Mirijam Contzen Bernd Glemser
Kulturringkonzert im Theodor-Heuss-Saal der Heilbronner Harmonie am 25. Oktober 2022 um 19.30 Uhr
Kulturringkonzert im Theodor-Heuss-Saal der Heilbronner Harmonie am 25. Oktober 2022 um 19.30 Uhr
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KULTURRING<br />
HEILBRONN E.V.<br />
www.kulturring-heilbronn.de<br />
VIOLINE-KLAVIER-DUO<br />
MIRIJAM CONTZEN, VIOLINE<br />
BERND GLEMSER, KLAVIER<br />
DIENSTAG, 25. OKTOBER 2022<br />
19.30 UHR
Guten Abend,<br />
herzlich willkommen beim Kulturring in der neuen Saison<br />
2022 / 2023. Schon lange war es geplant, nun<br />
kommt es endlich zu Stande: das Konzert mit <strong>Mirijam</strong><br />
<strong>Contzen</strong>, Violine, und <strong>Bernd</strong> <strong>Glemser</strong>, Klavier.<br />
Die große Karriere des Pianisten und Trägers des Bundesverdienstkreuzes<br />
<strong>Bernd</strong> <strong>Glemser</strong> begann schon<br />
während seines Studiums. Von ihm sagt man, dass<br />
seine atemberaubende Virtuosität mit höchster poetischer<br />
Sensibilität gepaart ist und seine tiefgründigen<br />
Interpretationen, individuell und fernab jeglicher Routine,<br />
lange im Gedächtnis bleiben.<br />
Und von der Violinistin des heutigen Abends <strong>Mirijam</strong><br />
<strong>Contzen</strong> kann man folgende Kritik lesen: »Die <strong>Contzen</strong><br />
ist einfach fantastisch. Sie hat einen so selbstverständlichen<br />
Zugriff auf die Musik. Sie ist brillant, glasklar,<br />
großer Ton, eine leichte Hand. Traumhaft schön.«<br />
DLF, 01.04.2020<br />
Da kann man einfach nur sagen: Viel Vergnügen beim<br />
Auftakt der Kulturringsaison!<br />
Gefördert:
