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Zaubern mit Zylindern

Irgendwann sollte man aus dem Alter raus sein, ständig am Töffli zu schrauben und durch den Dreck zu rasen – oder? Der Giswiler Michi Burch beweist das Gegenteil. Besuch bei einem echten Tefflibuäb.

Irgendwann sollte man aus dem Alter raus sein, ständig am Töffli zu schrauben und durch den Dreck zu rasen – oder? Der Giswiler Michi Burch beweist das Gegenteil. Besuch bei einem echten Tefflibuäb.

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UNTERWEGS<br />

<strong>Zaubern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Zylindern</strong><br />

Irgendwann sollte man aus dem Alter raus sein, ständig am Töffli zu<br />

schrauben und durch den Dreck zu rasen – oder? Der Giswiler Michi<br />

Burch beweist das Gegenteil. Besuch bei einem echten Tefflibuäb.<br />

Wäre Lärm ein Indikator für Leistung,<br />

müsste ein hundsnormales<br />

Töffli jedes Auto <strong>mit</strong> Leichtigkeit<br />

abhängen können. Doch so kreischend laut<br />

ein aufgedrehter Zweitaktmotor <strong>mit</strong> mickrigen<br />

50 cm³ Hubraum auch sein mag – leistungsmässig<br />

spielt er in der tiefsten Amateurliga.<br />

Das muss aber nicht so bleiben.<br />

Die einfachen und robust gebauten Töfflimotoren<br />

eignen sich hervorragend, um daran<br />

zu feilen, hämmern und schrauben. Das<br />

Ziel: mehr Leistung. Zwar darf man danach<br />

<strong>mit</strong> dem Töffli nicht mehr auf die Strasse,<br />

dafür gehört man zum erlauchten Kreis<br />

der Verrückten, die <strong>mit</strong> ihren aufgemotzten<br />

Töfflis an Rennen teilnehmen wie der Mofacross<br />

Schweizer Meisterschaft (SAM) oder<br />

der Teffli-Rally in Ennetmoos.<br />

Michi Burch aus Giswil pflegt diese Leidenschaft,<br />

seit er ein kleiner Bub ist. Und obwohl<br />

er heute <strong>mit</strong> seinen 36 Jahren und als stolzer<br />

Familienvater nicht mehr zur jüngsten Generation<br />

zählt, ist er im Herzen das geblieben,<br />

was er immer schon war: ein Giswiler Tefflibuäb.<br />

«Sie kennt mich nicht anders», meint<br />

er grinsend auf die Frage, was denn seine<br />

Frau davon halte, dass er noch immer gern<br />

<strong>mit</strong> einem Töffli durch den Dreck fährt, als<br />

gäbe es kein Morgen. Natürlich verbringt er<br />

nicht mehr ganz so viel Zeit wie früher in der<br />

Werkstatt neben seinem Elternhaus, wo er<br />

schon als Bub <strong>mit</strong> Schraubenschlüsseln und<br />

Motorenöl hantierte. Obwohl Michi Burch gelernter<br />

Motorradmechaniker ist, arbeitete er<br />

nach der Lehre in anderen Berufszweigen, wo<br />

solides Handwerk gefragt ist. «Ich habe damals<br />

gemerkt, dass ich meine Leidenschaft<br />

für Töffli lieber in der Freizeit auslebe als im<br />

Beruf.» Heute arbeitet der talentierte Mechaniker<br />

beim Werkdienst der Gemeinde Giswil.<br />

Ein kleiner Ausschnitt der eindrücklichen Pokal-Sammlung und ein Motocross-Töff der Marke Honda.


Der Giswiler Michi Burch <strong>mit</strong> seinem umgebauten und frisierten Puch-Töffli. (Bilder: ve)<br />

