procontra Ausgabe 06-2022
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Dezember/Januar <strong>2022</strong>|2023 – D: 4,80 € • I: 6,50 € • E: 6,50 €<br />
Börsenturbulenzen<br />
Welche Strategien nach der<br />
Korrektur der Kapitalmärkte Erfolg<br />
versprechend sein werden<br />
ESG-Präferenzabfrage<br />
Warum die neue Beratungspflicht<br />
noch hakt und wie sie<br />
2023 nachhaltig durchstartet<br />
Immobilienfinanzierung<br />
Steigende Zinsen gefährden<br />
viele Anschlussfinanzierungen<br />
und erfordern kluges Handeln
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Leistungen bei schwerer Depression oder schweren psychischen<br />
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Expertenservice, 05/<strong>2022</strong><br />
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EDITORIAL<br />
»Auf in ein erfolgreiches<br />
Maklerjahr!«<br />
pro statt contra Es fällt schwer, dieses Jahr zu resümieren. Vor allem wenn man<br />
gewillt ist, Mut und Aufbruchsstimmung für 2023 zu erzeugen. Der Angriffskrieg Russlands<br />
gegen die Ukraine überschattet vieles, wenn nicht sogar alles. Er lähmt und macht<br />
Angst. Keine 1.000 Kilometer von Berlin entfernt sterben Menschen, ganz gleich welcher<br />
Nation, in Gefechten. Man wäre mit dem Auto gen Osten also genauso schnell zwischen<br />
Panzern und Bomben, wie gen Süden in Südtirol, wo viele wieder den Winterurlaub zwischen<br />
Abfahrt und Après-Ski verbringen werden. Diese Nähe eines Krieges macht nachdenklich.<br />
Zudem sind Folgen wie Energiekrise, Lieferengpässe und Rezession direkt spürbar.<br />
Und dennoch gehört der Blick nach vorn. Auf den Umgang mit den Folgen. Mit steigenden<br />
Energiekosten und Rekordinflation, die die Haushalte belasten und die Finanzberatung<br />
fordern. Makler sind die Stützen, um ihre Kunden durch diese Zeit zu begleiten und<br />
davor zu bewahren, einstige Sparziele voreilig über den Haufen zu werfen. Im Gegenteil,<br />
die Notwendigkeit, die Alters- und Pflegevorsorge, die Einkommensabsicherung oder Gesundheitsversorgung<br />
selbst in die Hand zu nehmen, war nie größer und wird weiter steigen.<br />
Mit ihr das Beratungspotenzial. Um es heben zu können, sollen Sie die „Erfolgsrezepte“<br />
anderer Maklerinnen und Makler (Seite 16) in dieser <strong>Ausgabe</strong> inspirieren.<br />
Die <strong>procontra</strong>-Redaktion wünscht Ihnen eine friedliche Weihnachtszeit im Kreis Ihrer<br />
Freunde und Familie. Mit der nötigen Ruhe, um zu reflektieren und Kraft, Ideen und Motivation<br />
zu sammeln, um 2023 zu einem erfolgreichen Maklerjahr und zu einer besseren<br />
(Finanz-)Welt zu machen.<br />
LIEBE MAKLER, LIEBE LESER,<br />
die <strong>procontra</strong>-Redaktion wünscht Ihnen<br />
eine aufschlussreiche <strong>Ausgabe</strong>.<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de<br />
@<strong>procontra</strong>online<br />
facebook.com/<strong>procontra</strong><br />
Matthias Hundt<br />
Chefredakteur<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22 3
<strong>procontra</strong> Inhaltsverzeichnis<br />
INHALT<br />
16<br />
Erfolgsrezepte 2023<br />
Strategien, Pläne und konkrete<br />
Maßnahmen – wie Makler<br />
2023 erfolgreich sein wollen<br />
Millennials richtig catchen<br />
Jugend bedeutet Zukunft – auch<br />
beim Zielgruppenfokus. Wie die<br />
junge Generation begeistert wird<br />
76<br />
26<br />
»Anleger sollten über<br />
einen Einstieg nachdenken«<br />
DWS-Fondsmanager Christoph<br />
Schmidt mit Prognosen<br />
und Ausblicken für 2023<br />
50<br />
Rente mit gewissen Vorzügen<br />
Wie Erfolg versprechend ist das<br />
Modell der Vorzugsrente?<br />
4 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Inhaltsverzeichnis <strong>procontra</strong><br />
PANORAMA<br />
11 Winter is coming Hans-Jörg<br />
Naumer über die Entwicklungen an<br />
den Energiemärkten<br />
INVESTMENTFONDS<br />
24 Investment-Highlights <strong>2022</strong><br />
26 »Anleger sollten über einen<br />
Einstieg nachdenken« Christoph<br />
Schmidt, der neue Co-Lead Manager<br />
des DWS-Fonds „Concept Kaldemorgen“,<br />
über die kommenden Marktentwicklungen<br />
VERSICHERUNGEN<br />
46 Versicherungs-Highlights <strong>2022</strong><br />
48 »Das Pflegerisiko nicht<br />
privatisieren« Oliver Blatt vom Verband<br />
der Ersatzkassen (vdek) über<br />
die Effekte der Pflegereform und die<br />
Zukunft der Vorsorge<br />
30 Auf die inneren Werte kommt<br />
es an Korrigieren die Kapitalmärkte,<br />
rückt der Value-Ansatz in den<br />
Fokus. Was auf der Suche nach<br />
Substanz beachtet werden muss<br />
12 Panorama Fakten für Vertrieb<br />
und Stammtisch<br />
14 Leserbriefe<br />
TITEL<br />
16 Erfolgsrezepte 2023<br />
„Von Maklern für Makler“. Ob Social-<br />
Media-Strategien, Skalierungspläne<br />
oder Ausbau von Kooperationsnetzwerken<br />
– Maklerinnen und Makler<br />
teilen ihre Zukunftspläne mit der<br />
Branche.<br />
34 Grüne Innovationen im Fokus<br />
Was technologischer Erfindergeist<br />
den bloßen ESG-Kriterien in puncto<br />
Nachhaltigkeit voraushat<br />
50 Rente mit gewissen Vorzügen<br />
Kann das Modell der Vorzugsrente<br />
die Verbraucherschutzkritik an der<br />
Kalkulation der Lebenserwartung<br />
verstummen lassen?<br />
54 Krisen-Push für D&O Die Unwägbarkeiten<br />
für Geschäftsführer<br />
nehmen zu – deren umfassende<br />
Absicherung wird immer wichtiger.<br />
56 Gewappnet gegen Katastrophen?!<br />
Die Handhabe einer Absicherung<br />
gegen Terror ist weder klar<br />
noch up to date. Wie Makler hier<br />
dennoch beraten können<br />
»Ich weiche von meiner<br />
Zielgruppe nicht ab,<br />
egal wie lukrativ das<br />
mögliche Geschäft ist.«<br />
ROBIN LERCH<br />
Gründer von grenzenlos-sicher<br />
60 Lukrative Achillesferse Die<br />
Existenzsicherung für Firmen ist<br />
komplex, birgt 2023 aber besonderes<br />
Beratungspotenzial.<br />
64 Innovationsdrang mit Problemen<br />
Das Angebot an Grundfähigkeitsabsicherungen<br />
wird immer komplexer<br />
– was Berater vor Herausforderungen<br />
stellt.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
5
<strong>procontra</strong> Inhaltsverzeichnis<br />
BERATER<br />
68 Berater-Highlights <strong>2022</strong><br />
70 Noch nicht nachhaltig etabliert<br />
Die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
ist zwar Pflicht, aber noch<br />
längst keine Praxis.<br />
74 Maxi-Rente für Minijobber Die<br />
Anhebung der Verdienstgrenze für<br />
Minijobber eröffnet Potenzial fürs<br />
bAV-Geschäft. Was Vermittler dabei<br />
beachten sollten<br />
SACHWERTE<br />
82 Sachwerte-Highlights <strong>2022</strong><br />
84 Gelockerter Zugang?! Was die<br />
Verordnung zur Beleihungswertermittlung<br />
für Folgen in der Vergabe<br />
von Immobilienkrediten hat<br />
RUBRIKEN<br />
3 Editorial<br />
8 Firmen- und<br />
Personenverzeichnis<br />
8 Impressum<br />
90 Privat gefragt<br />
Steckbrief von Guido Lehberg,<br />
Inhaber Lehberg Finanzdienstleistungen<br />
GbR<br />
76 Millennials richtig catchen Junge<br />
Zielgruppen versprechen langfristige<br />
Kundenbeziehungen – sofern<br />
die Ansprache gelingt und die<br />
Beratung stimmig ist.<br />
80 Schnell vergessen Demenzerkrankungen<br />
nehmen zu, die Absicherung<br />
von Betroffenen sollte mit dem<br />
Gesundheitszustand permanent<br />
Schritt halten.<br />
86 Den Anschluss prüfen Immobilienfinanzierungen<br />
geraten mit jeder<br />
Zinserhöhung weiter unter Druck.<br />
Doch lohnt es sich jetzt noch, die<br />
Anschlussfinanzierung vorzeitig zu<br />
sichern?<br />
»Selbstbestimmung<br />
sollte stets gewahrt<br />
bleiben.«<br />
GUIDO LEHBERG<br />
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6 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
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SERVICE Firmen- und Personenverzeichnis<br />
FIRMENVERZEICHNIS<br />
A<br />
Alliance Bernstein.........................................................25<br />
Allianz......................................................... 11, 55, 58, 64 f.<br />
Alphabet/Google............................................................28<br />
Alte Leipziger...........................................................52, 65<br />
Amazon................................................................................28<br />
Amundi...........................................................................12, 25<br />
andsafe.................................................................................. 61<br />
Athora....................................................................................46<br />
Axa.........................................................................25, 46, 58<br />
B<br />
Bain Capital........................................................................ 69<br />
Baloise...................................................................................65<br />
bauass..................................................................................23<br />
Baufi24..........................................................................87, 89<br />
Bayerische.......................................................... 38 ff., 52<br />
bessergrün........................................................................23<br />
Biomex..............................................................................18, 21<br />
blau direkt........................................................................... 69<br />
BSC - Die Finanzberater........................................... 66<br />
C<br />
Canadian Solar...............................................................35<br />
Candriam.............................................................................25<br />
Check24........................................................................10, 23<br />
Commerzbank...................................................................10<br />
Continentale......................................................................55<br />
D<br />
Debeka...................................................................................47<br />
Deka.........................................................................................47<br />
Deloitte...................................................................................75<br />
Denso.....................................................................................35<br />
Deutsche Bahn................................................................57<br />
Deutsche Telekom........................................................28<br />
Deutsche Zweitmarkt................................................83<br />
DIA..............................................................................................12<br />
Dr. Klein.....................................................................84 f., 88<br />
DVAG....................................................................................... 69<br />
DWS........................................................................24, 26, 47<br />
E<br />
Edeka......................................................................................25<br />
Exporo...................................................................................83<br />
Extremus.......................................................................... 57 f.<br />
EY................................................................................10, 14, 72<br />
F<br />
Federated Hermes........................................................25<br />
Finanzberatung Bierl.................................................. 22<br />
Finanzchef24..................................................................61 f.<br />
finanzen.de..........................................................................12<br />
Fonds Finanz.................................................................... 69<br />
Fondsbörse Deutschland.......................................83<br />
Franke und Bornberg...............................................65 f.<br />
Franklin Templeton.......................................................25<br />
FTX.............................................................................................10<br />
G<br />
geld.wert finanzbildung............................................ 22<br />
Generali.................................................................................55<br />
Great West Lifeco.......................................................... 69<br />
growney...............................................................................25<br />
H<br />
HDI............................................................................55, 61, 65<br />
HG Capital............................................................................ 69<br />
HonorarKonzept..............................................................47<br />
HSBC.......................................................................................25<br />
Huk-Coburg........................................................................47<br />
I<br />
IC-Haus.................................................................................35<br />
Ideal..........................................................................................47<br />
ImmoScout24..................................................................83<br />
ING............................................................................................ 68<br />
Inter.........................................................................................55<br />
Interhyp.................................................................................87<br />
J<br />
J.P. Morgan.........................................................................25<br />
JDC Group........................................................................... 69<br />
Jung, DMS & Cie............................................................ 69<br />
K<br />
Keppler AM....................................................................... 31 f.<br />
kvoptimal.de........................................................................17<br />
L<br />
Lehberg Finanzdienstleistungen......................90<br />
Leue & Nill...........................................................................23<br />
Lieblingsmakler................................................................21<br />
Liechtenstein Life............................................................51<br />
LV 1871........................................................................38 ff., 51<br />
M<br />
Maklerwelt............................................................................21<br />
McKinsey............................................................................61 f.<br />
Meta........................................................................................ 22<br />
Microsoft..............................................................................28<br />
Morgen & Morgen......................................................... 42<br />
Morningstar.........................................................................31<br />
Münchener Verein.....................................................66 f.<br />
myLife......................................................................................47<br />
N, O<br />
Netfonds ..........................................................................69 f.<br />
Neuberger Berman......................................................25<br />
Nordlight Research........................................................14<br />
Nürnberger...............................................................55, 65<br />
OVB........................................................................................... 69<br />
INDEX<br />
P, Q<br />
P&R..........................................................................................83<br />
paladinum.............................................................................16<br />
Progress.......................................................................22, 77<br />
Quant IP................................................................................ 36<br />
R<br />
R+V............................................................................................47<br />
Robeco..................................................................................25<br />
RWB Partners...................................................................40<br />
S<br />
Schaeffler...........................................................................35<br />
Schüller & Cie.....................................................................18<br />
Scope..............................................................................25, 31<br />
Signal Iduna.......................................................71, 75, 83<br />
Simon-Kucher....................................................................12<br />
softfair......................................................................................71<br />
Stuttgarter..................................................................47, 65<br />
Sumitomo............................................................................35<br />
Swiss Life............................................................. 38 ff., 65<br />
T<br />
Talanx.....................................................................................58<br />
tecis......................................................................................... 69<br />
Telis.......................................................................................... 69<br />
ThyssenKrupp.................................................................55<br />
U<br />
Union Investment..............................................25, 31 f.<br />
Uniper......................................................................................47<br />
V<br />
Vantik......................................................................................47<br />
Viridium.................................................................................46<br />
Volkswagen.......................................................................55<br />
Volkswohl Bund..............................................................52<br />
VOV...........................................................................................55<br />
W, Z<br />
Warburg Pincus.............................................................. 69<br />
WBV Finanzservice......................................................20<br />
wefox.......................................................................................47<br />
wertfaktor...........................................................................83<br />
Wirecard......................................................................24, 55<br />
Württembergische...........................................................11<br />
Zurich.....................................................................................46<br />
PERSONENVERZEICHNIS<br />
A<br />
Altemeier, Christoph.................................................... 89<br />
Asmussen, Jörg.............................................................58<br />
B<br />
Bauer, Iris........................................................................... 51 f.<br />
Beck, Andreas.................................................................35<br />
Bierl, Tobias........................................................................ 22<br />
Blatt, Oliver..................................................................... 48 f.<br />
Brämer, Burkhard..........................................................23<br />
Branson, Mark...................................................................10<br />
Brugger, Stefan............................................................. 31 f.<br />
Buczinski, Kai...................................................................20<br />
Buddecke, Maximilian...........................................38 ff.<br />
Buffett, Warren................................................................32<br />
Busch, Otto...........................................................................17<br />
Busch, Stephan.....................................................22, 77<br />
D, E<br />
Diebold, Armin....................................................................18<br />
Diercks, Jan-Peter...................................................38 ff.<br />
Disselkamp, André.......................................................20<br />
Dodd, David.......................................................................32<br />
Drückhammer, Lars..................................................... 69<br />
Elsner, Ulrike...................................................................... 49<br />
F<br />
Faeser, Nancy...................................................................57<br />
Flocke, Heiner...............................................................35 f.<br />
Franke, Michael............................................................... 66<br />
G<br />
Glorius, Anja.........................................................................17<br />
Graham, Benjamin........................................................32<br />
H<br />
Hallervorden, Dieter.........................................................11<br />
Hamacher, Patrick..........................................................21<br />
Heilenkötter, Hannes.................................................. 69<br />
Heilfort, Moritz....................................................................16<br />
Heinz, Michael H......................................................72, 77<br />
Hermann, Klaus................................................................19<br />
Hinz, Michael.......................................................................71<br />
Huber, Peter.........................................................................31<br />
J<br />
Jagdfeld, Anno August............................................83<br />
Jasper, Torsten...............................................................20<br />
John, Sandra...............................................................38 ff.<br />
K<br />
Kaldemorgen, Klaus.....................................................26<br />
Kemnitz, Gerd...................................................................65<br />
Keppler, Michael........................................................... 31 f.<br />
Kleinlein, Axel............................................................51, 69<br />
Krämer, Jörg........................................................................10<br />
Kunkel, Bastian................................................................77<br />
L<br />
Lagarde, Christine.........................................................87<br />
Lang, Oliver........................................................................ 69<br />
Lauterbach, Karl...............................................................15<br />
Lehberg, Guido................................................................90<br />
Leicht, Thomas............................................................ 57 f.<br />
Lemke, Sarah.....................................................................70<br />
Lerch, Robin.........................................................................16<br />
Ludwig, Ellen........................................................................71<br />
M<br />
M’Barek, Elyas.....................................................................11<br />
Mahnke, Alexander......................................................58<br />
Mayr, Andrea.....................................................................78<br />
Mohr, Mirjam.......................................................................87<br />
N<br />
Naumer, Hans-Jörg.........................................................11<br />
Neumann, Michael.......................................................84<br />
Neumann, Peter..............................................................57<br />
P<br />
Pardey, Viktoria............................................................64 f.<br />
Petersohn, Marko...........................................................78<br />
Peukert, Robert.................................................................21<br />
Pfennig, Leonie...............................................................20<br />
Pradetto, Oliver................................................................ 69<br />
Probst, Alexander.........................................................55<br />
R<br />
Rehmke, Stephen.......................................................... 69<br />
Rezvanian, Payam......................................................61 f.<br />
Roemers, Norbert..........................................................80<br />
Rollinger, Norbert............................................................47<br />
Rosenowski, Stefan.....................................................58<br />
Rottenbacher, Frank.....................................................77<br />
S, T<br />
Sapara, Lars......................................................................55<br />
Scheulen, Ingo...................................................................71<br />
Schinnenburg, Stephan......................................38 ff.<br />
Schlosser, Filip.................................................................77<br />
Schmidt, Christoph.................................................26 ff.<br />
Schmidt, Stephan.........................................................52<br />
Schröder, Atze...................................................................19<br />
Schüller, Madeleine.......................................................18<br />
Schweiger, Til.......................................................................11<br />
Senfleben, Kai....................................................................19<br />
Spahn, Jens.....................................................................48<br />
Tolckmmitt, Jens....................................................... 84 f.<br />
V<br />
Vaartmann, Ingo............................................................88<br />
Vierow, Timo......................................................................23<br />
Vogt, Nicolas.....................................................................20<br />
von Reuss, Lucas......................................................35 f.<br />
W<br />
Weiler, Wolfgang..............................................................47<br />
Weiß, Anette...................................................................... 22<br />
Wenzel, Philip.............................................................18, 66<br />
Wirth, Norman.....................................................58, 72 f.<br />
Wöhrmann, Asoka........................................................ 24<br />
Wonneberger, Tom........................................................77<br />
VERLAG UND REDAKTION<br />
Alsterspree Verlag GmbH<br />
Firmensitz: Großer Burstah 50-52, 20457 Hamburg<br />
Postanschrift: Kurfürstendamm 173 / 174, 10707 Berlin<br />
Telefon: +49 (0 30) 232 56 27 00<br />
Fax: +49 (0)30 232 56 27 49<br />
Web: www.<strong>procontra</strong>-online.de<br />
HERAUSGEBER<br />
Philipp B. Siebert<br />
CHEFREDAKTEUR<br />
Matthias Hundt<br />
ART DIRECTOR<br />
Niels Flender<br />
LAYOUT UND INFOGRAFIK<br />
Sabine Müller<br />
BILDREDAKTION<br />
Roman Kulon, Eleonora Mavromati<br />
LEKTORAT<br />
TextSchleiferei.de<br />
TEXTBEITRÄGE<br />
Mailin Bartknecht, Florian Burghardt, Heike Gorres,<br />
Matthias Hundt, Oliver Lepold, Dr. Hans-Jörg Naumer,<br />
Hannah Petersohn, Imke Reiher, Uwe Schmidt-Kasparek,<br />
Stefan Terliesner, Martin Thaler, Jan Wagner, Anne<br />
Mareile Walter<br />
COVERILLUSTRATION<br />
Eleonora Mavromati<br />
ANZEIGENBERATUNG<br />
Nadin Prüwer<br />
n.pruewer@alsterspree.de<br />
+49 (0)40 6 07 71 29 24<br />
ANZEIGENDISPOSITION<br />
Marcel Berno<br />
m.berno@alsterspree.de<br />
Verlagsgeschäftsführer: Philipp B. Siebert,<br />
Tilman J. Freyenhagen<br />
Verantwortlich für diese <strong>Ausgabe</strong> i. S. d. P.:<br />
Matthias Hundt<br />
IMPRESSUM<br />
DRUCKEREI<br />
MÖLLER PRO MEDIA ® GmbH<br />
Zeppelinstraße 6<br />
16356 Ahrensfelde<br />
www.moellerdruck.de<br />
LESERSERVICE<br />
leserbetreuung@<strong>procontra</strong>-online.de<br />
ABONNEMENT<br />
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© <strong>2022</strong> für alle Beiträge: <strong>procontra</strong>, <strong>procontra</strong> Spezial,<br />
<strong>procontra</strong>Thema, <strong>procontra</strong>-Sonderteile, <strong>procontra</strong>-<br />
Sonderdrucke (im Heft, Beileger, Beihefter). Alle Rechte<br />
vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste,<br />
Internet und Vervielfältigung auf Datenträger oder<br />
durch andere Verfahren (auch auszugsweise) nur mit<br />
schriftlicher Genehmigung des Verlags.<br />
Hinweis: Den Artikeln, Empfehlungen, Charts, Tabellen<br />
und Diagrammen liegen Informationen zugrunde, die<br />
die Redaktion für verlässlich hält. Trotz sorgfältiger<br />
Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit des Inhalts<br />
keine Haftung übernommen werden. Die in <strong>procontra</strong><br />
gemachten Angaben dienen der Unterrichtung und<br />
sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von<br />
Wertpapieren.<br />
Für Mitglieder der nachfolgend aufgeführten Verbände<br />
ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten:<br />
AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen e. V.<br />
Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen<br />
in Europa e. V.<br />
Unser Druck ist zu 100 % klimaneutral.<br />
8 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Bringt Sie rein.<br />
Hält Cyberkriminelle<br />
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Personen- und Funktionsbezeichnungen<br />
stehen für alle Geschlechter gleichermaßen.
