36 | Im Gespräch Nicolette Fountaris ist Entertainerin und kann ihr Publikum sowohl bei Instagram als auch auf den Bühnen des Landes begeistern. Foto: Lookfamed GANZ INTIM STATT NUR DIRTY NICOLETTE FOUNTARIS geht mit ihrem „Dirty Donnerstag“, eines der erfolgreichsten Instagram-Formate, auf Deutschlandtour. Christopher Filipecki sprach mit ihr. Vor Kurzem hast du fünf Jahre „Dirty Donnerstag“ gefeiert. Nenn drei Schlagworte, die dir rückblickend zu dem Format einfallen. Energie. Es hat unfassbar viel Energie. Emotion, sehr viele Emotionen spielen eine Rolle. Und für mich persönlich: Der Ritterschlag zur Freiheit, zur Unabhängigkeit. Warum, denkst du, boomt das Konzept nach fünf Jahren noch? Ich glaube, dass die Leute es noch mögen, weil sie dadurch ein Stück weit heilen konnten, es für sie eine Stütze ist und sie Sachen dadurch auch lernen. Neben all den weniger schönen Dingen da draußen, die passieren, ist es ein Ort, an dem Menschen über ihre Gefühle sprechen können. Wenn damit Kraft gespendet werden kann, ist es etwas, was Menschen gerne mögen. Hast du auch für dich persönlich etwas vom „Dirty Donnerstag“ gelernt? Extrem. Zwischenmenschliches ist meine Leidenschaft geworden. Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht damit auseinandersetze. Ich glaube, dass ich auch für mich selbst, jedes zwischenmenschliche Thema durchgekaut habe. Ich bin in den letzten fünf Jahren unglaublich gewachsen und auch ein richtiges Lexikon geworden. Du fragst mich, wie die Scheidungsrate im letzten Jahr war? Ich kann’s beantworten. Hat das Format Schattenseiten? Identifizierst du dich damit noch genauso wie damals? Es ist eine Verpflichtung geworden, ja. Ich mache dieses Format jeden Donnerstag unentgeltlich. Die Leute fordern es von mir ein, es ist aber für meine Karriere auch wichtig, denn meine Ticket- oder Buchverkäufe habe ich diesem Format zu verdanken. Wenn ich das Format nicht mehr machen würde, würde ein großes Stück von meinem Unternehmen darunter leiden, da bin ich mir sicher. Du bist eindeutig auch eine Identifikationsfigur für die LGBTQIA*-Szene… Ist das so? I don’t know! Viele legen mir zur Last, dass ich bei meinen Themen oft von Heterobeziehungen ausgehe, weil es am kommerziellsten ist und ich damit mehr Menschen anspreche. Ich probiere aber bei Kernmessages immer alle anzusprechen. Ich würde mir wünschen, dass sich auch homosexuelle Menschen – oder welche Sexualität auch immer du hast – angesprochen fühlen, weil vieles dasselbe in Grün ist. Man muss aber dazu sagen, dass homosexuelle Beziehungen dennoch eine andere Hausnummer sind. Das eine sind eben nur Männer oder nur Frauen, das andere sind Mann und Frau in Kombination. Ich bin, was homosexuelle Paarung angeht, noch nicht gut genug informiert, um mir ein Urteil erlauben zu können. Mein Geheimrezept: Wenn ich keine Ahnung habe, halte ich die Schnauze. Schön auch, dass deine Transidentität nebensächlich ist und du stattdessen einfach „Mrs. Beziehungsratschlag“ bist, oder? Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist. Ich möchte nicht morgens aufstehen und sagen: „Hallo, ich bin Nicolette, ich bin transsexuell. Ich trinke jetzt erstmal meinen transsexuellen Kaffee, esse mein transsexuelles Brötchen, hole meinen transsexuellen Laptop für einen transsexuellen „Dirty Donnerstag““. Ich habe für mich entschieden, dass ich mein Leben so „Cis-ig“ wie möglich leben möchte, weil ich natürlich von meiner Story auch traumatisiert bin. Wenn ich jeden Tag in der Geschichte rumpopele, komme ich da nicht mehr raus. Trans zu sein, sind drei Prozent von mir, die restlichen 97 Prozent sind andere Dinge. Ich erreiche mit meinem queeren Bezug aber überwiegend heterosexuelle Cis-Menschen, und das ist toll. Wenn du stark für die Regenbogenflagge stehst, hast du schnell auch nur Menschen aus der eigenen Community, die dir zuhören – und da müssen wir probieren auszubrechen. Wenn ich für Rechte von Queeren spreche, hören mir viele zu, die regulär mit dem Thema gar nicht in Berührung kommen. Ich glaube, ich kriege den Spagat ganz gut hin. Bei deiner neuen Tour, „Intimate Hours“, holst den „Dirty Donnerstag“ auf die Bühne. Genau. „Intimate Hours“ ist eine kleine Tour diesen Herbst. Letztes Jahr war es ein Testlauf, ich wusste bis einen Tag vorher nicht, wie wir es umsetzen sollen. Ich hatte tierische Angst, dass keiner etwas fragen möchte, keiner auf die Bühne kommen will und ich nicht weiß, was ich sagen soll – aber es waren unglaubliche Shows. Man konnte eine Stecknadel fallen hören. Es sind viele Tränen geflossen. Ein Mädchen hat von dem Tod ihres alkoholkranken Vaters gesprochen, eine Mutter von dem Verlust ihres Kindes. Auch Paare geben sich auf der Bühne einiges und packen ihre ganze Beziehung aus. „Intimate Hours“ ist mein erstes Projekt, wofür ich von niemandem kritisiert wurde. Ich hoffe, dass es in jeder Stadt genau so funktioniert. Für den Notfall hätte ich auch ein Programm, wenn nichts passiert. Im Endeffekt macht aber zu 70 Prozent das Publikum die Show. Hast du trotzdem vor etwas Bedenken? Das ist richtig Nervenkitzel. Ich weiß nicht, wer da auf die Bühne kommt. Letztes Jahr habe ich den Fehler gemacht, dass ich auf alles eine Antwort finden wollte. Das werde ich dieses Mal nicht machen. Ich werde dann sagen: „Kann ich jetzt so schnell nicht beantworten, müssen wir nachher noch mal klären“ oder sogar, dass ich es nicht weiß. Je offener ich das kommuniziere, desto mehr schätzen die Leute das dann auch. Alle meine Antworten sind mein Point of View und meine Erfahrung. Ich habe keine therapeutische Ausbildung und bin auch kein Coach. Intimate Hours, 12.11. Savoy Theater Düsseldorf mademoiselle-nicolette.de Das komplette Interview gibt es auf <strong>coolibri</strong>.de
Kalender | 37 Foto: Stefan Gregorowius LET’S DANCE – DIE LIVE-TOUR <strong>2022</strong> 04.11. Rudolf Weber-Arena Oberhausen 05.11. Westfalenhalle Dortmund 06.11. Lanxess Arena Köln 27.11. PSD Bank Dome Düsseldorf