem zylindrischen<br />

Bereich zum Kalibrieren des Profils<br />

und einem Auslaufkegel.“ Das Durchlaufwalzen<br />

wird eingesetzt, wenn das<br />

Profil des Werkstücks länger als die Werkzeugbreite<br />

selbst ist. Bei Kuolt werden so<br />

Werkstücke bis zu einer Länge von 1000<br />

mm gerollt.<br />

„Bei beiden Verfahren kommt es auch<br />

auf den Werkstoff an, der gerollt werden<br />

soll“, sagt Anwendungsingenieur Sischka.<br />

Bei den chirurgischen Werkzeugen zum<br />

Beispiel reicht das Werkstoffspektrum<br />

von Edelstahl bis hin zu Titan. Schwer zu<br />

rollende Werkstoffe mit einer niedrigeren<br />

Bruchdehnung erfordern Rollen aus<br />

hochfesten Stählen – für Werkstücke aus<br />

gut kaltumformbaren Materialien mit einer<br />

Bruchdehnung von über 12 % kommen<br />

ebenso Werkzeuge aus anderen Materialien<br />

in Frage. Auch Prozessparameter<br />

in der Härterei vor dem abschließenden<br />

Schliff spielen eine Rolle, so Sischka.<br />

Vom Know-how und der Erfahrung bei<br />

Emuge-Franken profitieren Anwender<br />

wie Paul Kuolt Feinmechanik. Für Geschäftsführer<br />

Kuolt ist „die Betreuung<br />

durch den Werkzeughersteller beim kundenindividuellen<br />

Profilwalzen ein wichtiger<br />

Parameter“. Was er dabei besonders<br />

schätze, sei der persönliche Kontakt zu<br />

Michael Sischka. Der würde regelmäßig<br />

vorbeischauen, fragen, ob er irgendwo<br />

helfen könne und auch schon mal einen<br />

verschlissenen Werkzeugsatz zum Nachschleifen<br />

im Kofferraum mitnehmen. ■<br />

Jörg Teichgräber<br />

Emuge-Franken, Lauf<br />

(Bild: Emuge-Franken)<br />

www.emuge-franken.com<br />

Spanlos zur perfekten<br />

Oberfläche: Mit<br />

den beiden Rändelrollen<br />

wird beim<br />

Einstechwalzen der<br />

Griffbereich einer<br />

chirurgischen Pinzette<br />

gerändelt.<br />

Ausgangsprodukt<br />

ist stets ein Drehteil<br />

Auf der Messe AMB: Halle 1, Stand H40<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 51


