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STARK!STROM #29

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Stark!e Diva

skunk anansie

Dienstag, 12. Juli, Skunk Anansie spielen das letzte Konzert ihrer Europatournee in der Metastadt in Wien.

Da erreicht den Stark!Strom-Redakteur ein Anruf. Skin (Vocals, Anm.) sei erkrankt, die Wiener Ärzte hätten

ihr Bestes gegeben - nur jetzt sei eben auch Ruhe angebracht, um die Stimme für den Abend zu schonen.

Das Interview mit ihr kann daher nicht stattfinden - aber Schlagzeuger Mark Richardson würde sich

stattdessen gerne zur Verfügung stellen.

© India Fleming

Gesagt getan, und so sitze ich alsbald Mark gegenüber.

Der erzählt, dass Skin ihre Bronchitis wohl von ihm bekommen

habe. Das Leiden eines Tourtrosses also. Ist

einer erkrankt, macht die Erkrankung auf Grund der

Nähe, die man bei einer Tournee zueinander hat, bald

die Runde. Nur dass ein Schlagzeuger eine Bronchitis

auf der Bühne besser kaschieren kann als eine Sängerin.

Ein Sprung nach vorne zum Abend. Nachdem die beiden

Bands „Demian“ aus Österreich (wer sie nicht kennt,

unbedingt reinhören in ihre Musik und vor allem live

auschecken) und „Blackout Problems“ aus Deutschland

das Publikum in Stimmung gebracht haben, starten

Skunk Anansie ihr fulminantes Set. Und feuern ein

Hitfeuerwerk sondergleichen ab. Skin begibt sich schon

zu Beginn direkt ins Publikum und fragt frech, ob wir

Fans denn in der Pandemie das Moshen verlernt hätten.

Schlagzeuger Mark und Bassist Cass legen währenddessen

ein tightes Rhythmusfundament auf den Teppich,

während Gitarrist Ace mit seinem variablen Spiel und

seinen vielen Sounds, die er mit einer Vielzahl an Amps,

unterschiedlichen Gitarrenboxen und Effektpedalen

erzielt, den Songs Härte gibt oder nimmt, je nachdem,

was der Song gerade braucht. Und Skin? Die Band wird

mittlerweile sowieso live durch Erika Footman unterstützt,

die auch bei den Vocals als Backgroundsängerin

immer wieder in Erscheinung tritt und Skin sicherlich an

diesem Abend eine große Stütze ist. Hätte ich es nicht vorab

gewusst, wäre Skin nicht durchgehend mit warmen

Getränken versorgt worden und hätte sie die Erkrankung

zu Beginn des Gigs nicht selbst erwähnt, mir wäre es

nicht aufgefallen. Denn die Spielfreude ist umwerfend

und es gibt meiner Meinung nach nur wenige Bands,

die live so viel Energie auf und vor der Bühne erzeugen

können wie eben Skunk Anansie. Einzig später beim

Merchstand war Skin dann nicht mehr dabei, da hat sie

es dann doch vorgezogen, zurück ins Bett zu kriechen,

dafür aber die anderen. Denn tatsächlich sind Skunk

einer der wenigen Bands, die vieles, wenn nicht sogar

alles selbst machen. Und da gehört eben auch dazu, dass

man das Merch selbst verkauft und natürlich für kurze

Smalltalks, Selfies und Autogramme zur Verfügung steht.

Zurück zum Nachmittag und zu Mark. „The show must

go on“, meint Mark, weil eigentlich nicht nur Skin sich

nicht gut fühlt. „Die Fans sehen eben nicht die restlichen

22,5 Stunden des Tages. Wobei Wien heute perfekt ist: Tolle

Location, viel Platz im Backstagebereich, das Essen ist

toll. Das sei aber nicht immer so. Sogar um ausreichend

große Handtücher musste er sich mal kümmern. Das

mag jetzt lächerlich klingen, wobei jeder sollte sich nach

einem Konzert duschen können und da gehören eben

auch Handtücher dazu, aber das sei dann zumeist nur

ein Problem von vielen. Diese Tage sind ermüdend und

wenn es zu viele dieser Tage gibt, wirkt sich das auf die

ganze Mannschaft aus, die übrigens die beste der Welt ist

und da fühlt man natürlich auch als Band mit ihnen mit.

Jedenfalls war diese Tour ein Rollercoaster der Gefühle.“

Trotzdem haben Skunk Anansie es nach 100 Tagen bis

zum letzten Tag geschafft. Denn anstatt die Probleme

einen Keil in das Team treiben zu lassen, seien sie einfach

gelöst worden.

