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23<br />

Vertrag mit Erblasser<br />

Feststellung der Geschäftsfähigkeit<br />

allein durch Notar hat geringen Beweiswert<br />

unterhaltsam & informativ<br />

Notare sind keine Ärzte. Deshalb kann man nicht darauf vertrauen, dass ein Vertrag hält, auch<br />

wenn der Notar von der Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner überzeugt ist und eine Beurkundung<br />

vornimmt.<br />

Der Fall: Ein Mann machte gegen seinen<br />

Halbbruder, der den gemeinsamen<br />

Vater allein beerbt hatte, Pflichtteilsansprüche<br />

geltend. Dieser verweigerte die<br />

Zahlung. Der verstorbene Vater hatte mit<br />

seinem enterbten Sohn 1996 einen notariellen<br />

Vertrag geschlossen, in dem dieser<br />

auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht<br />

verzichtet hatte.<br />

Der enterbte Sohn war der Ansicht, der<br />

Vertrag von 1996 sei durch einen Aufhebungsvertrag<br />

von 2009 gegenstandslos<br />

geworden. Sein Bruder trug dazu vor, der<br />

Vater sei zu diesem Zeitpunkt bereits an<br />

einer mittelschweren Demenz erkrankt<br />

und geschäftsunfähig gewesen. Der<br />

enterbte Sohn sah das anders. Der beurkundende<br />

Notar habe sich von der Ge-<br />

Quelle/Fotos: Akademische Arbeitsgemeinschaft GmbH, pixabay, freepik<br />

schäftsfähigkeit des Vaters überzeugt. Bei<br />

Zweifeln daran hätte der Notar schließlich<br />

keine Beurkundung vornehmen dürfen.<br />

Das urteil: Das Gericht gab dem Erben<br />

recht. Zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrags<br />

sei der damals bereits 86-jährige<br />

Vater nicht mehr geschäftsfähig gewesen.<br />

Eine Vernehmung des beurkundenden<br />

Notars hielt das Gericht für nicht erforderlich.<br />

Der enterbte Sohn habe schon nicht<br />

dargelegt, wie sich der Notar vor oder<br />

bei der Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit<br />

des Erblassers überzeugt habe.<br />

Die vorliegende Vertragsurkunde bestehe<br />

nur aus einer Seite. In der wenige Sätze<br />

umfassenden Beurkundung finde sich<br />

kein Vermerk dazu, dass der Notar sich zuvor<br />

von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers<br />

überzeugt oder diese in irgendeiner<br />

Weise festgestellt hat.<br />

Hinzu komme, dass ein Notar allenfalls<br />

über eine gewisse Berufserfahrung bei<br />

der Feststellung der Geschäftsfähigkeit<br />

verfügt. Er habe als Jurist nicht das notwendige<br />

medizinische Fachwissen, um<br />

das Ausmaß einer Demenzerkrankung<br />

und damit eine noch vorhandene Geschäftsfähigkeit<br />

einschätzen zu können.<br />

Deshalb sei den Aussagen von Personen,<br />

die zur Zeit der Vornahme des in Rede stehenden<br />

Rechtsgeschäfts mit der betroffenen<br />

Person in sozialem Kontakt standen,<br />

mangels fachlicher Qualifikation zur Beurteilung<br />

der medizinischen Voraussetzungen<br />

zur Frage der Geschäftsfähigkeit<br />

grundsätzlich kein besonderer Beweiswert<br />

zuzumessen.<br />

→ OLG Hamm, Urteil vom 13.7.2021, 10<br />

U 5/20

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