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LebensArt Herbstausgabe 2022

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gefragter Mann<br />

EIN<br />

wo er mit seiner ersten Esse, die er mit zwölf<br />

Jahren bekam, mit Feuer und Rauch und mit<br />

gewaltigen Hammerschlägen stets ein besonderer<br />

Anziehungspunkt ist. Und wenn das<br />

nicht reicht, ist da noch sein Gespür für das,<br />

was man als Schmied künstlerisch umsetzen<br />

kann – zur Hochzeit hat er seiner Frau ein<br />

riesiges Herz aus Hufeisen geschmiedet.<br />

Es gibt nicht mehr viele seiner<br />

Zunft: Andreas Gutekunst aus<br />

Hochdorf ist Hufschmied und<br />

wirbt für seinen Beruf. Auch<br />

wenn der zuweilen hart ist.<br />

Ich bin Schmied mit Leib und Seele“ – man<br />

nimmt ihm ab, was er sagt. Es geht gar<br />

nicht anders, Andreas Gutekunst strahlt eine<br />

Begeisterung für seinen Beruf aus, die mitreißt.<br />

Dabei ist die Bezeichnung Schmied<br />

eher ein wenig einengend, sie spart das lebendige<br />

Zielobjekt des Geschmiedeten aus: Gutekunst<br />

ist Hufschmied, und es sind die Pferde,<br />

die für ihn alles erst zu seinem Traumberuf<br />

werden lassen.<br />

In Hochdorf, einem kleinen Ort zwischen<br />

Nagold und Horb betreibt er eine Schmiede,<br />

und gleich davor parkt seine rollende Werkstatt,<br />

mit der er ständig unterwegs ist. Kein<br />

Zweifel: Gutekunst ist ein gefragter Mann<br />

und mancher „lahme Gaul“ steht dank seiner<br />

auch orthopädischen Kenntnisse wieder sicher<br />

auf vier Beinen. „Das medizinische Wissen<br />

gehört dazu“, macht Gutekunst deutlich,<br />

dass es um mehr als die Herstellung eines<br />

Hufbeschlags geht. „Es hat Auswirkungen<br />

auf Rücken und Bewegungsablauf, ob ein<br />

Pferd richtig beschlagen ist.“ Vorkenntnisse<br />

sind also weit über die Schmiedetätigkeit hinaus<br />

notwendig – auf die bis 2007 vorgeschriebene<br />

Ausbildung zum Metallschlosser<br />

setzte er eine zweite Lehre als Hufschmied<br />

auf und war damals viel mit Tierärzten unterwegs,<br />

konnte gar nicht genug bekommen von<br />

den wissenschaftlichen Grundlagen.<br />

Er ist auch heute immer wieder neu dem Zusammenspiel<br />

von Muskeln, Knochenbau und<br />

Bewegung des Pferdes auf der Spur. Dass es<br />

Ein Herz aus<br />

Hufeisen – das<br />

schenkte der<br />

Hufschmied<br />

seiner Frau<br />

Katharina – hier<br />

mit Töchterchen<br />

Ronja – zur<br />

Hochzeit<br />

mal in diese Richtung gehen würde, hatte<br />

ihm der Großvater bereits vorausgesagt. „Mit<br />

dene Händ kannscht nur Schmied werre“,<br />

ahnte der beim Blick auf den kräftig zupackenden<br />

Enkel, der schon als Dreikäsehoch<br />

ein Händchen für die Alt-Württemberger<br />

der Familie hatte. Die Gutekunsts<br />

besaßen eine der letzten reinrassigen Stuten<br />

der schweren Warmblutpferderasse, die fast<br />

ausgestorben ist. „Das war eine ideale Rasse<br />

für die, die sich damals nur ein Pferd leisten<br />

konnten – leicht genug für die Sonntagskutsche,<br />

schwer genug für den Pflug.“ Heute hat<br />

Andreas Gutekunst mit den unterschiedlichsten<br />

Pferden zu tun. „Vom Umgang her<br />

ist es das Gleiche, nur muss man natürlich bei<br />

den Kleinen feiner und genauer arbeiten.“<br />

MIT DER ESSE AUF<br />

MITTELALTERMÄRKTEN<br />

Als Beweis zeigt er zwei Hufeisen – eins davon<br />

liegt wie eine Miniatur neben dem großen<br />

Exemplar. Das dürfte für ein Kaltblut<br />

bestimmt sein, die mächtigen Vierbeiner sind<br />

„vom Gemüt her anders und für die tägliche<br />

Arbeit gemacht“ und werden oft auch für das<br />

