medizin&technik 04.2022
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■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />
WIE DAS GESUNDHEITSWESEN<br />
NACHHALTIGER WERDEN KANN<br />
Nachhaltigkeit | Wie stehen Mediziner zu Energieverbrauch und CO 2 -Fußabdruck? Im<br />
Herbst 2021 sprach Prof. Dieter Christian Wirtz beim Deutschen Kongress für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie (DKOU) von einem „Mülltsunami“ im OP. Hier beschreibt er,<br />
wo er die Ursachen der Probleme und mögliche Lösungsansätze sieht.<br />
Finanzierung des Gesundheitswesens<br />
und den Personalmangel. Dennoch<br />
laufe n Überlegungen zu Umweltfragen<br />
jetzt an. Das ist es auch, was ich mir<br />
wünsche, Nachhaltigkeit sollte Kongressthema<br />
sein, Sitzungen sollten dazu<br />
stattfinden. Grundsätzliches Interesse<br />
ist bei Medizinern schon erkennbar.<br />
(Bild: Universitätsklinikum Bonn)<br />
Prof. Dr. med. Dieter Christian Wirtz ist seit 2006 Direktor der Klinik und<br />
Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn<br />
■ Herr Prof. Wirtz, wo fällt Nachhaltigkeit<br />
im Gesundheitswesen ins Auge?<br />
Da etwa 20 bis 30 Prozent des Mülls,<br />
den ein Krankenhaus produziert, im<br />
OP-Umfeld und damit auch in meinem<br />
Arbeitsbereich entstehen, fällt mir das<br />
natürlich als allererstes auf. Zahlreiche<br />
Einwegkittel, Einweg-Abdecktücher<br />
und -Instrumente – da reden wir über<br />
Tonnen an Abfall, die täglich anfallen.<br />
Wenn wir über Nachhaltigkeit im Ge-<br />
IHR STICHWORT<br />
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Nachhaltigkeit im Krankenhaus<br />
Müllberge im OP<br />
Handlungsbedarf bei Medizinprodukten<br />
Mehr Forschung zu Entscheidungen<br />
über Ein- oder Mehrwegprodukte<br />
sundheitswesen sprechen, geht es aber<br />
nicht nur um den Müll, sondern auch<br />
um den Energieverbrauch. Hier ist der<br />
OP ebenfalls ein gutes Beispiel mit seinen<br />
vielen Geräten und Lampen, die<br />
Strom verbrauchen. Und was einem im<br />
Detail auffällt, wirkt sich natürlich auch<br />
in der Fläche aus. Studien haben gezeigt,<br />
dass der Gesundheitsbereich insgesamt<br />
einen beachtlichen Anteil am<br />
CO 2 -Fußabdruck eines Landes ausmacht.<br />
In den USA sind es beispielsweise<br />
10 Prozent, in Deutschland rund 5<br />
Prozent. Darüber muss man reden, und<br />
daran müssen wir etwas ändern.<br />
■ Wie stehen Mediziner dazu?<br />
Das Thema Nachhaltigkeit ist unter den<br />
Medizinern noch nicht auf der großen<br />
Bühne angekommen. Derzeit geht es<br />
mehr um die Pandemie, auch wenn es<br />
da jetzt gerade ruhiger wird, um die<br />
Es ist nicht einfach, aber<br />
über Nachhaltigkeit sollten<br />
wir jetzt nachdenken<br />
■ Was ließe sich konkret verbessern?<br />
Vieles. Es gibt Ansatzpunkte bei den<br />
Produkten, bei den Prozessen und bei<br />
den Vorschriften. Wir haben heute viel<br />
mehr Einwegprodukte als früher. Diese<br />
werden sehr günstig eingekauft. Daher<br />
ist der Bedarf für eine eigene Sterilisa -<br />
tionsanlage geringer. Also wird dieser<br />
Bereich ausgelagert. Die Instrumente,<br />
die wieder verwendet werden, transportieren<br />
wir dann 20 oder 30 Kilometer<br />
bis zum Dienstleister und wieder<br />
zurück – was sich natürlich im CO 2 -Fußabdruck<br />
bemerkbar macht.<br />
Der Standard-Sterilisationsprozess mit<br />
Heißdampf verbraucht sehr viel Wasser,<br />
das auch ein kostbares Gut ist. Da ließen<br />
sich mit Verfahren wie der Plasmasterilisation<br />
bestimmt Verbesserungen<br />
erreichen. Und wenn ich mir anschaue,<br />
wie viel Verpackungsmaterial<br />
anfällt – weil es in der Hygieneverordnung<br />
so steht und weil für jede Knochenschraube<br />
eine Rückverfolgbarkeit<br />
bis zum Titanhersteller gegeben sein<br />
muss –, dann denke ich, auch im regulatorischen<br />
Bereich sind wir vom Optimum<br />
weit entfernt. Am Ende landet der<br />
10 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022