PANORAMA Notiert<br />
PANORAMA<br />
KAUFKRAFTVERLUST<br />
SCHREITET VORAN<br />
4,5 Prozent: Auf diesen Wert kletterte die Inflationsrate<br />
vor einem Jahr. Zehnjährige Bundesanleihen – Maßstab<br />
für „sichere“ Zinstitel – rentierten bei minus 0,25 Prozent<br />
und unzählige Banken verhängten Verwahrentgelte.<br />
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte<br />
damals im <strong>procontra</strong>-Interview: „In ein paar Jahren<br />
droht ein beträchtliches Inflationsproblem.“<br />
Ein Jahr später hat sich das Inflationsproblem weiter<br />
verschärft. Die Inflationsrate erreichte im November die<br />
Rekordmarke von 10,4 Prozent und die EZB erhöhte drei<br />
Mal in Folge den Leitzins, zuletzt Ende Oktober um 0,75<br />
Prozent. Negativzinsen gehören der Vergangenheit an:<br />
Etliche Kreditinstitute bezahlen ihren Kunden wieder<br />
Zinsen auf Tagesgeldkonten. Vor <strong>2022</strong> hatte die EZB<br />
den Leitzins zuletzt vor elf Jahren angepasst.<br />
»Besonders<br />
verstörend ist der<br />
Verbraucherschutzaspekt.«<br />
VERTRETER<br />
MISSACHTEN<br />
ESG-ABFRAGE-<br />
PFLICHT<br />
Nach der Pleite der<br />
Kryptobörse FTX wies<br />
BaFin-Chef Mark Branson<br />
auf Lücken im Verbraucherschutz<br />
hin: Kryptowährungen<br />
müssten<br />
entweder durch den Bau<br />
eines „sehr, sehr starken<br />
Schutzwalls“ rund um<br />
das traditionelle Bankensystem<br />
ausgeschlossen<br />
oder reguliert werden.<br />
In vier von fünf Beratungsgesprächen kommen Vermittler ihrer IDD-<br />
Pflicht zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden<br />
nicht nach. Zu diesem Ergebnis kommt ein Undercover-Test der<br />
Beratungsfirma EY, für den Ausschließlichkeitsvermittler von 13<br />
Versicherern sowie das Vergleichsportal Check24 in Test-Beratungsgesprächen<br />
überprüft wurden. In lediglich 5 Prozent der Gespräche<br />
wurde der Wissensstand der Kunden zum Thema Nachhaltigkeit<br />
abgefragt. Die im Anschluss zugesandten Unterlagen enthielten in<br />
65 Prozent der Fälle keine Informationen zu nachhaltigen Produkten.<br />
Seit 2. August gilt für Vermittler die Pflicht zur ESG-Präferenzabfrage.<br />
10 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Notiert PANORAMA<br />
Winter is coming<br />
DR. HANS-JÖRG NAUMER<br />
leitet Global Capital Markets & Thematic Research<br />
von Allianz Global Investors<br />
WÜRTTEMBERGISCHE KRALLT<br />
SICH LEINWANDSTAR<br />
Was haben Dieter Hallervorden, Til Schweiger und Elyas<br />
M’Barek gemeinsam? Richtig: Sie sind alle Schauspieler und<br />
Markenbotschafter von Versicherungsunternehmen. Denn nun<br />
ist auch „Fack ju Göhte“ -Darsteller M’Barek in den Reigen der<br />
Versicherer-Testimonials aufgenommen worden: Der 40-Jährige<br />
ist das neue Gesicht der Württembergischen Versicherung.<br />
Zum Jahreswechsel soll er für das Unternehmen „weitere<br />
Kundengruppen erschließen“, kündigt der Versicherer an. „Mit<br />
Elyas M’Barek als Testimonial wollen wir einen nachhaltigen<br />
Eindruck und einen höheren Bekanntheitsgrad für unsere<br />
Marke erreichen.“ In TV-Spots, Außenwerbung und Social-<br />
Media-Kampagnen soll der deutsche Leinwandstar nun für den<br />
nötigen Promi-Faktor sorgen.<br />
1.125 km<br />
„Der Winter naht“ – kalendarisch betrachtet ist diese wiederkehrende<br />
Redewendung aus dem Fantasieepos „Game<br />
of Thrones“ eine Banalität. Während sich allerdings auf<br />
der Nordhalbkugel der Winter tatsächlich nähert, ist diese<br />
Feststellung ökonomisch besehen deutlich diffiziler: Die<br />
Frage ist nicht, ob er kommt, sondern wie hart er ausfällt.<br />
Entsprechend dürfte sich die Nachfrage nach Energie,<br />
und hier vor allem nach Gas, entwickeln. Anders als bei Öl,<br />
gibt es bei Gas keinen Weltmarkt, wie sich zum Beispiel<br />
an den unterschiedlichen Handelsplätzen und ihren<br />
dortigen Gaspreisen zeigt. Da es an Pipelines zwischen<br />
den Kontinenten fehlt, kam es, bedingt durch den Ausfall<br />
russischer Gaslieferungen, zu einem Angebotsschock auf<br />
dem alten Kontinent. Die Folge ist ein gewaltiger Aufschlag<br />
auf den Gaspreis für Europa. Das bedrängt die Industrie,<br />
welche sich einem gehörigen Preisschock mit Lieferunsicherheiten<br />
gegenübersieht, genauso wie den Konsum, da<br />
Kaufkraft abgeschöpft wird. Insofern bleibt der Winterverlauf<br />
ein Unsicherheitsfaktor für Konjunktur und Inflation.<br />
Allerdings sollte auch nicht übersehen werden, dass der<br />
Ölpreis, besonders der für die USA so wichtige WTI, seit<br />
Juni im Trend zurückgegangen ist. Die für Europa wichtigere<br />
Sorte Brent hat dies fast im Tandem mitvollzogen.<br />
Gleichzeitig ist der Aufschlag auf den europäischen<br />
Gaspreis ebenfalls gesunken. Hoffnungszeichen, die dann<br />
auch wieder die Konjunktur entlasten sollten. Sie hat es<br />
nötig. Hier haben sich die winterlichen Vorzeichen deutlich<br />
verstärkt. Die Rezession in Europa scheint so gut wie im<br />
Kasten zu sein. Die US-Wirtschaft dagegen zeigt sich als<br />
widerstandsfähiger. „Winter is coming“ – der Winter naht,<br />
das mag stimmen, aber es gilt auch: Auf jeden Winter folgt<br />
ein Frühling. Das sollte durchaus auch für die Finanzmärkte<br />
gelten. Viele Stimmungsindikatoren nehmen bereits<br />
eine Eiszeit vorweg. Was bereits antizipiert wird, kann<br />
kaum noch negativ überraschen. Einen Börsen-Frühling<br />
wünsche ich uns allen.<br />
... so lang wäre die Schlange von Studierenden<br />
in Deutschland, die armutsgefährdet sind.<br />
Vorausgesetzt, sie leben allein oder in einer WG.<br />
Denn: Laut Statistischem Bundesamt sind drei<br />
Viertel (circa 1,1 Millionen) davon betroffen. Eine<br />
dramatische Quote, die das Beratungspotenzial<br />
dieser Klientel untermauert.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
11
PANORAMA Fakten für Vertrieb und Stammtisch<br />
GRÜNE<br />
MOGELPACKUNG<br />
Viele Artikel-9-Fonds investieren weiterhin<br />
in fossile Energien und unsoziale<br />
Geschäftsmodelle. Das geht aus einer<br />
Untersuchung der Nachhaltigkeitsplattform<br />
Cleanvest im Auftrag des „Handelsblatts“<br />
hervor. Die zehn schlechtesten<br />
Fonds investieren laut der Analyse allesamt<br />
auch in Unternehmen aus dem Bereich fossile<br />
Energien. Dabei wies der CPR Invest Hydrogen des Fondsanbieters<br />
Amundi mit einem fossilen Anteil von 19 Prozent des Fondsvolumens<br />
die schlechteste Quote auf.<br />
Weniger Kleidung<br />
Fast drei Viertel der Deutschen machen sich wegen eines<br />
möglichen Wirtschaftseinbruchs Sorgen und passen ihr<br />
Kaufverhalten an. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Unternehmensberatung<br />
Simon-Kucher & Partners. Die meisten<br />
Befragten (58 Prozent) würden sich im Falle einer Rezession<br />
beim Kauf neuer Kleidung einschränken. Bei <strong>Ausgabe</strong>n für den<br />
Urlaub wollen 55 Prozent den Rotstift ansetzen, 52 Prozent<br />
sehen Sparpotenzial bei ihren Freizeitaktivitäten.<br />
Wunschalter<br />
für die Rente<br />
65 Jahre ist für einen Großteil der Deutschen<br />
das Wunschalter für den Rentenbeginn.<br />
Das zeigt eine Studie, die das DIA in<br />
Kooperation mit dem Portal<br />
finanzen.de durchgeführt hat.<br />
Kein anderes Renteneintrittsalter<br />
finde auch nur annähernd<br />
eine solch große Zustimmung<br />
wie 65, schreiben die<br />
Studienautoren weiter – obwohl die<br />
Anhebung des gesetzlichen Rentenalters<br />
seit dem Jahr 2012 läuft. 11 Prozent gaben an, mit<br />
60 Jahren in Rente gehen zu wollen. Für 9 Prozent<br />
liegt der ideale Rentenbeginn bei 67 Jahren.<br />
ZUFRIEDENE GKV-KUNDEN<br />
Die Mehrheit der gesetzlich Versicherten ist mit dem solidarischen<br />
Gesundheitssystem zufrieden. In einer aktuellen Umfrage des GKV-<br />
Spitzenverbands gaben dies 69 Prozent der Befragten an, 36 Prozent<br />
zeigten sich „eher zufrieden“. 15 Prozent sind hingegen „nicht<br />
zufrieden“. Laut den Studienautoren will sich der GKV-Verband auf<br />
diesem Ergebnis aber nicht ausruhen: Es gebe „mehr als genug<br />
Baustellen“, heißt es in der Analyse.<br />
Dauerhafte Sommerzeit<br />
Ein ganzjähriges Verbleiben bei der Sommerzeit könnte die<br />
Schadensquoten der Kfz-Versicherer reduzieren: Wie das<br />
Fachblatt „Current Biology“ schreibt, nähme<br />
dadurch die Zahl der Wildunfälle ab. So<br />
würden bei einer dauerhaften Umstellung<br />
auf die Sommerzeit 2,3 Prozent<br />
weniger Zusammenstöße verursacht.<br />
Direkt in der Woche nach der Zeitumstellung<br />
komme es beispielsweise<br />
zu einem 16-prozentigen Anstieg der<br />
Kollisionen mit Wild, da dann mehr<br />
Menschen nach Sonnenuntergang<br />
auf den Straßen unterwegs seien.<br />
Nach Angaben des Branchenverbands<br />
GDV hat es im vergangenen<br />
Jahr bundesweit rund 284.000<br />
Wildunfälle gegeben.<br />
12 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
DIE ÖKOWORLD<br />
SCHLIESST ATOMKRAFT ZU<br />
100% AUS IHREN<br />
INVESTMENTS AUS!<br />
© Smiling Sun –<br />
smilingsun.org<br />
ÖKOWORLD AG<br />
Itterpark 1, 40724 Hilden, Telefon: 02103 | 28 41-0, E-Mail: Info@oekoworld.com, www.oekoworld.com
PANORAMA Leserbriefe<br />
KOMMENTIERT<br />
»Mehr Hunde, aber weniger Tierkliniken«<br />
Durch die jüngst erneuerte Gebührenordnung<br />
für Tierärzte (GOT) sind Untersuchungen<br />
und Behandlungen deutlich teurer<br />
geworden. Vor allem für Hunde und Katzen.<br />
Das könnte auch der noch relativ geringen<br />
Abdeckung mit Tierkranken- und Tier-OP-<br />
Versicherungen für diese Haustiere (laut<br />
einer Umfrage von Nordlight Research je<br />
nach Produkt und Tier zwischen 30 und<br />
18 Prozent) entgegenwirken. Drei von vier<br />
Hundebesitzern haben eine Tierhalterhaftpflichtversicherung.<br />
Seit 1999 hat es keine größere Veränderung<br />
der GOT mehr gegeben. Tierärzte<br />
finden kein Personal, weil sie dieses nicht<br />
vernünftig bezahlen können. Wir haben in<br />
den letzten zehn Jahren 50 Prozent weniger<br />
Tierkliniken, obwohl die Anzahl der Hunde<br />
deutlich gestiegen ist. Die neue GOT kommt<br />
zur denkbar ungünstigsten Zeit – ist aber<br />
dringend notwendig gewesen, damit Haustiere<br />
in Deutschland in Zukunft überhaupt<br />
noch eine adäquate medizinische Versorgung<br />
bekommen.<br />
DOGVERS - ABSICHERUNG<br />
FÜR ALLE FELLE<br />
via Facebook<br />
Ich finde es erschreckend, wie viele keine<br />
Tierhalterhaftpflichtversicherung besitzen.<br />
Allein wegen der Gefährdungshaftung sollte<br />
es für Tierhalter, analog den Kfz-Haltern,<br />
eine Versicherungspflicht geben.<br />
ALESSANDRO ANNICCHIARICO<br />
via Facebook<br />
»Dann geht’s halt nur über einen Pool«<br />
Bei einer Diskussion unter Vertriebsvorständen<br />
von Versicherern ging es darum, ob die<br />
Versicherer zu reinen Produktgebern degradiert<br />
werden und längst die Maklerpools den<br />
Takt im Markt angeben. Dabei kam man zu<br />
dem Schluss, dass es sich um eine wichtige<br />
Symbiose handle, die für den Maklernachwuchs<br />
sehr wichtig sei.<br />
Na ja, einige Versicherer machen es insbesondere<br />
jungen Maklern ja auch nicht leicht.<br />
Man bekommt keine Anbindung oder nur<br />
bei recht großen Umsätzen, die als junger<br />
Makler kaum zu schaffen sind. Ausschreibungen<br />
werden nicht beantwortet etc. Ich<br />
kann schon verstehen, warum man dann<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
VERSTECKTE KOSTEN: GKV SETZT DIE INFOPFLICHT AUS<br />
Nach dem neuen GKV-Stabilisierungsgesetz müssen die Kassen<br />
eine Erhöhung ihrer Zusatzbeiträge nicht mehr explizit mitteilen.<br />
TOP 5 DER AUSGABE<br />
+++KLICKVERDÄCHTIG+++<br />
Die beliebtesten Artikel auf <strong>procontra</strong>-online<br />
SÄULENÜBERGREIFENDE RENTENINFO<br />
So soll sie aussehen<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/renteninfo<br />
MAP-REPORT<br />
2 Krankenvollversicherer erhalten Höchstnote<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/mapreport<br />
ARBEITGEBERPRÄSIDENT WARNT<br />
Rentensystem steht vor Kollaps<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/rentensystem<br />
PERSONAL-KRISE<br />
Versicherern gehen die Fachkräfte aus<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/fachkraefte<br />
INNENDIENST<br />
Mindestlohnerhöhung trifft auch Versicherer<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/mindestlohn<br />
über einen Pool arbeitet. Sicherlich müssen<br />
Versicherer schauen, dass eine Anbindung<br />
profitabel ist, aber wenn man den Makler<br />
anfangs nicht mal anbinden will, dann geht’s<br />
halt nur über einen Pool.<br />
DANIEL TRESKOW<br />
via Facebook<br />
Neue Makler? Es gibt keine neuen Makler!<br />
Auch die Pools wachsen nur, weil sie<br />
sich aktuell die Direktbestände der Makler<br />
übertragen lassen. Unter dem Aspekt der<br />
Altersversorgung und Nachfolgeregelung sowie<br />
Digitalisierung wird hier eine Zukunftslösung<br />
vorgegaukelt. Die Branche schafft<br />
sich schon seit 15 Jahren ihren eigenen<br />
Vertrieb ab.<br />
ANDREAS KÖHLER<br />
via Facebook<br />
»Die Berater sind nur noch genervt«<br />
Das Beratungsunternehmen EY hat eine<br />
Mystery-Shopping-Studie durchgeführt.<br />
Dabei wurde in Undercover-Beratungsgesprächen<br />
getestet, inwiefern Versicherungsvermittler<br />
ihrer seit dem 2. August <strong>2022</strong><br />
14 Illustration: Roman Kulon
Leserbriefe PANORAMA<br />
bestehenenden Pflicht zur Abfrage von<br />
Nachhaltigkeitspräferenzen bei den Kunden<br />
nachkommen. Ergebnis: In 78 Prozent der<br />
Fälle sei überhaupt keine ESG-Präferenzabfrage<br />
erfolgt.<br />
Und wer bezahlt den Finanzberatern den<br />
zusätzlichen Aufwand und die Kosten? Frau<br />
von der Leyen wird es sicher nicht sein. Ein<br />
weiteres schönes Beispiel, wie die EU-Kommission<br />
Gesetze rücksichtslos durchpeitscht,<br />
ohne die Betroffenen einzubeziehen. Das<br />
Ergebnis sieht man nun: die Berater und<br />
Kunden sind nur noch genervt von der Bürokratie.<br />
Damit verhindert die EU die Verbreitung<br />
von Nachhaltigkeit, statt sie zu fördern.<br />
JENS KLINGENBERG<br />
via Facebook<br />
»Was wird aus stationären Zusatztarifen?«<br />
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach<br />
plant eine umfassende Krankenhaus-<br />
Reform. Durch diese sollen vor allem die<br />
<strong>Ausgabe</strong>n der Krankenhäuser gesenkt<br />
werden. Eine angedachte Maßnahme ist<br />
eine deutliche Reduzierung der stationären<br />
Behandlungen, hin zu mehr ambulanten<br />
bzw. Tagesbehandlungen. Das wiederum<br />
könnte Folgen für die PKV-Beratung zu<br />
stationären Zusatztarifen haben. Sind diese<br />
dann noch sinnvoll?<br />
Am Ende ist es durchaus auch für die Versicherer<br />
möglich, Leistungen, die bisher stationär<br />
geleistet wurden, zukünftig im Rahmen<br />
von Ergänzungen mit in den Versicherungsschutz<br />
einzuschließen. Man müsste sich<br />
tatsächlich mal Gedanken machen, wie das<br />
»Die Last der jüngeren<br />
Generation wird<br />
immer und immer<br />
größer …«<br />
ALEXANDER STECHER ZUR RENTENBEZUGSDAUER<br />
aussehen könnte und welche Mehrleistungen<br />
es bietet. Aber wenn ich Versicherer wäre<br />
und würde meine Produkte weiterhin an<br />
den Markt bringen wollen, dann würde ich<br />
mir zumindest darüber Gedanken machen.<br />
Wer die stationäre Zusatzversicherung in<br />
der Vergangenheit als reinen Ersatz für die<br />
Mehrkosten für ein Einzel- oder Zweibettzimmer<br />
gesehen hat, der hat sowieso etwas<br />
kurz gedacht.<br />
ONLINE-PKV.DE<br />
via Facebook<br />
»Ein guter Berater bietet das schon lange«<br />
Die digitale Rentenübersicht soll allen Bürgerinnen<br />
und Bürgern nun schon ab Sommer<br />
2023 zur Verfügung stehen. Sie soll einen<br />
säulenübergreifenden Überblick zu den<br />
Alterseinkünften der Menschen bieten.<br />
Wer einen guten Berater hat oder sich selbst<br />
mit dem Thema befasst, hat diesen Überblick<br />
schon lange und komplett.<br />
MAIK SEMBOWSKI<br />
via Facebook<br />
Leben planen heißt Einkommen planen<br />
DIE BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG<br />
Highlights in der BU der InterRisk:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Schnelle Leistung bei ständigem<br />
Rollstuhlbedarf, bis zu 15 Monatsrenten<br />
Verzicht auf Umorganisation bei Selbstständigen<br />
mit weniger als 5 Mitarbeitern<br />
Verzicht auf Prüfung auch von Hobbys u.<br />
Beruf im Rahmen der Nachversicherung<br />
Tarifwechseloption innerhalb von<br />
10 Jahren nach Vertragsabschluss, max.<br />
bis zum 50. Lebensjahr vom Tarif XL in<br />
den Tarif XXL ... uvm.<br />
Schauen Sie hier unser Video zur BU:<br />
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<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
15
TITEL Erfolgsrezepte 2023<br />
ERFOLGSREZEPTE 2023<br />
Wer über den eigenen Tellerrand schaut, ist erfolgreicher. Die Aktion „Von Maklern für<br />
Makler“ bringt Einblicke in die Zukunftspläne Ihrer Kollegen und soll Sie inspirieren.<br />
– TEXT: MATTHIAS HUNDT –<br />
Traditionell blickt <strong>procontra</strong> in der Jahresendausgabe noch weiter<br />
voraus als gewohnt. Wir sprechen mit Wirtschaftsweisen, Zukunftsforschern<br />