Violine-Klavier-Duo<br />
MIRIJAM CONTZEN, Violine<br />
BERND GLEMSER, Klavier<br />
1. Veranstaltung der Kulturring-Konzertreihe 2022 / 2023<br />
Theodor-Heuss-Saal, 19.30 Uhr<br />
FRANZ SCHUBERT 1797–1828<br />
Sonatine für Violine und Klavier<br />
D-Dur op. 137 Nr. 1<br />
- Allegro molto<br />
- Andante<br />
- Allegro vivace<br />
JOHANNES BRAHMS 1833–1897<br />
Sonate für Klavier und Violine<br />
Nr. 2 A-Dur, op. 100<br />
- Allegro amabile<br />
- Andante tranquillo – Vivace<br />
- Allegretto grazioso, quasi andante<br />
14 Min.<br />
21 Min.<br />
Pause<br />
PAUL HINDEMITH 1895–1963<br />
Sonate für Violine und Klavier<br />
in Es, op. 11/1<br />
- Erster Teil: Frisch<br />
- Zweiter Teil: Im Zeitmaß<br />
eines langsamen, feierlichen Tanzes<br />
RICHARD STRAUSS 1864–1949<br />
Sonate für Violine und Klavier<br />
Es-Dur, op. 18<br />
- Allegro, ma non troppo<br />
- Improvisation. Andante cantabile<br />
- Finale. Andante – Allegro<br />
10 Min.<br />
25 Min.
MIRIJAM CONTZEN<br />
<strong>Mirijam</strong> <strong>Contzen</strong> wird von der internationalen Musikwelt<br />
als Solistin, Kammermusikerin, Festivalleiterin und<br />
Professorin für Violine hochgeschätzt. In ihrem Spiel<br />
vereinen sich Grandezza und höchste technische Meisterschaft<br />
zu faszinierend ausgefeilten Werkbetrachtungen.<br />
Ihr unverkennbarer Klang und ihre einzigartige<br />
musikalische Ausdruckskraft zeugen von tiefer interpretatorischer<br />
Individualität.<br />
Im Januar 2020 veröffentlichte sie die Aufnahme der<br />
beiden Violinkonzerte von Franz Clement mit dem<br />
WDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Reinhard<br />
Goebel. Bei dem 2. Violinkonzert handelt es sich<br />
um eine Weltersteinspielung. Franz Clement war Widmungsträger<br />
von Beethovens Violinkonzert, das letzterer<br />
als Reaktion auf Clements 1. Violinkonzert komponierte.<br />
Dieses Album wurde mit dem Preis der deutschen<br />
Schallplattenkritik (Bestenliste 02/2020) sowie<br />
mit dem OPUS Klassik als »Konzerteinspielung des<br />
Jahres« ausgezeichnet.<br />
In der Saison 21/22 erscheint im Rahmen der Reihe<br />
»New Mozarts« seit 1965 erstmals wieder die Einspielung<br />
des einst W. A. Mozart zugeschriebenen Violinkonzerts<br />
Es-Dur KV 365 mit dem Mozarteum Orchester<br />
Salzburg unter der Leitung von Reinhard Goebel.
Außerdem wird <strong>Mirijam</strong> <strong>Contzen</strong> u. a. mit dem Konzerthausorchester<br />
Berlin, mit den Solistes Européens<br />
Luxembourg, mit den Bamberger Symphonikern, mit<br />
dem Ensemble Resonanz, dem Georgischen Kammerorchester<br />
Ingolstadt und der Staatskapelle Halle<br />
zusammenarbeiten.<br />
Seit Beginn ihrer Konzerttätigkeit tritt <strong>Mirijam</strong> <strong>Contzen</strong><br />
für die Aufführung von unbekanntem Repertoire ein.<br />
So spielte sie mit dem Orchester de la Suisse Romane<br />
das Violinkonzert »Et derrière toi marchent les étoiles..«<br />
von Nicolas Bolens ein. Für ihre mit dem Echo Preis<br />
2001 ausgezeichnete Debüt-CD wählte sie sehr selten<br />
gespielte Werke von Hubay, Ferrara und Geszler.<br />
Auf ihrer CD-Einspielung mit dem Pianisten Tobias<br />
Bredohl stellte sie Werke des Komponisten Stefan<br />
Heucke Sonaten von Hindemith gegenüber. Ihre langjährige<br />
intensive Zusammenarbeit mit Reinhard Goebel<br />
spiegelt ihr ausgeprägtes Interesse an vergessenem<br />
Repertoire wider, so etwa die Violinkonzerte von Franz<br />
Clement, Thomas Linley und Franz Lamotte, für welche<br />
