Atlas der Entdecker (Leseprobe)
Leseprobe zum Buch: Atlas der Entdecker - Auf den Spuren mutiger Pioniere Riccardo Francaviglia / Margherita Sgarlata 88 Seiten, Hardcover, Euro (D) 25 | Euro (A) 25.70 | CHF 30 ISBN 978-3-03876-241-6 (Midas Kinderbuch) Dieser großformatige Atlas begleitet die größten Entdecker der Geschichte auf ihren spannenden Expeditionen: von den Wikingern über die großen Erkundungsreisenden wie Marco Polo, Christoph Kolumbus oder Alexander von Humboldt, die mit ihren Erkenntnissen die Welt veränderten, bis hin zu Forschern wie David Livingstone und Roald Amundsen und revolutionären Frauen wie Nellie Bly. Schon immer wurde der Mensch von Neugier und Forschungsdrang angetrieben. Die Angst vor Gefahren konnte ihn nie davon abhalten, nach mehr Wissen zu streben. Wer das Abenteuer wagt und das Unbekannte nicht fürchtet, kann Großes entdecken.
Leseprobe zum Buch:
Atlas der Entdecker - Auf den Spuren mutiger Pioniere
Riccardo Francaviglia / Margherita Sgarlata
88 Seiten, Hardcover, Euro (D) 25 | Euro (A) 25.70 | CHF 30
ISBN 978-3-03876-241-6 (Midas Kinderbuch)
Dieser großformatige Atlas begleitet die größten Entdecker der Geschichte auf ihren spannenden Expeditionen: von den Wikingern über die großen Erkundungsreisenden wie Marco Polo, Christoph Kolumbus oder Alexander von Humboldt, die mit ihren Erkenntnissen die Welt veränderten, bis hin zu Forschern wie David Livingstone und Roald Amundsen und revolutionären Frauen wie Nellie Bly. Schon immer wurde der Mensch von Neugier und Forschungsdrang angetrieben. Die Angst vor Gefahren konnte ihn nie davon abhalten, nach mehr Wissen zu streben. Wer das Abenteuer wagt und das Unbekannte nicht fürchtet, kann Großes entdecken.
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Atlas der
Entdecker
Riccardo Francaviglia • Margherita Sgarlata
MIDAS
Atlas der
Entdecker
Text und Illustrationen:
Riccardo Francaviglia
Margherita Sgarlata
MIDAS
INHALT
DIE WIKINGER
Seite 6
um
900
ZHENG HE
Seite 14
1405
GIOVANNI CABOTO
Seite 22
1497
FERDINAND
MAGELLAN
Seite 34
1519
VITUS JONASSEN
BERING
Seite 42
1725
JEAN-FRANÇOIS
DE LA PÉROUSE
Seite 50
1772
EINFÜHRUNG
Seite 4
1271
1523
MARCO POLO
Seite 10
1492
VASCO
DA GAMA
Seite 26
1768
CHRISTOPH
KOLUMBUS
Seite 18
AMERIGO
VESPUCCI
Seite 30
GIOVANNI DA
VERRAZZANO
Seite 38
JAMES COOK
Seite 46
1497
ALEXANDER
VON
HUMBOLDT
Seite 54
1799
DAVID
LIVINGSTONE
Seite 62
NELLIE BLY
Seite 70
1889
FRIDTJOF
NANSEN
Seite 78
1893
ROALD
AMUNDSEN
Seite 82
1911
UMBERTO NOBILE
Seite 90
1852
1926
1804
1893
SONSTIGE
ENTDECKUNGEN
Seite 94
1914
1860
MERIWETHER LEWIS
UND WILLIAM CLARK
Seite 58
SVEN HEDIN
Seite 74
ERNEST
SHACKLETON
Seite 86
ROBERT O’HARA BURKE UND
WILLIAM JOHN WILLS
Seite 66
WER INS UNBEKANNTE REIST,
BRAUCHT MUT!
Man muss schon eine Menge Mut aufbringen, um sich auf eine lebenslange Reise zu begeben. Wenn du
über all diese Abenteuer von Menschen liest, die vor deiner Zeit die Welt erkundet haben, beneidest
du vielleicht GIOVANNI DA VERRAZZANO um den Moment, als er die Bucht erblickte, in der heute
New York liegt. Oder du stellst dir vor, wie rau das Leben der WIKINGER wohl war! Die
Welt war damals noch voller Rätsel. Darum wurden aus den Abenteurern mit ihren
von Sonne und Salzwasser zerfurchten Gesichtern allmählich Gelehrte,
die sich Fragen zu den Ursprüngen und Naturgesetzen der Erde
stellten und die Segel hissten, um ihnen auf den Grund zu
gehen.
Ein Beispiel dafür ist ALEXANDER VON HUMBOLDT, der Tausende
Kilometer zu Fuß zurücklegte und zahlreiche Naturphänomene
erkundete, aber auch FRIDTJOF NANSEN, der ein einzigartiges Schiff
zur Erforschung der Meeresströmungen entwarf.
Du wirst dir beim Lesen denken, wie kostbar das Leben
für diese Entdecker war. Dennoch setzten sie es aufs Spiel, um einem Ideal zu dienen,
ein Ziel zu erreichen, Grenzen zu überwinden und sogar ihre Freunde zu retten, wie im Fall
von ERNEST SHACKLETON.
UNTERSTÜTZUNG IST WICHTIG
Oft stellt man sich Entdecker als furchtlose Einzelgänger vor. In
Wirklichkeit jedoch waren sie nicht allein – die Eroberungen,
die heute den Namen ihrer Entdecker tragen, wären ohne
die Unterstützung anderer nicht möglich gewesen: Dazu
gehörten ihre Familien, Frauen und Kinder, die Seeleute
vom Schiffsjungen bis zum Koch, Könige und
Königinnen, die die Reisen finanzierten und auch
Einheimische, denen sie unterwegs begegneten.