und Politikern über Trendthemen, die den Alltag<br />
von Maklern bestimmen und zum Teil nachhaltig verändern werden.<br />
Doch wer könnte authentischer und praxisnäher über die Zukunft<br />
des Vermittleralltags sprechen als die Makler selbst? Nachfolgend<br />
stellen insgesamt 19 Maklerinnen und Makler ihr Erfolgsrezept<br />
für 2023 vor: Social Media ausbauen oder abstellen?<br />
Zielgruppen fokussieren oder breiter aufstellen? Kooperationen<br />
fördern und fordern oder Einzelkämpfer bleiben? Egal ob etablierte<br />
Strategien verfeinert oder neue Wege eingeschlagen werden: Jeder<br />
kann von jedem lernen, sich Tipps einholen und den einen oder anderen<br />
Gedanken übernehmen. „Von Maklern für Makler“ soll Sie<br />
und Ihr Geschäftsmodell mit den Ideen und Zielen Ihrer Maklerkollegen<br />
inspirieren und den Blick über den Tellerrand ermöglichen.<br />
PROAKTIVE PARTNERSCHAFTEN<br />
FOKUS AUF DIE ZIELGRUPPE<br />
MORITZ HEILFORT,<br />
GESCHÄFTSFÜHRER PALADINUM GMBH<br />
Nachdem die letzten Jahre der Sichtbarkeit<br />
und Bekanntheit unserer Expertise für<br />
Soldatenberatung durch Networking und<br />
Social-Media-Marketing gewidmet war, gehen<br />
wir nun über in die proaktive Partnerschaft mit<br />
Vertrieben, Gesellschaften, Ventilmaklern und<br />
einzelnen Finanzberatern. Wir planen auch<br />
unser Vertriebspartnernetz weiter aufzubauen,<br />
um der stark gestiegenen Nachfrage entsprechende<br />
Kapazitäten bieten zu können.<br />
Das Gerüst steht, wir haben viel Erfahrung<br />
gesammelt und Roadshows mit Gesellschaften<br />
wurden und werden durchgeführt. Wir<br />
beabsichtigen darüber hinaus noch mehr in<br />
die Produktentwicklung einzusteigen, um nicht<br />
nur auf vorhandene Produkte zurückgreifen zu<br />
können, sondern den Markt um funktionierende<br />
Absicherungsmöglichkeiten zu bereichern.<br />
Wir setzen 2023 kundenseitig auf eine hybride<br />
Mischung digitaler Prozesse, empathische<br />
Nähe, persönliche Ansprechbarkeit sowie<br />
individuelle Konzepte. So uniform, wie diese<br />
Zielgruppe wirken mag, so wenig einheitlich<br />
ist sie aus der Nähe betrachtet. Über 680<br />
verschiedene Berufe sind in der Truppe vorhanden<br />
und führen zu völlig unterschiedlichen<br />
Lebenswegen, auf die Absicherungslösungen<br />
vorbereitet sein müssen.<br />
In unserer Basis, den Angehörigen der Bundeswehr,<br />
sind wir mittlerweile als vertrauenswürdiger<br />
Ansprechpartner für hochwertige<br />
Beratung bekannt und werden aktiv empfohlen,<br />
was wir durch unser neues Gamification-<br />
Programm 2023 weiter ausbauen und fördern.<br />
»Wir bauen unser<br />
Vertriebs partnernetz<br />
weiter auf, um der gestiegenen<br />
Nachfrage auch Kapazitäten<br />
bieten zu können.«<br />
Unsere Mission, die Versorgung von Soldatinnen<br />
und Soldaten zu verbessern, wird nicht<br />
nur befürwortet, sondern aktiv unterstützt. Die<br />
Organisation von Spendenveranstaltungen<br />
und Sponsorings von Veteranenvereinen sowie<br />
innovative Charityansätze bleiben auch 2023<br />
Teil unserer Unternehmens-DNA.<br />
»Ich weiche von meiner<br />
Zielgruppe nicht ab, egal<br />
wie lukrativ das mögliche<br />
Geschäft ist.«<br />
ROBIN LERCH, VERSICHERUNGSMAKLER,<br />
GEWINNER DES JUNGMAKLER-AWARDS <strong>2022</strong> UND<br />
GRÜNDER VON GRENZENLOS SICHER<br />
Mein Erfolgsrezept für 2023 besteht darin, die<br />
bestehende Strategie auszubauen und verstärkt<br />
auf das eigene organische Wachstum durch<br />
Social Media zu setzen. Meine bisherige Strategie<br />
sieht so aus, dass ich mich vor allem auf eine klar<br />
definierte Zielgruppe fokussiere. Ich weiche davon<br />
auch nicht ab, egal wie lukrativ das mögliche<br />
andere Geschäft ist oder ob mich Freunde nach<br />
einer Versicherungslösung fragen. Ich habe die<br />
Erfahrung gemacht, dass ich, wenn ich alle<br />
16 Foto o.l.: Muchnik
Erfolgsrezepte 2023 TITEL<br />
vorhanden Ressourcen auf eine Zielgruppe<br />
verwende, langfristig den größten Erfolg habe. Für<br />
diese Fokussierung habe ich die Customer Journey<br />
dieser Zielgruppe sehr genau aufgezeichnet<br />
und mir folgende Kernfrage gestellt: An welchem<br />
Punkt muss ich diese Zielgruppe erreichen, damit<br />
diese hinsichtlich Versicherungsthemen auf<br />
mich selbst zukommt? Wenn diese Frage geklärt<br />
ist, wird die gesamte Marketingstrategie darauf<br />
ausgerichtet.<br />
Hier helfen mir Social Media extrem, da ich hier<br />
sehr zielgerichtet die gewünschten Kunden<br />
finden und erreichen kann. Allerdings kostet ein<br />
eigener Social-Media-Auftritt sehr viel Zeit, und<br />
das organische Wachstum passiert in der Regel<br />
nur schrittweise. Social Media sind also absolut<br />
sinnvoll, aber gerade zu Beginn sehr zeitintensiv<br />
und mühselig. Daher war mein Erfolgsrezept für<br />
<strong>2022</strong>, hier direkt auf die Zielgruppenbesitzer zuzugehen,<br />
die ihr organisches Wachstum bereits<br />
seit Jahren aktiv ausbauen.<br />
Mit diesen Zielgruppenbesitzern kann man<br />
dann sehr lukrative Kooperationen planen und<br />
deren Plattformen nutzen. Dennoch sollte man<br />
aufpassen, sich nicht zu abhängig von einzelnen<br />
Kooperationspartnern zu machen, da hier<br />
ansonsten ein großes Klumpenrisiko besteht.<br />
Zusammengefasst kann ich empfehlen, eine klare<br />
Zielgruppe zu wählen, diese vollumfänglich zu<br />
analysieren und anschließend die vorhandenen<br />
Ressourcen zu nutzen, um diese Zielgruppe im<br />
richtigen Moment abzuholen.<br />
EMPFEHLUNGSMARKETING<br />
»Wir streben 500 Bewertungen bei Google an.«<br />
Im Jahr 2023 halten wir an unserer Strategie „Ein<br />
gut informierter Kunde ist unser Kunde“ fest. Das<br />
soll weiterhin über unsere Portale für die Krankenversicherung<br />
(kvoptimal.de) und Altersvorsorge<br />
(lvoptimal.de) gelingen, wo wir gut konsumbierbaren<br />
und besonderen Content für Versicherte<br />
bereitstellen.<br />
Einen besonderen Fokus wollen wir 2023 auf<br />
das Thema Bewertungen legen. Mit mehr als<br />
3.500 Referenzen bei ProvenExpert und damit<br />
OMGV-Award-Gewinner <strong>2022</strong> wollen wir nun<br />
auch bei Google Bewertungen angreifen, um<br />
unsere Sichtbarkeit im Internet weiter zu steigern.<br />
Konkret sieht das so aus: Bisher erhalten unsere<br />
Kunden nach einem Termin standardisiert eine<br />
E-Mail mit der Aufforderung zur Bewertung bei<br />
ProvenExpert. Künftig soll nach dem letzten<br />
Termin der Beratung automatisiert von unserem<br />
Termintool Terminpilot eine E-Mail an den Kunden<br />
versendet werden, in der auch zur finalen Bewertung<br />
unserer Beratung aufgefordert wird. Diese<br />
Funktion erarbeiten wir gerade gemeinsam mit<br />
Terminpilot. Bewerten soll so jeder Google-Mailund<br />
Android-Nutzer. Außerdem soll es möglich<br />
sein, Kunden auf diese E-Mail noch ein Follow-up<br />
zu senden, um sicherzustellen, dass bewertet<br />
wird. Im Jahr 2023 wollen wir so die Zielmarke<br />
500 Bewertungen bei Google erreichen.<br />
ANJA GLORIUS,<br />
GESCHÄFTSFÜHRERIN KVOPTIMAL.DE GMBH<br />
REALVERMÖGEN SCHÜTZEN<br />
Ein Großteil des Vermögens der Menschen in<br />
Deutschland steckt nach wie vor in niedrig<br />
oder gar nicht verzinsten Anlagen. Bei einer<br />
Inflationsrate von derzeit 10 Prozent ist der reale<br />
Vermögensverlust dramatisch, und die Mehrheit<br />
sieht dabei tatenlos zu. Die Tatsache, dass wir in<br />
Deutschland einen negativen Realzins haben, ist<br />
seit Jahren bekannt. Diese erschreckende Dynamik<br />
des derzeitigen Wohlstandsverlustes sollte<br />
die Menschen jetzt aber endgültig wachrütteln.<br />
Ich möchte 2023 die Menschen daher wieder<br />
mehr für die Anlageklasse begeistern,<br />
die statistisch gesehen langfristig sehr gute<br />
Ertragschancen bietet. Gerade jetzt, nachdem<br />
Aktienkurse meist 20 Prozent und mehr vom<br />
bisherigen Hoch korrigiert haben, ergeben sich<br />
sehr gute Opportunitäten für 2023 und darüber<br />
hinaus. In der Zwischenzeit wurden viele negative<br />
Ereignisse eingepreist, und die Chancen, dass<br />
demnächst wieder mehr gute Nachrichten über<br />
die weltweiten Ticker laufen und die Börsen<br />
wieder nachhaltig steigen, stehen sehr gut. Viele<br />
Menschen haben den Eindruck, dass die Börsen<br />
und die weltweiten Märkte ein eher undurchsichtiger<br />
Dschungel sind, und haben Angst, sich<br />
OTTO BUSCH, ZERTIFIZIERTER SPEZIALIST FÜR RUHE-<br />
STANDSPLANUNG, OTTO BUSCH FINANCE<br />
darin zu verirren und das Falsche zu tun. Daher<br />
ist es extrem wichtig, dass sie von jemandem<br />
begleitet werden, der über ein fundiertes Fachwissen<br />
sowie über viel Erfahrung verfügt und<br />
unabhängig von Konzernen ist. Ein gut durchdachtes,<br />
weltweites und vor allem individuell<br />
auf den Kunden zugeschnittenes Portfolio bildet<br />
dabei die Basis für Sicherheit und Ertrag. <br />
»Viele Menschen<br />
empfinden die Börsen<br />
als undurchsichtigen<br />
Dschungel und haben Angst,<br />
sich darin zu verirren.«<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
17
TITEL Erfolgsrezepte 2023<br />
REGIONALITÄT<br />
Auch das Jahr 2023 wird herausfordernd.<br />
Um weiterhin erfolgreich zu sein, setze ich auf<br />
die Themen Transparenz, Individualität und<br />
Regionalität. Wie genau? Transparenz: Mir ist es<br />
sehr wichtig, meine Kunden aufzuklären. Nicht<br />
nur das Produkt an sich zu erklären, sondern<br />
auch die Kosten, wie verdiene ich mein Geld, der<br />
Produktgeber, warum empfehle ich diesen Produktgeber<br />
und die Alternativen, das klassische<br />
„was wäre, wenn …“. Individualität: Mir ist es sehr<br />
wichtig, dass meine Kunden keine Produkte von<br />
der Stange bekommen. Jeden Kunden gilt es<br />
individuell zu beraten, jeder befindet sich in einer<br />
anderen Lebensphase, jeder hat andere Wünsche<br />
und Ziele und jeder hat einen eigenen Grad<br />
an Erfahrung mit der Finanzbranche. Regionalität:<br />
Ich komme aus der Metropolregion Rhein-Neckar,<br />
»Mir ist wichtig, dass auch<br />
meine Kunden eine Bindung<br />
zur Region haben.«<br />
habe hier meine Wurzeln und fühle mich hier sehr<br />
wohl. Deshalb ist es mir auch sehr wichtig, dass<br />
meine Kunden eine Bindung zu der Region haben.<br />
Meine Kunden wohnen hier, arbeiten hier oder<br />
haben einen Bezug zur Region Rhein-Neckar. Ich<br />
biete Versicherungslösungen an, die zu unserer<br />
Region passen. Auch Kredite und Baufinanzierungen<br />
wickle ich vorzugsweise über regionale<br />
Banken ab. Seitdem ich dieses Erfolgsrezept<br />
verfolge, habe ich ein kontinuierliches Wachstum,<br />
großartige Kooperationspartner und einen sehr<br />
angenehmen Kundenstamm. Daraus resultiert ein<br />
vorteilhaftes Arbeitsklima mit täglichem Spaß und<br />
ARMIN DIEBOLD,<br />
BAUFINANZIERUNGSBERATER & VERSICHERUNGS-<br />
MAKLER, GRÜNDER VON DIEBOLD FINANZEN<br />
Wohlbefinden bei der Arbeit. Kurz und knapp: Ich<br />
fokussiere mich weiter auf meine Stärken, mein<br />
Wissen und meine Kompetenz.<br />
INNERHALB DER BIOMETRIE<br />
BREITER AUFSTELLEN<br />
»Ich sehe Einkommensschutz<br />
immer mehr als<br />
Arbeitgeberthema.«<br />
Bereits die Vergangenheit hat gezeigt, wie<br />
wichtig eine langfristige Strategie ist. Wer nur<br />
auf Krisen reagiert, wird in den Reaktionsphasen<br />
auch immer wieder Zeit verlieren.<br />
Die letzten Wochen haben mich dann aber<br />
schon nachdenklich gemacht. Denn ich bin<br />
ziemlich stark auf das Thema biometrische Risiken<br />
festgelegt. In dem Gebiet mache ich zwar<br />
viele verschiedene Dinge, aber das Thema<br />
bleibt das gleiche. Wer sich ähnlich fokussiert<br />
dem Thema Immobilien und Immobilienfinanzierung<br />
verschrieben hat, der hat die letzten<br />
Wochen vermutlich kein leichtes Leben gehabt.<br />
Kann mir das auch passieren? Kann ich dem<br />
vorbeugen?<br />
So ganz schlau bin ich noch nicht, aber ich<br />
habe für mich schon zwei oder drei Themen<br />
identifiziert, mit denen ich mich mehr beschäftigen<br />
will. Das erste Thema ist die betriebliche<br />
Arbeitskraftabsicherung. Ich könnte mir sehr<br />
gut vorstellen, dass die Marktdurchdringung<br />
durch Produkte, die über den Arbeitgeber eingesteuert<br />
werden, deutlich verbessert werden<br />
kann.<br />
Denn an sich ist Einkommensschutz ein<br />
Arbeitgeberthema. Es sollte immer auch das<br />
Gehaltsmodell geben, bei dem ich weniger Lohn<br />
erhalte, ihn dafür aber weiter erhalte, wenn ich<br />
PHILIP WENZEL, GESCHÄFTSFÜHRER BIOMEX<br />
BIOMETRIE EXPERTENSERVICE GMBH<br />
längere Zeit aus gesundheitlichen Gründen<br />
nicht mehr arbeiten kann.<br />
Das zweite Thema betrifft die Prävention. Ich<br />
denke, es wäre für Kunden und Versicherer<br />
gleichermaßen attraktiv, wenn eine BU-<br />
Versicherung mich unterstützt, gesünder zu<br />
leben, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und<br />
mit geeigneten Maßnahmen schneller wieder<br />
zurück ins Leben zu finden.<br />
Und zu guter Letzt möchte ich im kommenden<br />
Jahr die Prozesse in der Bestandsarbeit<br />
optimieren. Da bei uns eh ein Wechsel des<br />
Verwaltungsprogramms ansteht, drängt<br />
sich das geradezu auf. Daneben werde ich<br />
weiterhin daran arbeiten, die Sichtbarkeit bei<br />
den Suchmaschinen zu verbessern. Hier liegt<br />
der Fokus fürs kommende Jahr weniger in<br />
den tief fachlichen Themen, sondern mehr in<br />
vielen verständlichen Erklärungen rund um die<br />
Arbeitskraftabsicherung. <br />
MIT BESTÄNDEN ARBEITEN<br />
Unser Portfolio umfasst Vermögensaufbau &<br />
-ausbau, Immobilien, Finanzierungen & Versicherungen.<br />
Wenn ein Bereich, wie aktuell das Thema<br />
Finanzierungen, aufgrund der gestiegenen<br />
Zinsen etwas zurückgeht, können wir dank<br />
unserer Strategie einen anderen Bereich stärker<br />
fokussieren. Wir informieren Kunden mit Newslettern,<br />
Blogbeiträgen und über Social-Media-Kanäle<br />
zu wichtigen Themen und führen regelmäßig<br />
eine Datenaktualisierung beim Kunden durch.<br />
Weiterhin fahren wir mindestens zweimal im Jahr<br />
Kampagnen zu verschiedenen Themen. Dafür selektieren<br />
wir unseren Bestand nach passenden<br />
Kriterien. So bleiben wir im stetigen Austausch mit<br />
den Kunden.<br />
In 2023 möchten wir unser begleitendes Nachfolge-<br />
und Übernahmekonzept weiter ausbauen,<br />
das wir seit einigen Jahren regionalen Kollegen<br />
anbieten, die ihren Bestand abgeben<br />
MADELEINE SCHÜLLER,<br />
VERSICHERUNGSMAKLERIN UND GESCHÄFTSFÜHRERIN<br />
DER SCHÜLLER & CIE. GMBH<br />
18 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Erfolgsrezepte 2023 TITEL<br />
»Wir möchten unser begleitendes Nachfolgeund<br />
Übernahmekonzept weiter ausbauen.«<br />
möchten. Ein Grund hierfür ist, dass einige<br />
unserer Kollegen überdurchschnittlich lange<br />
arbeiten und bis weit über das durchschnittliche<br />
Renteneintrittsalter tätig sind, da es für sie keinen<br />
Nachfolger gibt. Ein wichtiger Aspekt, der unsere<br />
Arbeitsabläufe verschlankt, ist die Digitalisierung.<br />
Wir haben ein nahezu papierloses Büro, jede<br />
Aktivität wird digital dokumentiert, sodass nichts<br />
verloren oder vergessen werden kann. Mal abgesehen<br />
davon, sichern wir uns damit natürlich<br />
auch haftungstechnisch ab.<br />
In 2023 werden wir das Onlinemarketing ausweiten,<br />
um auch die Kunden, die eher im Netz<br />
agieren, abzuholen. Onlineberatungen sind spätestens<br />
seit Corona nichts Neues mehr und werden<br />
vermehrt angefragt. Wir glauben, dass die<br />
Zukunft in einer guten Mischung aus persönlicher<br />
und digitaler Beratung liegt. Wachstumspotenziale<br />
sehen wir 2023 bei Gewerbekonzepten wie<br />
zum Beispiel Cyberrisiken, betrieblicher Vorsorge<br />
und in der privaten Krankenversicherung.<br />
BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG<br />
Mein Erfolgsrezept ist aktuell die betriebliche<br />
Altersversorgung. Noch immer treffe ich auf viele<br />
Unternehmen, die hier schlecht oder gar nicht<br />
beraten sind. Sich mit dieser Materie auszukennen,<br />
lohnt sich tatsächlich. Um die bAV auf Kunden-<br />
und Vermittlerseite erfolgreich zu machen,<br />
beachte ich ein paar wichtige Dinge: Der Arbeitgeber<br />
braucht ein klares Konzept, möglichst mit<br />
einem festen Arbeitgeberzuschuss. Dann sollte<br />
es immer die Möglichkeit geben, die Belegschaft<br />
und anschließend jeden neuen Mitarbeiter über<br />
die bAV zu informieren und zu beraten. Der Mitarbeiter<br />
ist immer auch neuer Privatkunden-Potenzialkunde.<br />
Sollte mal ein Mitarbeiter ausscheiden,<br />
suche ich als Makler weiterhin den Kontakt, auch<br />
um den neuen Arbeitgeber ansprechen und<br />
gegebenenfalls als neuen Kunden gewinnen zu<br />
können. So wird die betriebliche Altersversorgung<br />
zu einem vertrieblichen Perpetuum mobile.<br />
»So wird die betriebliche<br />
Altersversorgung zu einem<br />
vertrieblichen<br />
Perpetuum mobile.«<br />
Generell gilt: „Wer sich tummelt, macht auch<br />
Geschäft.“ Genauso einfach und schnell könnte<br />
man es in einem Satz empfehlen. Denn was vor<br />
30 Jahren galt, gilt auch heute noch. Wer sich<br />
mit vielen Menschen trifft, mit ihnen spricht und<br />