sie seither mit großer Begeisterung eintritt.<br />
Sie hat weltweit bei den führenden Orchestern<br />
gastiert. Darunter u. a. bei dem Gewandhausorchester<br />
Leipzig, hr-Sinfonieorchester, bei der Deutschen<br />
Radio-Philharmonie Saarbrücken, beim Philharmonischen<br />
Staatsorchester Hamburg, Israel Chamber<br />
Orchestra, BBC Philharmonic Orchestra, Orchestre<br />
de la Suisse Romande, City of Birmingham Symphony<br />
Orchestra sowie Sydney Symphony Orchestra.<br />
Dabei spielte sie unter der Leitung von Iván Fischer,<br />
Gianandrea Noseda, Reinhard Goebel, Vladimir Fedosejev,<br />
Leif Segerstam, Lothar Zagrosek, Raphael Frühbeck<br />
de Burgos, Christopher Hogwood, Eliahu Inbal,<br />
Tomas Netopil, Michael Sanderling, Mario Venzago und<br />
Gabriel Feltz.<br />
Ihre Passion für die Kammermusik führte auch zur<br />
Zusammenarbeit mit hoch renommierten Musikern wie<br />
Emmanuel Ax, Joshua Bell, Mischa Maisky, Clemens
Hagen, Herbert Schuch, <strong>Bernd</strong> <strong>Glemser</strong>, Tobias Bredohl<br />
und Giovanni Guzzo.<br />
2016 wurde <strong>Mirijam</strong> <strong>Contzen</strong> als Professorin für Violine<br />
an die Universität der Künste Berlin berufen. Ein<br />
großes Anliegen ist ihr dabei auch die Förderung der<br />
ganz jungen geigerischen Ausnahmetalente, der Einsatz<br />
für die Ausbildung von Musikpädagogen und das<br />
Interesse für Bildungsprozesse in der Gesellschaft.<br />
BERND GLEMSER<br />
Der deutsche Pianist <strong>Bernd</strong> <strong>Glemser</strong> wurde 1962 in<br />
Dürbheim geboren. Im Alter von sieben Jahren entdeckte<br />
er das Klavier für sich. <strong>Glemser</strong> studierte an<br />
der Hochschule für Musik Freiburg und wurde während<br />
seiner beginnenden Karriere durch den Russen Vitaly<br />
Margulis protegiert. Durch seine rege und erfolgreiche<br />
Teilnahme an internationalen Wettbewerben ab 1981,<br />
von denen er 17 gewann, machte er sich schon früh<br />
einen Namen. Zu nennen sind vor allem der Busoni-<br />
Wettbewerb in Bozen, bei dem <strong>Glemser</strong> 1984 den<br />
dritten Preis erhielt, sowie der ARD-Musikwettbewerb,<br />
den er 1987 als Zweitplatzierter abschloss. Bereits in<br />
der Endphase seines Studiums wurde er als Klavierprofessor<br />
an die Hochschule für Musik Saar berufen.<br />
Bis heute spielt die Unterrichtstätigkeit eine wichtige<br />
Rolle in seinem Leben, der er seit 1996 an der Hochschule<br />
für Musik Würzburg nachgeht.
Seit <strong>Bernd</strong> <strong>Glemser</strong> 1991 mit einem Liszt-Album seine<br />
Debüt-CD vorlegte, verfolgt er kontinuierlich weitere<br />
Aufnahmeprojekte, die vielfach ausgezeichnet wurden.<br />
Sein Repertoire ist auffällig breit, doch obwohl<br />
er beispielsweise mit den Duisburger Philharmonikern<br />
und Bruno Weil sämtliche Klavierkonzerte Beethovens<br />
einspielte und Alben mit Klavierwerken von Mendelssohn<br />
und Haydn erschienen sind, ist der künstlerische<br />
Schwerpunkt klar erkennbar: die Virtuosenliteratur von<br />
Franz Liszt, Alexander Scriabin, Sergej Rachmaninow<br />
und Sergej Prokofjew. Dafür sprechen sowohl die zahlreichen<br />
Einspielungen, wie die kompletten Klaviersonaten<br />
Skrjabins, als auch das Repertoire seiner Auftritte<br />
in der ganzen Welt.<br />
Zu den Höhepunkten seiner Karriere zählt ein Auftritt<br />
im chinesischen Fernsehen. Seine Interpretation von<br />
Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 im Jahr 1996 war<br />
die erste Live-Performance eines westlichen Künstlers<br />