Dieser Atlas ermöglicht uns auch einen
Blick auf das Leben dieser Menschen.
4
ZEIT
Aber wir werden in diesem Buch nicht nur von Menschen und Orten erzählen.
Es gibt einen weiteren wichtigen Faktor: die Zeit. Seit jeher nimmt der
Mensch Einfluss darauf. Die über Jahrhunderte entwickelten technischen
Neuerungen und Maschinen ermöglichen einen anderen Einsatz der Zeit.
Was früher ein Jahr dauerte, geschieht heute oft in einer Minute. Mit
einem Segelschiff war man nicht selten drei Jahre bis an den Zielort
unterwegs – für dieselbe Reise brauchten spätere Dampfschiffe nur noch wenige
Wochen. Die Eisenbahn machte zuvor fast unmögliche Reisen schnell und sicher. Mit einem Zug
hätten LEWIS und CLARK die Strecke, für die sie zu Pferd Monate gebraucht hatten, in nur wenigen
Tagen zurückgelegt.
Jules Verne erdachte in seinem Roman In 80 Tagen um die
Welt das, was NELLIE BLY, einer unerschrockenen Journalistin,
einige Jahre später in kürzerer Zeit gelang. Die Luftschiffe
von UMBERTO NOBILE und später die Flugzeuge zeigten
uns die Welt von oben: Der Mensch konnte fliegen! Von
da an schien alles möglich – sogar eine Landung auf dem
Mond …
ABENTEUER SIND TEIL DES LEBENS
In diesem Atlas wirst du erfahren, dass die Menschheit immer schon von Neugier getrieben war und die
Angst vor Gefahren niemals unseren Wissensdrang stoppen konnte. Abenteuer gehören Leben – und
vielleicht steckt auch in dir ein MAGELLAN! Du wirst in deinem Leben viele Dinge über dich selbst, die
Welt und die Zukunft entdecken. Falls dir das alles nicht genug ist, kannst du dich an das Unbekannte
wagen, denn im WELTRAUM gilt es noch viel zu entdecken …
UNENDLICHE WEITEN
WARTEN DARAUF,
ERFORSCHT ZU WERDEN!
5
DIE WIKINGER
»Unsere Wikinger-Vorfahren kamen schon vor Christoph Kolumbus nach Amerika, gingen aber zum Glück gleich wieder fort, denn sonst
würde heute die ganze Welt Isländisch sprechen.« Vigdís Finnbogadóttir, isländische Politikerin
Die Menschen hatten eine ganze Welt zu entdecken und seit
jeher zog es sie auf der Suche nach einem besseren Ort zum
Leben in die Ferne. Dabei hinterließen sie Spuren, im Guten
wie im Schlechten. In jedem Volk dieser Erde gab es den
Instinkt zu reisen und eigentlich müssten sie alle in
diesem Atlas genannt werden, von den Phöniziern
zu den Griechen, von den Arabern zu den Römern.
Aber wir beginnen mit dem Volk, dessen gesamte
Existenz sich auf der Eroberung unbekannter
Gebiete begründete: den Wikingern.
Ihr kämpferisches Wesen und ihre ausgeprägten
Fähigkeiten als Seefahrer in Verbindung mit
ihren hervorragenden Schiffen machten sie zu
den Herrschern der Meere.
Beim bloßen Anblick eines Wikingerschiffs erzitterten
die Küstenbewohner, denn sie wussten,
dass nichts deren Eroberungsdrang aufhalten würde.
Wikingerpiraten zerstörten die Küsten im Norden
des heutigen Frankreichs und Spaniens und drangen bis
ans Mittelmeer vor. Andere folgten auf der Suche nach
fruchtbaren Weidegebieten den Meeresströmungen, die
sie schon 500 Jahre vor Kolumbus von Grönland nach
Amerika führten. Sogar eine Kolonie hatten sie dort
aufgebaut.
VOR KOLUMBUS
Die Entdeckung Amerikas durch die
Wikinger, die in Geschichten wie
der Grönlandsaga und der Erikssaga
erzählt wurde, galt lange als
reine Fantasie, bis im Jahr
1961 zwei Archäologen die
Ruinen eines Wikingerdorfs
auf der Insel Neufundland
entdeckten.
WIKINGER, WARÄGER, NORMANNEN
Das gefürchtete Volk aus dem Norden hatte viele
Bezeichnungen, je nachdem, wo sie
sich niedergelassen
hatten: Im Süden
waren es Wikinger,
im Osten
Waräger und im
Mittelmeerraum
Normannen.
FESTUNGEN
Das Reich Karls des Großen erlitt
schwere Verluste während der
Wikingerzüge, bei denen ganze
Dörfer geplündert und zerstört
wurden.
Deshalb wurden an den Küstenstädten
wehrhafte Festungen errichtet.
6
GRÖNLAND
Die Reise beginnt
im Jahr 900
ISLAND
SKANDINAVIEN
NORDAMERIKA
ATLANTISCHER
OZEAN
NEUFUNDLAND
EUROPA
WIKINGERSCHIFFE
DIE WIKINGER
HEUTE
Im Wikingermuseum in Roskilde
in Dänemark kannst du auf einer
perfekten Nachbildung eines
Wikingerschiffs ausprobieren, wie es
ist, als Wikinger zu segeln.
Die Kriegsschiffe der Wikinger, Drakkar,
konnten gerudert und gesegelt werden. Die
im Durchschnitt etwa 20 m langen Schiffe
hatten einen geringen Tiefgang – reichten
also nur wenig unter die Wasseroberfläche –
und waren so leicht, dass sie an Land sogar
getragen werden konnten.
7
»Unser neues Dorf werden wir hier aufbauen.
Dieses blühende Land mit seinen vielen Bächen, Weiden und Wäldern wird unsere neue Heimat werden.
Ich denke an dich, mein lieber Vater. Es wäre so schön gewesen, diese Freude mit dir zu teilen. Aber dann fielst
du vom Pferd, was du als böses Omen, als Zeichen der Götter, sahst, weil du stur an deinem alten Glauben
festhieltest.