■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />

Super-Kleber, der aus<br />

Misteln stammt<br />

Verbindungs<strong>technik</strong> | In Beeren einer Mistelart findet<br />

sich ein biologischer Klebstoff: Er soll die Samen auf<br />

Bäumen haften lassen, ist aber auch interessant für<br />

medizinische und technische Anwendungen.<br />

In den weißen Mistelbeeren verbirgt sich der Stoff Viszin, der die<br />

Samen an Bäumen haften lässt. Und der klebt ganz schön...<br />

Starke Klebeeigenschaften an den Früchten der Weißbeerigen<br />

Mistel hat ein Team von Forschern des Max-Planck-Instituts<br />

für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam<br />

und der McGill Universität in Kanada entdeckt. Die flexiblen Fasern<br />

der Mistelbeere haften demnach sowohl an Haut und Knorpel<br />

als auch an verschiedenen synthetischen Materialien. Sie<br />

könnten durch einfache Verarbeitung in vielen Bereichen angewendet<br />

werden, sagen die Forscher, beispielsweise als Wundverschlussmittel<br />

in der Biomedizin.<br />

Um die Klebeeigenschaften zu beobachten, trug der Materialwissenschaftler<br />

Dr. Nils Horbelt im Selbstversuch den Mistelkleber<br />

drei Tage an den Fingern: „Anschließend konnte ich das den natürlichen<br />

Zelluloseklebstoff durch einfaches Aneinanderreiben<br />

der Finger wieder ablösen.“<br />

Jede Mistelbeere kann von diesem Viscin genannten Klebstoff einen<br />

bis zu 2 m langen klebrigen Faden produzieren. Damit haften<br />

die Samen der halbparasitären Pflanze an ihren Wirtspflanzen.<br />

Viscinfasern lassen sich durch einfaches Verarbeiten im nassen<br />

Zustand zu dünnen Filmen dehnen oder zu 3D-Strukturen<br />

zusammenfügen.<br />

Der natürliche Superkleber könnte nach Angaben der Wissenschaftler<br />

zum Beispiel Anwendung als Wund verschlussmittel<br />

finden. Er haftet aber auch an Metallen, Glas und Kunststoffen.<br />

Spannend sei auf jeden Fall die Tatsache, dass die Klebeeigenschaften<br />

unter feuchten Bedingungen vollständig reversibel<br />

sind.<br />

„Es bleiben noch viele Fragen zu diesem sehr außergewöhnlichen<br />

Material offen,“ sagt Nils Horbelt, Erstautor einer kürzlich<br />

veröffentlichten Studie. In einem nächsten Schritt wird nun die<br />

Chemie hinter diesem quellfähigen, extrem klebrigen Material<br />

untersucht, um den Klebeprozess in einem zweiten Schritt imitieren<br />

zu können.<br />

(Bild: Nils Horbelt/Max-Planck-Institut für<br />

Kolloid - und Grenzflächenforschung)<br />

Diagnostik<br />

Alternative zur invasiven Probenahme:<br />

Tränen statt Blut für die Diagnose nutzen<br />

Kennzeichnung von Produkten<br />

Markieren mit nanoskaligen<br />

Fluoreszenzschichten<br />

(Bild: Chepko Danil/stock.adobe.com)<br />

Tränen gehören zu den Körperflüssigkeiten,<br />

die sich als Probematerial nicht-invasiv<br />

gewinnen lassen. Das macht sie für die<br />

Diagnostik interessant<br />

Tränen enthalten Substanzen, die auf eine<br />

Erkrankung hinweisen, und solche, die<br />

eine Messung stören können. Wie man<br />

das eine vom anderen trennt und zu Ergebnissen<br />

kommt, hat ein Forscherteam<br />

aus China anhand der Gelbsucht gezeigt.<br />

Die Wissenschaftler haben ein handliches<br />

Testkit entwickelt, um Gelbsucht-Patienten<br />

zu identifizieren – untersucht wurde<br />

dafür nur die Tränenflüssigkeit. Der<br />

Schlüsselfaktor war ein hybrider Sensor,<br />

der Verunreinigungen aus der Probe abtrennt.<br />

Der Ansatz könnte neue Wege für<br />

Früherkennung und Diagnostik anhand<br />

komplexer Körperflüssigkeiten aufzeigen,<br />

wie das Team in einem Artikel in der Zeitschrift<br />

Angewandte Chemie beschreibt.<br />

Ein Vorteil der Tränen-Diagnostik ist die<br />

bequeme, nichtinvasive Probengewinnung.<br />

Als Analysenmethode für enthaltene<br />

Biomoleküle bietet sich die oberflächenverstärkte<br />

Raman-Spektroskopie<br />

(Surface-Enhanced Raman Spectroscopy,<br />

SERS) an. Kompakte Handgeräte stünden<br />

für die direkte Diagnostik beim Patienten<br />

zur Verfügung. Tränen-Bestandteile deaktivieren<br />

jedoch die bisher verfügbaren<br />

SERS-Sensoren rasch, da sie sich darauf<br />

ablagern.<br />

Das Team um Yun Feng (Peking University<br />

Third Hospital), Zhou Yang (University<br />

of Science and Technology Beijing) und<br />

Tie Wang (Tianjin University of Technology<br />

und Chinese Academy of Sciences Beijing)<br />

trennte die störenden Moleküle<br />

durch eine hybride Schicht von Siliziumdioxid-Nanokügelchen<br />

ab.<br />

Mit einer patentierten Entwicklung lassen<br />

sich funktionale Dünnschicht-Coatings<br />

nutzen, um Produkte zu kennzeichnen.<br />

Fluoreszierende Beschichtungen können<br />

je nach Produkt klein- oder großflächig<br />

abgeschieden und die Farbstoffe sparsam<br />

eingesetzt werden und mit einer neun<br />

Nachweistechnologie mittels Handheld-<br />

Fluoreszenzmikroskop nachgewiesen<br />

werden. An der Entwicklung war die Industrieforschungseinrichtung<br />

Innovent<br />

e.V. beteiligt, die Mess<strong>technik</strong> entstand<br />

am Berliner Ferdinand-Braun-Institut<br />

(FBH). In die farbig beschichteten Flächen<br />

können zum Nachverfolgen von Produkten<br />

Individualisierungen wie Logos<br />

oder Barcodes mittels Laser „eingraviert“<br />

werden. Die Technologie basiert auf Plasma-<br />

und Sol-Gel-Beschichtungen. Diese<br />

haften auf einer Vielzahl von Materialien<br />

wie Kunststoffen, Metallen, Glas/Keramik,<br />

Leichtbau- und 3D-Druck-Erzeugnissen.<br />

Aktuell werden weitere Partner gesucht,<br />

um die Technologie künftig wirtschaftlich<br />

nutzbar zu machen.<br />

52 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


(Bild: Fraunhofer IPM)<br />

Rückverfolgung ohne<br />

Markierung<br />

Rückverfolgbarkeit | Das Track&Trace-Fingerprint-Verfahren<br />

ist eine Möglichkeit, Bauteile durch die Produk -<br />

tion zu verfolgen. Das ist nun auch für rotationssymmetrische<br />

Objekte möglich und dient der Qualität.<br />

Die Qualität von Präzisionsbauteilen<br />

über den<br />

gesamten Produktionsprozess<br />

über Werks- oder Unternehmensgrenzen<br />

hinaus durchgehend<br />

zu prüfen, ist nicht trivial.<br />

Geometrie- oder Oberflächendefekte<br />

lassen sich zwar<br />

in der Produktion aufspüren.<br />

Wer jedoch aus wiederkehrenden<br />

Fehlern lernen möchte,<br />

muss in der Lage sein, die<br />

Messdaten intelligent zu nutzen<br />

und sie an jeder Stelle der<br />

Produktion individuellen Bauteilen<br />

zuzuordnen.<br />

Voraussetzung dafür ist eine<br />

Bauteil-Rückverfolgung, in<br />

der Regel mit Barcodes oder<br />

Datamatrixcodes. Bei Präzisionsbauteilen<br />

ist dafür aber<br />

kein Platz. Das am Fraunhofer-<br />

Institut für Physikalische<br />

Mess<strong>technik</strong> IPM entwickelte<br />

Track&Trace-Fingerprint-Verfahren<br />

ist hingegen markierungsfrei:<br />

Es nutzt die individuelle<br />

Mikrostruktur der Bauteiloberfläche<br />

für die Identifikation.<br />

Ein definierter Bereich der<br />

Bauteiloberfläche wird mit einer<br />

Kamera hochaufgelöst<br />

aufgenommen. Aus der Bildaufnahme<br />

mit ihren spezifischen<br />

Strukturen und deren<br />

Rotationssymmetrische Kopfwelle<br />

für ein Dentalinstrument:<br />

Das Track&Trace-Lesesystem<br />

erkennt die filigranen Hochleistungsbauteile<br />

anhand der<br />

Oberflächenstruktur der Mantelfläche<br />

Position wird eine numerische<br />

Kennung errechnet und einer<br />

ID zugeordnet, dem Fingerprint.<br />

Diese Paarung wird in<br />

einer Datenbank hinterlegt.<br />

Zur späteren Identifizierung<br />

wird der Vorgang wiederholt,<br />

ein Datenabgleich liefert die<br />

ID zurück.<br />

Oberfläche erkennbar<br />

auch für runde Teile<br />

Im Projekt ProIQ haben Mitarbeiter<br />

des Fraunhofer-Instituts<br />

für Physikalische Mess<strong>technik</strong><br />

IPM in Freiburg gemeinsam<br />

mit Partnern diese Technologie<br />

nun auch für rotationssymmetrische<br />

Teile verfügbar gemacht.<br />

Als Beispiel verwendeten<br />

sie ein Hochleistungsinjektor-Bauteil<br />

und eine Kopfwelle<br />

für ein filigranes Dentalinstrument<br />

der Projektpartner Robert<br />

Bosch GmbH und Sirona<br />

Dental Systems GmbH.<br />

Eine besondere Herausforderung<br />

war, dass die Bauteile geschliffen<br />

und gehärtet werden,<br />

was die Oberfläche verändert.<br />

Dennoch wurden zum Projektabschluss<br />

mit Ausnahme eines<br />

einzigen, stark beschädigten<br />

Bauteils alle Komponenten sicher<br />

identifiziert. Damit ist die<br />

markierungsfreie Rückverfolgung<br />

anhand der Oberfläche<br />

alternativen Technologien wie<br />

dem Datamatrix-Code überlegen.<br />

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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 53