aktiv auf sein Umfeld zugeht, der macht auch<br />
Geschäft. Da ist es erst einmal egal, ob man beim<br />
Schützenfest mit allen Anwesenden ein Bierchen<br />
trinkt (zumindest bis zum Zustand des Kontrollverlustes),<br />
regelmäßig den Golfschläger schwingt<br />
oder seine Dienstleistungen im Social-Media-Bereich<br />
interessant bewirbt. Es ist ein bisschen wie<br />
bei Atze Schröders Ansatz für das Kennenlernen<br />
in der Diskothek: „Egal wie schlecht dein Spruch<br />
KLAUS HERMANN,<br />
GESCHÄFTSFÜHRER KH VERSICHERUNGEN GMBH<br />
ist – bring ihn.“ Nur am Rande, für die Jüngeren:<br />
„Diskothek“ haben wir früher zu den Clubs gesagt.<br />
Je mehr Kontakt ich suche, desto höher die<br />
Anzahl der Ansprachen, desto häufiger lande ich<br />
auch Erfolge. <br />
BAUFINANZIERUNG<br />
2023 wird in der Baufinanzierungsbranche ein<br />
spannendes Jahr. Gestiegene Zinsen und teure<br />
Immobilien führen dazu, dass sich viele Menschen<br />
eine eigene Immobilie nicht mehr leisten<br />
können oder wollen.<br />
Umso wichtiger ist es, dass man als Berater gut<br />
aufgestellt ist, um weiter erfolgreich zu sein. Und<br />
das beginnt natürlich mit der Akquise.<br />
In den letzten zwei Jahren konnte ich mit<br />
meinem YouTube-Kanal „Baufi Lab“ fast 10.000<br />
Abonnenten aufbauen und gewinne einen<br />
Großteil meiner Kunden über diesen Kanal. Ich<br />
spüre jedoch deutlich, wie sich das Mindset<br />
der Menschen im Bezug auf Wohneigentum<br />
verändert. Potenzielle Immobilenkäufer werden<br />
zögerlicher und auch ängstlicher. Als Berater<br />
muss ich auf diese Ängste eingehen. Dazu will<br />
ich meinen Videocontent breiter aufstellen. Wo es<br />
in der Vergangenheit noch in erster Linie darum<br />
ging, potenzielle Eigentümer auf ihre Kauf- und<br />
Finanzierungsverträge vorzubereiten, werde ich<br />
KAI SENFLEBEN, INHABER BAUFI-LAB UND<br />
GEWINNER DES SONDERPREISES BAUFINANZIERUNG BEI<br />
DEN JUNGMAKLER AWARDS <strong>2022</strong><br />
zukünftig auf Ängste eingehen und noch klarer<br />
darlegen, für wen Wohneigentum aktuell sinnvoll<br />
ist und für wen eher nicht.<br />
Auch 2023 möchte ich mit meinem YouTube-<br />
Kanal weiterwachsen. Das funktioniert nur, wenn<br />
man zum einen stetig neue Zuschauer für sich<br />
gewinnt, gleichzeitig aber auch zum anderen für<br />
»Das Mindset der<br />
Menschen in Bezug<br />
auf Wohneigentum<br />
hat sich verändert.«<br />
seine Abonnenten interessant bleibt.<br />
Um noch mehr Menschen auf mich aufmerksam<br />
zu machen, teste ich derzeit sogenannte<br />
„Teaser“ auf anderen sozialen Netzwerken.<br />
Bei diesen Teasern handelt es sich um Kurzvideos,<br />
die auf mich und meinen YouTube-Kanal<br />
neugierig machen sollen. Ziel ist es, die User zu<br />
meiner Hauptplattform – YouTube – zu leiten. Und<br />
die ersten Probeläufe auf Facebook und LinkedIn<br />
waren vielversprechend. Um meinen Kanal noch<br />
abwechslungsreicher zu gestalten, sind viele<br />
Ideen in Planung: Livestreams, Interviewgäste<br />
und vielleicht sogar Talkshows. 2023 wird ein<br />
spannendes Jahr. Für mich persönlich und auch<br />
für die Branche. Aber egal was die Zukunft bringt,<br />
ich freue mich drauf.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
19
TITEL Erfolgsrezepte 2023<br />
KOOPERATION UND NETZWERK<br />
NICOLAS VOGT,<br />
GESCHÄFTSFÜHRER DER WBV FINANZSERVICE GMBH<br />
„Ich verrate doch nicht meine beste Geschäftsidee,<br />
dann werde ich doch von der Konkurrenz<br />
kopiert.“ So lautete eine Rückmeldung, als wir<br />
unsere erste Workation mit dem Makler und Vermittlerpodcast<br />
angeboten haben. Ich empfehle,<br />
größer zu denken und aus der Fülle heraus statt<br />
aus dem Mangel, denn – um ein bekanntes altes<br />
Buch zu zitieren: „Wer gibt, dem wird gegeben.“<br />
Seit 2018 betreiben Torsten Jasper und ich<br />
den Makler und Vermittlerpodcast, in dem wir<br />
mit Maklerkollegen über ihr Geschäftsmodell<br />
sprechen, damit andere Kollegen sich beim Hören<br />
dadurch für ihr eigenes Business inspirieren<br />
lassen können. 2021 haben wir dieses Konzept<br />
mit unserer Workation in die Offlinewelt gebracht.<br />
20 Branchenkollegen – Makler und Entscheider<br />
von Versicherungsgesellschaften und Branchen-<br />
Dienstleistern – wohnen vier Tage zusammen in<br />
einem Haus und unterstützen sich gegenseitig,<br />
um das eigene Business nach vorne zu bringen.<br />
Was vor Kurzem noch undenkbar gewesen wäre,<br />
da sich niemand in die Karten schauen lassen<br />
wollte, ist damit Realität geworden. Und? Wurden<br />
seither die Geschäftsmodelle der Teilnehmer oder<br />
unserer Podcastgäste eins zu eins kopiert? Kein<br />
einziges. Hat es das Geschäft der Workation-<br />
Teilnehmer nachhaltig vorangebracht? Auf jeden<br />
Fall. Ein Beispiel von vielen aus dem bisherigen<br />
Teilnehmerkreis: Kai Buczinski (der Finanzcop) hat<br />
sich – motiviert durch die Gruppe - noch auf der<br />
Workation zum Jungmakler Award angemeldet<br />
»Mit Kollegen<br />
kooperieren – dann tut<br />
man mehr von dem,<br />
was man selbst richtig<br />
gut kann.«<br />
und sofort den dritten Platz belegt. Nun skaliert er<br />
seine Firma zur „Finanzwache“.<br />
Mein Erfolgsrezept auch für 2023 ist daher: sich<br />
weiter mit Kollegen über Herausforderungen und<br />
Learnings im Business austauschen und, wo<br />
man nicht selbst der Spezialist ist, mit Kollegen<br />
kooperieren.<br />
Dann tut man mehr von dem, was man richtig<br />
gut kann und was einem viel Freude macht, und<br />
wird damit noch erfolgreicher. Bei den restlichen<br />
Themen verdient man passiv mit und die Kunden<br />
profitieren von höherer Expertise und Qualität<br />
in den anderen Fachgebieten. Eine klassische<br />
Win-win-win-Situation für mich, Kollegen und alle<br />
Kunden. <br />
KUNDENAUSTAUSCH FÖRDERN<br />
Schaue ich mir die letzten Jahre an, stelle ich<br />
eines vermehrt bei meinen Kunden fest: Sie<br />
möchten gern an die Hand genommen werden.<br />
Die Zeit ist so schnelllebig, der Mailposteingang<br />
wird niemals leer, und andauernd müssen und<br />
sollen Entscheidungen getroffen werden. Ich bin<br />
einfach für meine Kunden da. Ich begleite und<br />
unterstütze sie individuell durch ihre aktuellen<br />
Themenbereiche. Erfahrungsgemäß funktioniert<br />
das zum Beispiel gut über das gemeinsame<br />
Ausfüllen eines Notfallplans. Sind wir beim Punkt<br />
der Versicherungslösungen angekommen, gehe<br />
ich nach und nach mit ihnen die persönlichen<br />
Absicherungswünsche durch. Hier erfahre ich<br />
eine große Dankbarkeit.<br />
Einen weiteren Fokus setze ich auf die Pflegeversicherung<br />
oder Gesundheitskosten im Alter. Um<br />
die Aufmerksamkeit der Kunden zu bekommen,<br />
erstelle ich selbst geschriebene Broschüren und<br />
E-Books. Die Kunden können somit meine fachliche<br />
Expertise nutzen.<br />
Auch mein Spaß soll nicht zu kurz kommen. Ich<br />
habe angefangen, selbst gedrehte Kurzvideos zu<br />
erstellen. Manchmal bin ich zu sehen, manchmal<br />
auch nicht. Die Hauptsache hierbei sind die emotionale<br />
Ansprache und der Unterhaltungswert.<br />
Und vor allem: kurz und knackig - heutzutage<br />
werden Informationen in gut portionierten Häppchen<br />
konsumiert. Mein Ziel ist es, durch diese<br />
LEONIE PFENNIG,<br />
MAKLERIN BEIM NETZWERK FREIER FINANZBERATER<br />
Maßnahmen eine ganzheitliche und langfristige<br />
Kundenverbindung zu schaffen. Es lohnt sich,<br />
dafür zeitlich in Vorleistung zu gehen.<br />
Für nächstes Jahr habe ich mir vorgenommen,<br />
Online-Workshops in kleinen Gruppen von acht<br />
bis zwölf Teilnehmern anzubieten. Die Themen<br />
werden wieder allgemeiner Natur sein, und es<br />
soll als Plattform zum Austausch mit mir und den<br />
Kunden untereinander dienen. <br />
»Ich möchte eine Plattform<br />
zum Austausch mit mir<br />
und den Kunden untereinander<br />
anbieten.«<br />
SUCHMASCHINENOPTIMIERUNG<br />
Auch in 2023 werden wir unsere Onlinestrategie<br />
zur Kundengewinnung verstärkt umsetzen.<br />
Durch „Trial and Error“ und Hunderte Stunden<br />
Studium der Suchmaschinenoptimierung (SEO)<br />
in <strong>2022</strong> haben wir nun das nötige Knowhow<br />
an der Hand, um die zielgerichteten und<br />
kostenfreien Kundenanfragen zu skalieren. Um<br />
2023 die Kundenanfragen über das Internet im<br />
Vergleich zum Vorjahr zu verdreifachen, werden<br />
wir den Großteil unserer Ressourcen dafür verwenden,<br />
hochwertigen und gut recherchierten<br />
Content für unsere Website zu erstellen. Wer<br />
den Seitenbesuchern einen echten Mehrwert<br />
bietet, wird von Google entsprechend<br />
ANDRÉ DISSELKAMP,<br />
CO-FOUNDER VON INSURANCY<br />
20 Foto r.u.: Marco Wilm
Erfolgsrezepte 2023 TITEL<br />
»Wir vermeiden zu stark umkämpfte Keywords.«<br />
honoriert. Baukastensysteme wie die Maklerhomepage<br />
sind leider absolut ungeeignet, weil<br />
Google doppelte Inhalte abstraft.<br />
Außerdem sollten sich Makler auf ein Thema<br />
spezialisieren und den Wunsch verwerfen,<br />
zu allen Themen ranken zu wollen. Auch der<br />
Fokus auf ein lokales Ranking wie zum Beispiel<br />
„Versicherungsmakler Berlin“ ist eine gute Idee,<br />
weil die Konkurrenz hier nicht sonderlich hoch ist<br />
und man mit wenig Ressourcen gute Positionen<br />
einfahren kann. Wir vermeiden zu stark umkämpfte<br />
Keywords. An dieser Stelle würde ich<br />
empfehlen, von einem Experten eine professionelle<br />
Keyword-Recherche erstellen zu lassen.<br />
Man könnte sie auch selbst anlegen, aber die<br />
Tools sind sehr teuer und das nötige Know-how<br />
lässt sich nicht von heute auf morgen erarbeiten.<br />
Außerdem lassen wir Copywriter die Inhalte und<br />
den Content erstellen. Die meisten von uns können<br />
zwar Versicherungen, aber Texte und Artikel<br />
zu verfassen gehört nur bei den wenigsten zur<br />
Profession. Deshalb empfiehlt es sich, einen Profi<br />
zu beauftragen, der das übernimmt. Und schon<br />
hat man alles parat, um Kunden online und ohne<br />
Werbebudget zu gewinnen.<br />
KOMMUNIKATION ERLEICHTERN<br />
Für das Jahr 2023 plane ich für meine Mandantinnen<br />
und Mandanten eine noch einfachere,<br />
leichtere und bequemere Kommunikation. Dafür<br />
habe ich über den Tellerrand geschaut und auch<br />
mich selbst als Konsument gefragt, was mir bei<br />
anderen (Online-)Dienstleistern gefällt und was<br />
ich adaptieren kann. Das sind im Wesentlichen<br />
drei Dinge.<br />
Erstens: die Terminbuchung. Sie wird für alle<br />
zu 100 Prozent online und mit extrem geringem<br />
Aufwand möglich sein. Über ein System<br />
automatisiert, soll bis zum Termin kein manuelles<br />
Eingreifen meinerseits mehr erforderlich sein.<br />
Zweitens: die Kundenreise. Sie wird für alle noch<br />
transparenter und nachvollziehbarer werden,<br />
»Unnötige Rückfragen und<br />
zusätzlicher Zeitaufwand sollen<br />
vermieden werden.«<br />
sodass die Kunden stets über Vorgänge und<br />
Bearbeitungsstände von Anträgen und Schäden<br />
informiert gehalten werden. Das erspart mir unnötige<br />
Rückfragen und zusätzlichen zeitlichen Aufwand.<br />
Drittens: die Übermittlung von Dokumenten.<br />
Dies und auch das Einholen von Unterschriften<br />
werden unkompliziert und selbst für Laien leicht<br />
verständlich gestaltet werden. Erste Tests hierzu<br />
haben bereits Begeisterung ausgelöst. Darauf<br />
werde ich jetzt aufbauen. <br />
PATRICK HAMACHER, GESCHÄFTSFÜHRER „NEUE<br />
MEDIEN“ BIOMEX BIOMETRIE EXPERTENSERVICE GMBH<br />
BESTANDSNACHFOLGE<br />
»Junge Makler befähigen,<br />
Bestände erfolgreich<br />
übernehmen zu können.«<br />
ROBERT PEUKERT,<br />
GESCHÄFTSFÜHRER LIEBLINGSMAKLER GMBH & CO. KG<br />
Im April <strong>2022</strong> kauften wir einen Bestand von<br />
einem scheidenden Versicherungsmakler. Wir<br />
möchten diesen Kunden nun unsere Arbeitsweise<br />
zeigen. Dazu werden wir jeden Kunden<br />
kennenlernen und mit unserem ganzheitlichen<br />
Beratungsprozess zu einem Vollkunden in jedem<br />
Bereich entwickeln.<br />
Generell wird das Thema Bestandsnachfolge in<br />
2023 für uns eine große Rolle spielen. Unsere<br />
Initiative „Lebenswerk vor Ort in kompetente<br />
Hände geben“ soll in Kooperation mit dem<br />
etablierten Maklerunternehmen „Maklerwelt“<br />
zunächst in Thüringen, Sachsen und Sachsen-<br />
Anhalt entstehen. Damit soll die Betreuung von<br />
Beständen in der Region so erfolgen, dass es zu<br />
keiner Abwanderung kommt. Außerdem sollen<br />
Bestände für Verkäufer analysiert und optimiert<br />
werden. Junge Makler werden dadurch befähigt,<br />
Bestände erfolgreich zu übernehmen. Eine neue<br />
Netzwerkplattform wird die Initiative unterstützen.<br />
Aufbauend auf mein Buch „Was ein Finanzdienstleister<br />
heute wissen muss … und warum<br />
die besten Jahre noch vor uns liegen“ werde<br />
ich in 2023 Mentoring-Seminare für Makler und<br />
Vertriebler anbieten. Ein Seminar soll zeigen, wie<br />
man mit Bestandskunden leicht drei Millionen<br />
Euro Beitragssumme generiert. Die Seminare sind<br />
auf 20 Teilnehmer ausgelegt und werden online<br />
und auch bei uns vor Ort stattfinden.<br />
Nicht zuletzt sind wir weiterhin dabei, uns auf<br />
die betriebliche Altersversorgung zu spezialisieren.<br />
Parallel dazu steigt unsere Weiterempfehlungsquote<br />
merklich. Außerdem wollen wir fünf<br />
Mitarbeiter für unsere drei Standorte in Jena,<br />
Magdeburg und Nordhausen gewinnen. Diesen<br />
Prozess können Interessierte auch laufend über<br />
unsere Social-Media-Kanäle mitverfolgen. <br />
Foto l.u.: Jamie Lee Arnold<br />
21
TITEL Erfolgsrezepte 2023<br />
L-MEDIA-EXPERIMENT<br />
Zu unseren Prioritäten in diesem Jahr gehörten<br />
wie immer auch unsere Kundinnen und Kunden.<br />
Um den vielen Anfragen im vergangenen Jahr<br />
2021 gerecht zu werden und ihnen neben<br />
unseren Schreibprojekten unsere Zeit widmen zu<br />
können, haben wir ein Selbstexperiment gewagt.<br />
Es lautete: Was passiert, wenn auf unseren Instagram-<br />
und Facebook-Accounts nichts passiert?<br />
Wir haben unsere Social-Media-Kommunikation<br />
also komplett heruntergefahren und nichts mehr<br />
gepostet. Das Ergebnis? Zum einen deutlich mehr<br />
Zeit für uns selbst sowie für den Ausbau unseres<br />
Markenkerns, zum anderen deutlich weniger<br />
Anfragen und Neukunden. Ob Letzteres an der<br />
fehlenden Social-Media-Arbeit lag (Kausalität)<br />
oder einfach nur an den widrigen Umständen mit<br />
Inflation und Ukraine-Krieg (Korrelation), haben<br />
wir noch nicht abschließend für uns klären<br />
können. Learning: Einfach mal etwas „Verrücktes“<br />
wagen hat Auswirkungen – und zwar definitiv<br />
STEPHAN BUSCH, INHABER MAKLERBÜRO PROGRESS<br />
nicht nur negative.<br />
2023 werden wir das finalisieren, was wir <strong>2022</strong><br />
begonnen haben: Nachhaltigkeit. Einerseits in der<br />
Beratung und Aufklärung unserer Kundinnen und<br />
Kunden und andererseits in der Weiterbildung<br />
und Unterstützung unserer Kolleginnen und Kollegen.<br />
Vorträge, Seminare und ein Beratungsleit-<br />
»Wir haben unsere Social-<br />
Media-Kommunikation komplett<br />
heruntergefahren und<br />
nichts mehr gepostet.«<br />
faden werden folgen. So viel darf bereits verraten<br />
werden: Es wird augenöffnend.<br />
Trotz unseres Experiments und eines fokussierten<br />
Jahres ohne Social Media werden wir unsere<br />
Kanäle aktivieren. Dies wurde von unseren<br />
Kundinnen und Kunden mehrfach gewünscht;<br />
Schweigen ist also nicht immer Gold … Doch im<br />
Unterschied zu den Jahren zuvor werden wir<br />
keinen fachlichen Content mehr veröffentlichen,<br />
sondern lediglich einen Blick hinter die Kulissen<br />
von Tom & Stephan gewähren. Diese Einschränkung<br />
soll unsere kritische Haltung gegenüber<br />
dem Meta-Konzern widerspiegeln, der seiner<br />
gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht<br />
wird. <br />
FINANZBILDUNG VERBESSERN<br />
»Wir werden den<br />
Geld lehrerverein auch für<br />
Lehrerinnen und Lehrer,<br />
Mütter und<br />
Väter öffnen.«<br />
MARKEN-BRANDING<br />
ANETTE WEISS, INHABERIN DER<br />
GELD.WERT FINANZBILDUNG GMBH<br />
In 2023 möchte ich die Finanzbildung in<br />
Deutschland weiter verbessern – und zwar auf<br />
allen Ebenen.<br />
In der Erwachsenenbildung werde ich – endlich!<br />
– wieder verstärkt Präsenzvorträge und Seminare<br />
halten und mein erfolgreiches Onlinekurs-<br />
Konzept weiterverfolgen. Außerdem sind meine<br />
Aufgaben als neue Vorstandsvorsitzende der<br />
Geldlehrer e. V. ein riesiges Herzensprojekt: Wir<br />
brauchen viel mehr Menschen, die sich gerne<br />
in diesem Ehrenamt engagieren möchten,<br />
um jungen Menschen mit fundiertem Schul-<br />
Geldunterricht einen guten Start ins finanzielle<br />
Erwachsenenleben zu ermöglichen. Wir werden<br />
den Geldlehrerverein auch für Lehrerinnen und<br />
Lehrer, Mütter und Väter öffnen (bisher konnten<br />
nur Finanzprofis die Ausbildung zum Geldlehrer<br />
machen), aber es wäre mir eine große Freude,<br />
wenn viel mehr professionelle Kollegen die Gelegenheit<br />
nutzen würden, nicht nur der Gesellschaft<br />
etwas zurückzugeben, sondern auch<br />
ihre Reputation und die der ganzen Branche zu<br />