in der Volksrepublik. Seitdem hat er wiederholt für<br />
Fernseh- und Radioübertragungen in Zusammenarbeit<br />
mit Dirigenten wie Wolfgang Sawallisch, Herbert<br />
Blomstedt, Franz Welser-Möst und Riccardo Chailly<br />
konzertiert. Für seine Leistungen zeichnete ihn 2003<br />
Bundespräsident Johannes Rau mit dem Bundesverdienstkreuz<br />
aus.<br />
SCHUBERT SONATINE D-DUR<br />
Franz Schubert (1797–1828) war schon als Schüler<br />
ein hervorragender Geiger. In den diversen Kammerensembles<br />
der Schule war er mit der Geige beteiligt,<br />
zuhause, im Streichquartett mit Vater und Brüdern,<br />
spielte er die Bratsche. Das Genre »Violinsonate« ist<br />
bei Schubert nur mit vier frühen Werken vertreten, hinzu<br />
kommen zwei Spätwerke in Genres des Virtuosenzeitalters<br />
(Fantasie, Rondeau brillant).<br />
Schuberts frühe Violinsonaten sind Zeugnisse einer<br />
Stilphase in seiner Entwicklung, die man mit Recht<br />
klassizistisch genannt hat. Nach einigen frühromantischen<br />
Experimenten in seinen ersten Streichquartetten<br />
ging er in seiner Kammermusik um 1815 zu
einem gemäßigten Stil über, der sich durch die enge<br />
Anlehnung an Haydn und Mozart auszeichnet. Im April<br />
1816 vollendete er drei Violinsonaten, die man heute<br />
allgemein nach dem Titel des Erstdrucks als »Sonatinen«<br />
bezeichnet, obwohl sie mit Musik für den Unterricht<br />
nichts zu tun haben. Schubert nannte jedes dieser<br />
Werke Sonate pour le Pianoforte et Violon und zählte<br />
sie von I bis III durch, was den formalen Anspruch und<br />
die zyklische Einheit bestätigt. Erst der Verlag Diabelli<br />
gab sie als »Sonatinen« heraus, um den Käufern anzuzeigen,<br />
dass es sich nicht um »Grandes Sonates« im<br />
damaligen Sinne handele.<br />
Die knappen Formen der drei im März und April 1816<br />
komponierten Werke sind Huldigungen an den Violinsonatentypus<br />
Mozarts. Nicht nur die Melodik mutet oft<br />
mozartisch an – bis hin zu regelrechten Zitaten. Auch<br />
das ausgewogene Verhältnis zwischen beiden Instrumenten,<br />
die kantable Führung der Violine und der<br />
durchsichtige Klaviersatz distanzieren sich von jeder<br />
virtuosen Attitüde und orientieren sich an jenem vollendeten<br />
Dialog zwischen »Pianoforte et Violon«, wie ihn<br />
Mozart in seinen ersten Wiener Violinsonaten KV 376<br />
bis 380 verwirklicht hatte.<br />
Die D-Dur-Sonatine beginnt mit einem weich fließenden<br />
Thema im Unisono der beiden Instrumente – ganz so<br />
wie Mozarts e-Moll-Sonate KV 304. Anschließend wird<br />
das Thema des Allegro molto in Oktavkanons ausgelotet<br />
und bis nach F-Dur geführt. Noch süßer (dolce)<br />
kommt das Mozartische Seitenthema daher. Den einzigen<br />
Kontrast im lyrischen Strömen der Melodien<br />
setzt eine Fortissimo-Variante des Hauptthemas, das<br />
in der Durchführung in immer neuen harmonischen<br />
Schattierungen beleuchtet wird.<br />
Das schöne A-Dur-Thema des Andantes klingt unüberhörbar<br />
an ein bekanntes Mozartlied an (An Chloe KV<br />
524). Im a-Moll-Mittelteil des Satzes hören wir den jungen<br />
Liederkomponisten Schubert.<br />
Obwohl auch das Thema des Finalrondo an diverse<br />
mozartische Finali im Sechsachteltakt erinnert, wirkt
dieses Allegro vivace unverkennbar schubertisch: Harmonische<br />
Ausweichungen und Akzente gibt es im Verlauf<br />
des Satzes immer wieder.<br />
BRAHMS SONATE A-DUR<br />
Die Violinsonate A-Dur op. 100 entstand im Thuner<br />
Sommer 1886, in dem sich Johannes Brahms (1833-<br />
1897) besonders der Kammermusik widmete. Zugleich<br />
