UNO — Amici 72 Geld verdienen, von dem ich immer am liebsten gleich das Doppelte investieren würde, um noch besser voranzukommen. Müssten wir mit unseren Weinen kein Geld verdienen, mir würde es noch besser gehen. Haben Sie schon einmal von einem Wein geträumt? Von einem existierenden Wein, ja. Von einem nicht existierenden Wein, nein. Geträumt habe ich immer davon, etwas zu erschaffen, das mich überdauert, das bleibt und das die italienische Weinwelt verändert. Sind alle Ihre Träume realisiert? Nein, da gibt es noch viel zu tun. Zum Beispiel? Die neue önologische italienische Weinwelt ist vergleichsweise jung, sie ist 50 Jahre alt und ich hatte Glück, von der Gruppe der 10 oder 15 Personen, die für dieses Rinascimento verantwortlich sind, der Jüngste zu sein. Italien muss sich international noch viel mehr Respekt verschaffen, auch davon träume ich. Wer hat Ihnen geholfen? Luigi Veronelli. Er war kein Journalist und auch kein Schriftsteller. Er war Philosoph. Ein Anarchist. Er war für mich wie ein Vater, weil er mir die echten Werte des Bodens gelehrt hat. Mein Vorteil war auch, dass ich im Weinbau keine Vorfahren hatte, ich konnte also von Anfang an alles anders machen – so, wie ich es wollte. Ihr Vater hätte Sie lieber in seiner Spedition gesehen. Ja, aber die Arbeit bei ihm hat mir nicht zugesagt. Ich war kein guter Schüler und ich habe nie etwas gemacht, das mir nicht gefallen hat. Trotzdem hat mich mein Vater, der mit Wein nichts am Hut hatte, unterstützt. Wenn man Sie mit der KTM durch den Rebberg schiessen sieht, liegt die Feststellung nahe: Sie sind ein Draufgänger. Früher war ich das. Jetzt etwas weniger. Mit der Zeit reift alles, auch der Wein. Wie könnte man die perfekte Perlage beschreiben? Sie bringt Freude und Fröhlichkeit mit sich und ist für mich ein Multiplikator von positiven Emotionen. Wie stehen Sie zu Champagner? Champagner ist einer meiner Lieblingsweine. Wirkt sich Terroir auf den Charakter von Schaumweinen expliziter aus als das bei stillen Weinen der Fall ist? Das Wort Spumante kenne ich nicht. Die Methode ändert im Übrigen auch nichts, Herkunft sagt alles. Ob ein Wein als Rotwein, Weisswein oder Schaumwein im Supermarktregal steht, interessiert mich nicht. Solche Kategorien sind für Commodities gemacht worden, die dem Kunden berechtigterweise eine Einordnung bieten sollen. Ein Weinkenner verlangt indes immer nach der Provenienz. Nach einem Chianti, einem Bordeaux oder einem Franciacorta. Anders gefragt: Wie unterscheidet sich Chardonnay aus der Franciacorta von jenem der Côtes des Blancs? Sie sind komplett anders. Für das magische Wort Terroir gibt es leider nicht einmal eine italienische Übersetzung. Terroir besteht aus einer geografischen, einer geologischen, einer klimatischen, einer sozialen und einer ökologischen Positionierung. Wenn ein Bereich fehlt, sprechen wir nicht mehr von Terroir. Also kann man Bolgheri nicht mit Chianti vergleichen, auch wenn die beiden Terroirs sehr nahe beieinander liegen. Wir Winzer haben einen unglaublichen Vorteil gegenüber allen anderen Landwirten. Wir haben Etiketten, auf denen wir unsere Herkunft nicht nur nennen, sondern dank denen wir unsere Erzeugnisse auch aufwerten können. Ein Salatproduzent kann das nicht oder nur sehr viel schlechter tun als wir. Wenn Sie an die Zeit mit Monsieur André Dubois, dem ehemaligen Kellermeister von Dom Pérignon, denken, der bei Ihnen die ersten Flaschen eigenhändig verkorkt und konfektioniert hat, was denken Sie, was ist von ihm geblieben? Diese gewisse Sturheit. Aber auch Tradition, Rigorosität und Respekt sind geblieben. Eine respektvolle Haltung finden Sie in allen unseren Weinen. Welchen önologischen Trend machen Sie nicht mit? Wenn man «önologische Methoden» sagt, denkt man an den Menschen, der etwas erfunden, erforscht und erprobt hat, der eine Tradition entwickelt hat. Was wir nicht tun ist, dass wir den Menschen ausklammern und nichts tun. Denn wenn es den Menschen nicht gibt, entsteht Essig und nicht Wein. Also fragen Sie mich bitte nicht, ob wir Naturweine machen, wenn es so etwas überhaupt gibt. Wir machen grosse Weine. Seit 2019 sind alle Ihre 240 Hektar Reben biozertifiziert.
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