Hat die Pandemie das Leben von Bands geändert? „Auf

jeden Fall“, meint Mark. „Einerseits sind die Gagen der

Band gleichgeblieben. Aber die Produktionskosten, Licht,

Catering, Transport, all das hat sich verdoppelt. Es ist da-

www.skunkanansie.com

Bernhard

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her sehr schwer, einen Gewinn zu erzielen - so du nicht zu

den ganz großen Bands gehörst. Und Skunk zum Beispiel

tourt alle zwei Jahre, und sie müssen ja selbst von etwas

leben, aber auch Geld sparen für die Produktion eines

nächsten Albums.“ Und trotzdem schafft es die Band, eine

ungeheure Show auf der Bühne zu erzeugen. „Sie selber

haben eben nicht den Luxus, sich große Produktionen

leisten zu können“, so Mark. „Aber die Band hat Skin. Und

sie hat diese Fähigkeit, sich mit den Fans zu verbinden.

Und so schaffen wir es, auch mit ‚wenig’ viel Freude beim

Publikum zu erzeugen.“

Eine Frage, die angesichts der Bandgeschichte auf der

Hand liegt: Wie hat die Band es geschafft, mit - beziehungsweise

trotz - zwischenzeitlicher Auflösung 27 Jahre

ohne Line-up-Wechsel zu überleben? Marks Antwort:

„It is very simple. Es ist einfach nicht Skunk Anansie

ohne uns vier. Die Chemie dieser Band ist sehr wichtig.

Es wäre nicht mehr dieselbe Band. Nimm einen raus,

und es ändert sich alles. Die Energie wäre anders. Die

Philosophie ebenfalls. Es hätte vielleicht geklappt - oder

auch nicht. Vertraglich mussten wir jedenfalls noch ein

Greatest Hits-Album abliefern („Smashes and Thrashes“,

Anm.). Und wir hatten damit so viel Spass, dass wir bei

einem Meeting beschlossen haben, wieder ein paar

Shows zu machen. And here we are. Wir sind eine Band,

und jetzt viel länger zusammen als beim ersten Mal.

Wir verstehen uns, natürlich stimmen wir nicht immer

überein, wir sind eben eine Familie. Aber wir lieben

uns, haben diesen gegenseitigen Respekt zueinander.

Meinungsverschiedenheiten dauern bei uns nicht lange

an. Und sehr selten überwerfen wir uns.“ Es hat eben sein

müssen, dass sich diese vier 1994 gefunden haben und

freuen wir uns, dass es Skunk Anansie weiterhin gibt.

Skunk Anansie waren immer, und sind es noch, eine

politische Band. Einen Tag vor dem Konzert in Wien

veröffentlichte die Band ein starkes Statement, auf die

Abtreibungsgesetze in den USA hinweisend, dass das

nicht nur ein Kampf der Frauen ist. Mark darauf angesprochen,

was in der Welt abgeht: „Wir hassen es. Wenn

man eine extrem religiöse Fraktion nimmt, die alles

tut, um eine dominante Kraft zu werden. Die Regeln

erlässt, die unfair sind. Die dir Freiheiten nimmt, dich

entmenschlicht. Es passiert halt in Amerika und ist daher

anders verpackt. Doch tatsächlich ist da kein Unterschied

zu den Taliban. Und natürlich wollen wir die Leute unterhalten,

aber wir sind nicht blind, wir laufen nicht

durchs Leben und tun so, als ob alles heile Welt ist. Und

wir fühlen eben, dass wir diese Verpflichtung haben, zu

sagen, wie es ist. Und das Ausbreiten des rechten Lagers

ist beängstigend. Wobei es einfacher wäre, sich in seine

Blase zurückzuziehen. Aber die Realität ist, man muss

diese Leute rauswählen.“

„Skunk Anansie are not gonna change“, sagt Mark am

Schluss (und das finden wir gut).

Am Ende muss noch die Zukunft angesprochen werden.

„5 Songs gebe es ja bereits, und vielleicht kommen ja noch

5 dazu und werden zu einem ganzen Album“, meint Mark.

„Der Proberaum ist jedenfalls bereits gebucht für neue

Musik.“ Ein gutes Ende für ein tolles Gespräch, zu wissen,

dass Skunk Anansie noch lange nicht genug haben und

uns weiterhin etwas zu sagen haben werden.

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