■ [ RECHT ]<br />

Corporate Sustainability Reporting:<br />

Was die EU-Richtlinie CSRD fordert<br />

Nachhaltigkeitsberichte | Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)<br />

entsteht in der EU eine neue Nachhaltigkeitsberichtspflicht für Unternehmen. Nichtbörsennotierte<br />

KMU sind nach heutigem Stand davon nicht direkt betroffen, müssen<br />

aber mit zunehmenden und sehr konkreten Anfragen ihrer Kunden rechnen.<br />

(Bild: Simone Wave/Stocksy /stock.adobe.com)<br />

Wie grün ist ein Unternehmen, gemessen an festgelegten Standards? Das<br />

sollen künftig Berichte zur Nachhaltigkeit zeigen, wie sie die EU fordern will<br />

Nachhaltigkeitsberichte sind an sich<br />

keine neue Erfindung. Traditionell<br />

haben Unternehmen sie bisher auf frei -<br />

williger Basis erstellt und sich dabei an<br />

Berichtsstandards wie dem Deutschen<br />

Nachhaltigkeitskodex (DNK) oder<br />

der Global Reporting Initiative (GRI) orientiert.<br />

Lediglich für börsennotierte<br />

Unternehmen mit mehr als 500 Mitar -<br />

beitenden gab es schon eine gesetzliche<br />

Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die über<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Neue EU-Richtlinie zu Berichten über die<br />

