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medizin&technik 04.2022

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■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />

Super-Kleber, der aus<br />

Misteln stammt<br />

Verbindungs<strong>technik</strong> | In Beeren einer Mistelart findet<br />

sich ein biologischer Klebstoff: Er soll die Samen auf<br />

Bäumen haften lassen, ist aber auch interessant für<br />

medizinische und technische Anwendungen.<br />

In den weißen Mistelbeeren verbirgt sich der Stoff Viszin, der die<br />

Samen an Bäumen haften lässt. Und der klebt ganz schön...<br />

Starke Klebeeigenschaften an den Früchten der Weißbeerigen<br />

Mistel hat ein Team von Forschern des Max-Planck-Instituts<br />

für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam<br />

und der McGill Universität in Kanada entdeckt. Die flexiblen Fasern<br />

der Mistelbeere haften demnach sowohl an Haut und Knorpel<br />

als auch an verschiedenen synthetischen Materialien. Sie<br />

könnten durch einfache Verarbeitung in vielen Bereichen angewendet<br />

werden, sagen die Forscher, beispielsweise als Wundverschlussmittel<br />

in der Biomedizin.<br />

Um die Klebeeigenschaften zu beobachten, trug der Materialwissenschaftler<br />

Dr. Nils Horbelt im Selbstversuch den Mistelkleber<br />

drei Tage an den Fingern: „Anschließend konnte ich das den natürlichen<br />

Zelluloseklebstoff durch einfaches Aneinanderreiben<br />

der Finger wieder ablösen.“<br />

Jede Mistelbeere kann von diesem Viscin genannten Klebstoff einen<br />

bis zu 2 m langen klebrigen Faden produzieren. Damit haften<br />

die Samen der halbparasitären Pflanze an ihren Wirtspflanzen.<br />

Viscinfasern lassen sich durch einfaches Verarbeiten im nassen<br />

Zustand zu dünnen Filmen dehnen oder zu 3D-Strukturen<br />

zusammenfügen.<br />

Der natürliche Superkleber könnte nach Angaben der Wissenschaftler<br />

zum Beispiel Anwendung als Wund verschlussmittel<br />

finden. Er haftet aber auch an Metallen, Glas und Kunststoffen.<br />

Spannend sei auf jeden Fall die Tatsache, dass die Klebeeigenschaften<br />

unter feuchten Bedingungen vollständig reversibel<br />

sind.<br />

„Es bleiben noch viele Fragen zu diesem sehr außergewöhnlichen<br />

Material offen,“ sagt Nils Horbelt, Erstautor einer kürzlich<br />

veröffentlichten Studie. In einem nächsten Schritt wird nun die<br />

Chemie hinter diesem quellfähigen, extrem klebrigen Material<br />

untersucht, um den Klebeprozess in einem zweiten Schritt imitieren<br />

zu können.<br />

(Bild: Nils Horbelt/Max-Planck-Institut für<br />

Kolloid - und Grenzflächenforschung)<br />

Diagnostik<br />

Alternative zur invasiven Probenahme:<br />

Tränen statt Blut für die Diagnose nutzen<br />

Kennzeichnung von Produkten<br />

Markieren mit nanoskaligen<br />

Fluoreszenzschichten<br />

(Bild: Chepko Danil/stock.adobe.com)<br />

Tränen gehören zu den Körperflüssigkeiten,<br />

die sich als Probematerial nicht-invasiv<br />

gewinnen lassen. Das macht sie für die<br />

Diagnostik interessant<br />

Tränen enthalten Substanzen, die auf eine<br />

Erkrankung hinweisen, und solche, die<br />

eine Messung stören können. Wie man<br />

das eine vom anderen trennt und zu Ergebnissen<br />

kommt, hat ein Forscherteam<br />

aus China anhand der Gelbsucht gezeigt.<br />

Die Wissenschaftler haben ein handliches<br />

Testkit entwickelt, um Gelbsucht-Patienten<br />

zu identifizieren – untersucht wurde<br />

dafür nur die Tränenflüssigkeit. Der<br />

Schlüsselfaktor war ein hybrider Sensor,<br />

der Verunreinigungen aus der Probe abtrennt.<br />

Der Ansatz könnte neue Wege für<br />

Früherkennung und Diagnostik anhand<br />

komplexer Körperflüssigkeiten aufzeigen,<br />

wie das Team in einem Artikel in der Zeitschrift<br />

Angewandte Chemie beschreibt.<br />

Ein Vorteil der Tränen-Diagnostik ist die<br />

bequeme, nichtinvasive Probengewinnung.<br />

Als Analysenmethode für enthaltene<br />

Biomoleküle bietet sich die oberflächenverstärkte<br />

Raman-Spektroskopie<br />

(Surface-Enhanced Raman Spectroscopy,<br />

SERS) an. Kompakte Handgeräte stünden<br />

für die direkte Diagnostik beim Patienten<br />

zur Verfügung. Tränen-Bestandteile deaktivieren<br />

jedoch die bisher verfügbaren<br />

SERS-Sensoren rasch, da sie sich darauf<br />

ablagern.<br />

Das Team um Yun Feng (Peking University<br />

Third Hospital), Zhou Yang (University<br />

of Science and Technology Beijing) und<br />

Tie Wang (Tianjin University of Technology<br />

und Chinese Academy of Sciences Beijing)<br />

trennte die störenden Moleküle<br />

durch eine hybride Schicht von Siliziumdioxid-Nanokügelchen<br />

ab.<br />

Mit einer patentierten Entwicklung lassen<br />

sich funktionale Dünnschicht-Coatings<br />

nutzen, um Produkte zu kennzeichnen.<br />

Fluoreszierende Beschichtungen können<br />

je nach Produkt klein- oder großflächig<br />

abgeschieden und die Farbstoffe sparsam<br />

eingesetzt werden und mit einer neun<br />

Nachweistechnologie mittels Handheld-<br />

Fluoreszenzmikroskop nachgewiesen<br />

werden. An der Entwicklung war die Industrieforschungseinrichtung<br />

Innovent<br />

e.V. beteiligt, die Mess<strong>technik</strong> entstand<br />

am Berliner Ferdinand-Braun-Institut<br />

(FBH). In die farbig beschichteten Flächen<br />

können zum Nachverfolgen von Produkten<br />

Individualisierungen wie Logos<br />

oder Barcodes mittels Laser „eingraviert“<br />

werden. Die Technologie basiert auf Plasma-<br />

und Sol-Gel-Beschichtungen. Diese<br />

haften auf einer Vielzahl von Materialien<br />

wie Kunststoffen, Metallen, Glas/Keramik,<br />

Leichtbau- und 3D-Druck-Erzeugnissen.<br />

Aktuell werden weitere Partner gesucht,<br />

um die Technologie künftig wirtschaftlich<br />

nutzbar zu machen.<br />

52 medizin&<strong>technik</strong> 04/2022

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