Du glaubtest, es würde bedeuten, dass du auf der Reise mit uns gen Süden gestorben wärst.
Es stimmt, von den ursprünglich 25 Schiffen segeln nur noch 14 und vielleicht wärest du mit einem Schiff
gesunken, aber vielleicht wäre Gott gnädiger gewesen, wenn du dabei gewesen wärest und wir hätten zusammen
dieses grüne Weideland erreicht. Vinland – wir werden dieses Land Vinland nennen: grünes Land.
Ich, Leif, Sohn von Erik dem Roten, werde meine Linie hier fortsetzen und alle töten, die versuchen, mich
aufzuhalten, werde mein Schwert ziehen gegen alle feindlichen Völker an den Küsten
und gegen jeden anderen, der vom Meer her kommt.«
Leif Eriksson
8
9
MARCO POLO
»Ich habe nicht einmal die Hälfte dessen erzählt, was ich auf meinen Reisen gesehen und getan habe.«
Unter all den Persönlichkeiten in diesem Buch ist Marco Polo vermutlich
der bekannteste Entdecker. Wohl jeder hat von seinen
Reisen von Venedig nach China gehört, die im Buch Die Wunder
der Welt beschrieben sind. Marco Polo ist nicht nur ein Entdecker,
er steht symbolhaft für die Menschen auf Reisen.
In jedem von uns steckt ein wenig von Marco Polo, wenn wir
wissensdurstig sind, wenn wir uns auf ein neues Projekt einlassen, wenn
wir unser Leben umkrempeln und in eine andere Stadt ziehen, wenn
wir unsere Kindheitsträume nicht aufgeben.
Marco Polo war der Sohn venezianischer Kaufleute. Im Jahr 1271,
als Venedig eine wichtige Handelsmacht war, machte sich Marco
mit seinem Vater Niccolò und seinem Onkel Matteo auf den Weg
entlang der Seidenstraße nach Cambaluc (Peking), der Stadt des
Großkahns Kublai Khan.
Der mächtige Herrscher des Orients begrüßte Marco in seinem Reich
und vertraute ihm wichtige diplomatische Missionen an. So bekam
er die Möglichkeit, das mongolische Königreich zu erkunden und
beobachtete dabei jedes Detail mit der Neugier eines Kindes.
Im Jahr 1295, fast 25 Jahre nach seiner Abreise, kehrte Marco Polo nach
Venedig zurück, gerade, als sich die Stadt im Krieg mit der anderen italienischen
Seemacht Genua befand. Er wurde festgenommen und kam ins Gefängnis.
Dort begegnete er Rustichello da Pisa, einem Schriftsteller, der in der Zeit seiner Gefangenschaft
all die unglaublichen Abenteuer niederschrieb, von denen Marco ihm erzählte.
GOLDENE TAFELN
Marco, sein Vater und sein
Onkel erhielten vom Großkhan
goldene Tafeln als Passierscheine,
die ihnen auf
ihren Reisen zahlreiche
Privilegien
sicherten und sie
vor Überfällen
bewahrten.
EINE SEHR LANGE REISE
Bei seinem Aufbruch war Marco Polo 17 Jahre alt. Drei Jahre
später erreichte er China und blieb am Hof Kublai Khans. Im
Jahr 1292, er war etwa 38, trat er die Rückreise nach Venedig an,
wo er 1295 ankam. Nach seiner Entlassung aus der genuesischen
Gefangenschaft kehrte Marco nach Venedig zurück, wo er im Alter
von 70 starb.
UNHEIMLICHE STIMMEN
IN DER WÜSTE GOBI
Während der 30-tägigen Durchquerung der Wüste
berichtet Marco von »geisterhaften Stimmen«.
Das Phänomen der singenden Dünen beruht auf
den Geräuschen, die entstehen, wenn Sandkörner
die Düne herabrutschen. Millionen von Sandkörnern
können zusammen eine Lautstärke von bis zu
100 dB erzeugen, etwa so laut wie eine Kreissäge.
10
Die Reise beginnt
im Jahr 1271
EUROPA
ASIEN
Venedig
MONGOLEI
WÜSTE
GOBI
Cambaluc
(heute Peking)
HIMALAJA-GEBIRGE
CHINA
Hinreise
Rückreise
INDIEN
Sonstige Reise
DIE SEIDENSTRASSE
Seide war neben Gewürzen und Juwelen eines
der wertvollsten Handelsgüter, das die Venezianer
im Orient kauften. Dieser edle Stoff
wird aus dem Kokon der Larven des
Seidenspinners gewonnen – ein Falter,
der sich von den Blättern des
Maulbeerbaums ernährt.
In China galt es als Hochverrat,
das Geheimnis über die Seidengewinnung
an Reisende weiterzugeben.
Das konnte mit dem Tode bestraft
werden.
MARCO POLO HEUTE
Von 1998 bis 2001 reiste Michael
Yamashita, Fotograf von National Geographic,
auf den Spuren Marco Polos und stellte
daraus eine wunderbare Bildreportage
zusammen, begleitet von den Beschreibungen
aus Marco Polos Buch.
VORBILD
Marco Polo ist ein Vorbild für alle, die von einem
friedlichen Zusammenleben zwischen den
Völkern unterschiedlicher Kulturen träumen.
In einer Zeit, in der Christen und Muslime sich
gegenseitig als Ungläubige bezeichneten, gelang
es ihm, zwischen Religionen und Kulturen
eine Brücke zu schlagen und ihnen die Vorzüge
der jeweils anderen Seite nahezubringen.
Kolumbus hatte auf seiner Suche nach dem Seeweg
nach Indien Marco Polos Buch bei sich. Es
hatte auch ihm als Inspiration gedient.
