Mitteilungsblatt Wendelstein+Schwanstetten - Dezember 2022
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BÜRGERINITIATIVE
Reichswald bleibt e.V.
Fledermäuse auf der MUNA im Stresstest
Im Spätherbst, das gehört zum Grundschulstoff, bereiten viele
Tierarten ihr Winterquartier vor. Besonders diejenigen, die in
den kalten Monaten ihre System herunterfahren, vertragen jetzt
Störungen noch weniger als sonst. Fledermäuse zum Beispiel,
und mehr noch als andere, halten sie doch in wenigen Wochen
wirklichen Winterschlaf (oder besser 'Winterlethargie') und keine
Winterruhe wie etwa Bären.
Das heißt: In diesen letzten Wochen, in denen es noch Insekten
gibt, gehen Fledermäuse aufs Ganze und fressen bis zu einem
knappen Drittel ihres Körpergewichts als Vorrat für den Winter an,
ehe sie in ihren Winterquartieren die Herzfrequenz herunterfahren
auf mitunter nur 10 Schläge pro Minute (von zuvor etwa 600), die
Körpertemperatur auf drei bis fünf Grad regulieren und auch die
Atmung stark verlangsamen. Fledermäuse nehmen weiterhin wahr,
was um sie herum passiert, und doch wachen sie kaum auf in den
kommenden Monaten, und wenn, dann nicht, um zu fressen. Welche
Insekten sollten sie auch jagen im Winter.
Wachen sie doch auf, geht das auf Kosten ihrer Reserven. Schon
aus ganz normalen Wintern kommen Fledermäuse mit deutlich
geringerem Körpergewicht. Werden sie mehrmals gestört oder
mussten gar währenddessen umziehen, wirkt sich das aus, und es
braucht kein Expertenwissen, um die Folgen zu ahnen.
So wie auch die Information über die Gewohnheiten der heimischen
Fledermausarten kein Staatsgeheimnis sind. Was oben
steht, ist den betreffenden Seiten des Bund Naturschutz und des
NABU entnommen, im letzten Fall dessen nordrhein-westfälischer
Interpräsenz. Doch dort dürfte die gegenwärtige Jahreszeit genauso
die sensibelste für Fledermäuse sein wie in Bayern.
Kurz gesagt, nach dem 1. Oktober stört man sie nicht mehr. Nicht
in NRW, nicht in Bayern, nicht auf der MUNA.
Das weiß auch die Deutsche Bahn. In den Gutachten, die sie selbst
dem Raumordnungsverfahren zum ICE-Werk vorlegt, sind gut
75 % des MUNA-Gebiets als "wertvoller Lebensraum" von gesichert
vorkommenden Fledermausarten vermerkt, darunter Arten
wie Deutschlands größte Fledermausart, der Große Abendsegler,
oder besonders bedrohte wie die Mopsfledermaus. Dieser Art wird
zudem eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Raumeingriffen
bestätigt. Durch das Auftragsgutachten der Bahn selbst, nicht nur
auf Internetseiten von Naturschutzorganisationen.
Ihr Winterquartier haben Fledermäuse gerne kühl, auf jeden Fall
aber trocken und weitestgehend frostfrei. Manche Arten bevorzugen
verlassene Spechthöhlen (und Spechte gibt es auf dem
MUNA-Gelände nebenbei auch in bemerkenswerter Vielfalt), andere
Höhlen, Keller, Stollen oder Bunker.
Richtig. Bunker.
Dass nun ausgerechnet in dieser
Jahreszeit die Deutsche Bahn
schweres Gerät auf der MUNA
auffahren lässt und Bunker
anbohrt, ist dreist. Auch wenn
die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
(BIMA) als Treuhänderin
dieses Gebiets grünes
Licht für diese Untersuchungen
gab, und das vor der Antragstellung,
auch wenn die oberste
Naturschutzbehörde in Ansbach
dies wissentlich erlaubt hat,
auch wenn im Feuchter Rathaus
vom "guten Recht" der Bahn
die Rede ist. Nicht alles, was
rechtens ist, ist auch vertretbar.
Oder gar anständig.
Wobei: Die Bahn und die oberste Naturschutzbehörde schließen
Beeinträchtigungen der Fledermauspopulationen auf der MUNA
aus. Wie das? Die Tiere sind in der Hochphase des Fettreservenprojekts
für den Winter. Wie will man ausschließen, dass sie gerade
jetzt erheblich gestört werden?
Aber halt: Man bohre die Bunker ja extra deshalb von oben an, nicht
von der Seite, um keine Einflugnischen für Fledermäuse zu schaffen.
Kann man verstehen - über jede zusätzliche Fledermaus könnte
dieses ICE-Vorhaben stolpern. Zumal sich herauszustellen scheint,
dass die Vorarbeit zum Raumordnungsverfahren gehörige Mängel
aufweist. Was auch immer jetzt untersucht werden soll, hätte im
Rahmen der vorherigen Gutachten geschehen können, und diese
wurden zu Zeiten erhoben, in denen die Fledermäuse der MUNA
deutlich weniger stressempfindlich gewesen wären.
Anstatt zu verhindern, dass neue Fledermäuse in die Bunker
einziehen, hätte man dafür Sorge tragen müssen, dass diejenigen,
die schon auf der MUNA leben, in Ruhe in den Wintermodus
umschalten können. Aber der Bahn geht es um mehr. "Stand up
for the climate", und dafür muss in der Bahn ureigenster Logik
nun mal Wald fallen. Wenn darin streng geschützte Fledermäuse
leben, die möglicherweise nach dem Winter nicht mehr aufstehen,
ist das wohl bedauerlich, aber anscheinend nicht Sorge der Bahn.
Erfüllen sich deren Werkspläne, muss man sich um die Fledermäuse
der MUNA so oder so keine Gedanken mehr machen. Ein Grund
mehr, die MUNA (wie auch die anderen beiden Gebiete) in Ruhe
das sein zu lassen, was sie sind: Lebensräume etlicher bedrohter
Arten und die beste Klimaanlage der Region.
Georg Spiegel
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