Nachhaltigkeit (CSRD)<br />

Große Unternehmen direkt betroffen,<br />

KMU indirekt auch<br />

Rechtzeitige Vorbereitung empfohlen<br />

die Non-Financial-Reporting-Directive<br />

(NFRD) geregelt ist.<br />

Die Qualität der bislang auf dieser Basis<br />

veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte<br />

blieb vielfach hinter den Erwartungen<br />

der für die Unternehmen relevanten<br />

Anspruchsgruppen zurück. Das lag einerseits<br />

an der starken Heterogenität der Berichterstattung<br />

aufgrund fehlender Standardisierung,<br />

andererseits an fehlenden<br />

belastbaren Daten.<br />

Die geplante neue CSRD soll Teil des<br />

europäischen Sustainable Finance Frameworks<br />

sein, wie vorher schon die EU-Taxonomie<br />

und Sustainable Finance Disclosure<br />

Regulation (SFDR). Das Ziel der neuen<br />

Richtlinie ist, Investitionen in nachhaltige<br />

Wirtschaftsaktivitäten zu lenken.<br />

Die CSRD, die bisher als Entwurf vorliegt,<br />

aktualisiert die Non-Financial Reporting<br />

Directive. Letztere ging mit der<br />

Verabschiedung des CSR-Richtlinien-Um-<br />

setzungsgesetzes (CSR-RUG) durch den<br />

Deutschen Bundestag im Jahr 2017 in<br />

deutsches Recht über.<br />

Mit dem geplanten Update erweitert<br />

sich der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen,<br />

und die Vorgaben sollen es ermöglichen,<br />

Informationen zur Nachhaltigkeit<br />

konsistent und kohärent aufzubereiten<br />

und zu veröffentlichen. Das soll die<br />

Transparenz verbessern und internen und<br />

externen Stakeholdern wie auch Investoren,<br />

Mitarbeitern und Kunden eine verlässlichere<br />

Entscheidungsgrundlage bieten.<br />

Berichtspflichtig sind demnach künftig<br />

nicht mehr nur Unternehmen, die an<br />

der Börse gelistet sind, sondern auch Unternehmen,<br />

die als „große Unternehmen“<br />

eingestuft werden. Dies ist der Fall, wenn<br />

sie zwei der drei der folgenden Kriterien<br />

erfüllen:<br />

• mehr als 250 Mitarbeitende beschäftigen,<br />

• über 40 Mio. Euro Umsatz erzielen<br />

oder<br />

• eine Bilanzsumme von mehr als 20<br />

Mio. Euro erwirtschaften.<br />

Laut Deutschem Nachhaltigkeitskodex<br />

beträfe das rund 15 000 Unternehmen in<br />

Deutschland, die damit berichtspflichtig<br />

wären – darunter auch Krankenhäuser.<br />

Eine vorläufige politische Einigung von<br />

Europäischen Rat und Parlament liegt dazu<br />

seit dem 21. Juni 2022 vor, und eine<br />

formelle Verabschiedung der CSRD wird<br />

zeitnah erwartet. Der Vorschlag des Europäischen<br />

Rates vom Februar 2022 empfiehlt<br />

bei der Einführung der Berichts -<br />

pflicht eine Staffelung der Fristen nach<br />

Unternehmensgröße:<br />

• ab 1. Januar 2024 für Unternehmen,<br />

die bereits der NFRD unterliegen (Bericht<br />

über die Daten von 2024)<br />

• ab 1. Januar 2025 für große Unternehmen,<br />

die derzeit nicht der NFRD unter-<br />

54 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


liegen (Bericht über die Daten von<br />

2025)<br />

• Ab 1. Januar 2026 für börsennotierte<br />

KMU (Bericht über die Daten von<br />

2026)<br />

Die Nachhaltigkeitsberichtserstattung<br />

findet dann ausschließlich im Lagebericht<br />

statt, den mittelgroße und große Kapitalund<br />

Personengesellschaften neben dem<br />

Jahresabschluss veröffentlichen müssen.<br />

Ein unabhängiger, zertifizierter Prüfer<br />

soll den Nachhaltigkeitsbericht begutachten.<br />

Ist das Unternehmen aufgegliedert,<br />

muss die Muttergesellschaft einen Bericht<br />

erstellen, der alle Tochtergesellschaften<br />

umfasst.<br />

CSRD und KMU: Diese Regeln<br />

sollen gelten<br />

Was heißt das nun für kleine und mittlere<br />

Unternehmen? KMU, die kapitalmarktorientiert<br />

und damit direkt berichtspflichtig<br />

sind, dürfen einem vereinfachten Berichtsformat<br />

folgen. Dieser soll sich an Informationen<br />

orientieren, die große Unternehmen<br />

von ihrer Lieferkette erfragen<br />

werden.<br />

Alle anderen kleinen und mittleren Unternehmen<br />

sind eindeutig im ersten<br />

Schritt nicht berichtspflichtig. Sobald sie<br />

aber berichtspflichtige Kunden haben<br />

oder mit Investoren zusammenarbeiten,<br />

die die Vorgaben der CSRD erfüllen müssen,<br />

werden diese mit entsprechenden<br />

Anforderungen an die KMU herantreten.<br />

Nur so werden sie die eigene Berichts -<br />

pflicht und selbst gesteckte Nachhaltigkeitsziele<br />

erfüllen können.<br />

Das, worüber es gemäß der künftigen<br />

CSR-Richtlinie verpflichtend zu berichten<br />

gilt, umfasst alle drei Handlungsfelder<br />

der Nachhaltigkeit, oftmals durch ESG<br />

abgekürzt für die englischen Begriffe Environment,<br />

Social und Governance. Damit<br />

sind im Einzelnen folgende Aspekte gemeint:<br />

• Environment – Umweltschutz, einschließlich<br />

Angaben zu den sechs<br />

Umweltzielen der EU Taxonomie<br />

• Social – Soziale Verantwortung, einschließlich<br />

des Umgangs mit den Beschäftigten,<br />

Chancengleichheit und<br />

Achtung der Menschenrechte<br />

• Governance – einschließlich der Rolle<br />

der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane,<br />

Korruptions- und Bestechungsbekämpfung<br />

und Lobbying-Aktivitäten<br />

Tipps: Auf CSRD vorbereitet sein<br />

Auch wenn die Fristen noch in der Zukunft<br />

liegen, ist es für Unternehmen<br />

sinnvoll, sich zeitnah auf die Berichterstattung<br />

vorzubereiten.<br />

Für einen CSRD-konformen Bericht sind<br />

strategische Entscheidungen zu treffen<br />

und viele Themen mit Akteuren aus unterschiedlichen<br />

Fachabteilungen abzustimmen.<br />

Das braucht seine Zeit.<br />

Mit folgenden Schritten und Maßnahmen<br />

ist ein guter Anfang gemacht:<br />

■ Führen Sie eine Wesentlichkeitsanalyse<br />

oder eine Chancen-Risiken-Analyse<br />

in Bezug auf die Handlungsfelder der<br />

Nachhaltigkeit durch: Umwelt, Soziales<br />

und Governance.<br />

■ Erstellen Sie eine Treibhausgasbilanz<br />

gemäß des Greenhouse Gas Protocol<br />

und erweitern Sie Ihr Energie- und<br />

Umweltdatenmanagement um Treibhausgase.<br />

Die Berechnung des Product<br />

Carbon Footprints (des Treibhausgas-<br />

Dabei soll das Prinzip der Doppelten<br />

Wesentlichkeit (Double Materiality) Beachtung<br />

finden. Es sieht vor, dass sowohl<br />

die positiven als auch die negativen Auswirkungen<br />

der Unternehmensaktivitäten<br />

auf die Umwelt betrachtet werden. Umgekehrt<br />

gehören auch Chancen und Risiken,<br />

wie die Umwelt auf das Unternehmen einwirkt,<br />

dazu.<br />

Gefordert ist ebenfalls eine umfassende<br />

Betrachtung des Geschäftsmodells:<br />

Lässt es sich mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang<br />

bringen, auf das sich die internationale<br />

Staatengemeinschaft im Rahmen des<br />

Pariser Klimaabkommens bereits im Jahr<br />

2015 einigte? Eine Treibhausgas-Bilanz<br />

nach dem Greenhouse Gas Protocol, absolute<br />

und relative Emissionsreduktions -<br />

ziele, geplante Maßnahmen zur Dekarbonisierung<br />

und ein operatives Monitoring<br />

sind dann erforderlich, um mehr Transparenz<br />

über den Grad der Umsetzung zu erhalten.<br />

Wie die Regeln zur CSRD im Einzelnen<br />

aussehen werden, erarbeitet derzeit die<br />

European Financial Reporting Advi sory<br />

Group (EFRAG). Die EU Kommission hat<br />

diese Fachleute damit beauftragt, den<br />

European Sustainability Reporting<br />

Standard (ESRS), also obligatorische Inhalte<br />

und Indikatoren des Berichts festzulegen.<br />

Fußabdrucks eines Produktes) wird Ihnen<br />

helfen, konkrete Kundenanfragen<br />

zu beantworten.<br />

■ Formulieren Sie ein ambitioniertes,<br />

wissenschaftsbasiertes Emissions -<br />

reduktionsziel. Erarbeiten Sie dazu<br />

korrespondierende Maßnahmen, wie<br />

sich der Ausstoß an Treibhausgasen<br />

reduzieren oder ganz vermeiden lässt.<br />

■ Bringen Sie Ihr Datenmanagement<br />

und Controlling in Einklang mit einem<br />

anerkannten Nachhaltigkeitsberichtsstandard.<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />

(DNK) ist mit 20 Kriterien<br />

ein gut strukturierter Rahmen für den<br />

Einstieg, auch für KMU.<br />

■ Professionalisieren und optimieren Sie<br />

die Datenqualität und das Monitoring<br />

Ihrer Hauptemittenten über den Einsatz<br />

von Key Performance Indicators<br />

(KPIs).<br />

Die Vorschläge der EFRAG für den allgemeingültigen<br />

Standard, die so genannten<br />

Working Papers, befinden sich derzeit<br />

in einem öffentlichen Konsultationsprozess,<br />

der bis November 2022 abgeschlossen<br />

sein wird. Sobald die CSRD auf europäischer<br />

Ebene offiziell verabschiedet<br />

wurde, haben die Nationalstaaten 18 Monate<br />

Zeit, diese in nationale Gesetze umzuwandeln.<br />

Bis November 2023 sollen weitere<br />

branchenspezifische Standards und der<br />

vereinfachte KMU-Standard vorliegen.<br />

Fest steht allerdings bereits jetzt, dass Unternehmen<br />

ihren Beitrag zu einer nachhaltigen<br />

Entwicklung und zu den nationalen<br />

und europäischen Klimazielen darzulegen<br />

haben.<br />

■<br />

Mareike Hoffman, Juliane Zenke<br />

Ökotec Energiemanagement, Berlin<br />

Weitere Informationen<br />

Die Ökotec Energiemanagement<br />

GmbH bietet Beratungsdienstleistungen<br />

rund um Klimaneutralität<br />

sowie die Software für Energieeffizienz-Controlling,<br />

Eneffco, an.<br />

www.oekotec.de<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 55


■ [ INNOVATIONEN ]<br />

Knochenplatten auf<br />

den Zahn gefühlt<br />

Prüf<strong>technik</strong> | Für die Lebensdauer prüfung von Implantaten<br />

und chirurgischen Instrumenten werden bei KLS<br />

Martin elekrodynamische Prüfmaschinen eingesetzt.<br />

Die elektrodynamische Prüfmaschine vom Typ LTM eignet sich für<br />

den Test von Knochenplatten<br />

(Bild: Zwick Roell)<br />

Elektrodynamische Prüfmaschinen der LTM-Reihe der Zwick<br />

Roell GmbH & Co. KG, Ulm, sind speziell für die Bestimmung<br />

der Betriebsfestigkeit im Zeit- und Dauerfestigkeitsbereich<br />

an Werkstoffen und Bauteilen konzipiert. Dank des großen Geschwindigkeitsbereichs<br />

können neben statischen Prüfungen<br />

auch die Lebensdauereigenschaften beispielsweise von Knochenplatten<br />

durch zyklische Belastungen ermittelt werden. Hierfür<br />

wurde die Prüfmaschine mit einer speziellen 4-Punkt Biegevorrichtung<br />

ausgestattet, die einen Test gemäß ASTM F382 ermöglicht.<br />

Produktspezifische Prüfungen lassen sich mit individuellen<br />

Aufbauten auf der T-Nutenplatte montieren, was eine<br />

hohe Flexibilität ermöglicht. Die elektrodynamischen Prüfmaschinen<br />

der LTM Reihe stehen mit Kräften von 1, 2, 3, 5 und 10<br />

kN zur Verfügung.<br />

Um Implantate und chirurgische Instrumente auf ihre Lebensdauer<br />

zu prüfen, ist das Verständnis der mechanischen Eigenschaften<br />

der verwendeten Werkstoffe essenziell. Bei der KLS<br />

Martin Group am Standort Mühlheim an der Donau beschäftigten<br />

sich die Ingenieure daher intensiv mit den in der Medizin<strong>technik</strong><br />

gebräuchlichen Materialien. Dazu gehören nicht nur Titan<br />

und Stahl für Instrumente und Implantate, sondern auch resorbierbare<br />

und nicht-resorbierbare Polymere und Polymer-<br />

Compounds. Aus diesem Grund wurde das bereits mit verschiedenen<br />

Prüfmaschinen von Zwick Roell ausgestattete biomechanische<br />

Labor um eine elektrodynamische Prüfmaschine vom Typ<br />

LTM erweitert. Durch ihren ölfreien Antrieb und wegen der einfachen<br />

Installation ist sie sehr gut für den Einsatz in der Medizin<strong>technik</strong><br />

geeignet.<br />

Zwick Roell, Ulm<br />

www.zwickroell.com<br />

Firmenscout (Redaktion/Anzeige)<br />

Aerotech ............................... 58<br />

Alveolix ................................. 14<br />

AOK Nordost ....................... 12<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