stärken und das befriedigendste Hobby/Ehrenamt<br />
auszufüllen, welches sich ein Geld- und<br />
Vorsorgemensch überhaupt vorstellen kann.<br />
Die Arbeit mit den jungen Menschen macht<br />
nicht nur ungeheuren Spaß, auch die eigene<br />
Persönlichkeit und Beratungsqualität profitieren<br />
davon ungemein.<br />
„Nebenbei“ engagiere ich mich weiter in der<br />
Bürgerbewegung Finanzwende e. V. sowie in<br />
meinem regionalen Netzwerk FemPOWERme,<br />
welches sich der Aufgabe verschrieben hat,<br />
die weibliche Wirtschaft im Saarland impulsgebend<br />
zu fördern.<br />
Die größte Herausforderung für mein gutes 2023<br />
wird es sein, meine persönlichen Ressourcen<br />
so einzusetzen, dass ich mich nicht verbrenne:<br />
auch das erfolgreichste Jahr ist am Ende doch<br />
ein schlechtes Jahr, wenn der mentale und<br />
körperliche Preis dafür zu hoch ist. <br />
TOBIAS BIERL, VERSICHERUNGSMAKLER<br />
BEI FINANZBERATUNG BIERL<br />
Neben dem Einzug in unser neues Bürogebäude<br />
und die Umwandlung in eine GmbH steht 2023<br />
die Fokussierung auf unsere Schwerpunkte im<br />
Vordergrund. Damit einhergehend wird es auch<br />
einen Relaunch unserer Homepage – der wichtigsten<br />
Vertriebsmaschine bei uns – geben.<br />
Wir haben intern beschlossen, dass wir nicht<br />
mehr für alles stehen möchten, sondern<br />
strahlen künftig klar unsere Kompetenzen in<br />
den Bereichen Berufsunfähigkeitsversicherung,<br />
private Krankenversicherung sowie Investment/<br />
Anlage aus. Interessenten und bisherige Kunden<br />
sehen also sofort, wofür wir stehen. Dieses<br />
Branding fehlte uns bisher etwas und musste<br />
nachgeholt werden. Neben der Sichtbarkeit auf<br />
unserer Homepage wird sich das auch in den<br />
Social-Media-Aktivitäten niederschlagen. Wir<br />
22 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Erfolgsrezepte 2023 TITEL<br />
möchten nicht mehr wahllos mit Neukunden<br />
wachsen, sondern lieber Qualität vor Quantität<br />
walten lassen. Wir stellen neue Mitarbeiter im<br />
Innendienst ein, um weiterhin hochwertigen<br />
Service von Mensch zu Mensch anzubieten.<br />
Zeitgleich forcieren wir die Digitalisierung und<br />
suchen ständig Verbesserungspunkte in unseren<br />
Prozessen. Als großes weiteres Projekt führen wir<br />
die Investment- mit der Versicherungswelt auf<br />
»Wir haben beschlossen,<br />
dass wir nicht mehr für alles<br />
stehen möchten.«<br />
einer Plattform für unsere Kunden zusammen.<br />
Wir möchten unseren Interessenten und Kunden<br />
ein geschlossenes digitales Ökosystem anbieten,<br />
aber mit persönlicher Beratung bei Bedarf.<br />
Somit auch unsere Empfehlung an die Kollegen<br />
– zeigt, wofür ihr steht. Was euer Schwerpunkt<br />
ist. „Versicherungsmakler“ ist zu wenig. Das ist<br />
auch Check24. Hebt euch ab, nutzt die digitalen<br />
Möglichkeiten, versucht aber nicht alles selbst zu<br />
machen, sondern holt euch Mitarbeiter ins Team.<br />
Kunden schätzen dies und es zeugt von einer<br />
gewissen Professionalisierung, wenn der „Chef“<br />
nicht mehr alles selbst macht.<br />
FOKUS AUF DIE BAUWIRTSCHAFT<br />
»Digitalisierung, Prozessoptimierung<br />
und Intensivieren<br />
der persönlichen Beratung<br />
bestimmen den<br />
Themenkreis.«<br />
Unsere Planung für 2023 wird zunächst nicht<br />
von dem Beschreiten neuer Wege geprägt sein.<br />
Wir wollen unsere Dienstleistung, den Workflow<br />
intern beschleunigen und bei unseren Premiumpartnern<br />
weiter darauf einwirken, dass sich<br />
die Prozesse dort verbessern. Insbesondere die<br />
großen Versicherer performen aktuell nur durchschnittlich,<br />
gemessen an der Erwartung unserer<br />
Baukunden. Die Bearbeitungszeiten sind kaum<br />
akzeptabel.<br />
Nach jahrelangem Wachstum in der Bauwirtschaft<br />
und in unserem Haus ist damit die weitere<br />
BURKHARD BRÄMER, GESCHÄFTSFÜHRENDER<br />
GESELLSCHAFTER VON BAUASS<br />
VERSICHERUNGSMAKLER GMBH & CO KG<br />
Verbesserung der Dienstleistung oberstes Ziel.<br />
Digitalisierung, Prozessoptimierung und Intensivieren<br />
der persönlichen Beratung bestimmen den<br />
Themenkreis.<br />
Darüber hinaus machen wir keine Experimente<br />
im Erschließen neuer Märkte, Zielgruppen etc.<br />
Für uns heißt es: „Never change a winning team“<br />
– unsere Positionierung in der Zielgruppe der mittelständischen<br />
Bauwirtschaft soll weiter verstärkt<br />
werden. Voller Fokus auf Bau heißt unser Motto<br />
des Jahres 2023!<br />
Eingebunden in das Haus unseres Mitgesellschafters<br />
und Partners Leue & Nill – Internationaler<br />
Versicherungsmakler – haben wir <strong>2022</strong> gemeinsam<br />
unsere Backofficeteams neu aufgestellt<br />
und diese ebenfalls mit Blick auf unsere Nische<br />
Bauwirtschaft ausgesucht. Im kommenden Jahr<br />
soll dieser Weg weiterverfolgt und konsolidiert<br />
werden. Produkt(weiter)entwicklung, Personalentwicklung<br />
und Prozesse sollen dem dauerhaften<br />
vertrieblichen Erfolg gestern, heute und<br />
morgen folgen.<br />
Beim Blick auf unser Niederlassungsnetz ergeben<br />
sich Lücken in der Mitte und im Südwesten<br />
Deutschlands. Wir suchen weiter intensiv nach<br />
bauaffinen Versicherungsexperten, Maklern und<br />
Vermittlern, die sich auf dem Weg der kompletten<br />
Fokussierung anschließen möchten. <br />
MIT HERZ UND LEIDENSCHAFT<br />
»Die Kunden fühlen sich<br />
verstanden, weil ich einer<br />
von ihnen bin.«<br />
Ich habe mich als Versicherungsmakler auf die<br />
Zielgruppe Hobbytaucher spezialisiert und mein<br />
Erfolgsrezept ist und bleibt es, diese Zielgruppe<br />
weiter auszubauen und zu festigen. Durch den<br />
100-prozentigen Fokus auf die Zielgruppe nehme<br />
ich Veränderungen sehr schnell wahr und habe<br />
einen Expertenstatus. Die Kunden fühlen sich<br />
verstanden, weil ich einer von ihnen bin. Genauso<br />
ist es bei den Versicherern, weil ich mich nur<br />
auf dieses Thema konzentriere und hier einige<br />
Deckungskonzepte umsetzen konnte. An dieser<br />
Ausrichtung wird sich auch 2023 nichts ändern.<br />
Gleichzeitig steht der Meeresschutz im Mittelpunkt.<br />
Dieses Jahr habe ich das Projekt Ostfriesland<br />
ins Leben gerufen, das erste Meeresschutzprojekt<br />
für bessergrün, bei dem die Taucher<br />
von Ghost Diving Germany Geisternetze vor den<br />
Ostfriesischen Inseln geborgen haben. Gleichzeitig<br />
haben wir über 200 Gäste unter anderem aus<br />
Politik, Umweltverbänden, Presse und Fernsehen<br />
mit auf die Nordsee genommen, um die Problematik<br />
mit den Geisternetzen öffentlich bekannt zu<br />
machen. Es war ein großer Erfolg, vielen Dank an<br />
alle Beteiligten. Dieses Projekt wird im Mai 2023<br />
wieder stattfinden und ist nicht nur mein Herzens-,<br />
sondern auch mein Erfolgsrezept für 2023.<br />
Des Weiteren heißt es dranbleiben und immer<br />
neue Ideen entwickeln. Wir spenden pro Antrag<br />
fünf Euro an den Meeresschutz, kooperieren mit<br />
Ärzten, Gutachtern und Rechtsanwälten, die sich<br />
aufs Tauchen spezialisiert haben, aber auch mal<br />
TIMO VIEROW,<br />
VERSICHERUNGSMAKLER UND SPEZIALIST FÜR TAUCHER<br />
was Besonderes wie unser #dekompressionsbier<br />
als Werbegeschenk.<br />
Erfolgsrezept: Zielgruppe, Meeresschutz, anders<br />
sein als andere, immer wieder neue Ideen und mit<br />
dem Herzen dabei sein.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
23
HÖHEPUNKTE DES JAHRES Investmentfonds<br />
HIGHLIGHTS <strong>2022</strong><br />
Fondsbranche im Krisenjahr ++ DWS-Razzia ++ Wirecard ++ Offene Immobilienfonds ++ ESG-Fondsquote<br />
Februar, Juli<br />
FONDSBRANCHE <strong>2022</strong>:<br />
ERST JUBEL, DANN TRUBEL<br />
Die Fondsbranche feierte zunächst noch das Ausnahmejahr<br />
2021. Mit 4.334 Milliarden Euro verwalteten die Fondsgesellschaften<br />
zu Jahresbeginn ein Rekordvermögen. Laut BVI war<br />
das letzte Jahr mit einem Neugeschäft von 256 Milliarden Euro<br />
das beste Absatzjahr für Fonds. Gründe: das Negativzinsumfeld<br />
und die steigende Inflation. Doch dann kamen Russlands<br />
Ukraine-Feldzug, explodierende Verbraucher- und Energiepreise<br />
und ein herber Einbruch an den Börsen, der auch die<br />
sonst sicheren Anleihemärkte kalt erwischte. Der DAX verlor<br />
allein im ersten Halbjahr <strong>2022</strong> 19,52 Prozent, der Dow Jones<br />
sank um 15,3 Prozent. Seitdem geht es mit hoher Volatilität auf<br />
und ab. Geopolitische Krisen haben die Märkte fest im Griff.<br />
April, Juni, Oktober<br />
GREENWASHING-DRAMA BEI DWS<br />
Staatsanwaltschaft, BKA und BaFin durchsuchten die Deutsche-<br />
Bank-Zentrale nebst Fondstochter DWS. Finanzprodukte sollen<br />
als „nachhaltiger“ verkauft worden sein, als sie tatsächlich sind.<br />
DWS-Chef Asoka Wöhrmann musste daraufhin die Geschäftsleitung<br />
verlassen. Im Oktober reichte die VZ BaWü eine Klage<br />
gegen die DWS wegen des Verdachts auf Greenwashing ein.<br />
Januar<br />
KEIN SCHADENSERSATZ FÜR<br />
WIRECARD-ANLEGER<br />
Anleger haben viel Geld mit der einstigen DAX-Aktie Wirecard<br />
verloren. Im größten Betrugsskandal der deutschen Nachkriegs<br />
geschichte hat das Landgericht Frankfurt erste Anlegerklagen<br />
auf Schadensersatz gegen die BaFin abgewiesen (Az.<br />
2-04 O 65/21, 2-04 O 531/20, 2-04 O 561/20, 2-04 O 563/20).<br />
Die Begründung: Eine etwaige Verletzung von Amtspflichten<br />
der Bafin führt nicht zu einer Ersatzpflicht gegenüber geschädigten<br />
Anlegern, denn es besteht kein sogenannter Drittschutz.<br />
Tausende weitere Klagen sind noch anhängig.<br />
24 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong>|22
Investmentfonds HÖHEPUNKTE DES JAHRES<br />
Mai, September<br />
DEUTSCHE ESG-FONDSQUOTE IN DER KRITIK<br />
In Deutschland aufgelegte Artikel-8- und Artikel-<br />
9-Fonds müssen laut BaFin mindestens 75 Prozent<br />
nachhaltige Investments beinhalten. Damit wurde<br />
die Offenlegungsverordnung national verschärft. Die<br />
Branche sieht darin einen großen Standortnachteil gegenüber<br />
Ländern wie Luxemburg und Irland. Laut BVI<br />
könnten ausländische Fonds per EU-Pass im deutschen<br />
Markt als nachhaltig vertrieben werden, ohne die Vorgaben<br />
der BaFin erfüllen zu müssen. Im Mai hatte die<br />
BaFin die Richtlinie für die Quote wegen des schwierigen<br />
Marktumfelds vorerst ausgesetzt, will sie aber<br />
auch ohne rechtliche Grundlage weiter anwenden.<br />
Juli<br />
ETF IM<br />
SUPERMARKT<br />
April<br />
Im Rahmen einer Aktion haben<br />
2.700 Märkte der Edeka-Gruppe sogenannte<br />
ETF-Sparkarten im Wert<br />
von 25 oder 30 Euro des digitalen<br />
Vermögensverwalters growney angeboten.<br />
Diese Guthaben können<br />
binnen drei Jahren nach Erwerb für<br />
den Kauf von ETFs eingelöst werden,<br />
auch von Neukunden. Einige<br />
Edeka-Märkte verkaufen zudem an<br />
Automaten Bitcoins.<br />
OFFENE IMMOBILIENFONDS<br />
WENIGER LIQUIDE<br />
Das Analysehaus Scope hat die Liquiditätsquoten von<br />
24 offenen Immobilienfonds unter die Lupe genommen.<br />
Ergebnis: Die Liquiditätsquoten sind weiter<br />
gesunken, von 20,2 (2019) auf zuletzt 15,2 Prozent. Ein<br />
Hauptgrund sind die gesunkenen Nettomittelzuflüsse<br />
aufgrund der Corona-Krise. Zudem haben zahlreiche<br />
Fondsgesellschaften zuletzt die Gelegenheit genutzt,<br />
weitere Immobilien zu erwerben. Auszahlungsschwierigkeiten<br />
bei der Rückgabe der Fondsanteile drohen<br />
laut Scope angesichts der geringeren Liquiditätsquoten<br />
aber noch nicht.<br />
August<br />
INFLATION ÄNDERT<br />
ANLEGERVERHALTEN<br />
Laut einer Studie von J.P. Morgan schränken<br />
aufgrund der hohen Inflation 23 Prozent der<br />
Bürger ihre Altersvorsorge ein, 17 Prozent<br />
erhöhen ihr Investment. 11 Prozent geben<br />
ihr Geld lieber aus anstatt zu sparen. Und 35<br />
Prozent investieren weiterhin wie zuvor.<br />
Juni<br />
Grüne Vermögensverwalter<br />
Die Top Ten der weltweit „grünsten“<br />
Vermögensverwalter sind laut Auswertung<br />
der Analysten von Scope:<br />
Federated Hermes, Candriam,<br />
Neuberger Berman, Robeco, HSBC<br />
Global AM, Alliance Bernstein, Axa<br />
Investment Managers, Amundi, Union<br />
Investment, Franklin Templeton.<br />
März<br />
Euro-Allzeithoch für Gold<br />
Der Goldkurs erreichte am 8. März<br />
<strong>2022</strong> mit 1.880,75 Euro Schlusskurs<br />
für eine Unze Gold (31,1 Gramm) ein<br />
neues Allzeithoch in Euro. In Dollar<br />
hingegen datiert der Rekordwert mit<br />
2.<strong>06</strong>3,01 Dollar Schlusskurs weiterhin<br />
vom 6. August 2020.<br />
Mai<br />
Bitcoingewinne steuerfrei?<br />
13 Jahre nach Start des Bitcoins hat<br />
das Bundesfinanzministerium einen<br />
Leitfaden zur ertragssteuerrechtlichen<br />
Behandlung virtueller Währungen<br />
und sonstiger Token veröffentlicht.<br />
Für Privatpersonen bleibt<br />
der Verkauf von Bitcoins auch nach<br />
einem Jahr nur steuerfrei, wenn die<br />
Besitzer nicht weiter damit gehandelt<br />
haben. Ansonsten gilt Steuerpflicht.<br />
Mai<br />
OIFs mit neuen Steuertools<br />
Offene Investmentfonds dürfen seit<br />
dem Frühjahr neue Instrumente<br />
anwenden, um die Liquidität in ihren<br />
Fonds in turbulenten Marktphasen<br />
besser steuern zu können. Dazu<br />
zählen Rücknahmebeschränkungen,<br />
Swing Pricing (Anpassung von Anteilspreisen)<br />
und Rücknahmefristen.<br />
Letztere sind bereits nach der Finanzkrise<br />
seit 2013 bei offenen Immobilienfonds<br />
erlaubt.<br />
Lesen Sie die Hintergründe, Zusatzberichte<br />
und Interviews zu diesen und<br />
weiteren Highlights des Jahres unter:<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/<strong>2022</strong><br />
Illustrationen: Eleonora Mavromati<br />
25
INVESTMENTFONDS Investmentausblick<br />
»Anleger sollten über einen<br />
Einstieg nachdenken«<br />
Ende September wurde Christoph Schmidt zum Co-Lead Manager des DWS-Flaggschifffonds<br />
„Concept Kaldemorgen“ berufen. Mit <strong>procontra</strong> sprach er über das herausfordernde<br />
Marktumfeld, den Trend zu nachhaltigen Investments und die Marktaussichten für 2023.<br />
– TEXT: JAN F. WAGNER –<br />
<strong>procontra</strong>: Herr Schmidt, Sie und Klaus<br />
Kaldemorgen sind inzwischen Co-Lead<br />
Manager seines Mischfonds „Concept<br />
Kaldemorgen“. Wie hat sich der Fonds in<br />
diesem äußerst schwierigen Marktumfeld<br />
geschlagen?<br />
Christoph Schmidt: Für die ersten neun<br />
Monate <strong>2022</strong> sind wir 4,6 Prozent im<br />
Minus. Angesichts der Tatsache, dass die<br />
Aktien- und die Anleiheindizes seit Januar<br />
zweistellige Verluste gemacht haben, und<br />
mit Blick auf den Wettbewerb sind wir mit<br />
der Performance nicht ganz unzufrieden.<br />
Wir sind sogar über neun Prozentpunkte<br />
besser als unsere Peergroup.<br />
Das diesjährige Marktumfeld ist ein<br />
riesiges Dilemma für alle Mischfonds, weil<br />
die Anleiheindizes genauso stark unter<br />
Druck stehen wie die Aktienmarktindizes.<br />
Diese Assetklasse fällt also als sicherer<br />
Hafen für die Investoren aus.<br />
<strong>procontra</strong>: Verspricht aber nicht die Total-<br />
Return-Strategie des Fonds eine positive<br />
Rendite unabhängig von der Marktentwicklung?<br />
Schmidt: Nein. Unser Ziel ist es, mit einer<br />
Kombination aus Flexibilität und einem<br />
sehr disziplinierten Risikomanagement<br />
langfristig attraktive Renditen zu erzielen.<br />
Und da haben wir geliefert: Seit Auflegung<br />
des Fonds im Jahr 2011 hat der Concept<br />
Kaldemorgen eine Rendite von knapp 4<br />
Prozent per annum erreicht. Unser Produkt<br />
eignet sich für den konservativen Anleger,<br />
der sagt: Ich sehe zwar das langfristige<br />
Potenzial an den Kapitalmärkten, aber die<br />
Schwankungen sollten sich möglichst nur<br />
im einstelligen Bereich bewegen. Für aktienaffinere<br />
Anleger gibt es den „Dynamic<br />
Opportunities” (Volumen: 3,2 Milliarden<br />
Euro; Anm. d. Red.), den ich schon länger<br />
eigenständig manage.<br />
<strong>procontra</strong>: Was waren die Gründe für die<br />
26 Fotos: Jonas Werner-Hohensee
Investmentausblick INVESTMENTFONDS<br />
Outperformance gegenüber dem breiten<br />
Markt?<br />
Schmidt: Wir haben schon im letzten Jahr<br />
erkannt, dass die Inflation stark anzieht<br />
und dies wiederum zu höheren Zinsen<br />
führen wird. Daraufhin haben wir auf steigende<br />
Zinsen und fallende Anleihekurse<br />
gesetzt. Im Ergebnis heißt das, dass wir<br />
aus den Anleihekomponenten des Fonds<br />
einen Performancebeitrag von rund 1 Prozent<br />
erzielt haben. Wir haben auch einen<br />
positiven Beitrag von unseren Goldinvestments,<br />
die derzeit etwa 8 Prozent des<br />
Portfolios ausmachen. Herbe Verluste im<br />
Aktienbereich konnten wir vermeiden, da<br />
wir seit Beginn des Krieges in der Ukraine<br />
im Portfolio defensiv aufgestellt waren.<br />
Wir sind tendenziell rausgegangen aus<br />
den Wachstumsthemen wie Technologie<br />
und stärker rein in die defensiven Themen<br />
wie Telekommunikation und Pharma.<br />
Außerdem war die starke Aufwertung des<br />
Dollars gegenüber dem Euro ein Faktor.<br />
<strong>procontra</strong>: Haben Ihnen die Anleger trotz<br />
des Minus die Treue gehalten?<br />
Schmidt: Absolut. Im letzten Quartalsbericht<br />
steht, dass der Multi-Asset-Bereich,<br />