In seiner Werkstatt erkennt auch ein Laie,<br />

dass Töff nicht gleich Töff ist. Zum einen<br />

steht da ein gelbes Fahrzeug, das früher mal<br />

ein normales Puch-Töffli war und heute aussieht<br />

wie eine Kreuzung aus Mountainbike<br />

und Rasenmäher (Bild oben). Zum andern<br />

erblickt der Besucher einen mächtigen roten<br />

Motocross-Töff, der ganz ohne «Bastelarbeiten»<br />

auskommt (Bild linke Seite). Und diese<br />

Unterscheidung ist eben wichtig: Das gelbe<br />

Töffli fällt in die Kategorie Mofacross, der rote<br />

Töff in die Kategorie Motocross. Beim Mofacross<br />

ist jeder Fahrer <strong>mit</strong> seinem speziellen<br />

und selbst umgebauten Töffli unterwegs.<br />

Bei Motocross-Rennen dagegen haben alle<br />

Fahrer einen Töff «von der Stange» – hier<br />

sind keine leistungssteigernden Eingriffe am<br />

Motor erlaubt. In beiden Kategorien hat Michi<br />

Burch viele Erfolge feiern können, wie die<br />

grosse Pokalsammlung in seiner Werkstatt<br />

eindrücklich beweist. «Der Sieg an der Teffli-<br />

Rally 2011 gehört sicher zu den Highlights»,<br />

erzählt er. Dieses Jahr fuhr er trotz einem völlig<br />

missratenen Finalstart auf Platz 3.<br />

Apropos Teffli-Rally: Für Aussenstehende<br />

wirkt dieser Anlass vielleicht wie ein wahnwitziges<br />

Rennen einiger halbstarker Töffli-<br />

Fans, und tatsächlich kommen Spass und<br />

Party hier nicht zu kurz. Bei genauerem Hinsehen<br />

erkennt man aber, dass jeweils einige<br />

sehr talentierte Mechaniker und Fahrer<br />

am Start sind, die aus einem gewöhnlichen<br />

Töffli das Maximum an Leistung herauskitzeln.<br />

Im Reglement ist genau beschrieben,<br />

welche Abänderungen am Mofa zulässig<br />

sind und welche nicht. Michi Burch nennt<br />

ein Beispiel: «Der Original-Motor darf zwar<br />

abgeändert, nicht aber einfach durch einen<br />

leistungsstärkeren Motor ersetzt werden.»<br />

Was dies konkret bedeutet, demonstriert<br />

Michi Burch an seinem «Spezialrezept», um<br />

den Hubraum des Töfflimotors von 50 auf


100 cm³ zu bringen (siehe rechte Seite).<br />

Gleich aber steht man vor einem neuen Problem:<br />

Ein frisierter Motor braucht eine bessere<br />

Kühlung. Deshalb hat Michi Burch eine<br />

zusätzliche Luftkühlung ans Töffli montiert<br />

– ebenfalls Marke Eigenbau. «Motor und<br />

Propeller stammen ursprünglich von einer<br />

Drohne», erklärt er. Und weil ein Mofacross-<br />

Rennen über Stock und Stein und Schlamm<br />

führt, hat das Töffli vorn und hinten auch<br />

eine komplett neue Federung erhalten. Etwa<br />

20 PS bringt seine frisierte Maschine auf die<br />

Strecke – zwanzig Mal mehr als ein normales<br />

Töffli. Übrigens: Die Höchstgeschwindigkeit<br />

seines Töfflis (einiges über 100 km/h)<br />

ist bei Rennen nicht entscheidend – sie<br />

wird auf Cross-Strecken nicht annähernd<br />

erreicht. «Viel wichtiger ist, dass Kraft und<br />

Beschleunigung des Fahrzeuges angepasst<br />

sind an das Können des Fahrers.» Nicht<br />

immer fahre das schnellste oder stärkste<br />

Mofa automatisch aufs Podest.<br />

Die Fülle an Improvisation birgt auch Risiken:<br />

«Eigentlich sitzt man auf einer tickenden<br />

Zeitbombe», sagt Michi Burch lachend.<br />

«Es kann so viel kaputtgehen, und <strong>mit</strong> Ausfällen<br />

muss immer gerechnet werden. Ich<br />

kenne bisher kein Wunder<strong>mit</strong>tel für eine Garantie!»<br />

Leider gebe es zudem kaum Möglichkeiten,<br />

vor einem Renntag das eigene<br />

Fahrzeug auszuprobieren. «Deshalb ist das<br />