vollendete er auch die Cellosonate op. 99, das Klaviertrio<br />
op. 101 und den Kopfsatz der Violinsonate op.<br />
108. Die Uraufführung der Violinsonate A-Dur fand mit<br />
dem Geiger Joseph Hellmesberger und dem Komponisten<br />
am Klavier statt.<br />
Brahms’ Konzeption der Gleichberechtigung der beiden<br />
kammermusikalischen Partner ist besonders in<br />
den Außensätzen der Violinsonate ausgeprägt. Im<br />
relativ knapp gehaltenen Kopfsatz (Allegro amabile,<br />
3/4, A-Dur) erinnert das Hauptthema, vom Klavier vollgriffig<br />
eingeführt, im Duktus an Stolzings Preislied aus<br />
Richard Wagners Oper »Die Meistersinger von Nürnberg«<br />
(1868): Im Gegensatz zu seinem eher gebundenen,<br />
kleingliedrigen Aufbau schweift das 2. Thema in<br />
größere räumliche Ferne, wobei dies mit komplizierter<br />
rhythmischer Gestaltung verbunden ist. Neben der<br />
Durchführung, die zunächst mit dem »Preislied-Thema«<br />
beginnt, nimmt die Coda einen breiten Raum ein. Dann<br />
aber wird der letzte Überleitungsgedanke der Exposition,<br />
ein Triolenmotiv, das aus dem Seitensatz abgeleitet<br />
ist, isoliert und in zwei Variationen aufgenommen.<br />
Der zweite Satz (Andante tranquillo 2/4 – Vivace 3/4,<br />
F-Dur/d-Moll) ist als Wechselspiel zwischen zwei Ausdrucksbereichen<br />
angelegt, die aber motivisch eng<br />
verflochten sind. Es sieht so aus, als habe Brahms<br />
die Charaktere eines zweiten, langsamen Satzes und<br />
eines Scherzos ineinandergeschoben. Beide Abschnitte<br />
treten nach ihrer Exposition nacheinander als Dop-
pelvariationen auf. Das Andante, volksliedartig, ruhig<br />
schreitend, und das konternde Vivace, stampfend und<br />
aggressiv, werden zu immer differenzierteren thematischen,<br />
rhythmischen und harmonischen Konfigurationen<br />
geführt.<br />
Der dritte Satz (Allegretto grazioso, quasi Andante,<br />
A-Dur, 2/2) knüpft an den singenden Ton des Allegro<br />
amabile an und breitet eine flüssige, aber verhaltene<br />
Bewegung aus, die nur gelegentlich von dramatischen<br />
Spannungen berührt wird. Die Erinnerung an ähnliche<br />
Sätze Franz Schuberts drängt sich auf. Durch die Häufung<br />
von arpeggierten Klavierakkorden entsteht eine<br />
verschleierte Harmonik, die aber immer wieder zu klaren<br />
tonalen Verhältnissen zurückfindet.<br />
HINDEMITH SONATE IN ES<br />
Die Violinsonate in Es, op. 11 Nr. 1, ist das erste Werk<br />
aus einer Gruppe von sechs Sonaten für Streichinstrumente,<br />
die Paul Hindemith (1895-1963) im Jahr 1918<br />
begann, während er noch seinen Dienst in der deutschen<br />
Armee an der Westfront leistete, und zusammen<br />
als sein Opus 11 veröffentlichte. Es war ein damals<br />
noch fast unbekanntes Verfahren, so viele Werke unter<br />
einer einzigen Opuszahl zu versammeln; Hindemith<br />
wollte sich so von romantischen Standpunkten abwenden,<br />
wie etwa der Vorstellung, dass jede Komposition<br />
ein in sich geschlossenes, eigenständiges Kunstwerk<br />
sei. Gewiss hatten Brahms und Reger gelegentlich<br />
Kammermusikwerke paarweise veröffentlicht; doch mit<br />
der Bündelung so vieler längerer Werke ging Hindemith<br />
auf Vorbilder von Haydn oder sogar Johann Sebastian<br />
Bach zurück und legte eine Sammlung vor, aus der<br />
die Interpreten auswählen konnten. Zusammen bilden<br />
diese Sonaten eine faszinierende Werkgruppe, die<br />
den Übergang vom vertrauten Klang der romantischen<br />
Musik des späten 19. Jahrhunderts zu pikanteren und<br />
gleichzeitig sachlicheren Klängen festhält.
