medizin&technik 04.2022
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gesamte Müll einer OP im selben Eimer,<br />
weil es keine Trennung gibt, und der<br />
komplette Inhalt wird als Sondermüll<br />
teuer entsorgt. Also gibt es schon allein<br />
bei den genannten Beispielen mehr als<br />
genug Ansatzpunkte, um etwas zu ändern.<br />
Die Liste ließe sich übrigens problemlos<br />
verlängern.<br />
■ Wer muss den ersten Schritt machen:<br />
Gesetzgeber, Hersteller oder Krankenhäuser<br />
als Kunden?<br />
Wir brauchen zunächst mehr Forschung,<br />
die sich gezielt mit Fragen der<br />
Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />
beschäftigt. Es gibt meiner Meinung<br />
nach zum Beispiel keine belastbaren<br />
Beweise dafür, dass Einwegprodukte Infektionen<br />
verhindern oder wiederverwendbare<br />
Produkte zu mehr Infektionen<br />
führen. Es ist sinnvoll, sich evidenzbasiert<br />
für die eine oder andere Lösung<br />
zu entscheiden. Wenn solche Nachweise<br />
vorliegen und der Einkauf im Krankenhaus<br />
in die entsprechende Richtung<br />
schwenkt, glaube ich, dass die Hersteller<br />
sich zügig darauf einstellen. Was<br />
mich erstaunt, ist, dass es auf politischer<br />
Seite bisher keine einzige Initiative<br />
gibt, die sich gezielt damit befasst,<br />
wie das Gesundheitssystem nachhaltiger<br />
werden kann, auch kein darauf ausgerichtetes<br />
Forschungsförderungsprogramm<br />
– obwohl unsere Branche nach<br />
dem Automobilbereich den größten<br />
Einfluss auf den CO 2 -Fußabdruck hat.<br />
■ Woran müssten Forschungsprojekte<br />
ausgerichtet sein?<br />
Das ist für das Gesundheitswesen nicht<br />
anders als für andere Branchen. Es gelten<br />
die 5 R: Reuse, Reduce, Recycle<br />
leuchtet sofort ein. Rethink beträfe zum<br />
Beispiel auch Prozesse im Krankenhaus.<br />
Zur Untersuchung muss ein Patient persönlich<br />
anwesend sein. Aber die Digitalisierung<br />
ermöglicht es, die Ergebnisse<br />
gemeinsam vom heimischen Bildschirm<br />
aus zu besprechen und damit eine Anreise<br />
von -zig Kilometern zu verhindern.<br />
Das fünfte R für Research ist das, woran<br />
es, wie gesagt, bisher am meisten hapert.<br />
Dabei bin ich überzeugt, dass ein<br />
Krankenhaus, das Ideen des Green Hospital<br />
umsetzt, ein sehr gutes Marketing-Instrument<br />
an die Hand bekommt,<br />
um das Image bei Patienten und Mitarbeitern<br />
zu verbessern.<br />
■ Wie reagieren Hersteller von Medizinprodukten<br />
bisher auf dieses Thema?<br />
Mein Eindruck ist, dass Nachhaltigkeit<br />
dort bisher eher ein Randthema ist. Die<br />
EU-MDR hat die Medizinprodukte-Industrie<br />
schon in den vergangenen Jahren<br />
stark belastet und tut es immer<br />
noch. Da sind wenig Ressourcen für Innovationen<br />
übrig. Die aktuelle Energiekrise<br />
macht es nicht besser – und Umsatzeinbußen<br />
in Folge abgesagter Behandlungen,<br />
die wegen der Pandemie<br />
ausfielen, müssen die Hersteller ebenfalls<br />
verkraften. Eine größere Nachfrage<br />
für nachhaltige Produkte könnte aber<br />
Änderungen bewirken.<br />
■ Wo sehen Sie im internationalen<br />
Vergleich mögliche Vorbilder?<br />
Mir ist kein Gesundheitssystem bekannt,<br />
das in der Fläche so weit vorangekommen<br />
ist, dass man sich daran orientieren<br />
könnte. Aber es gibt viele einzelne<br />
Projekte zu mehr Nachhaltigkeit.<br />
■ Wie lange wird es dauern, bis sich der<br />
Gedanke der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />
durchsetzt?<br />
Wer hätte vor zehn Jahren gedacht,<br />
dass heute ein Wurstwarenhersteller<br />
mit einem veganen Sortiment so erfolgreich<br />
ist? Wer hätte gedacht, dass<br />
Glasflaschen für Mineralwasser innerhalb<br />
weniger Jahre wieder die Hälfte<br />
des Sortiments ausmacht? Die Lebensmittelbranche<br />
ist da schnell weit vorangekommen.<br />
Vielleicht lassen sich in absehbarer<br />
Zeit auch Infusionsbeutel<br />
durch Infusionsflaschen aus Glas ersetzen,<br />
wer weiß. Und da wir gerade im<br />
Alltag ständig mit Nachhaltigkeit und<br />
Energiesparen konfrontiert sind, könnte<br />
sich das auf das Gesundheitswesen<br />
übertragen, vielleicht schneller, als man<br />
vermutet. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass<br />
wir schon bald viel mehr über Nachhaltigkeit<br />
in unserem Bereich nachdenken.<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
birgit.oppermann@konradin.de<br />
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04/2022 medizin&<strong>technik</strong> 11