also vor allem der Concept Kaldemorgen,<br />
Zuflüsse in Höhe von 600 Millionen Euro<br />
verbuchte. Gerade in diesem schwierigen<br />
Jahr konnten wir uns von der Konkurrenz<br />
abheben und zeigen, dass sich aktives Management<br />
lohnt, sowohl im Vergleich zu<br />
einem passiven als auch zu einem benchmarkorientierten<br />
Ansatz.<br />
<strong>procontra</strong>: Wird das aber auch in der Öffentlichkeit<br />
verstanden? Gerade junge und<br />
digitalaffine Menschen hören ständig im<br />
Internet, dass aktive Fonds zu teuer und<br />
leistungsschwach seien. Sie sollten lieber<br />
mit kostengünstigen ETFs sparen …<br />
Schmidt: Das Sparen mit ETF ist zweifelsohne<br />
ein Trend und für viele ein sehr guter<br />
Zugang, beispielsweise zum Aktienmarkt.<br />
Geht es aber um Multi-Asset-Lösungen,<br />
haben die turbulenten Marktphasen der<br />
letzten Monate gezeigt, welche Risiken<br />
starre, passive Strategien mit sich bringen<br />
können. Aktive Manager konnten dagegen<br />
die Vorteile ihrer Flexibilität ausspielen.<br />
Denn: Plötzlich hatten Anleger mit der<br />
Inflation und den steigenden Zinsen einen<br />
gewaltigen Gegenwind. Aktive Manager<br />
mussten schauen, wie sie das Zinsänderungsrisiko<br />
in den Griff bekommen und<br />
welche Instrumente dafür zur Verfügung<br />
stehen. Das wäre für Privatanleger mit<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
95<br />
90<br />
WERTENTWICKLUNG<br />
CONCEPT KALDEMORGEN<br />
29.9.2017 28.12.2018 31.3.2020 30.6.2021 30.9.<strong>2022</strong><br />
Quelle: DWS<br />
sein, der wirklich volle Flexibilität bei der<br />
Asset-Allokation hat und der sich nicht<br />
relativ eng an einer Benchmark orientiert.<br />
<strong>procontra</strong>: Ihr anderer Mischfonds, der<br />
DWS ESG Dynamic Opportunities, hat für<br />
die ersten neun Monate <strong>2022</strong> ein Minus<br />
von 15,4 Prozent erzielt. Das ist zwar<br />
besser als die Aktienindizes, Nerven kostet<br />
das Ihre Anleger aber schon, oder?<br />
Schmidt: Obwohl es richtig ist, dass die<br />
Performance in diesem Jahr wegen des<br />
hohen Anteils an Technologieaktien<br />
gelitten hat, bin ich mit dem langjährigen<br />
Track Record des Fonds doch zufrieden.<br />
Der Fonds richtet sich an Anleger, die<br />
insbesondere die Opportunitäten am<br />
Aktienmarkt ausschöpfen wollen. Während<br />
der Corona-Krise habe ich von der<br />
damaligen Tech-Rallye profitiert, nachdem<br />
ich die Sektorgewichtung von 7 auf 17<br />
Prozent hochgefahren hatte. Mitte 2021<br />
habe ich dann angefangen, die Gewichtung<br />
zu reduzieren, auch weil wir der Meinung<br />
waren, dass im Zuge der steigenden Inflation<br />
die Zinsen anziehen werden. Ich bin<br />
jedoch nur schrittweise ausgestiegen, und<br />
man kann argumentieren, dass das nicht<br />
schnell oder weit genug ging. Es gibt aber<br />
auch Anzeichen, dass sich dieser Sektor<br />
in den nächsten Monaten erholen wird.<br />
Dann könnte es wieder attraktive Einstiegschancen<br />
geben. Insgesamt bleibt das<br />
Aktienportfolio ausgewogen ausgerichtet,<br />
beispielsweise mit einem Exposure im<br />
Gesundheitssektor von 13,2 Prozent und<br />
einer Aktienquote von derzeit knapp unter<br />
70 Prozent.<br />
<strong>procontra</strong>: Warum trägt der Dynamic Opportunities<br />
neuerdings ein ESG-Label?<br />
Schmidt: Unser Ansatzpunkt war folgender:<br />
Wir haben festgestellt, dass die<br />
ESG-Qualität des Dynamic Opportunities<br />
schon in der Vergangenheit sehr hoch war.<br />
Deshalb waren nur wenige Anpassungen<br />
notwendig, um dem Fonds ein ESG-Label<br />
zu geben. Der grundlegende Charakter des<br />
Fonds blieb also auch nach der Umstellung<br />
erhalten. Bei den Anpassungen musste ich<br />
nur einige Titel ersetzen, die in der Vergangenheit<br />
in Kontroversen verwickelt waren,<br />
die das ESG-Rating der entsprechenden<br />
Unternehmen belasteten. Von ganzen Sektoren,<br />
wie zum Beispiel der Energie, musste<br />
ich mich nicht pauschal verabschieden.<br />
Das Investmentuniversum wurde deshalb<br />
auch nicht zu stark eingeschränkt.<br />
<strong>procontra</strong>: Angesichts der Portfoliokoneiner<br />
passiven Lösung über ETF gar nicht<br />
möglich gewesen.<br />
<strong>procontra</strong>: Aber nochmals gefragt: Wäre<br />
die neue Generation von Anlegern offen<br />
für diese Argumente?<br />
Schmidt: Durchaus. In der Pandemie waren<br />
Aktien ein Hype. Man konnte mit der<br />
Smartphone-App ganz bequem handeln.<br />
Viele verfolgten eine Art Alltagsökonomie<br />
nach dem Motto: Ich habe selbst<br />
ein Netflix-Abonnement, deshalb kann<br />
die Aktie nicht so schlecht sein. Aber ich<br />
denke, diese Zeit ist vorbei. Viele wollen<br />
sich nicht mehr so intensiv mit der Börse<br />
beschäftigen, auch weil sie gemerkt haben,<br />
»Das diesjährige<br />
Marktumfeld<br />
ist ein<br />
riesiges Dilemma<br />
für alle Mischfonds.«<br />
dass sie am Ende nicht so erfolgreich<br />
waren. Sie haben erkannt, dass man da<br />
mehr Arbeit reinstecken muss als gedacht.<br />
Ich kenne einige, die sagen: Ich überlasse<br />
es lieber einem Fondsmanager, dessen Job<br />
es ist, sich mit dem Kapitalmarkt auseinanderzusetzen,<br />
und lasse mich in meiner<br />
jeweiligen Risikokomfortzone abholen.<br />
Mein Rat lautet: Wenn man sich für einen<br />
Mischfonds entscheidet, sollte es einer<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
27
INVESTMENTFONDS Investmentausblick<br />
struktion ähnelt der Dynamic Opportunities<br />
eher einem Technologiefonds. Zu<br />
den größten Positionen des Fonds gehören<br />
Microsoft, Google, Amazon und Deutsche<br />
Telekom …<br />
Schmidt: Dieser Eindruck täuscht. Die genannten<br />
Unternehmen sind von der fundamentalen<br />
Einschätzung her sehr attraktiv<br />
und verfügen in Sachen ESG über ein gutes<br />
Rating. Die Einzeltitel im Portfolio, die die<br />
besten ESG-Ratings haben, sind aber nicht<br />
vorwiegend aus dem Technologiesektor,<br />
sondern aus den Sektoren Finanzen, Industrie,<br />
Gesundheit und Versorger.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie sieht Ihre nachhaltige<br />
Investmentstrategie konkret aus?<br />
Schmidt: Die ESG-Strategie für den Fonds<br />
ist eine Kombination aus Ausschlusskriterien<br />
und „Best-in-Class“. Wie beim<br />
DWS Concept Kaldemorgen auch, werden<br />
beispielsweise Tabak- und Rüstungsunternehmen<br />
grundsätzlich ausgeschlossen.<br />
Zusätzlich kommt der Best-in-Class-Ansatz<br />
zum Tragen. Das heißt, ich fokussiere<br />
mich beim Dynamic Opportunities auf<br />
die Titel, die ein gutes ESG-Rating haben,<br />
also in der besseren Hälfte des Ratingspek-<br />
trums liegen. Die schlechtere Hälfte der<br />
Aktien ist für mich nur in engen Grenzen<br />
investierbar. Dieser ESG-Ansatz kann mir<br />
helfen, die Risiken zu senken. Ich sehe den<br />
»Die turbulenten<br />
Marktphasen haben<br />
gezeigt, welche<br />
Risiken starre, passive<br />
Strategien mit sich<br />
bringen können.«<br />
Ansatz in erster Linie als einen Qualitätsfilter,<br />
und zwar ganz zu Beginn des Investmentprozesses.<br />
<strong>procontra</strong>: Die Nachfrage nach ESG-<br />
Fonds ist laut einer BVI-Statistik im ersten<br />
Halbjahr <strong>2022</strong> stark eingebrochen. Lässt<br />
die Begeisterung der Anleger für solche<br />
Investments nach?<br />
Schmidt: Das denke ich nicht. Ich vermute<br />
eher, der Einbruch hatte mit den schwachen<br />
Märkten zu tun. Unsere Zahlen sprechen<br />
nicht dafür, dass das Anlegerinteresse<br />
an ESG nachlässt. Im Gegenteil: Wir haben<br />
in dem bereits erwähnten Quartalsbericht<br />
kommuniziert, dass unsere ESG-Produkte<br />
und der Concept Kaldemorgen maßgeblich<br />
für die Zuflüsse in diesem Jahr waren.<br />
<strong>procontra</strong>: Die hohe Inflation und die steigenden<br />
Zinsen dürften eine Rezession in<br />
Deutschland auslösen und das Wachstum<br />
in der Eurozone und in den USA erheblich<br />
dämpfen. Was bedeutet die makroökonomische<br />
Entwicklung für die Märkte?<br />
Schmidt: Sicher lähmen der Krieg in der<br />
Ukraine und die damit verbundenen makroökonomischen<br />
Folgen die europäische<br />
Wirtschaft. Aber für die globalen Aktienmärkte<br />
wird das, was in den USA passiert,<br />
entscheidend sein. Die Marktteilnehmer<br />
werden also schauen, ob es der US-Notenbank<br />
gelingt, das Inflationsproblem in<br />
den Griff zu bekommen und ein Ende der<br />
Zinserhöhungen in Aussicht zu stellen. Im<br />
ersten Quartal 2023 werden wir schlauer<br />
sein. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass<br />
sich die Inflation bis dahin abschwächen<br />
könnte. Die Situation mit den Lieferketten<br />
entspannt sich schrittweise, die Rohstoffpreise<br />
sind in letzter Zeit unter Druck<br />
geraten und die Frachtraten sind gefallen.<br />
Für die Aktienmärkte bedeutet das, dass<br />
wir nach dem großen Ausverkauf vielleicht<br />
eine Art Bodenbildung sehen könnten.<br />
Die Markterwartungen an das Gewinnwachstum<br />
im nächsten Jahr erscheinen uns<br />
zwar insgesamt noch zu hoch. Es ist aber<br />
denkbar, dass die Unternehmensgewinne<br />
als nominale Größe gar nicht so sehr<br />
unter Druck geraten, wie man es im Zuge<br />
einer möglichen Rezession normalerweise<br />
erwarten würde. Das würde auch den<br />
Aktienmarkt unterstützen.<br />
<strong>procontra</strong>: Heißt das, dass es ein guter<br />
Zeitpunkt wäre, in den Markt einzusteigen?<br />
Schmidt: Es ist schwer zu sagen, ob wir<br />
nun den Tiefpunkt erreicht haben und<br />
von nun an alles besser wird. Gleichwohl<br />
würde ich Anleger ermutigen, über einen<br />
Einstieg ernsthaft nachzudenken. Nach so<br />
einem starken Rückgang sollte man die<br />
Chancen erkennen und sich nicht von den<br />
negativen Schlagzeilen zu sehr einlullen<br />
lassen. In den Märkten ist viel Negatives<br />
bereits eingepreist. <br />
28 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
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INVESTMENTFONDS Anlagestrategien<br />
AUF DIE INNEREN WERTE<br />
KOMMT ES AN<br />
Bei stark verbilligten Aktien und schwächelnder Konjunktur rückt der Value-Anlageansatz<br />
in den Vordergrund. Wie dabei der faire, innere Wert ermittelt wird<br />
und was beim Investieren beachtet werden sollte<br />
– TEXT: HEIKE GORRES –<br />
Das Jahr <strong>2022</strong> hat sich für Aktienbesitzer<br />
zu einer einzigen Nervenprobe entwickelt.<br />
Zahlreiche Aktienindizes weltweit haben<br />
teils kräftige Kursverluste verzeichnet. Der<br />
deutsche Aktienindex DAX und der Eurostoxx<br />
50 zum Beispiel haben bis Ende Oktober<br />
jeweils rund 17 Prozent an Wert ver-<br />
sich tendenziell negativ auf Aktienmärkte<br />
auswirkt. Für 2023 rechnet das ifo Institut<br />
für Deutschland zum Beispiel Stand September<br />
mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung<br />
um 0,3 Prozent, die OECD<br />
um 0,7 Prozent. Für die Weltwirtschaft hat<br />
die OECD im September ihre Wachstumsloren,<br />
der US-amerikanische S&P 500 rund<br />
22 Prozent und der CSI 300 mit Aktien aus<br />
Festlandchina 26 Prozent. Das Weltaktienbarometer<br />
MSCI World hat um 20 Prozent<br />
nachgegeben.<br />
Dazu kommt eine Abschwächung der<br />
Konjunktur in zahlreichen Ländern, was<br />
30 Ilustration: Roman Kulon
Anlagestrategien INVESTMENTFONDS<br />
prognose von 2,8 Prozent auf 2,2 Prozent<br />
gesenkt, der Internationale Währungsfonds<br />
im Oktober von 2,9 Prozent auf 2,7 Prozent.<br />
Für sehr preisbewusste Anleger ist ein<br />
solches Umfeld indes ein echtes Eldorado.<br />
Aktien sind deutlich billiger zu haben<br />
als zuvor und können einen lohnenden<br />
Einstieg bieten. „Eine der erfolgreichsten<br />
Anlagestrategien besteht darin, in einer Rezession<br />
niedrig bewertete Value-Aktien einzusammeln“,<br />
sagt einer der prominentesten<br />
antizyklisch investierenden Fondsmanager<br />
Deutschlands, Peter Huber. „Value“ steht<br />
für „Wert“ und Value-Aktien demnach für<br />
werthaltige Aktien. Der Grundgedanke ist,<br />
dass ein Unternehmen einen deutlich höheren<br />
Wert und somit mehr Substanz hat,<br />
als in seinem Aktienkurs ausgedrückt ist.<br />
SUBSTANZ RICHTIG ERMITTELN<br />
„Der entscheidende Punkt des Value Investing<br />
ist der innere Wert eines Unternehmens,<br />
der durch Buchwerte, Cashflows,<br />
Gewinne und Dividenden in Relation zum<br />
aktuellen Börsenkurs näherungsweise bestimmt<br />
werden kann“, erläutert Michael<br />
Keppler, Gründer und Chief Investment Officer<br />
von Keppler Asset Management, das<br />
auf Value-Strategien spezialisiert ist (siehe<br />
auch Interview). Liegt dieser „innere“ oder<br />
„faire“ Wert deutlich über dem Aktienkurs,<br />
ist ein Unternehmen von guter Qualität<br />
nach dieser ersten Betrachtung deutlich unterbewertet<br />
und potenziell attraktiv.<br />
Diesen Ansatz verfolgt Keppler etwa im<br />
Aktienfonds Keppler Global Value-Invest.<br />
Das Portfolio ist einer der Value-Fonds auf<br />
dem deutschen Markt (siehe Tabelle). Die<br />
Fonds sind bei den Analyseanbietern Morningstar<br />
in der Kategorie „Aktien weltweit<br />
Standardwerte Value“ und Scope Analysis<br />
in der Gruppe „Aktien Welt“ gelistet, haben<br />
von Scope ein Rating von mindestens „C“<br />
für durchschnittlich und sind Privatanlegern<br />
ohne horrende Mindestanlagesummen<br />
zugänglich. Die Auswahlkriterien gelten in<br />
gleicher Weise für ETFs, börsengehandelte<br />
Indexfonds, wobei der SPDR MSCI World<br />
Value UCITS ETF noch kein Rating hat.<br />
Der Keppler Global Value-Invest ist eigenen<br />
Angaben zufolge nach einer fundamental-quantitativen<br />
Auswahlstrategie in<br />
preisgünstige Aktien aus Industrie- und<br />
Schwellenländern investiert. Vergleichsmaßstab<br />
ist der MSCI World Total Return<br />
Index. Aktien von US-Firmen waren im<br />
VALUE-INVESTMENTS, DIE AUF WELTWEITE AKTIEN SETZEN<br />
Name ISIN Fondsvolumen<br />
in Mio. Euro<br />
Rendite und laufende Kosten in % Quellen: Scope Analysis, Morningstar; Stand: 30.9.<strong>2022</strong><br />
»Rezessionen sind<br />
für uns eine Chance,<br />
vor allem zyklische<br />
Unternehmen<br />
deutlich unter ihrem<br />
lang fristigen fairen<br />
Wert zu kaufen.«<br />
STEFAN BRUGGER, UNION INVESTMENT<br />
Rendite<br />
1 Jahr<br />
Rendite<br />
3 Jahre<br />
(p. a.)<br />
Rendite<br />
5 Jahre<br />
(p. a.)<br />
DWS Invest Croci World LC LU1769941003 61,8 5,5 10,9 8,8 1,55<br />
Uni Value Fonds Global A Dis LU0126315885 1.143,1 2,9 8,7 8,0 1,52<br />
Keppler Global Value-Invest DE000A0JKNP9 31,6 -0,1 4,2 5 1,93<br />
Laufende<br />
Kosten<br />
Invesco FTSE Rafi All-World 3000 UCITS ETF Dist IE00B23LNQ02 36,7 -0,2 7,3 8,8 0,93<br />
T. Rowe Price Global Value Equity A EUR Acc LU1493953001 502,2 -1,5 7,3 6,3 1,77<br />
Schroder ISF QEP Global Active Value EUR A Acc LU0248176017 693,4 -2,2 5,9 5 1,60<br />
Sydinvest Global Value Equities B EUR Acc DK0<strong>06</strong><strong>06</strong>47600 6,8 -2,7 4,8 5,1 1,21<br />
SPDR MSCI World Value UCITS ETF IE00BJXRT813 37,1 -4,0 ---- ---- 0,25<br />
Oktober mit einem Fondsanteil von 42<br />
Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von<br />
britischen Titeln mit 10 Prozent. Schwellenländer-Aktien<br />
machten ebenfalls 10 Prozent<br />
des Fonds aus.<br />
Einer der maßgeblichen Punkte ist für<br />
Keppler, die Ertragskraft von Unternehmen<br />
aus dem abzuleiten, was sie in der Vergangenheit<br />
geleistet haben, und nicht aus dem,<br />
was sie behaupten, in der Zukunft zu leisten.<br />
„Wir stützen uns deshalb bei unseren<br />
Analysen auf die tatsächlich erzielten Unternehmensgewinne<br />
und nicht auf Schätzungen.<br />
Wichtig ist hier, eine Norm zu<br />
entwickeln: Was kann ein Unternehmen in<br />
Normalzeiten verdienen?“, erklärt Keppler.<br />
Hierbei stellt er auf die durchschnittlichen<br />
Gewinne in einem Wirtschaftszyklus ab.<br />
REALE ERTRÄGE ZÄHLEN<br />
Der Uni Value Fonds Global A ist einer der<br />
bekanntesten unter den herausgefilterten<br />
Fonds. Benchmark ist der MSCI World<br />
Value Index. Auch in diesem Portfolio waren<br />
Stand Oktober US-Aktien mit einem<br />
Anteil von gut 60 Prozent am stärksten<br />
vertreten. Der nächstgrößte Anteil von 8<br />
Prozent entfiel auf Titel aus Deutschland.<br />
„Rezessionen sind für uns als langfristiger<br />
Investor eine Chance, vor allem zyklische<br />
Unternehmen deutlich unter ihrem langfristigen<br />
fairen Wert zu kaufen“, sagt Fondsmanager<br />
Stefan Brugger. Solche Firmen<br />
verzeichnen in einem Konjunkturzyklus<br />
deutlich schwankende Erträge, etwa Halbleiterhersteller.<br />
„Wichtig in der Analyse von<br />
potenziellen Kaufkandidaten ist, dass die<br />
Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens<br />
langfristig vorhanden ist und das<br />
Unternehmen Phasen temporär schwä-<br />
Foto: Union Investment<br />
31
INVESTMENTFONDS Anlagestrategien<br />
»Es gilt, Wertfallen zu vermeiden«<br />
MICHAEL KEPPLER, Keppler Asset Management<br />
<strong>procontra</strong>: Die Bewertung von Unternehmen ist<br />
heute vermutlich komplexer als in den Anfängen<br />