11
12
»Ich hatte die Brüder Polo um hundert christliche Priester und das Öl aus dem Heiligen Grab gebeten. Als sie sechs
Jahre später zurückkehrten, hatten sie eine kleine Flasche Öl und einen Jungen bei sich. Ich fragte, wo die Priester
seien, und sie antworteten, die wenigen, die sie hatten finden können, hätten die Reise nicht überlebt.
›Wer ist er?‹, fragte ich.
›Sein Name ist Marco. Als ich in Venedig eintraf, erfuhr ich, dass ich einen Sohn hatte, mein Herr‹,
antwortete Niccolò.
Der Junge hob den Kopf und schaute mir direkt in die Augen. Er war nicht ängstlich
wie all die anderen, die zu mir zur Audienz kamen, und sein lebhafter Blick faszinierte mich.
Ich bat ihn, mir von seiner Reise zu erzählen, von den Landschaften, die er gesehen hatte.
Er holte Luft und begann, mit seinen Worten ein Bild zu malen, zeigte mir die Bilder,
Gerüche und kleinste Details jener Orte, die ich als Junge mit meinem Großvater
Dschingis Khan besucht hatte. Schon lange war ich nicht mehr so bewegt. Er hatte
ein besonderes Talent, weshalb ich ihn sogleich mit diplomatischen Aufgaben
in die Mongolei sandte, sodass er mir bei seiner Rückkehr darüber
berichten konnte.«
Kublai Khan
13
ZHENG HE
»Wir segelten über endlose Meere und beobachteten die Wellen.
Wir blickten in ferne Regionen, die im bläulichen Dunst verborgen lagen.«
Anfang des 15. Jahrhunderts beschloss der chinesische Kaiser Yongle, die größte
Flotte der Welt zu bauen, bestehend aus dreihundert Dschunken! Jedes Schiff
sollte Hunderte Männer transportieren, insgesamt rund 28.000 Menschen –
wahrlich eine schwimmende Stadt. Kommandiert wurde diese Schatzflotte
von seinem alten Freund Zheng He, der dafür zum Admiral ernannt
worden war. Die Flotte sollte auf Expedition gehen, um die chinesische
Vorherrschaft über die bekannten Völker und ihre Herrscher zu festigen.
Zheng He führte in drei Jahrzehnten sieben Reisen durch, gelangte
nach Indochina, Malakka und an alle Küsten des Indischen Ozeans
von Indien bis zur Arabischen Halbinsel den ganzen Weg bis zur
Ostküste Afrikas. Mit 60 Jahren starb Zheng He auf Reisen und
wurde – wie es unter Seeleuten üblich war – unter großen Ehren
auf See bestattet.
ZHENG HE HEUTE
Mehr als 16.000 km folgte
Michael Yamashita – der Fotograf
von National Geographic, der auch
Marco Polos Reise dokumentierte,
den Spuren Zheng Hes von der
chinesischen Provinz Yunnan
bis an die Küsten Afrikas.
ZEBRA UND GIRAFFE
An Bord befanden sich reichlich Geschenke
als Zeichen der Freundschaft
für die besuchten Völker, die ihrerseits
ebenso exotische Präsente machten.
Besonders erfreut war der chinesische
Hof über ein Zebra und eine Giraffe,
ein Geschenk eines afrikanischen
Stammeshäuptlings.
Zheng He nutzte jedes Ziel als gute Gelegenheit,
um diplomatische und wirtschaftliche
Beziehungen zu knüpfen.
14
EUROPA
Die Reise beginnt
im Jahr 1405
ASIEN
CHINA
Nanjing
JAPAN
ARABISCHE
HALBINSEL
INDIEN
PAZIFISCHER
OZEAN
PHILIPPINEN
AFRIKA
INDONESIEN
INDISCHER
OZEAN
AUSTRALIEN
STRATEGISCHE MISSIONEN
Dies war das erste und letzte Mal, dass China Gebiete außerhalb der eigenen Grenzen erkundet
hat. Bis ins 19. Jahrhundert galt den Chinesen ihr Reich als Mittelpunkt der Welt und sie
waren überzeugt, dass außerhalb davon nichts Bedeutendes existieren konnte. Bei Zheng
Hes Mission ging es nicht um Entdeckungen – die Routen waren allseits bekannt. Vielmehr
ging es um neue Bündnisse und eine Ausweitung des chinesischen Einflusses.
DSCHUNKEN
Die fast vollständig aus Bambus
gebauten Schiffe waren
sehr leicht.
Das Flaggschiff von Zheng
Hes Flotte war mit 140 Meter
Länge ein Gigant der Meere.
Kolumbus’ Karavelle dagegen
war nur 40 Meter lang.
15
»China ist eine große Macht, das Zentrum der Welt. Kunst, Kultur und Schönheit
sind hier zu Hause, nie gelangte etwas von jenseits unserer Grenzen zu uns, dessen
Qualität sich messen kann mit dem, was wir in unserem Reich herstellen. Der
Yongle-Kaiser hat die kaiserlichen Kassen geleert, um Zheng Hes Flotte zu bauen.
Unsere Werften haben ein wahres Meisterwerk geschaffen. Die Barbaren mussten
nur das Flaggschiff sehen und schon verneigten sich ihre Könige und Königinnen
vor der chinesischen Macht. Nie war es notwendig, die Hunderten von Soldaten
an Bord einzusetzen, denn nie erhob jemand die Hand oder zog ein Schwert. Jene
Flotte war wie ein Stiefel mit Metallkappe, der eine Ameise zertrat. China bezwang
die Barbaren.
Doch nun ist es damit genug! Yongle ist tot, ich bin der neue Kaiser und ich
habe nicht die Absicht, weiter Geld dafür zu verschwenden, dass Tausende von
Männern auf Schiffen umherziehen, um zu sagen, dass China groß ist. Jeder weiß
das! Wozu sollte das gut sein? Um irgendeinen erbärmlichen Handelsvorteil zu
erhalten? Um dumme Geschenke mit in die Heimat zurückzubringen? Zerstört
die Flotte! Ich werde all jene Männer und die kaiserlichen Gelder dazu einsetzen,
unsere Grenzen zu stärken und neue Paläste zum Ruhme Chinas und meiner
Dynastie zu errichten.«
Kaiser Xuande
16
17
CHRISTOPH KOLUMBUS
»Das Meer wird allen neue Hoffnung bringen, so wie der Schlaf die Träume bringt.«
Früher glaubte man, die Erde sei eine Scheibe, das Gegenteil zu behaupten, war verboten.
