BESTE JAHRE Landshut
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Vertrag mit Erblasser<br />
Feststellung der Geschäftsfähigkeit<br />
allein durch Notar hat geringen Beweiswert<br />
unterhaltsam & informativ<br />
Notare sind keine Ärzte. Deshalb kann man nicht darauf vertrauen, dass ein Vertrag hält, auch<br />
wenn der Notar von der Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner überzeugt ist und eine Beurkundung<br />
vornimmt.<br />
Der Fall: Ein Mann machte gegen seinen<br />
Halbbruder, der den gemeinsamen<br />
Vater allein beerbt hatte, Pflichtteilsansprüche<br />
geltend. Dieser verweigerte die<br />
Zahlung. Der verstorbene Vater hatte mit<br />
seinem enterbten Sohn 1996 einen notariellen<br />
Vertrag geschlossen, in dem dieser<br />
auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht<br />
verzichtet hatte.<br />
Der enterbte Sohn war der Ansicht, der<br />
Vertrag von 1996 sei durch einen Aufhebungsvertrag<br />
von 2009 gegenstandslos<br />
geworden. Sein Bruder trug dazu vor, der<br />
Vater sei zu diesem Zeitpunkt bereits an<br />
einer mittelschweren Demenz erkrankt<br />
und geschäftsunfähig gewesen. Der<br />
enterbte Sohn sah das anders. Der beurkundende<br />
Notar habe sich von der Ge-<br />
Quelle/Fotos: Akademische Arbeitsgemeinschaft GmbH, pixabay, freepik<br />
schäftsfähigkeit des Vaters überzeugt. Bei<br />
Zweifeln daran hätte der Notar schließlich<br />
keine Beurkundung vornehmen dürfen.<br />
Das urteil: Das Gericht gab dem Erben<br />
recht. Zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrags<br />
sei der damals bereits 86-jährige<br />
Vater nicht mehr geschäftsfähig gewesen.<br />
Eine Vernehmung des beurkundenden<br />
Notars hielt das Gericht für nicht erforderlich.<br />
Der enterbte Sohn habe schon nicht<br />
dargelegt, wie sich der Notar vor oder<br />
bei der Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit<br />
des Erblassers überzeugt habe.<br />
Die vorliegende Vertragsurkunde bestehe<br />
nur aus einer Seite. In der wenige Sätze<br />
umfassenden Beurkundung finde sich<br />
kein Vermerk dazu, dass der Notar sich zuvor<br />
von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers<br />
überzeugt oder diese in irgendeiner<br />
Weise festgestellt hat.<br />
Hinzu komme, dass ein Notar allenfalls<br />
über eine gewisse Berufserfahrung bei<br />
der Feststellung der Geschäftsfähigkeit<br />
verfügt. Er habe als Jurist nicht das notwendige<br />
medizinische Fachwissen, um<br />
das Ausmaß einer Demenzerkrankung<br />
und damit eine noch vorhandene Geschäftsfähigkeit<br />
einschätzen zu können.<br />
Deshalb sei den Aussagen von Personen,<br />
die zur Zeit der Vornahme des in Rede stehenden<br />
Rechtsgeschäfts mit der betroffenen<br />
Person in sozialem Kontakt standen,<br />
mangels fachlicher Qualifikation zur Beurteilung<br />
der medizinischen Voraussetzungen<br />
zur Frage der Geschäftsfähigkeit<br />
grundsätzlich kein besonderer Beweiswert<br />
zuzumessen.<br />
→ OLG Hamm, Urteil vom 13.7.2021, 10<br />
U 5/20