des Value-Ansatzes. Was sind für Sie die entscheidenden<br />
Punkte, um Value auszumachen?<br />
Michael Keppler: Die Prinzipien des Value<br />
Investing haben sich seit 1934, dem Erscheinungsjahr<br />
des Investmentklassikers „Security<br />
Analysis: Principles and Techniques“ – „Sicherheitsanalyse:<br />
Prinzipien und Techniken“ – von<br />
Benjamin Graham und David Dodd nicht geändert.<br />
Laut Warren Buffett werden sie auch in 100<br />
Jahren noch gültig sein – sonst wären es keine<br />
Prinzipien. Konkret geht es dabei um simple<br />
kaufmännische Erkenntnisse: Ein höherer Buchwert,<br />
höhere Cashflows, Gewinne und Dividenden<br />
bezogen auf den Kapitaleinsatz sind ceteris<br />
paribus niedrigeren Werten vorzuziehen. Sind<br />
beispielsweise bei zwei identischen Immobilien<br />
die Mieteinnahmen eines Gebäudes höher als<br />
bei dem anderen, sollte dieses Gebäude mehr<br />
wert sein als das andere.<br />
<strong>procontra</strong>: Inwieweit wirkt sich die komplexer<br />
gewordene Welt auf die Bewertung aus?<br />
Keppler: Was sich geändert hat, sind die Störfaktoren<br />
von außen, die die Kursentwicklung<br />
heute mehr beeinflussen als in früheren Zeiten.<br />
Politische Faktoren und Handelsbeschränkungen<br />
sind hier an erster Stelle zu nennen.<br />
Sie sind auch schwieriger zu beurteilen als die<br />
fundamentale Unternehmensbewertung. Der<br />
entscheidende Punkt des Value Investing ist<br />
aber unverändert der innere Wert eines Unternehmens.<br />
Ebenso wichtig ist jedoch das von<br />
Graham erfundene „Margin of Safety“-Prinzip.<br />
Eine Aktie sollte demnach eine gewisse Sicherheitsmarge<br />
aufweisen, wonach unerwartete<br />
Risiken bereits beim Aktienkauf berücksichtigt<br />
werden müssen.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie unterscheiden Sie in einem<br />
Umfeld aus stark gesunkenen Aktienkursen und<br />
schwächelnder Konjunktur Firmen, die an der<br />
Börse zu Unrecht abgestraft werden, von Firmen,<br />
bei denen ein starker Kursrückgang keine<br />
gute Kaufgelegenheit bedeutet?<br />
Keppler: Hier gilt es, „Value Traps“, Wertfallen,<br />
weitmöglichst zu vermeiden. Ein gutes Beispiel<br />
sind europäische Banken, die häufig heute<br />
– mehr als zwölf Jahre nach der Finanzkrise<br />
2008/2009 – immer noch zu einem Drittel ihrer<br />
Buchwerte gehandelt werden. Wenn die Buchwerte<br />
tatsächlich dreimal so hoch wären wie<br />
der Aktienkurs, müssten diese Firmen zerschlagen<br />
werden. Sie wären also tot mehr wert als<br />
lebendig! Alternativ müssten sie massiv eigene<br />
Aktien zurückkaufen. Doch dazu fehlt ihnen das<br />
nötige Kapital.<br />
<strong>procontra</strong>: Das bedeutet?<br />
Keppler: Es sollte klar sein, dass sich diese Banken<br />
die nötigen Abschreibungen schlicht nicht<br />
leisten können. Die Aufsichtsämter drücken<br />
offenbar aufgrund des „Too big to fail“-Prinzips<br />
immer noch beide Augen zu. Die Verifizierung<br />
der Inputdaten ist deshalb für uns von höchster<br />
Bedeutung.<br />
cherer Gewinne ohne das Risiko von<br />
Insolvenz oder Verwässerung durch Kapitalerhöhungen<br />
überstehen kann.“<br />
Bei sinkender Nachfrage und höheren<br />
Produktionskosten infolge steigender Preise,<br />
wie es derzeit der Fall ist, ist für Brugger<br />
der Zeithorizont entscheidend: „Die<br />
Kernfrage bei einem Nachfragerückgang<br />
ist für uns, ob dieser nur temporär oder<br />
dauerhaft ist. Letztendlich steigen ja in<br />
einem inflationären Umfeld mit einer gewissen<br />
Verzögerung auch Löhne und Gehälter.“<br />
Ein temporärer Rückgang sei eine<br />
gute Kaufgelegenheit. Ähnlich sei es bei den<br />
Produktionskosten. „Kommen die Margen<br />
bei einem Unternehmen nur temporär unter<br />
Druck, weil man durch länger laufende<br />
Verträge die gestiegenen Kosten erst mit<br />
einer Zeitverzögerung weitergeben kann,<br />
ist dies für uns eine potenziell günstige<br />
Gelegenheit, ein Unternehmen zu einem<br />
Zeitpunkt zu kaufen, an dem die Gewinne<br />
temporär unter dem langfristigen Potenzial<br />
sind“, erläutert Brugger. „Kommt es zu<br />
langfristigen strukturellen Veränderungen,<br />
wie dies zum Beispiel bei Energiekosten für<br />
in Europa produzierende energieintensive<br />
Unternehmen der Fall ist, müssen wir dies<br />
natürlich auch bei unserer Prognose des<br />
längerfristigen Gewinnpotenzials berücksichtigen“,<br />
ergänzt er. „Wenn eine seriöse<br />
Prognose nicht möglich ist, werden wir<br />
auch nicht investieren.“<br />
In der näheren Zukunft dürfte somit einiges<br />
auf die Energiepolitik in Europa ankommen.<br />
AUSBLICK 2023<br />
Eine schwächelnde Konjunktur würde<br />
Aktienmärkte weiter belasten und<br />
gute Einstiegsmöglichkeiten bieten<br />
Die Aufmerksamkeit auf handfeste Substanz<br />
könnte in einem negativen Marktumfeld<br />
zunehmen<br />
Die außergewöhnliche politisch-wirtschaftliche<br />
Gemengelage wird zum Härtetest vieler<br />
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INVESTMENTFONDS Nachhaltigkeit<br />
GRÜNE INNOVATIONEN IM FOKUS<br />
ESG-Kriterien haben nur schwachen Einfluss auf eine nachhaltigere Wirtschaft,<br />
bemängeln Kritiker. Geeigneter sei es, auf technologische Innovationen zu setzen,<br />
die den ökologischen Fußabdruck verkleinern.<br />
– TEXT: HEIKE GORRES –<br />
34 Illustration: Eleonora Mavromati
Nachhaltigkeit INVESTMENTFONDS<br />
Das Thema Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage<br />
hat sich mittlerweile fest etabliert,<br />
auch wenn weiterhin die Definition von<br />
Nachhaltigkeit sehr beliebig ist. Eine der<br />
gängigsten Systematiken, nach denen Kapitalverwalter<br />
das Thema adressieren, ist<br />
die Anlageauswahl nach ESG-Kriterien,<br />
also nach bestimmten Umwelt-, Sozial- und<br />
Führungsstandards. Viele nutzen hierfür<br />
ESG-Ratings von Anbietern wie MSCI,<br />
die auf Best-in-Class-Ansätzen beruhen.<br />
„Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie<br />
keine Impact-Investments darstellen und<br />
damit nicht zukunftsorientiert sind“, meinen<br />
die Autoren Andreas Beck und Lucas<br />
von Reuss in ihrer Veröffentlichung „Grüne<br />
Geldanlagen nur für Farbenblinde?“.<br />
Sie bedienten nicht das eigentliche Ziel der<br />
EU, privates Kapital für den notwendigen<br />
Umbau der Wirtschaft zu mobilisieren,<br />
sondern privilegierten Unternehmen, die<br />
von keinem kritischen Bestandsgeschäft<br />
belastet sind, etwa Softwarefirmen. Alteingesessene<br />
Unternehmen würden nicht mit<br />
Kapital für den Umbau versorgt, sondern<br />
dazu motiviert, ihre kritischen Geschäftsanteile<br />
auszugliedern und an Non-ESG-Investorengruppen<br />
zu verkaufen. „Der Effekt<br />
für die Gesellschaft ist dabei gleich null“,<br />
kritisieren die Autoren.<br />
Sie schlagen vor, in Innovation zu investieren.<br />
„Nur durch effizientere Prozesse<br />
und bessere Produkte mit niedrigerem<br />
ökologischen Fußabdruck lassen sich aus<br />
Unternehmenssicht die Probleme lösen,<br />
welche die Gesellschaft lösen möchte“, argumentieren<br />
sie. Abseits von Verzicht der<br />
Verbraucher könne nur Innovation nachhaltiges<br />
Wirtschaften ermöglichen. Investition<br />
in Innovation heißt nach ihrem Ansatz,<br />
Kapital in Unternehmen anzulegen, die Patente<br />
auf relevante technische Lösungen<br />
für die Fragestellungen ökologischer Nachhaltigkeit<br />
halten, unabhängig von ihrer<br />
Branchenzugehörigkeit. Datengrundlage<br />
für solche „grünen“ Patente ist das „Green<br />
Inventory“, das „grüne Verzeichnis“ der<br />
Weltorganisation für geistiges Eigentum<br />
WIPO (siehe auch Interview).<br />
PATENTE BÖRSENNOTIERTER UNTERNEHMEN<br />
UNTER DER LUPE<br />
Auf dieser Basis ließen sich „bei sauberer<br />
Bearbeitung der Daten aus Patentdatenbanken<br />
Rückschlüsse auf den Impact tätigen,<br />
den einzelne Unternehmen bei der<br />
Lösung ökologischer Probleme haben und<br />
10.000<br />
80.000<br />
60.000<br />
40.000<br />
20.000<br />
0<br />
10.441<br />
96.768<br />
Automobil<br />
80.924<br />
2019 2020 2021<br />
TOP-5-SEKTOREN MIT »UMWELT«-PATENTEN<br />
ENTSPRECHEND DER NACHHALTIGKEITSZIELE<br />
22.419<br />
Technologie, Medien<br />
und Telekommunikation<br />
haben werden“, erläutern die Autoren.<br />
Unter den 50 börsennotierten „herausragenden<br />
Unternehmen bezüglich grüner<br />
Erfindungen“ steht nach ihrem Ansatz der<br />
deutsche Zulieferungsbetrieb für die Maschinen-<br />
und Automobilindustrie Schaeffler<br />
an der Spitze. Auf den nächsten Plätzen<br />
folgen die japanischen Konzerne Denso,<br />
ein Anbieter von Produkten für Korrosionsschutz<br />
und Straßenbau, und Sumitomo<br />
Electric. Canadian Solar ist das einzige Unternehmen<br />
in der Liste, das allein im Bereich<br />
erneuerbare Energie aktiv ist.<br />
Die Verfasser des Arbeitspapiers „The<br />
ESG-Innovation Disconnect: Evidence<br />
from Green Patenting“ – „Die ESG-Innovationsabkopplung:<br />
Beweise aus der grünen<br />
Patentierung“ – legen sehr ähnlich dar, dass<br />
vielfach gerade Unternehmen mit schlechteren<br />
ESG-Noten mehr grüne Patente von<br />
zugleich deutlich höherer Qualität anmelden<br />
als andere: „Insbesondere stellen wir<br />
fest, dass öl-, gas- und energieproduzierende<br />
Unternehmen – Unternehmen mit nied-<br />
»Wir brauchen gute<br />
Patente, mit echter<br />
Erfindungshöhe und<br />
von guter Qualität.«<br />
HEINER FLOCKE, IC-HAUS<br />
25.141<br />
2.384 1.520 12.743<br />
9.991 1.195 10.176 9.217 1.242 10.472<br />
Chemie<br />
Industriewaren<br />
und Maschinen<br />
7.521<br />
Land- und<br />
Forstwirtschaft<br />
Quelle: Globaldata<br />
rigeren ESG-Bewertungen, die oft explizit<br />
aus dem Anlageuniversum von ESG-Fonds<br />
ausgeschlossen werden – wichtige Innovatoren<br />
in der grünen Patentlandschaft<br />
der USA sind.“ Dies werfe die Frage auf,<br />
ob die derzeitigen Ausschlüsse vieler ESGorientierter<br />
Strategien optimal sind oder ob<br />
belohnungsbasierte Anreize zu effizienteren<br />
innovativen Ergebnissen führen. Basis dieser<br />
Untersuchung von Cohen, Gurun und<br />
Nguyen ist die Patentklassifizierung des Europäischen<br />
Patentamts. Als grün gelten dort<br />
Patente auf umweltbezogene Technologien<br />
aus zahlreichen Bereichen, etwa Transport,<br />
Energiegewinnung und Warenproduktion.<br />
ERFINDUNGEN EINZUSTUFEN HAT SEINE TÜCKEN<br />
Technologien und Patente darauf als fördernd<br />
für die ökologische Nachhaltigkeit<br />
einzustufen, ist allerdings nicht immer ganz<br />
eindeutig. Dazu kommen generelle Fragen<br />
bei der Patentierung selbst. Heiner Flocke,<br />
Mitgründer und Geschäftsführer der<br />
Produktionsfirma für integrierte Schaltkreise<br />
IC-Haus und Vorstandsvorsitzender<br />
des Patentvereins, meint: „Ein integrierter<br />
Schaltkreis, der besonders stromsparend<br />
ist, ist zwar ökologisch nachhaltig, aber<br />
nicht per se für eine Patentierung ausreichend<br />
erfinderisch.“ Hinzu komme, dass<br />
Patent nicht unbedingt Innovation heißen<br />
muss. „Taktisch agierende Patentanmelder<br />
erzeugen ein Dickicht aus Patenten, teilweise<br />
auch schwachen Patenten, aus denen sie<br />
vermeintliche Verletzer des Patentschutzes<br />
angreifen“, sagt Flocke. Zu viele nur<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
35
INVESTMENTFONDS Nachhaltigkeit<br />
»Patentsystem ist sicher nicht perfekt«<br />
LUCAS VON REUSS, Mitgründer und Geschäftsführer von Quant IP<br />
<strong>procontra</strong>: Wer beurteilt nach Ihrem Konzept,<br />
ob eine Technologie umweltverträglich und ein<br />
Patent darauf „grün“ ist?<br />
Lucas von Reuss: Das legen Sachverständige<br />
der Weltorganisation für geistiges Eigentum,<br />
WIPO, fest. Die WIPO ist eine Art Dachorganisation<br />
der Patentämter weltweit und Hüter über die<br />
wichtigsten Klassifizierungssysteme für Patente<br />
innerhalb des Systems der IPC, der internationalen<br />
Patentklassifikation. Patentprüfer und<br />
andere Fachleute aus dem Bereich geistiges<br />
Eigentum arbeiten dort an Standardisierungen<br />
und Klassifizierungen der IPC-Patente weltweit.<br />
Und ein Fachgremium entscheidet in regelmäßigen<br />
Abständen darüber, welche dieser<br />
Patente als „grün“ gelabelt werden.<br />
<strong>procontra</strong>: Wonach beurteilt dieses Gremium, ob<br />
ein Patent als „grün“ eingestuft wird?<br />
von Reuss: Die Einstufung orientiert sich an den<br />
Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige<br />
Entwicklung, den sogenannten UN-SDGs. Einige<br />
dieser Ziele lassen sich nicht mit Technologien<br />
erreichen, zum Beispiel die Gleichheit der Geschlechter.<br />
Aber die Ziele, die sich mit Technologie<br />
oder technischen Lösungen adressieren<br />
lassen, verbinden die Fachleute der WIPO mit<br />
relevanten Patenten in diesen Bereichen aus<br />
dem IPC-Klassifizierungssystem und stufen sie<br />
so als Patente umweltverträglicher Technologien<br />
ein. Eine Klasse umfasst zum Beispiel<br />
Patente im Bereich Solartechnologie aus der<br />
Überklasse Erzeugung erneuerbarer Energie.<br />
Ein UN-Nachhaltigkeitsziel ist „saubere Energie“,<br />
weshalb das Gremium die IPC-Solar-Patente als<br />
„grün“ einstuft.<br />
<strong>procontra</strong>: Grundlage sind die nach dem IPC-<br />
System eingeordneten Patente. Werden alle<br />
Patente dort registriert?<br />
von Reuss: Ja. Das IPC-Klassifizierungssystem<br />
nutzen und belegen fast alle Patentprüfer dieser<br />
Welt. Im Anmeldeprozess für ein Patent vergeben<br />
die Prüfer die aus ihrer Sicht passenden<br />
IPC-Klassen. Jede Patentanmeldung bekommt<br />
auf diese Weise mindestens eine IPC-Klasse<br />
zugewiesen. Die Sachverständigen bei WIPO<br />
koordinieren die Klassifizierung dieser Patente<br />
und entscheiden auch über neue Klassen, wenn<br />
zum Beispiel eine neue Technologie entstanden<br />
ist. Die „grünen“ Patente listet die WIPO in einem<br />
Extraverzeichnis, dem „IPC Green Inventory“,<br />
auf.<br />
<strong>procontra</strong>: Kritiker bemängeln zahlreiche Punkte<br />
am Patentsystem. Patente würden zum Beispiel<br />
Innovation eher verhindern und seien nicht<br />
gleichzusetzen mit Innovation.<br />
von Reuss: Das Patentsystem ist sicher nicht<br />
perfekt. Aber es ist das beste, was wir haben,<br />
um zum einen für Innovatoren einen Anreiz zu<br />
schaffen, es überhaupt zu probieren. Der Anreiz<br />
ist das zeitlich begrenzte Monopol auf das Patent.<br />
Zum anderen muss der Patentanmelder im<br />
Gegenzug alle Angaben veröffentlichen. Mit diesem<br />
Zugang zu Informationen soll ein Versperren<br />
echter Innovation vermieden werden. Beides<br />
zusammen ist die Grundidee des Patentwesens,<br />
an dem wir nun seit rund 250 Jahren arbeiten.<br />
vermeintliche Erfindungen würden<br />
die Prüfungshürden durch überlastete Patentämter<br />
für europäische und weltweite<br />
Patente passieren. Ämter, die sich selbst<br />
finanzieren, etwa das Europäische Patentamt,<br />
seien auch an einer großen Zahl an<br />
Patenten interessiert. Denn ihr Etat komme<br />
im Wesentlichen aus den Beträgen, die<br />
Patentinhaber für den Erhalt ihres Patentschutzes<br />
zahlen.<br />
„Meine Meinung zu Patenten ist von<br />
daher durchwachsen. Wir brauchen sie! Es<br />
müssen aber im Sinne des Patentgesetzes<br />
und zum Nutzen einer Industriegesellschaft<br />
gute Patente sein, mit echter Erfindungshöhe<br />
und von guter Qualität, die dann auch in<br />
einer vollumfänglichen Prüfung vor einem<br />
Patentgericht standhalten“, betont Flocke.<br />
Es komme für ihn auf eine neuartige technische<br />
Ausführungsform an.<br />
Auch von Reuss sieht die Kritikpunkte<br />
am Patentsystem. „Jemand kann ein Patent<br />
etwa allein deshalb anmelden, um etwas zu<br />
blockieren. Das mag ihm am Markt etwas<br />
Zeitaufschub geben. Mittel- und langfristig<br />
wird diese Strategie für ihn aber nicht<br />
funktionieren“, meint er. Generell fänden<br />
Innovationen heute sehr viel kleinteiliger<br />
statt als zum Beispiel vor 100 Jahren, als<br />
die großen Erfindungen, von denen wir<br />
heute noch zehren, gemacht wurden. „Das<br />
liegt daran, dass wir in einer sehr viel komplexeren<br />
Welt leben als damals“, so von<br />
Reuss. „Auch wenn viele kleine Dinge zusammengeführt<br />
werden, können sie eben<br />
doch viel Innovationskraft entfalten.“<br />
AUSBLICK 2023<br />
Stellenwert von Innovation mit echtem<br />
Umweltbeitrag könnte beim Thema<br />
Nachhaltigkeit zunehmen<br />
Neue Anlageansätze mit dem Ziel, Kapital<br />
in ökologische Nachhaltigkeit zu lenken,<br />
könnten entstehen<br />
Neue Anlageprodukte, die auf Firmen mit<br />
Erfindungen mit positivem Umweltbeitrag<br />
zielen, könnten aufgelegt werden<br />
36 Foto: Quant IP
Biometrie GIPFELTREFFEN<br />
biometrie<br />
Die Absicherung der Arbeitskraft ist von existenzieller<br />
Bedeutung. Dennoch gibt es immer noch zu viele Menschen<br />
ohne diesen Schutz. Dafür ist weniger die Risikoprüfung<br />
der Versicherer verantwortlich, sondern mehr noch eine<br />
Prämiengestaltung, die auf attraktive Berufsgruppen abzielt.<br />
Einige Versicherer haben das offenbar erkannt und brauchen<br />
jetzt Unterstützung von Vermittlern.
