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Stark!e Diva
skunk anansie
Dienstag, 12. Juli, Skunk Anansie spielen das letzte Konzert ihrer Europatournee in der Metastadt in Wien.
Da erreicht den Stark!Strom-Redakteur ein Anruf. Skin (Vocals, Anm.) sei erkrankt, die Wiener Ärzte hätten
ihr Bestes gegeben - nur jetzt sei eben auch Ruhe angebracht, um die Stimme für den Abend zu schonen.
Das Interview mit ihr kann daher nicht stattfinden - aber Schlagzeuger Mark Richardson würde sich
stattdessen gerne zur Verfügung stellen.
© India Fleming
Gesagt getan, und so sitze ich alsbald Mark gegenüber.
Der erzählt, dass Skin ihre Bronchitis wohl von ihm bekommen
habe. Das Leiden eines Tourtrosses also. Ist
einer erkrankt, macht die Erkrankung auf Grund der
Nähe, die man bei einer Tournee zueinander hat, bald
die Runde. Nur dass ein Schlagzeuger eine Bronchitis
auf der Bühne besser kaschieren kann als eine Sängerin.
Ein Sprung nach vorne zum Abend. Nachdem die beiden
Bands „Demian“ aus Österreich (wer sie nicht kennt,
unbedingt reinhören in ihre Musik und vor allem live
auschecken) und „Blackout Problems“ aus Deutschland
das Publikum in Stimmung gebracht haben, starten
Skunk Anansie ihr fulminantes Set. Und feuern ein
Hitfeuerwerk sondergleichen ab. Skin begibt sich schon
zu Beginn direkt ins Publikum und fragt frech, ob wir
Fans denn in der Pandemie das Moshen verlernt hätten.
Schlagzeuger Mark und Bassist Cass legen währenddessen
ein tightes Rhythmusfundament auf den Teppich,
während Gitarrist Ace mit seinem variablen Spiel und
seinen vielen Sounds, die er mit einer Vielzahl an Amps,
unterschiedlichen Gitarrenboxen und Effektpedalen
erzielt, den Songs Härte gibt oder nimmt, je nachdem,
was der Song gerade braucht. Und Skin? Die Band wird
mittlerweile sowieso live durch Erika Footman unterstützt,
die auch bei den Vocals als Backgroundsängerin
immer wieder in Erscheinung tritt und Skin sicherlich an
diesem Abend eine große Stütze ist. Hätte ich es nicht vorab
gewusst, wäre Skin nicht durchgehend mit warmen
Getränken versorgt worden und hätte sie die Erkrankung
zu Beginn des Gigs nicht selbst erwähnt, mir wäre es
nicht aufgefallen. Denn die Spielfreude ist umwerfend
und es gibt meiner Meinung nach nur wenige Bands,
die live so viel Energie auf und vor der Bühne erzeugen
können wie eben Skunk Anansie. Einzig später beim
Merchstand war Skin dann nicht mehr dabei, da hat sie
es dann doch vorgezogen, zurück ins Bett zu kriechen,
dafür aber die anderen. Denn tatsächlich sind Skunk
einer der wenigen Bands, die vieles, wenn nicht sogar
alles selbst machen. Und da gehört eben auch dazu, dass
man das Merch selbst verkauft und natürlich für kurze
Smalltalks, Selfies und Autogramme zur Verfügung steht.
Zurück zum Nachmittag und zu Mark. „The show must
go on“, meint Mark, weil eigentlich nicht nur Skin sich
nicht gut fühlt. „Die Fans sehen eben nicht die restlichen
22,5 Stunden des Tages. Wobei Wien heute perfekt ist: Tolle
Location, viel Platz im Backstagebereich, das Essen ist
toll. Das sei aber nicht immer so. Sogar um ausreichend
große Handtücher musste er sich mal kümmern. Das
mag jetzt lächerlich klingen, wobei jeder sollte sich nach
einem Konzert duschen können und da gehören eben
auch Handtücher dazu, aber das sei dann zumeist nur
ein Problem von vielen. Diese Tage sind ermüdend und
wenn es zu viele dieser Tage gibt, wirkt sich das auf die
ganze Mannschaft aus, die übrigens die beste der Welt ist
und da fühlt man natürlich auch als Band mit ihnen mit.
Jedenfalls war diese Tour ein Rollercoaster der Gefühle.“
Trotzdem haben Skunk Anansie es nach 100 Tagen bis
zum letzten Tag geschafft. Denn anstatt die Probleme
einen Keil in das Team treiben zu lassen, seien sie einfach
gelöst worden.