Als die Menschen aber dann endlich davon überzeugt waren, dass die Erde eine
riesige Kugel ist, begann Christoph Kolumbus, eine große Expedition zu
planen: Er wollte nach Westen über den Ozean in unbekannte Regionen
segeln. Er glaubte, wenn er nach Westen um die Erdkugel segelte, musste er
früher oder später die reichen Länder des Orients erreichen. Dadurch würde
der bisher nötige Seeweg kürzer und sicherer werden.
Dem spanischen Königspaar gefiel die Vorstellung, Zugriff auf die
Kostbarkeiten zu haben, von denen Marco Polo erzählt hatte: wertvolle
Stoffe, Gewürze, Gold und Juwelen. Und so finanzierten sie das Unternehmen
und gaben dem aus Genua stammenden Seemann drei Schiffe, auf denen
Kolumbus am 3. August 1492 von Palos in See stach.
Als nach mehr als zwei Monaten auf See Land in Sicht war, war
Kolumbus sicher, dass sie Indien erreicht hatten und seine Theorie
stimmte. Deshalb nannte er die Einwohner jener Gebiete Indianer.
Niemand wusste damals, dass westlich von Europa noch
ein Kontinent lag: Amerika.
GOLD UND GEMETZEL
In der Vergangenheit ging es bei Entdeckungsreisen
nicht um das Streben. nach neuem
Wissen, wie wir gern denken. Vielmehr
wurden die Einheimischen häufig zu Tausenden
getötet und ausgeraubt, weil
gierige Herrscher Seefahrer losschickten,
um Gold, kostbare Edelsteine
als Trophäen aus fernen
Ländern in die Heimat zu
bringen.
DIE WELT WIRD GRÖSSER
Oft heißt es, Kolumbus habe Amerika entdeckt.
Richtiger wäre es zu sagen, dass
er der erste Europäer war, der dort an
Land ging und dann wieder heimkehrte.
Bis zu seinem Tod war Kolumbus überzeugt,
in Asien gewesen zu sein. Amerigo Vespucci
war es, der erkannte, dass jene Gebiete einen
neuen Kontinent darstellten. Man könnte sagen,
dass Kolumbus dazu beigetragen hat, die
Welt auszudehnen.
CHRISTOPH KOLUMBUS HEUTE
Schlägt jemand eine verblüffend einfache Lösung für ein Problem vor, sagt
man, er habe »das Ei des Kolumbus« gefunden. Der Legende nach machten
sich bei einem Gastmahl zwei Spanier über seine Unternehmungen lustig.
Kolumbus bat sie, ein Ei so auf den Tisch zu stellen, dass es stehen blieb.
Keinem gelang es, sodass Kolumbus das Ei nahm, an einer Seite leicht
eindrückte und es so zum Stehen brachte. Er zeigte: derjenige gewinnt,
dem die Antwort als Erstem einfällt – auch wenn sie offensichtlich ist.
18
Die Reise beginnt
im Jahr 1492
NORDAMERIKA
EUROPA
ATLANTISCHER
OZEAN
Lissabon
Palos
AFRIKA
SÜDAMERIKA
KARAVELLE
Von den drei berühmten
Karavellen war die
Niña Kolumbus’ Lieblingsschiff.
Er nutzte sie
auf allen vier Reisen und
legte über 25.000 Seemeilen
mit ihr zurück, das ist
mehr als einmal um die
ganze Erde.
Auf seiner ersten Expedition
waren sowohl die
Pinta als auch die Santa
Maria vom Pech verfolgt.
Das erste Schiff wurde
während einer Meuterei
gestohlen und das zweite
sank in der Weihnachtsnacht
des Jahres 1492.
19
20
»Oh, großer Schamane, die Große Mutter hat mir eine Vision aufgezeigt und ich stehe hier, um über das,
was ich erlebt habe, zu berichten. Ich suchte gerade für mein neues Schiff den richtigen Baumstamm und
hatte schon einen großen Teil des Waldes erkundet, als mir ein Freund erzählte, er habe unweit der Küste
eine wunderbare Ulme gesehen, in der Nähe des goldenen Strands, nur zwei Tagesmärsche von unserem
Dorf entfernt. Und so, großer Schamane, fand ich jene Ulme und wollte sie gerade fällen, als ich mehrere
große Schiffe erblickte, die mit gewaltigen weißen Segeln auf die Küste zuhielten. Ich schaute voller Furcht
zu, nie zuvor hatte ich so gezittert, nicht einmal, als vor drei Monden das Dorf niederbrannte. Der Bauch
jener Schiffe brachte ein kleineres Boot hervor mit Menschen darauf, die uns ähnlich sind, jedoch mit
einer Haut, die so weiß wie die Sonne war und auf eine Art gekleidet, die ich nicht beschreiben könnte. Ich
sah noch, wie sie aus dem Boot stiegen, sich hinknieten und den Sand küssten und rannte, so schnell ich
konnte, zum Dorf, um alle zu warnen.
Die Götter, die Götter der Meere sind zu uns gekommen! Sie werden unser Leben für immer verändern.