Die Sonate in Es wurde im ersten, ausschließlich Hindemiths<br />
Musik gewidmeten Konzert aufgeführt, das<br />
am 2. Juni 1919 in Frankfurt stattfand: Ein entscheidendes<br />
Ereignis in seiner Karriere, denn es führte zu<br />
einem Vertrag mit dem Mainzer Schott-Verlag, der<br />
für den Rest seines Lebens sein Hauptverlag bleiben<br />
sollte. Hindemith spielte bei jenem Konzert die Geige,<br />
mit seiner engen Freundin Emma Lübbecke-Job am<br />
Klavier. Er betrachtete das Werk zunächst als Sonatine<br />
und skizzierte einen dritten Satz dazu, den er aber<br />
nicht fertigstellte, da er offensichtlich meinte, dass die<br />
beiden vollendeten Sätze bereits eine befriedigende<br />
Form bildeten.<br />
Der erste Satz ist lebhaft, rhythmisch bewegt in den<br />
äußeren Abschnitten und hat eine lyrischere mittlere<br />
Episode. Das meiste Material leitet sich von dem<br />
kühnen fanfarenartigen Beginn des Satzes ab – ein<br />
kämpferischer Gedanke, mit dem dann ein weicheres,<br />
ausgedehntes Thema kontrastiert, welches das starke<br />
Interesse des jungen Hindemith an der Musik Debussys<br />
erkennen lässt; er kannte dessen Werke gut, da<br />
sein Regimentskommandeur an der Westfront sie sehr<br />
schätzte. Die Harmonik des Satzes ist oft stark chromatisch<br />
und tonal mehrdeutig, besonders in der mittleren<br />
Episode, die ruhelos umherschweift; die Es-Dur-<br />
Tonika wird verschiedentlich hervorgehoben, ist aber<br />
oft raffiniert verschleiert.<br />
Der zweite Satz ist ein langsamer, feierlicher Tanz,<br />
ernst und sogar ein wenig geisterhaft und von einer<br />
unheimlichen Stimmung, die ihn mit der Musik Ferruccio<br />
Busonis verbindet. Der Satz steuert auf eine zentrale<br />
Klimax zu und gelangt entspannt zur Tonika Es-<br />
Dur, die sich schließlich in reinem Unisono offenbart.<br />
STRAUSS SONATE ES-DUR<br />
Als Richard Strauss (1864–1949) sein für die nächsten<br />
50 Jahre letztes vollendetes Kammermusikwerk mit<br />
Opuszahl, die Violinsonate op. 18 in Es-Dur, schrieb<br />
(1887), war er bereits der Meister der Fantasie »Aus<br />
Italien« und schon beschäftigt mit seiner ersten sinfo-
nischen Dichtung »Don Juan«. Es wurde »die« deutsche<br />
Violinsonate des Fin de Siècle, ein »funkelnd<br />
geistreiches Stück« (W. Altmann), dessen Virtuosität<br />
und Farbigkeit alle Grenzen sprengt, die sich etwa<br />
ein Johannes Brahms in seinen Violinsonaten selbst<br />
gesetzt hatte.<br />
Der erste Satz (Allegro, ma non troppo) ist ein Sonatenallegro<br />
von breitesten Dimensionen, diametral entgegengesetzt<br />
der schlichten Knappheit in den Kopfsätzen<br />
der Brahmssonaten. Statt je einem Haupt- und<br />
Seitenthema schrieb Strauss gleich deren zwei. Dem<br />
auf 20 Takte ausgedehnten ersten Thema in Es im<br />
Vierertakt – mit seiner Triolen-Arabeske und der drängenden<br />
Steigerung ein typischer Strauss – folgt sofort<br />
ein lyrischer Nebengedanke mit absteigender Legatolinie.<br />
Das Kopfmotiv des Hauptthemas tritt danach wieder<br />
in den Vordergrund, woran sich ein zweiter Nebengedanke<br />
anschließt, ein c-Moll-Gesang der Violine im<br />
Dreiertakt. Dieser Appassionato-Walzer mündet nach<br />
virtuosen Passagen in das eigentliche zweite Thema,<br />
ein strahlendes Dreiklangsthema in Dur, wiederum im<br />
Vierertakt und in der hohen Violinlage. Metrisch und<br />
melodisch sind damit mehrere Ebenen eröffnet, die<br />
sich im weiteren Satzverlauf permanent durchdringen<br />
bzw. auflösen. Die Motive der vier Themen – Triolenarabeske,<br />
absteigende Legatolinie, Appassionato-Walzer<br />
und Dur-Gesang – werden wie in einer sinfonischen<br />
Dichtung übereinandergeschichtet und kombiniert.<br />
Dieses dichte Motivnetz gipfelt in der Coda, wo alle<br />
vier Themen unmittelbar nacheinander ihre Apotheose<br />
erfahren.<br />
Den Titel »Improvisation« löst der langsame Satz durch<br />
seine wie aus dem Augenblick geborenen Themen ein:<br />
zwei »Lieder ohne Worte« für Violine mit Klavier im<br />
Hauptteil, gefolgt von einem leidenschaftlichen Mittelteil<br />
mit improvisatorischen Skalen des Klaviers und con<br />
sordino-Arabesken der Geige. Ludwig Finscher nannte<br />
diesen Satz »geradezu zerstäubend« in seinen Klängen<br />
und wies darauf hin, dass er um 1900 als »Improvisation<br />
aus Opus 18« ein beliebtes Salonstück war.