Medizin<strong>technik</strong> im VDMA .. 7<br />

Asklepios-Kliniken ............. 20<br />

August Steinmeyer ............ 26<br />

B.Braun ................................. 20<br />

BBS Automation ................... 8<br />

BGS Beta-Gamma-<br />

Service .................................. 34<br />

Bioregio Stern<br />

Management ........................ 8<br />

Bottneuro ............................ 18<br />

BVMed ..................................... 7<br />

Citah ...................................... 12<br />

Clexbio .................................. 16<br />

Cross-Industry Transfor -<br />

mation in Agriculture and<br />

Health (Citah) ..................... 12<br />

Schweizer Zentrum für<br />

Elektronik und<br />

Mikroelektronik (CSEM) ... 16<br />

DFKI ....................................... 13<br />

DMB Technics ............... 17, 49<br />

DMG MORI Global<br />

Marketing ............................60<br />

EMI SAS ................................57<br />

Emuge-Franken-<br />

Gruppe .................................. 50<br />

EMUGE-Werk ......................33<br />

ETH Zürich ........................... 12<br />

Ethicon .................................. 20<br />

Ferdinand-Braun-Institut<br />

(FBH) ..................................... 52<br />

Franke ......................................7<br />

Fraunhofer-Gesellschaft .... 9<br />

Fraunhofer IPK .................... 36<br />

Fraunhofer IPM ................... 53<br />

G&G Präzisions<strong>technik</strong> .... 46<br />

Gemeinsamer Bundes-<br />

ausschuss (G-BA) ............... 12<br />

Genthner GmbH<br />

System Technologie ..........35<br />

GHA – German Health<br />

Alliance ................................... 7<br />

GSC Schwörer GmbH<br />

Antriebs<strong>technik</strong> ..................47<br />

Hartmetall Werkzeugfabrik<br />

Paul Horn ................................2<br />

HAWK ................................... 13<br />

Hexagon Metrology .......... 46<br />

Hubert Stüken ...................19<br />

IMT Information Management<br />

Technology ........ 18, 31<br />

Infoteam Software ............... 8<br />

INNEO Solutions ................53<br />

Innovent ............................... 52<br />

Institut für Textilmaschinen<br />

und Textile Hochleistungswerkstoff<strong>technik</strong><br />

(ITM).....<br />

28<br />

Johnson&Johnson<br />

Medtech ............................... 20<br />

Kahle Automation ................ 8<br />

Landesmesse Stuttgart .... 40<br />

Laubscher Präzision ........... 14<br />

LPW Reinigungs<strong>technik</strong> ... 42<br />

LUKAS-ERZETT ....................47<br />

Mafac – E. Schwarz ............ 44<br />

Maxon Motor ........................3<br />

Max-Planck-Institut für<br />

Kolloid- und Grenzflächenforschung<br />

(MPIKG) ............ 52<br />

MBN Präzisions<strong>technik</strong> .... 32<br />

Mikron Switzerland Agno,<br />

Division Tool ........................15<br />

Nano Retina ........................ 30<br />

Oemeta Chemische<br />

Werke ....................................13<br />

Ökotec Energiemanagement<br />

............................... 20, 55<br />

Ophir Spiricon Europe .......41<br />

Osypka .................................... 8<br />

Ottobock .............................. 32<br />

P.E. Schall .............................59<br />

Paul Horn ............................. 48<br />

Paul Kuolt<br />

Feinmechanik ..................... 50<br />

Plus10 ................................... 40<br />

Polydec SA ............................45<br />

proALPHA Business<br />

Solutions ..............................17<br />

RAUMEDIC .........................5, 8<br />

RCT Reichelt<br />

Chemie<strong>technik</strong>. ...........49, 57<br />

Resourcify ............................ 20<br />

Röchling .................................. 8<br />

Rösler .................................... 32<br />

Schott Primoceler .............. 30<br />

Sembach ..............................29<br />

Smalley Steel Ring<br />

Company ..............................57<br />

STL System<strong>technik</strong><br />

Leber ........................................ 9<br />

Südklinikum Nürnberg ....... 9<br />

Swiss Healthcare<br />

Startups .................................. 8<br />

Swiss Medtech ................... 14<br />

Tsubaki Kabelschlepp ....... 58<br />

TU Dresden .......................... 28<br />

TU München .......................... 9<br />

UNISIG ..................................11<br />

Universitätsklinikum<br />

Bonn ...................................... 10<br />

Universitätsklinikum<br />

Hamburg-Eppendorf<br />

(UKE) ..................................... 20<br />

Universitätsklinikum<br />

Heidelberg ........................... 20<br />

VDE .......................................... 6<br />

WEBER Instrumente ...........9<br />

Wirtschaftsförderung<br />

Region Stuttgart .................. 8<br />

Wissenschaftliche<br />

Gesellschaft für Produk -<br />

tions<strong>technik</strong> (WGP) ........... 41<br />

Werkzeugmaschinen-<br />

labor (WZL),<br />

RWTH Aachen .............. 20, 38<br />

Zentrum für Digitale<br />

Innovation Niedersachsen<br />

(ZDIN) ................................... 12<br />

Zentrum für Digitale<br />

Medizin und Gesundheit<br />

(ZDMG) ................................... 9<br />

Zepf Medizin<strong>technik</strong> ......... 44<br />

ZORN Maschinenbau ........27<br />

Zwick Roell ........................... 56<br />

56 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


medizin&<strong>technik</strong> präsentiert Ihnen<br />

Partner für die Medizin<strong>technik</strong>.<br />

Hier finden Sie leistungsstarke Lieferanten, Dienstleister und kompetente lösungsorientierte Partner<br />

für Medizin<strong>technik</strong>!<br />

Antriebs<strong>technik</strong> Automatisierung Bildverarbeitung<br />

Design Elektrische Bauteile<br />

Entwicklung und Komponenten Fertigung<br />

IT für die Medizin<strong>technik</strong> Kunststoff <strong>technik</strong><br />

Laser <strong>technik</strong> Mikrosystem<strong>technik</strong>/Nanotechnologie<br />

Montage/Hand habung Oberflächen <strong>technik</strong><br />

Qualitäts sicherung Reinraum <strong>technik</strong> Schläuche<br />

Sensorik Sterilisation Verbindungs<strong>technik</strong><br />

Verpackungs <strong>technik</strong> Werk stoffe<br />

Werkzeug-/Formen bau Werkzeug maschinen<br />

Weitere Fakten zu Unternehmen, Details zum Angebots- und Leistungsspektrum finden Sie im<br />

Firmenverzeichnis auf medizin-und-<strong>technik</strong>.de.<br />

Unter folgendem Link gelangen Sie zur Übersicht aller Online-Firmenprofile.<br />

Bookmark!<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/firmenverzeichnis<br />

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KOMPONENTEN + SYSTEME<br />

KUNSTSTOFFVERARBEITUNG<br />

MASCHINENELEMENTE<br />

RCT® Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />

www.rct-online.de<br />

Reichelt Chemie<strong>technik</strong> steht für das Prinzip<br />

„Angebot und Vertrieb der kleinen Quantität“ gepaart<br />

mit einer viele Bereiche umfassenden Produktvielfalt<br />

und einem hohen technischen Beratungsservice.<br />

Das Angebot von Reichelt Chemie<strong>technik</strong> umfasst<br />

ca. 80 000 Artikel, die aus den Bereichen Schlauch<strong>technik</strong>,<br />