Eure Prophezeiung hat sich erfüllt! Aber, oh, großer Schamane, es steht mir nicht an, dies zu sagen. Nur Ihr
mit Eurer Weisheit könnt bestätigen, dass ich die Wahrheit spreche. Bitte kommt mit mir, ich führe Euch an
den Ort, an dem alles begann.«
Arowak, ein amerikanischer
Ureinwohner
21
GIOVANNI CABOTO
»Der Venezianer Giovanni Caboto und sein Sohn Sebastiano […] entdeckten das Land,
das niemand zuvor gefunden hatte […]. Sie nannten es Prima Vista, denn es war das erste Land,
das sich vor ihren Augen aus dem Meer erhob.« Sebastiano Caboto
Nicht immer sind alle Details über Entdeckungsreisende historisch
belegt, so weiß man etwa nicht genau, wo Caboto geboren wurde. Fest
steht jedoch, dass Kolumbus’ Reisen ihn so beeindruckt hatten, dass er
beschloss, es ihm nachzutun: Auch er würde die Erde umsegeln, nicht
um Indien zu erreichen, sondern den Fernen Osten!
Seinen Berechnungen zufolge zufolge musste er dazu viel weiter
nördlich als Kolumbus segeln. Daher beschloss er, Englands König
Heinrich VII. um Erlaubnis zu bitten, von der Küste seines Reichs aus
die Reise antreten zu dürfen. Und so stach er mit 18 Seeleuten und einem
einzigen Schiff am 20. Mai 1497 von Bristol in See. Nach 35 Tagen
erreichte das Schiff das heutige Nova Scotia und einige Tage später
Neufundland. Caboto wusste es damals nicht, aber er hatte soeben
Kanada entdeckt!
Nach dem Erfolg seiner ersten Expedition machte sich
Caboto gleich an die Vorbereitungen einer zweiten, noch
ehrgeizigeren: Der König gewährte ihm fünf Schiffe und
200 Männer. Dieses Mal aber setzte Cabotos Mannschaft
die Segel und kehrte nie wieder zurück …
DIE INUIT
Sebastiano, Cabotos Sohn, wurde später
selbst Forschungsreisender, erkundete
auf Grönland Gletscher und Eisberge
und suchte nach einer Nordwestpassage,
was ihm jedoch nicht gelang. Er war der
erste Weiße, den die Inuit, die Menschen
aus dem Eis, zu Gesicht bekamen.
22
GIOVANNI CABOTO
HEUTE
In Nova Scotia sind viele Stätten nach diesem
großartigen italienischen Seefahrer benannt,
Brücken, Straßen, touristische Routen und
natürlich der Ort, an dem er gelandet sein soll:
Cabot’s Landing. Alljährlich finden vor
seinem Denkmal Feierlichkeiten
anlässlich seiner Landung statt.
ZWEI KOMPASSE,
MINDESTENS!
Die Hilfsmittel für die Seefahrt waren
recht primitiv und daher eher
unpräzise. Auch Kompasse, mindestens
zwei pro Schiff, mussten regelmäßig
neu magnetisiert werden und
nur selten ergaben die gleichzeitig
mit zwei verschiedenen Kompassen
durchgeführten Berechnungen dasselbe
Ergebnis.
GRÖNLAND
Die Reise beginnt
im Jahr 1497
ISLAND
SKANDINAVIEN
NORDAMERIKA
ATLANTISCHER
OZEAN
Bristol
ENGLAND
NEUFUNDLAND
EUROPA
MATTHEW
Das Schiff, mit dem
Caboto in See stach,
hatte er zu Ehren
seiner Frau Mattea
Matthew getauft.
23
»Ich erinnere mich gut an das zarte Gesicht meiner Mutter, wenn jemand den
Namen unseres Schiffes aussprach. Mein Vater Giovanni hatte mir erlaubt, ihn zu
begleiten, und ich war stolz darauf.
Ich hörte, wie er gegenüber zwei Mitgliedern der Besatzung mit meinen
seefahrerischen Kenntnissen prahlte. Tatsächlich konnten nur wenige an Bord
Karten so gut lesen wie ich. Wohl jeder Vater hegt die Hoffnung, sein Sohn werde in
seine Fußstapfen treten. Ich liebe dieses Leben, wie ein Verrückter. Denn wer sonst
könnte ein solch rastloses Leben lieben, ständig am Abgrund von Scheitern und
Tod, voller Hungerqualen, die nicht durch Sättigung überwunden werden, sondern
durch den Ekel vor den Vorräten im Laderaum. Ich liebe dieses Leben zwischen
Himmel und Meer, Sternen und Brandung. Auf der Suche nach dem Unbekannten,
das sich als erstaunlich oder furchteinflößend herausstellen kann, Gold oder Pfeile,
Vergessenheit oder Ruhm mit sich bringen kann.
Ich habe Glück, einen solchen Vater zu haben. Oft denke ich: Was wäre aus mir
geworden, wenn ich nicht als Sohn eines großen Entdeckers geboren worden wäre?«
Sebastiano Caboto
24
25
VASCO DA GAMA
»Die Dunkelheit fürchte ich nicht. Ich ziehe den Tod einem nicht gelebten Leben vor.«
Vasco da Gama war der Sohn eines portugiesischen Seefahrers. Damals waren die
Seefahrer alle von einem Gedanken besessen: neue Wege zu den Schätzen
des Orients zu finden. Bis dahin konnte man diese Güter nur von den
Arabern oder den Venezianern kaufen, die geschickte Kaufleute waren.
Vascos Vater, Estêvão, hatte sich zum Ziel gesetzt, eine neue Seeroute
zu finden, einen Weg, der die portugiesischen Schiffe direkt nach Indien
führen sollte. Kurz vor der Abreise erkrankte er jedoch und starb, weshalb
man seinen Sohn bat, die Leitung der Expedition zu übernehmen.
Von Portugal aus fuhren sie nach Süden und mit der Hilfe eines erfahrenen
Steuermanns, Bartolomeo Diaz, umschifften sie die Südspitze Afrikas.
Mit der Strömung segelten sie von dort zur Arabischen Halbinsel
und erreichten dann Indien, geführt von einem arabischen Steuermann.
Die Nachricht vom Erfolg Vasco da Gamas wurde in seiner Heimat
gefeiert und er wurde bei seiner Rückkehr als Held empfangen.