Rennen oft zugleich der Test.» Immerhin:<br />

Die meisten Rennveranstaltungen beginnen<br />

<strong>mit</strong> einem freien Training.<br />

Die kleinräumige Schweiz sei leider kein<br />

Land, das dem Crosssport viele Möglichkeiten<br />

biete, bedauert er. Auf einer Karte auf<br />

seinem Smartphone zeigt der Giswiler, wo<br />

das Motocross-Paradies liegt. Norditalien!<br />

Dutzende rote Markierungen sind in der Po-<br />

Ebene zu erkennen. «Alles Rundstrecken,<br />

auf denen man <strong>mit</strong> Motocross-Maschinen<br />

ohne Strassenzulassung fahren darf»,<br />

schwärmt Michi Burch. Und während andere<br />

ihre Ferien an den Stränden der Adria geniessen,<br />

hieven Michi Burch und seine Kollegen<br />

ihre Töffs in einen Kleinbus und fahren<br />

in den Süden.<br />

Man höre und staune: Auf einem Töff <strong>mit</strong><br />

Strassenzulassung wird man Michi Burch<br />

kaum jemals antreffen. Nicht einmal auf<br />

einer schnittigen Passfahrt über Brünig und<br />

Grimsel? «Interessiert mich nicht», sagt er<br />

und schüttelt lachend den Kopf. Wenn er auf<br />

einen Töff sitzt, dann muss ihm der Dreck<br />

um die Ohren fliegen und der Benzingeruch<br />

in die Nase steigen. Dann muss die Sau raus.<br />

Es muss dröhnen, kreischen, heulen und<br />

spritzen. Kurz: Es muss genau so sein, wie es<br />

ein Giswiler Tefflibuäb am liebsten mag. (ve)<br />

An Kindervelos hatte<br />

Michi Burch als kleiner<br />

Bub wenig Interesse.<br />

An umgebauten Kindervelos<br />

<strong>mit</strong> Töffmotor<br />

dafür umso mehr...


1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Nr. 1 zeigt ein Gehäuse eines originalen Töffli-Motors.<br />

Für den Kolben, der die Kurbelwelle antreibt,<br />

steht eine relativ kleine Zylinderöffnung zur Verfügung<br />

(weisser Pfeil). Doch um die Leistung zu erhöhen,<br />

sollte mehr Hubraum zur Verfügung stehen.<br />

Was tun? Michael Burch hat sich für folgenden Trick<br />

entschieden: Zuerst fräst er den oberen Teil der engen<br />

Öffnung weg (Nr. 2). Anschliessend setzt er ein<br />

selbst konstruiertes Zwischenstück auf die abgefräste<br />

Öffnung (Nr. 3). Dieses Zwischenstück dient als<br />

Adapter – nun kann ein grösserer Zylinder <strong>mit</strong> mehr<br />

Hubraum auf den Motor gesetzt werden (Nr. 4). Dadurch<br />

wird der zur Verfügung stehende Hubraum von<br />

ursprünglich 50 cm 3 auf rund 100 cm 3 erhöht.<br />

1<br />

4<br />

2<br />

3<br />

Ein Motor <strong>mit</strong> mehr Hubraum und da<strong>mit</strong> mehr Leistung<br />

ist das Eine. Da<strong>mit</strong> ist das Potenzial des Töffli-<br />

-Tunings aber längst noch nicht ausgeschöpft. Ein<br />

grösserer Luftfilter (Nr. 1), der auf den Vergaser aufgesetzt<br />

wird, sorgt für mehr Leistung. Doch ein aufgemotzter<br />

Töfflimotor wird brandheiss. Eine zusätzliche<br />

Luftkühlung bringt Abhilfe (Nr. 2). Ein normaler<br />

Töffli-Motor wird durch das Antreten <strong>mit</strong> den Pedalen<br />

in Schwung gebracht und gestartet. (Nach dem gleichen<br />

Prinzip wurden früher die Autos <strong>mit</strong> Kurbeln<br />

gestartet.) An sein Töffli hat Michi Burch einen separaten<br />

Anlasser <strong>mit</strong> Seilzug (Nr. 3) angebracht. Dies<br />

kennt man auch bei Kreissägen oder Rasenmähern.<br />

Und schliesslich braucht ein Töffli, das über Stock<br />

und Stein rast, auch eine bessere Federung (Nr. 4),<br />

wie man sie etwa von Downhill-Mountainbikes kennt.

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