Verbindungselemente, Durchfluss<strong>technik</strong>,<br />

Labor <strong>technik</strong>, Halbzeuge, Befestigungselemente,<br />

Filtration und Antriebs<strong>technik</strong> stammen.<br />

Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />

Englerstraße 18, 69126 Heidelberg<br />

Tel. 0 62 21/3 12 50, info@rct-online.de<br />

EMI SAS<br />

www.emi-wissler.com<br />

EMI ist ein französisches Familienunternehmen, das<br />

1995 gegründet wurde und auf die Verarbeitung von<br />

thermoplastischen Kunststoffen spezialisiert ist. Das<br />

Unternehmen beschäftigt 175 Mitarbeiter und liegt im<br />

Dreiländereck (FR-DE-CH). EMI bietet:<br />

- Studie und Co-Entwicklung von Kunststoffteilen<br />

- Herstellung von Werkzeugen<br />

- Spritzgießen von medizinischen Geräten unter ISO8-<br />

Umgebung<br />

- Spritzgießen von technischen Teilen mit Glasfaserverstärkung<br />

und Verbundwerkstoffen<br />

- Montage von Unterbaugruppen und Personalisierung<br />

von Teilen<br />

- Metrologie und Qualitätskontrolle durch Automaten<br />

Smalley Europa<br />

www. smalley.com/de<br />

Das vor mehr als 50 Jahren gegründete Unternehmen<br />

Smalley Steel Ring Company ist zum Weltmarktführer<br />

bei der Fertigung und Entwicklung von Spirolox<br />

Sicherungsringen, Schnappringen mit einheitlichem<br />

Querschnitt und Wellenfedern geworden. Smalley hat<br />

mit der Einführung modernster Produkte die Messlatte<br />

vorgegeben und wird alles dafür tun, dass seine<br />

Innovationen den Weg in die Zukunft auch weiterhin<br />

aufzeigen.<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 57


ISSN 1863–7604<br />

■ [ INNOVATIONEN ]<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

Verlag:<br />

Konradin-Verlag<br />

Robert Kohlhammer GmbH<br />

Anschrift: Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen,<br />

Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

REDAKTION<br />

Chefredakteurin:<br />

Redaktion:<br />

Ständige freie<br />

Mitarbeit:<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Layout:<br />

ANZEIGEN<br />

Gesamtanzeigenleiter:<br />

Dr. Birgit Oppermann (op),<br />

Phone +49 711 7594–459<br />

Susanne Schwab (su),<br />

Phone +49 711 7594–444<br />

Sabine Koll (sk),<br />

Daniela Engel,<br />

Phone +49 711 7594–452,<br />

Fax +49 711 7594–1452<br />

E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />

Ana Turina,<br />

Phone +49 711 7594–273<br />

Joachim Linckh,<br />

Phone +49 711 7594–565,<br />

Fax +49 711 7594–1565<br />

Auftragsmanagement: Matthias Rath,<br />

Phone +49 711 7594–323,<br />

Fax +49 711 7594–1323<br />

Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 16 vom 1.10.2021<br />

ABONNEMENTS<br />

Leserservice:<br />

Erscheinungsweise:<br />

medizin&<strong>technik</strong>,<br />

Phone +49 711 7252–209,<br />

E-Mail: konradinversand@zenit-presse.de<br />

6 x jährlich<br />

Bezugspreis:<br />

Inland jährlich 76,20 € inkl. Versandkosten und MwSt;<br />

Ausland: 82,50 € inkl. Versandkosten. Einzelpreis 12,80 €<br />

(inkl. MwSt zzgl. Versand).<br />

Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />

Inland 42,60 € inkl. Versand u. MwSt., Ausland 48,60 € inkl. Versand.<br />

Bestellungen erbitten wir an den Verlag.<br />

Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />

bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />

Bezugszeit:<br />

Das Abonnement kann erstmals vier Wochen zum Ende des<br />

ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach Ablauf des ersten<br />

Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils vier Wochen zum<br />

Quartalsende. Bei Nichterscheinen aus technischen Gründen<br />

oder höherer Gewalt entsteht kein Anspruch auf Ersatz.<br />

AUSLANDSVERTRETUNGEN<br />

Großbritannien/Irland:<br />

Jens Smith Partnership<br />

The Court, Long Sutton<br />

GB-Hook, Hampshire RG 29 1TA<br />

Phone 01256 862589<br />

Fax 01256 862182<br />

E-Mail: jsp@trademedia.info<br />

Japan:<br />

USA:<br />

Mediahouse Inc.<br />

D.A. Fox Advertising Sales<br />

Kudankita 2-Chome Building Inc. Detlef Fox<br />

2–3–6, Kudankita 5 Penn Plaza, 19th Floor<br />

Chiyoda-ku, Tokyo 102 New York, NY 10001<br />

Phone 03 3234–2161 Phone +1 212 8963881<br />

Fax 03 3234–1140 Fax +1 212 6293988<br />

E-Mail: detleffox@comcast.net<br />

Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors, nicht<br />

unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte keine Gewähr. Alle in medizin&<strong>technik</strong> erscheinenden<br />

Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch<br />

Übersetzungen, vorbehalten. Reproduktionen gleich welcher Art<br />

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />

Druck: Konradin Druck, Leinfelden-Echterdingen<br />

Printed in Germany<br />

© 2022 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen<br />

Digitalisierung<br />

Neues Flachkabelsystem für ein nachhaltiges<br />

Kabelmanagement in Reinräumen<br />

(Bild: Tsubaki Kabelschlepp)<br />

Positioniersysteme<br />

Maschinensteuerung mit Komponenten bietet mehr<br />

als eine reine Bewegungssteuerung<br />

Mit dem Flatveyor ZP verbessert die Tsubaki<br />

Kabelschlepp GmbH, Wenden-Gerlingen,<br />

das Kabelmanagement in Reinräumen:<br />

Die Lösung kombiniert die Vorteile<br />

eines Flachkabelsystems mit der Struktur<br />

einer Energieführungskette. Anwender<br />

sollen von einem einfachen Austausch<br />

von Leitungen profitieren, heißt es. Zudem<br />

können vorhandene Leitungen und<br />

Schläuche eingesetzt werden, was in einer<br />

Kostenreduzierung und mehr Nachhaltigkeit<br />

in der Beschaffung resultiert.<br />

Das System Flatveyor ZP basiert auf besonders<br />

haltbaren und leichtgängigen<br />

Schläuchen, die sich mit einem mitgelieferten<br />

Werkzeug leicht öffnen und schließen<br />

lassen. Diese Zip-Struktur ist flexibel,<br />

öffnet sich aber nicht bei Bewegung. Der<br />

Austausch und die Verwendung von bereits<br />

vorhandenen Leitungen und Schläuchen<br />

soll dank dieser Konstruktion einfach<br />

und bequem möglich sein.<br />

Das freistehende Flachkabelsystem verfügt<br />

über integrierte Stützelemente, die<br />

eine lineare Bewegung mit hoher Geschwindigkeit<br />

erlauben. Die Stützelemente<br />

fungieren als zuverlässige Führungen,<br />

die entlang des vorgesehenen Mindest -<br />

biegeradius in eine Richtung bewegt werden<br />

können, wobei die Kabel und Schläuche<br />

zuverlässig geführt werden.<br />

Flatveyor ZP ist zertifiziert nach ISO-<br />

Reinraumklasse 2 und somit für Produk -<br />

tionsprozesse in hygienesensiblen Branchen<br />

geeignet – zum Beispiel in der Halbleiterindustrie,<br />

Medizin<strong>technik</strong>, Biowissenschaft<br />

und Pharmabranche.<br />

Tsubaki Kabelschlepp, Wenden-Gerlingen<br />

www.kabelschlepp.de<br />

Wer etwas bewegen will, der muss die Bewegung<br />

auch steuern können. Positionierbewegungen<br />

im Nanometerbereich erfordern<br />

eine hochpräzise Steuerung. Aerotech<br />

hat dafür die Steuerungsplattform<br />

Automation1 entwickelt, die im aktuellen<br />

Release 2.2 mit etlichen neuen Features<br />

aufwartet. Sie kann nach Angaben der Aerotech<br />

GmbH, Fürth, die gesamte Peripherie<br />

mit einbinden und soll nach und<br />

nach die bisherigen Steuerungsplattformen<br />

A3200, Ensemble und Soloist ablösen.<br />

Auch andere neue Funktionen in Release<br />

2.2 haben es laut Anbieter in sich. So<br />

wird die bisherige CNC-Bedienoberfläche<br />

durch das neue Machine Apps HMI-Entwicklungstool<br />

ersetzt. Mit dem vollständig<br />

anpassbaren Tool setzt das Unternehmen<br />

mit Hauptsitz in Pittsburgh/USA<br />

neue Maßstäbe bei Benutzerschnittstellen<br />

für Antriebssysteme. Auch für eine nahtlose<br />

Integration von SPS-basierten Systemen<br />

ist mit der Ethercat-Kompatibilität<br />

gesorgt. Damit hat Aerotech die Optionen<br />

für hochpräzise Bewegungsprozesse auf<br />

SPS-Systeme erweitert, wenn diese in einem<br />

herkömmlichen System mit geringerer<br />

Präzision eingebettet sind.<br />

Aerotech, Fürth<br />

www.aerotech.com<br />

(Bild: Aerotech)<br />

58 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022


MEILEN<br />

STEINE<br />

1962<br />

Schall gegen Schnupfen<br />

Der Intra-Schall-Therat Typ<br />

VIII: „Sonderausführung als<br />

Tischapparat für den praktizierenden<br />

Arzt, den Zahnarzt<br />

und den Facharzt“<br />

(Bild: Krankenhausmuseum Bielefeld e.V.)<br />

Überraschende Heilerfolge<br />

„Hallo, wer ist dran?“ Wer aus dem<br />

richtigen Geburtsjahrgang kommt,<br />

kann sich spontan dem Eindruck kaum<br />

entziehen, dass da eine Art Kommunikationsmittel<br />

zu sehen ist. So in der Art<br />

Wählscheiben-Telefon der 1950er Jahre.<br />

Jedoch gehört dieses Stück in die<br />

Sammlung des Krankenhausmuseum<br />

Bielefeld e. V. und ist ein Intraschall-<br />

Therapiegerät.<br />

Es erzeugt ein Schallspektrum von 100<br />

bis 16 000 Hertz und wurde mit verschiedenen<br />

Schallköpfen auf die Haut<br />

aufgesetzt, es war universell einsetzbar,<br />

von Bindehaut- bis Hüftgelenkentzündung.<br />

Beispielsweise verspricht der<br />

Prospekt „überraschende Heilerfolge<br />

(...) bei der Rhinitis, der Sinusitis frontalis<br />

und Sinusitis maxillaris“. Das Gerät<br />

ist vollständig erhalten geblieben,<br />

inklusive der Anleitung, Funktionsbeschreibung,<br />

Indikationsliste und Garantiekarte.<br />

Und ein Test im Jahr 2021<br />

ergab: Es ist auch noch voll funktionsfähig.<br />

Weitere Informationen:<br />

owl.museum-digital.de/object/6592<br />

40. Motek<br />

Internationale Fachmesse<br />

für Produktions- und<br />

Montageautomatisierung<br />

D 04.– 07. Oktober 2022<br />

a Stuttgart<br />

Zum Schluss<br />

Nachhaltig und schön | Der Anblick von Lavendelfeldern ist für<br />

mich verbunden mit der Schönheit der Provence und Urlaubsgefühlen.<br />

Nun wollen Forscher diese Farbenpracht ins Schwabenland,<br />

genauer gesagt auf die Schwäbische Alb bringen. In einem gemeinsamen<br />

Projekt prüfen die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung<br />

Denkendorf, die Uni Hohenheim und das Unternehmen<br />

Naturamus geeignete Lavendelsorten und entwickeln energieeffiziente<br />

Methoden, daraus ätherisches Öl herzustellen. Auch für die<br />

Verwertung der Reststoffe aus der Produktion gibt es schon Ideen:<br />

Aus den feinen Fasern könnten klassische Textilien und aus<br />

den Stängeln gröbere Faserbündel für technische<br />

Anwendungen hergestellt werden. Ob sich die Fasern<br />

irgendwann auch in der Medizin<strong>technik</strong> finden lassen,<br />

ist noch nicht erforscht. Aber ganz sicher werde<br />

ich mir, wenn es soweit ist, vor Ort regelmäßig mein<br />

ganz persönliches Urlaubsgefühl abholen. Ich gebe<br />

Ihnen gerne Bescheid, wenn der schwäbische<br />

Lavendel blüht. Und natürlich auch, sobald es nach -<br />

haltige Lavendel-Hightech-Produkte gibt.<br />

Susanne Schwab<br />

Redakteurin<br />

medizin&<strong>technik</strong><br />

$<br />

Sichern Sie jetzt Ihr<br />

kostenfreies Ticket:<br />

Registrierungsseite:<br />

www.schall-registrierung.de<br />

Ticket-Code: AR9BJ-9M9SB<br />

@ www.motek-messe.de üÜ?ägB<br />

04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 59<br />

Veranstalter: SP. E. SCHALL GmbH & Co. KG<br />

T +49 (0) 7025 9206-0 motek@schall-messen.de


6-Seiten-Komplettbearbeitung einer Knochenplatte<br />

DMP 35<br />

MIT WH 3 CELL<br />

BEST IN CLASS FÜR DIE MEDIZINTECHNIK<br />

+ Hochkompakte, vollautomatisierte Fertigungslösung für<br />

Werkstücke bis zu 5,5 kg*<br />

+ Hochgenaue Bearbeitung dank thermischer Langzeitgenauigkeit<br />

aufgrund umfangreicher Kühlmaßnahmen<br />

+ Medical Spezifikation mit 40 bar IKZ Kompaktfiltrationskonzept<br />

für die Bearbeitung mit Schneidöl<br />

+ WH 3 Cell mit neuem Zusatz-Werkzeugmagazin für bis zu<br />

30 / 45 zusätzliche Werkzeuge<br />

* 5,5 kg Werkstückgewicht des Roboters mit Einfachgreifer, 3 kg mit Doppelgreifer<br />

dmgmori.com/medical<br />

60 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022

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