Endlich konnte auch Portugal an die wertvollen Güter gelangen,
die den König noch reicher machen würden.
Vasco da Gama, der zum Vizekönig von Indien ernannt wurde,
machte die Reise noch zweimal, wurde dann aber krank und
starb 1524 in seinem Haus in Kochi, Indien.
PFEFFER
Es mag absurd klingen, dass Menschen ihr Leben für Gewürze riskierten. Für
uns ist es ein seltsamer Gedanke, dass Pfeffer früher eine ähnliche Gier in den
Menschen hervorrief wie heute Erdöl, aber er galt als Luxusgut und seine antibakteriellen
Eigenschaften machten frisches Fleisch länger haltbar,
denn eine Kühlung gab es noch nicht. Außerdem wirkte er gegen
den fauligen Geruch.
MANCHMAL HILFT EIN NAME …
Das Kap der guten Hoffnung hieß ursprünglich
Kap der Stürme. Vasco da Gama aber
gab ihm einen anderen Namen, um den Matrosen
Mut und Zuversicht einzuflößen.
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Die Reise beginnt
im Jahr 1497
EUROPA
ASIEN
Lissabon
ARABISCHE
HALBINSEL
INDIEN
Goa
AFRIKA
Kochi
VASCO DA
GAMA HEUTE
Noch heute findet jährlich
am 9. September, dem
Jahrestag seiner Rückkehr
nach Portugal, in Lissabon
ein Fest statt.
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»Ein Held. Dieselben Männer, die zu Beginn der Reise nicht an ihn
glaubten, zitterten, als sie den Indischen Ozean zum ersten Mal
sahen, dieselben Männer, die sich vor Seeungeheuern und Sirenen
fürchteten, nannten ihn einen Helden, sobald sie Land betreten
hatten. Er, Vasco da Gama, schroff und ehrgeizig wie alle Seefahrer,
zeigte den Anflug eines Lächelns unter seinem schwarzen Bart.
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Sie sagen, ihm sei es gelungen, eine neue Handelsroute für den Transport von Stoffen und Gewürzen
aus Indien zu finden. Und so war es auch, nur war es nicht allein sein Verdienst.
Die Idee zu dieser Reise kam von seinem Vater. Er erzählte mir, dass die Umrundung des Kaps der
Guten Hoffnung neben seinen eigenen seemännischen Fähigkeiten auch dank der Unterstützung von
Bartolomeo Diaz gelang. Dann kam er zu mir, um mich zu überzeugen, mit ihm zu kommen und ihm
zu helfen, die Meere des ihm unbekannten Indischen Ozeans zu bändigen.
Ich, Ahmad ibn Mājid, genannt ›Der Löwe des Ozeans‹, zeigte ihm die Karten, sagte die Winde voraus,
legte die Routen fest: Nun werden ihm die Ehren zuteil, wie einem Kapitän, der einen bereits von
Harpunen geschwächten Wal fängt.
Ich weiß, welchen Anteil ich habe, und bin stolz darauf.
Ich werde in den Jemen zurückzukehren und mit meiner Belohnung den Rest meiner Tage genießen.«
Ahmad ibn Mājid
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AMERIGO VESPUCCI
»Was ich sah, waren … viele Papageien so vieler unterschiedlicher Arten, dass es wie ein Wunder war. Einige waren
grün, andere zitronengelb und wieder andere schwarz und wohlbeleibt. Der Gesang der anderen Vögel in den
Bäumen war so zart und melodisch, dass wir oft innehielten, um diesen Klängen zu lauschen.
Die Bäume, die ich sah, waren von solcher Schönheit und Anmut, dass wir meinten, den Himmel
auf Erden gefunden zu haben …«
Amerigo Vespucci war Kolumbus in der spanischen Bank begegnet, für die er
arbeitete und die einen Teil der Expedition finanziert hatte.
Irgendetwas an Kolumbus’ Routen schien ihm zu schaffen zu machen. Seine
Leidenschaft für Geografie zusammen mit seinen Berechnungen weckten
Zweifel, die sich rasch zu einer Besessenheit entwickelten. Sicher, Kolumbus
hatte ein fernes Land erreicht, aber Vespucci zufolge war dies nicht Indien,
sondern vielmehr eine neue Welt, ein vierter Kontinent, den es noch zu
erkunden galt!
Er gab seine Arbeit auf, um seiner Intuition zu folgen, und bat König Ferdinand II.
von Aragon, die Expedition zu finanzieren. Der König vertraute ihm, und im Jahr
1497 setzte Vespucci die Segel für seine erste Reise.
Er folgte Kolumbus’ Route und entdeckte Lagunen, die an
Venedig erinnerten, weshalb er das Land Venezuela nannte.
Er drang bis zur Mündung des Amazonas vor, beschrieb detailliert
die Pflanzenwelt und die Menschen, denen er begegnete. Auch
den Himmel erforschte er und entdeckte Konstellationen, die
von den heimischen Breitengraden aus nicht zu sehen waren.
BRIEFE
Noch heute ist nicht gesichert,
wie viele Reisen
genau Amerigo Vespucci
zum neuen Kontinent
unternahm. In Briefen ist
die Rede von vier Reisen,
von denen zwei
allerdings nicht zweifelsfrei
belegt sind.
DER NAME »AMERIKA«
Es war nicht Vespucci selbst, der Amerika so nannte, sondern
vielmehr der deutsche Kosmograf Martin Waldseemüller,
der diesen Namen 1507 erstmals auf einer Landkarte
festhielt.
DAS KREUZ DES SÜDENS
Amerigo Vespucci war der erste Europäer, der so weit westlich
segelte, dass die Sternenkonstellation zu sehen war, die er
das Kreuz des Südens nannte.
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EUROPA
NORDAMERIKA
Lissabon
Cádiz
ATLANTISCHER
OZEAN
AFRIKA
VENEZUELA
SÜDAMERIKA
Die Reise beginnt
im Jahr 1497
Erste Reise
Zweite Reise
AMERIGO
VESPUCCI HEUTE
1931 lief in Italien ein nach
dem florentinischen Entdecker
benanntes Segelschiff vom Stapel.