Holzrücken im Wald eingesetzt. Im Hof hinter<br />

seinem Haus – „hier mache ich Homeoffice“<br />

– baut der Hufschmied gerade einen Notstand<br />

für Kaltblüter – mit diesem Hilfsmittel<br />

„haben sie dann beim Beschlagen nicht so<br />

viel Gewicht auf den Beinen“. Guttun dürfte<br />

das auch Gutekunst selbst – der Beruf geht<br />

kräftig auf den Rücken: „Mal schauen, wie<br />

lange ich das durchhalte.“<br />

Die Alternative hat er schon: Nicht nur den<br />

Notstand, auch sein Werkzeug stellt der Hufschmied<br />

selbst her – und im Nachschmieden<br />

mittelalterlicher Messer und Holzbearbeitungswerkzeuge<br />

nach historischem Vorbild<br />

hat er sich einen solchen Ruf erworben, dass<br />

bereits Aufträge eintreffen –für einen arabischen<br />

Säbel beispielsweise. „Man muss immer<br />

was Neues machen, darf nie stehen bleiben“,<br />

motiviert er sich selbst und meint damit<br />

auch die Teilnahme an Mittelaltermärkten,<br />

Fotos: privat, Gabriele Meyer, Adobe Stock/elnavegante<br />

DEN PFERDEWAGEN BAUT<br />

DER HUFSCHMIED SELBST<br />

Tatkräftig ihm zur Seite steht Ehefrau Katharina,<br />

die er auf einem ebensolchen Markt<br />

kennen gelernt hat – und die genau wie er die<br />

Pferde liebt. Ohne das wären die zwei wohl<br />

kaum zusammengekommen. Verständnis ist<br />

gefragt bei einem, der seinen „Job lebt“ und<br />

auch als Jugendvorstand des Unternehmensverbandes<br />

Holz und Metall, Fachgruppe<br />

Hufbeschlag, viel unterwegs ist. Denn Werbung<br />

und Aufklärung über den Beruf tut not.<br />

„Wir haben einen Riesenmangel an Hufschmieden<br />

in Deutschland. Jedes Jahr fallen<br />

100 weg und nur 60 kommen nach“, sagt Gutekunst.<br />

Zwei der Gründe: „Man ist selbstständig,<br />

und der Job ist körperlich extrem<br />

hart. Das führt dazu, dass 80 Prozent der<br />

Auszubildenden die Lehre abbrechen.“<br />

Ihn macht der Beruf glücklich – und wenn<br />

Glück gesteigert werden kann, dann sorgen<br />

neben Ehefrau Katharina der dreijährige<br />

Wieland und die vier Monate alte Ronja dafür.<br />

Und auch der riesige Leonberger „Fellow“,<br />

ein furchteinflößender Rüde mit dem<br />

Gemüt eines Lämmchens, der immer dabei<br />

und auf allen Pferdehöfen ein gern gesehener<br />

Gast ist, gehört fest zur Familie. Die wird in<br />

absehbarer Zeit gemeinsam im Pferdewagen<br />

Urlaub machen – kein Problem für Andreas<br />

Gutekunst, der den Kutschenführschein besitzt.<br />

Den Wagen baut er – keine Frage –<br />

selbst. Der Plan liegt fertig auf dem Tisch<br />

und das Holz in der Scheune. Ein großes<br />

Stockbett ist angedacht – „die Kinder unten,<br />

wir oben“ – und ein Ofen soll für Wärme im<br />

„Gipsy-Waggon“ sorgen. So wie er die Dinge<br />

anpackt, wird es schnell gehen, dass man unterwegs<br />

sein kann: „Es gibt richtig schöne<br />

Strecken für so einen Urlaub mit Pferden.“<br />

Hufeisen, die als Glückssymbol gelten, sollte<br />

man übrigens immer mit der Öffnung nach<br />

unten über die Tür hängen. Andreas Gutekunst<br />

weiß warum: „Glück muss in das Eisen<br />

reinfallen und sich dort sammeln. Über der<br />

Tür aber muss es über das Eisen nach unten<br />

und ins Haus gleiten.“ Gabriele Meyer<br />

Eine Art<br />

fahrbare<br />

Schmiede: Fast<br />

alle Werkzeuge,<br />

selbst einen<br />

Amboss, hat<br />

Andreas<br />

Gutekunst in<br />

seinem Wagen<br />

untergebracht<br />

Sein Glück hat der Hufschmied bei den Pferden gefunden. Mit der rollenden Werkstatt<br />

ist Andreas Gutekunst ein gefragter Mann.<br />

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