Das Finale ist der effektvollste Satz der Sonate. Was in<br />
der Klaviereinleitung in es-Moll noch düster-geheimnisvoll<br />
anklingt, entpuppt sich im Allegro als ganz<br />
diesseitige Es-Dur-Fanfare des Klaviers, die die Welt<br />
des Octavian im Rosenkavalier und des Don Juan vorwegzunehmen<br />
scheint. Die Violine antwortet darauf<br />
mit Terzbindungen, die eine Parforcejagd technischer<br />
Effekte eröffnen. Auch das ausdrucksvolle zweite Thema<br />
der Violine über rauschenden Klavierakkorden<br />
mündet in virtuose Dreiklangsbrechungen. Mitten in<br />
der Durchführung feiert ein tänzerisches Scherzando-<br />
Thema fröhliche Urständ’, um sich am Ende unversehens<br />
in die Coda eines berauschenden Finales zu verwandeln.<br />
Herausgeber: Kulturring Heilbronn e.V.<br />
Abonnementbüro: Heilbronner Reisebüro Böhm<br />
Sülmerstraße 13 / Tel. 0 71 31/62 40 17<br />
Texte: Ulrich Heffter<br />
Gestaltung: www.wsk-werbung.de
Konzerte der Abonnementreihe im Theodor-Heuss-<br />
Saal der Festhalle Harmonie, Beginn 19.30 Uhr<br />
Mittwoch,<br />
16. November 2022<br />
Mittwoch,<br />
25. Januar 2023<br />
Dienstag,<br />
07. März 2023<br />
Montag,<br />
03. April 2023<br />
Mittwoch,<br />
26. April 2023<br />
Dienstag,<br />
09. Mai 2023<br />
Klarinettentrio<br />
SABINE MEYER, Klarinette<br />
NILS MÖNKEMEYER, Bratsche<br />
WILLIAM YOUN, Klavier<br />
Klaviertrio<br />
DANIEL MÜLLER-SCHOTT, Violoncello<br />
ELDBJØRG HEMSING, Violine<br />
MARTIN STADTFELD, Klavier<br />
Streichquartett<br />
KUSS QUARTETT<br />
Orchesterkonzert I<br />
OXFORD PHILHARMONIC<br />
ORCHESTRA<br />
Solistin: MARTHA ARGERICH, Klavier<br />
Klavierduo<br />
LUCAS & ARTHUR JUSSEN<br />
Orchesterkonzert II<br />
ACADEMY OF ST MARTIN<br />
IN THE FIELDS<br />
Solist: SEONG-JIN CHO, Klavier<br />
Konzerte der Reihe »Perspektiven Heilbronn«<br />
in den Städtischen Museen Heilbronn im Deutschhof,<br />
Beginn 19.30 Uhr<br />
Montag,<br />
21. November 2022<br />
Montag,<br />
27. März 2023<br />
Montag,<br />
15. Mai 2023<br />
JOACHIM SCHALL<br />
(Stuttgart), Violine<br />
JAN PAS<br />
(Stuttgart), Violoncello<br />
CARIN LEVINE<br />
(Diepholz), Flöten<br />
KAI WANGLER<br />
(Fürstenfeldbruck), Akkordeon