Hat die Pandemie das Leben von Bands geändert? „Auf
jeden Fall“, meint Mark. „Einerseits sind die Gagen der
Band gleichgeblieben. Aber die Produktionskosten, Licht,
Catering, Transport, all das hat sich verdoppelt. Es ist da-
www.skunkanansie.com
Bernhard
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her sehr schwer, einen Gewinn zu erzielen - so du nicht zu
den ganz großen Bands gehörst. Und Skunk zum Beispiel
tourt alle zwei Jahre, und sie müssen ja selbst von etwas
leben, aber auch Geld sparen für die Produktion eines
nächsten Albums.“ Und trotzdem schafft es die Band, eine
ungeheure Show auf der Bühne zu erzeugen. „Sie selber
haben eben nicht den Luxus, sich große Produktionen
leisten zu können“, so Mark. „Aber die Band hat Skin. Und
sie hat diese Fähigkeit, sich mit den Fans zu verbinden.
Und so schaffen wir es, auch mit ‚wenig’ viel Freude beim
Publikum zu erzeugen.“
Eine Frage, die angesichts der Bandgeschichte auf der
Hand liegt: Wie hat die Band es geschafft, mit - beziehungsweise
trotz - zwischenzeitlicher Auflösung 27 Jahre
ohne Line-up-Wechsel zu überleben? Marks Antwort:
„It is very simple. Es ist einfach nicht Skunk Anansie
ohne uns vier. Die Chemie dieser Band ist sehr wichtig.
Es wäre nicht mehr dieselbe Band. Nimm einen raus,
und es ändert sich alles. Die Energie wäre anders. Die
Philosophie ebenfalls. Es hätte vielleicht geklappt - oder
auch nicht. Vertraglich mussten wir jedenfalls noch ein
Greatest Hits-Album abliefern („Smashes and Thrashes“,
Anm.). Und wir hatten damit so viel Spass, dass wir bei
einem Meeting beschlossen haben, wieder ein paar
Shows zu machen. And here we are. Wir sind eine Band,
und jetzt viel länger zusammen als beim ersten Mal.
Wir verstehen uns, natürlich stimmen wir nicht immer
überein, wir sind eben eine Familie. Aber wir lieben
uns, haben diesen gegenseitigen Respekt zueinander.
Meinungsverschiedenheiten dauern bei uns nicht lange
an. Und sehr selten überwerfen wir uns.“ Es hat eben sein
müssen, dass sich diese vier 1994 gefunden haben und
freuen wir uns, dass es Skunk Anansie weiterhin gibt.
Skunk Anansie waren immer, und sind es noch, eine
politische Band. Einen Tag vor dem Konzert in Wien
veröffentlichte die Band ein starkes Statement, auf die
Abtreibungsgesetze in den USA hinweisend, dass das
nicht nur ein Kampf der Frauen ist. Mark darauf angesprochen,
was in der Welt abgeht: „Wir hassen es. Wenn
man eine extrem religiöse Fraktion nimmt, die alles
tut, um eine dominante Kraft zu werden. Die Regeln
erlässt, die unfair sind. Die dir Freiheiten nimmt, dich
entmenschlicht. Es passiert halt in Amerika und ist daher
anders verpackt. Doch tatsächlich ist da kein Unterschied
zu den Taliban. Und natürlich wollen wir die Leute unterhalten,
aber wir sind nicht blind, wir laufen nicht
durchs Leben und tun so, als ob alles heile Welt ist. Und
wir fühlen eben, dass wir diese Verpflichtung haben, zu
sagen, wie es ist. Und das Ausbreiten des rechten Lagers
ist beängstigend. Wobei es einfacher wäre, sich in seine
Blase zurückzuziehen. Aber die Realität ist, man muss
diese Leute rauswählen.“
„Skunk Anansie are not gonna change“, sagt Mark am
Schluss (und das finden wir gut).
Am Ende muss noch die Zukunft angesprochen werden.
„5 Songs gebe es ja bereits, und vielleicht kommen ja noch
5 dazu und werden zu einem ganzen Album“, meint Mark.
„Der Proberaum ist jedenfalls bereits gebucht für neue
Musik.“ Ein gutes Ende für ein tolles Gespräch, zu wissen,
dass Skunk Anansie noch lange nicht genug haben und
uns weiterhin etwas zu sagen haben werden.