Es diente als Segelschulschiff der
italienischen Marine und galt als
das schönste Schiff der Welt.
31
32
»Wir haben den Atlantik überquert und segeln nun an einer Küste
entlang, die unser Kapitän für unberührtes Land hält. Ich habe
mein halbes Leben auf Schiffen verbracht, habe als Schiffsjunge
angefangen und bin jetzt Koch, aber noch nie habe ich solche
Landschaften gesehen.
Die ganze Küste ist wild, keine Anzeichen von Mauern oder Städten,
keine Glockentürme oder andere Türme, überall nur grüner Wald,
der bis ans Meer reicht.
Gestern begegneten wir zum ersten Mal Bewohnern dieser Gegend:
Sie waren uns sehr ähnlich, wenn auch völlig nackt.
Als wir von Bord gingen, um Vorräte zu besorgen, liefen einige von
ihnen weg, andere kamen näher und gaben seltsame Geräusche
von sich, die keinerlei Ähnlichkeit mit einer uns bekannten Sprache
hatten. Sie boten uns Früchte an, die wir nie zuvor gesehen hatten,
saftig und süß, duftende Kräuter und Gemüse in seltsamen Farben –
ich würde sie gern zubereiten, wüsste aber nicht, wo ich beginnen
sollte. Nachts sahen wir vom Schiff aus die Feuerstellen in ihren
Dörfern, man hörte Menschen singen, es klang fröhlich, aber wir
täten besser daran, diesen Wilden nicht zu trauen.«
Antonio,
der Schiffskoch
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FERDINAND MAGELLAN
»Die Kirche behauptet, die Erde sei flach, aber ich weiß, dass sie rund ist, denn ich sah ihren Schatten auf dem Mond.«
Im Jahr 1519 trug der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan
dem spanischen König Carlos I. eine einzigartige Unternehmung
vor: eine Weltumsegelung. Dazu musste er zunächst den neuen
Kontinent erreichen, dort der Küste in südlicher Richtung folgen
und dann eine Passage nach Westen zum Indischen Ozean finden.
Magellan stach mit fünf Segelschiffen und 250 Männern an
Bord in See und hatte von Anfang an mit zahlreichen Hindernissen
zu kämpfen: Es kam zu einer Meuterei, eines der Schiffe
ließ ihn im Stich und ein anderes sank. Trotz allem gelang es ihm
schließlich, südlich des amerikanischen Kontinents einen Seeweg
nach Westen zu finden, die heutige Magellanstraße.
Er überquerte den Pazifischen Ozean, friedlicher Ozean,
den er so nannte, weil er leicht zu überqueren war.
Schließlich erreichte er die Philippinen, deren Eingeborene
ihm feindlich gesonnen waren und ihn während
eines Aufstands töteten. Nach Magellans Tod
kam es zu weiteren Verlusten und nur eines der fünf
Schiffe kehrte 1522 nach Spanien zurück.
MEUTEREI!
Durch die schrecklichen Lebensbedingungen an
Bord der Schiffe kam es oft zu Konflikten innerhalb
der Mannschaft, was zu Protesten und sogar Meuterei
führte. Wer meuterte, riskierte die Todesstrafe.
Magellan gelang es, die Meuterei zu verhindern.
CHRISTENTUM
Die Seefahrer versuchten oft, die Eingeborenen
zum Christentum zu bekehren.
Auf der Insel Mactan wurde
Magellan bei einem dieser Bekehrungsversuche
getötet.
EINMAL UM DIE WELT
Magellans Expedition war die erste
Umseglung der Welt, was dazu
beitrug, falsche Vorstellungen zu
korrigieren und das Bild der Erde
als Kugel zu festigen.
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Die Reise beginnt
im Jahr 1519
EUROPA
NORDAMERIKA
Sevilla
ASIEN
PAZIFISCHER
OZEAN
AFRIKA
Magellans
Sterbeort
SÜDAMERIKA
AUSTRALIEN
Magellanstraße
ANTARKTIKA
FERDINAND
MAGELLAN
HEUTE
Ein chilenischer
Geschäftsmann finanzierte
im Jahr 2006 einen
Nachbau der Victoria, das
erste Schiff, das die Welt
umsegelte. Zu sehen ist es
heute im Hafen von Punta
Arenas in Chile.
35
»Ich kenne dich gut, blau und unermesslich – verbrachte ich doch mehr Zeit meines Lebens auf deinen
Wellen als in den matschigen Straßen der Stadt. Deine Wogen, mal azurblaue, anmutige, kleine Wellen,
mal gewaltig Berge. Manchmal gibt es keine Wellen und man segelt wie auf einer spiegelglatten Fläche,
unter der sich das Meer in seiner Tiefe mit seinen Geschöpfen offenbart – dies ist die neue Welt, die wir
erkunden sollten!
Eine stille, unheimliche Welt, in der es statt Wind Wasser gibt, lebendiges Wasser, das dich bei Sturm
verschlingt – du fühlst dich darauf wie ein tanzender Floh, auf den es alle abgesehen haben: das Meer
und der Wind, der Regen und die Wolken, der Donner und der Blitz.
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Meer, Ozean … wie oft habe ich dich in diesen Jahren geschmeckt, ja, ich habe dich gekostet, und immer
war es anders. Süßer im Norden, salziger im Süden und manchmal bitter, immer aber angenehm.
Mein Schiff kann dich nicht verletzen, die Spur, die es hinterlässt, schließt sich sofort wieder.
Du, Meer, und ich, wir brauchen einen Hafen, ein Ufer.
Ich, um anzulegen und der Welt von dir
zu berichten, und du,um uns aufs Neue
dazu zu drängen, die Segel
zu setzen und noch mehr
deiner Geheimnisse zu
entdecken.«
Ferdinand
Magellan
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