GIPFELTREFFEN Biometrie<br />
»Wir müssen die Menschen<br />
früher erreichen«<br />
Selbstkritisch und mit klaren Botschaften auch an den Vertrieb kontern<br />
die Vertreter von die Bayerische, LV 1871 und Swiss Life die steilen Thesen<br />
von Stephan Schinnenburg, Moderator des runden Tisches, Branchenkenner<br />
und Ex-Vorstand der Deutschen Familienversicherung.<br />
Stephan Schinnenburg: Wir wollen uns<br />
heute einigen steilen Thesen zum Thema<br />
Biometrie mit den Schwerpunkten Berufsunfähigkeits-<br />
und Grundfähigkeitsversicherung<br />
widmen. Ich möchte mit einer<br />
Behauptung beginnen, die möglicherweise<br />
eine Folge des harten Wettbewerbs in<br />
diesem Markt ist: Millionen Arbeitnehmer<br />
in Deutschland haben keine Chance, eine<br />
BU-Police zu bekommen. Die Versicherungswirtschaft<br />
hat hier schlicht und<br />
einfach versagt.<br />
Sandra John: Das ist wirklich eine steile<br />
These, die wir als LV 1871 so nicht teilen.<br />
Wir brauchen ein gewisses Maß an Risikoprüfung.<br />
Und manche Risiken können wir<br />
nicht zeichnen, weil die Vorerkrankungen<br />
zu stark sind. Aber das sind ganz wenige<br />
Menschen, denen wir keinen Schutz anbieten<br />
können; im Antragsbereich weniger<br />
als 3 Prozent und im Voranfragenbereich<br />
weniger als 20 Prozent. Manchmal sind<br />
die Auswirkungen von Vorerkrankungen<br />
leider zu massiv. Ein Vergleich hilft zur Einordnung:<br />
Ein brennendes Haus kann man<br />
nicht versichern. In diesem Fall spricht<br />
auch keiner vom Versagen der Anbieter.<br />
Dennoch abzusichern wäre zum Nachteil<br />
des Kollektivs. Ein Versicherer muss sehr<br />
genau auf eine angemessene Kalkulation<br />
achten. Der LV 1871 gelingt das seit vielen<br />
Jahren, ohne die Beiträge massiv anheben<br />
zu müssen.<br />
Jan-Peter Diercks: Hinter dem Vorwurf,<br />
die Versicherer hätten versagt, steht auch<br />
eine Erwartung. Als Vertriebler sehe ich<br />
das jedenfalls so. Wir haben den gesellschaftlichen<br />
Auftrag, zusätzlich noch<br />
vielen Millionen Menschen eine Absicherung<br />
ihrer Arbeitskraft zu verschaffen.<br />
Die Unterstützung durch den Staat allein<br />
reicht jedenfalls nicht. Diesen Sachverhalt<br />
müssen wir den Menschen näherbringen.<br />
Jeder Kunde, der bei uns eine Police<br />
»Bereits die Urform<br />
einer Grundfähigkeitsversicherung<br />
ist kein<br />
einfaches Produkt.«<br />
Sandra John, LV 1871<br />
abschließt, ist nicht nur von unserem<br />
Vertrieb gewonnen worden, sondern<br />
auch in die finanzielle Selbstbestimmung<br />
gebracht worden. Ohne Absicherung keine<br />
finanzielle Freiheit. Das ist das Wichtigste.<br />
Maximilian Buddecke: Unsere Branche<br />
hat zwar nicht versagt, wir decken<br />
schließlich viele Risiken ab, und wir wollen<br />
versichern und wir wollen im Fall des<br />
Falles auch leisten. Selbstkritik ist dennoch<br />
angebracht. Nicht wegen der Risikoprüfung<br />
haben zu viele Menschen keine<br />
BU-Police, sondern wegen der Prämiengestaltung.<br />
Wir spreizen die Tariflandschaft<br />
immer weiter auf. Den begehrten Berufsgruppen<br />
bieten wir zig Leistungen zu<br />
günstigen Tarifen an. Und Berufsgruppen<br />
mit höherem Risiko bleiben tendenziell<br />
unter sich, werden immer weniger versicherungsfähig<br />
und deren Tarife immer<br />
teurer. Das ist ein Problem. Wir sollten<br />
Menschen Produkte anbieten, die sie<br />
bezahlen können. Es gibt allerdings einen<br />
Ausweg: frühzeitig in gutem Gesundheitszustand<br />
und damit günstig absichern.<br />
Dazu haben Kunden einige Möglichkeiten<br />
– zwei Stichworte lauten Schüler-BU und<br />
Starter-Variante.<br />
Schinnenburg: Aus der Sicht von Vermittlern<br />
bzw. Versicherern habe ich drei<br />
Aspekte aus Ihren Antworten entnommen:<br />
Wie motiviere ich Kunden, in jungen<br />
Jahren eine BU-Versicherung abzuschließen?<br />
Wie kalkuliere ich Vorerkrankungen?<br />
Und die Spreizung der Berufsgruppen im<br />
Markt. Glaubt jemand, dass dieser Trend<br />
umkehrbar ist?<br />
John: Was die medizinischen Risiken<br />
anbelangt, schaue ich wohlgemut in die<br />
Zukunft. Dank des medizinisch-technischen<br />
Fortschritts und eines zunehmend<br />
besseren Verständnisses der zu kalkulierenden<br />
Risiken sind Versicherer in der<br />
Lage, immer mehr Risiken zu zeichnen.<br />
Beispiele sind Erkrankungen der Psyche<br />
und Krebsleiden. Wir wissen heute mehr<br />
darüber. Daher werden immer mehr<br />
Risiken beherrschbar und damit versicherbar.<br />
Diercks: Dazu fällt mir ein gutes Beispiel<br />
ein: Früher bekam ein Mensch mit<br />
implementiertem Herzschrittmacher keine
Biometrie GIPFELTREFFEN<br />
BU; heute schon. Der Weltmeister im<br />
Mountainbike-Fahren trägt so ein Gerät.<br />
Menschen mit Herzschrittmacher können<br />
also leistungsfähig sein.<br />
John: So ist es. Ich möchte noch etwas<br />
zur Spreizung der Berufsgruppen sagen.<br />
Ich habe nicht den Eindruck, dass dieser<br />
Trend gestoppt oder umgekehrt werden<br />
könnte. Auch in Zukunft kommen bestimmte<br />
Berufsgruppen bei BU-Policen in<br />
den Genuss eines super Preis-Leistungs-<br />
Verhältnisses. Für die risikoreicheren<br />
Berufe braucht es dann vielleicht ein<br />
anderes Produkt. Die Branche hat bereits<br />
einige Alternativen zur BU-Police gestartet<br />
– etwa Grundfähigkeits-, Schwere-Krankheiten-<br />
und Multi-Risk-Versicherungen.<br />
Für diese Angebote den richtigen Beratungsansatz<br />
zu finden, ist allerdings nicht<br />
leicht. Stichwort: Verantwortung. Aktuell<br />
bieten wir keine Grundfähigkeitspolice.<br />
Schinnenburg: Herr Diercks, Herr Buddecke<br />
gab den Hinweis, dass der frühe<br />
Abschluss einer BU-Police ein guter Weg<br />
ist, diesen Schutz günstig zu bekommen.<br />
Was bieten Sie hier an?<br />
Diercks: Auch Swiss Life – so wie viele andere<br />
Versicherer – bietet eine Schüler-BU<br />
an. In Zuge eines Produktupdates haben<br />
wir den Begriff Schulunfähigkeit noch<br />
mal präzisiert, damit klar ist, wann der<br />
Schutz greift. Aus dem in jungen Jahren<br />
oft guten Gesundheitszustand resultiert<br />
ein niedriges Prämienniveau – und das<br />
müssen Kunden rechtzeitig einloggen.<br />
»Bitte nicht noch mehr<br />
Klauseln, sonst kümmern<br />
wir uns irgendwann<br />
nur noch um akademische<br />
Berufe.«<br />
Maximilian Buddecke, Bayerische<br />
Das ist essenziell wichtig. An dieser Stelle<br />
muss auch der Vertrieb Gas geben, etwa<br />
via Zielgruppen-Ansprache.<br />
Wir bei Swiss Life haben noch einen<br />
Hebel, nämlich die drei Branchenlösungen<br />
Metall-, Klinik- und ChemieRente. Hier<br />
gibt es viele handwerksnahe Berufe, die<br />
wir so absichern können. Am Ende sind es<br />
mehrere Faktoren, die zu einer stärkeren<br />
Verbreitung von Arbeitskraftabsicherungen<br />
beitragen. Die BU-Police ist nur<br />
ein Baustein von mehreren. Und jede<br />
vom Vermittler gefundene Lösung kann<br />
für einen Kunden wertvoll sein. Insofern<br />
werden Optionen wie Grundfähigkeitsversicherung<br />
zu oft vernachlässigt. Im Sinne<br />
unseres gemeinsamen Ziels – Absicherung<br />
aller Bedarfe – sollte die gesamte Branche<br />
hier mehr Aufklärungsarbeit leisten.<br />
Buddecke: Tatsächlich sollten wir<br />
Menschen stärker für das Thema sensibilisieren.<br />
Ein heute 20-Jähriger denkt<br />
nicht an BU-Schutz. Oft erst bei größeren<br />
finanziellen Risiken wie zum<br />
Maximilian Buddecke leitet<br />
seit 2014 bei die Bayerische den<br />
Partner- und Kooperationsvertrieb<br />
und ist seit 2018 im Vorstand<br />
der Bayerische ProKunde.<br />
Der Diplom-Kaufmann ist seit<br />
fast 20 Jahren in der Versicherungsbranche<br />
aktiv und kennt<br />
sowohl den Endkunden- wie<br />
auch den Maklervertrieb. Zu<br />
seinen weiteren Qualifikationen<br />
zählen Versicherungsfachmann<br />
und Fachberater für Betriebliche<br />
Altersvorsorge.
GIPFELTREFFEN Biometrie<br />
»Wir haben den gesellschaftlichen<br />
Auftrag,<br />
weiteren Millionen<br />
Menschen eine Absicherung<br />
zu verschaffen.«<br />
Jan-Peter Diercks, Swiss Life<br />
Beispiel einem Hausbau beginnt das<br />
Nachdenken über die Absicherung der<br />
eigenen Arbeitskraft. Oder erst nach einer<br />
schweren Erkrankung wird vielen Leuten<br />
bewusst, dass arbeiten können keine<br />
Selbstverständlichkeit ist. Dann aber ist<br />
es oft zu spät. Ich betone nochmals: Wir<br />
müssen die Menschen früher erreichen.<br />
Und natürlich sollten wir insbesondere für<br />
die risikobehafteten Berufe noch stärker<br />
die Alternativen zur BU-Police zur Sprache<br />
bringen. Die Bayerische ist in Sachen<br />
Grundfähigkeitsversicherung gerade sehr<br />
aktiv.<br />
Schinnenburg: Eine zweite These, die<br />
ich immer wieder höre, lautet: Durch die<br />
Zunahme psychischer Erkrankungen und<br />
die Leistungen der Versicherer dafür wird<br />
die Arbeitskraftabsicherung in Zukunft für<br />
alle Arbeitnehmer deutlich teurer. Herr<br />
Diercks, was sagen Sie dazu?<br />
Diercks: Zunächst einmal müssen psychische<br />
Erkrankungen ernst genommen<br />
werden. Wir Versicherer sind angetreten,<br />
den Leuten Schutz zu bieten, also im<br />
Leistungsfall zu leisten. Dank des medizinischen<br />
Fortschritts haben wir heute auch<br />
im Bereich der Psyche mehr Klarheit über<br />
Krankheitsbilder und können besser Einschätzungen<br />
treffen. Das hat auch Einfluss<br />
auf die Kalkulation der entsprechenden<br />
Tarife. Aber es gibt keinen Automatismus,<br />
dass mit steigender Anzahl an psychischen<br />
Erkrankungen die Prämien auf breiter<br />
Front steigen.<br />
Schinnenburg: Vor 10, 15 Jahren waren<br />
die wichtigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit<br />
Störungen des Bewegungsapparats<br />
und des Herz-Kreislauf-Systems. Psyche<br />
dagegen war kaum ein Thema. Heute<br />
steht die Psyche mit einem Anteil von fast<br />
30 Prozent oben in der Rangliste. Deshalb<br />
meine Frage an Frau John: Können<br />
Versicherer heute bei der Antragsannahme<br />
psychische Risiken besser einschätzen<br />
und Leistungsfälle besser beurteilen?<br />
John: Die gesamte Branche hat sich<br />
diesbezüglich geöffnet. Während früher<br />
in Tarifen psychische Erkrankungen oder<br />
Anzeichen dafür mit einer Ausschlussklau-<br />
Jan-Peter Diercks ist seit 2019<br />
Leiter Intermediärvertrieb bei<br />
Swiss Life und verantwortet<br />
die Vertriebsdirektionen, den<br />
Bankenvertrieb, die Betreuung<br />
von Finanzdienstleistern,<br />
Großvertrieben, Digitalvertrieben<br />
sowie Maklerpools. Zuvor<br />
war er Geschäftsführer beim<br />
Private-Equity-Spezialisten RWB<br />
Partners und dort ebenfalls zuständig<br />
für den Vertrieb. Diercks<br />
ist Diplom-Betriebswirt (BA)<br />
und gelernter Bankkaufmann.
Biometrie GIPFELTREFFEN<br />
sel oder langen Wartefristen belegt waren,<br />
nehmen Versicherer heute viel eher solche<br />
Anträge an. Auch wir können die Risiken<br />
besser einschätzen. Auch wenn der Kunde<br />
noch in psychotherapheutischer oder medikamentöser<br />
Behandlung steht, können<br />
wir bei einigen Krankheitsbildern uneingeschränkten<br />
BU-Schutz anbieten. Wir sehen<br />
über die Jahre keine gravierende Zunahme<br />
der Leistungsfälle; der Topf ist quasi<br />
gleich voll geblieben. Was wir beobachten,<br />
sind Verschiebungen innerhalb des Topfs<br />
weg von den organischen Ursachen hin zu<br />
den psychischen Gründen einer Erkrankung.<br />
Das wiederum heißt nicht, dass die<br />
Bevölkerung in Deutschland insgesamt<br />
psychisch kränker geworden ist. Es ist<br />
heute nur gesellschaftlich anerkannter,<br />
eine psychische Erkrankung zu haben,<br />
sodass Betroffene damit offener umgehen<br />
und sich behandeln lassen. Je früher eine<br />
Behandlung beginnt, desto besser.<br />
Häufig können durch Präventionsmaßnahmen<br />
psychische Erkrankungen<br />
vermieden oder in ihrem Verlauf zumindest<br />
gemildert werden. Wenn es uns<br />
als Versicherer gelingt, Kunden bereits<br />
bei beginnenden geistigen Belastungen<br />
zu erreichen, können wir Leistungsfälle<br />
vermeiden und Kunden bleiben von einem<br />
dauerhaften Verlust ihrer Arbeitskraft verschont.<br />
In Kooperation und als Pilotprojekt<br />
bieten wir unseren Kunden individuelle<br />
Präventionsmaßnahmen bei ersten Anzeichen<br />
von Stress an.<br />
Buddecke: Versicherer sind dazu da,<br />
Schäden zu decken – auch psychische<br />
Schäden, die oft als Reaktion auf andauernde<br />
Überlastung am Arbeitsplatz<br />
auftreten, also Burn-out. Das ist keine<br />
Modeerscheinung. Die Betroffenen haben<br />
echte Probleme und brauchen Hilfe.<br />
Unsere Branche ist hier in der Pflicht. Klar<br />
werden Risiken von dem einen oder anderen<br />
Versicherer anders bewertet, aber wir<br />
erfüllen diesen Anspruch.<br />
Schinnenburg: Ich empfinde es als<br />
außerordentlich angenehm, dass die<br />
Versicherungswirtschaft hier am Tisch<br />
so klare Aussagen macht: Sie ist in der<br />
Annahmepolitik in der Lage, auch Menschen<br />
zu versichern, die sie früher nicht<br />
versichern konnte. Und es ist ihr Job,<br />
Risiken, die die Arbeitsfähigkeit betreffen,<br />
»Wir sollten Menschen<br />
Produkte anbieten, die<br />
sie bezahlen können.«<br />
Maximilian Buddecke, Bayerische<br />
also auch Burn-out, abzusichern. Aber, das<br />
ist zumindest mein Eindruck, draußen im<br />
Markt kommen die Statements nicht so<br />
deutlich rüber; hier könnte die Branche<br />
offensiver sein und nicht nur aus der<br />
Defensive heraus reagieren.<br />
Buddecke: Entschuldigung, wenn ich das<br />
kurz ergänzen darf, wo Sie gerade den<br />
Markt erwähnen: Die Pandemie zeigt, dass<br />
Arbeits- und Berufsunfähigkeit jeden treffen<br />
kann. Daher haben die Kunden in der<br />
Krisenzeit diese Police nicht gekündigt. Im<br />
Gegenteil: Wohl jeder Versicherer in dieser<br />
Runde hat Zuwächse im BU-Geschäft<br />
verzeichnen können.<br />
Schinnenburg: Ich möchte einen Aspekt<br />
aufgreifen, den Frau John erwähnte:<br />
Prävention. Lassen BU-Versicherer hier Potenzial<br />
liegen? Und was genau, Frau John,<br />
bietet LV 1871 in diesem Bereich an?<br />
PSYCHE IST DAS GRÖSSTE RISIKO<br />
Häufigste Ursachen für Berufs- und Erwerbsunfähigkeit<br />
Angaben in %, Werte gerundet, Invaliditätsursachen, 2020<br />
Psyche 28,7<br />
Krebs 19,3<br />
Bewegungsapparat 19,0<br />
Unfall 8,8<br />
Nervensystem 7,4<br />
Herz-Kreislauf-System 6,3<br />
Übrige 10,5<br />
Quelle: GDV<br />
John: Wir arbeiten mit einem psychologischen<br />
Beratungsdienstleister zusammen.<br />
Kunden, die sich gestresst fühlen,<br />
also noch keine Erkrankung haben,<br />
können auf uns zukommen und wir oder<br />
unser Kooperationspartner bieten dann<br />
eine rein präventive Hilfestellung an. In<br />
einem ersten Piloten übernehmen wir<br />
teilweise die Kosten dafür. Aber es ist<br />
eine Herausforderung, Kunden dazu zu<br />
bringen, das Angebot in Anspruch zu nehmen.<br />
Noch jedenfalls verorten die meisten<br />
Kunden das Thema Prävention bei ihrer<br />
Krankenversicherung und nicht bei ihrem<br />
BU-Versicherer. Wie groß der Nutzen für<br />
BU-Versicherer selbst ist und ob Potenziale<br />
ausgeschöpft werden, ist schwer zu<br />
sagen. Es gibt einfach keine Zahlen dazu<br />
in der Branche. Auch die LV 1871 kann die<br />
realisierten Einsparungen bei den Leistungen<br />
nicht beziffern. Auf jeden Fall bieten<br />
wir etwas an, was das Leben unserer<br />
Kunden verbessert.<br />
Buddecke: Auch wir haben eine App für<br />
Prävention und Gesundheitstipps – sie<br />
heißt BayFit. Für regelmäßige Übungen<br />
bekommt ein Kunde eine Prämienrückerstattung<br />
von bis zu 150 Euro. Darüber<br />
hinaus haben wir weitere Ideen in der<br />
Planung. Generell ist die Herausforde-
GIPFELTREFFEN Biometrie<br />
rung, Präventionsmaßnahmen zu finden,<br />
die Kunden nicht als Bevormundung<br />
empfinden; und das unter der Prämisse,<br />
dass die Budgets der Versicherer dafür<br />
knapp sind. Kein Versicherer ist in der<br />
Lage, einem Kunden jedes Jahr 1.000 Euro<br />
für den Besuch eines Gesundheitskurses<br />
zu bezahlen. Gleichwohl ist das Thema<br />
Prävention die Zukunft in der Versicherungswirtschaft.<br />
Diercks: Was meine Kollegen gerade<br />
gesagt haben, unterstütze ich. Ergänzend<br />
weise ich auf die Bedeutung von Transparenz<br />
hin. Dass Versicherer im Bereich Gesundheitsvorsorge<br />
inzwischen ein breites<br />
Leistungsangebot haben, muss vom Vertrieb<br />
stärker kommuniziert werden. Wir<br />
brauchen unsere Vertriebspartner auch<br />
für die Information, dass es einem Kunden<br />
gesundheitlich nicht mehr gut geht.<br />
eid für die Branche, dass Dritte bezahlt<br />
werden müssen, um Leistungsansprüche<br />
gegenüber Versicherern zu regulieren.<br />
Buddecke: Also, diese These ist Schwachsinn<br />
– Entschuldigung! Das eine hat mit<br />
dem anderen nichts zu tun. Vielen Kunden<br />
fällt es schwer, in der Leistungsregulierung<br />
alle erforderlichen Informationen beim<br />
Versicherer einzureichen. Da kann es sehr<br />
sinnvoll sein, wenn der Versicherer einen<br />
externen Dienstleister zur Verfügung<br />
stellt. Die Bayerische hat diesen Service<br />
grundsätzlich auch, aber noch nicht in die<br />
Versicherungsbedingungen aufgenommen,<br />
sodass wir im Rating von Morgen &<br />
Morgen nicht auftauchen. Aber ich erinnere<br />
wieder an die Kalkulation. Die Kosten<br />
für den externen Dienstleister müssen im<br />
Tarif berücksichtigt werden.<br />
Einerseits ist es uns offen gestanden<br />
DESHALB SAGEN VERSICHERER »NEIN«<br />
Ablehnungsgründe in der Leistungsprüfung der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />
Angaben in %, 2019<br />
Erst dann können wir mit gezielter Hilfe<br />
ansetzen. Also: Kunden sollen und können<br />
auf uns zukommen, aber auch Makler mit<br />
entsprechender Erlaubnis.<br />
Schinnenburg: Kommen wir bitte zum<br />
Thema Leistungsregulierung. Die Agentur<br />
Morgen & Morgen hat ihre Ratings um die<br />
Frage erweitert, ob der Versicherer eine<br />
unabhängige Leistungsberatung bezahlt.<br />
Meine These: Das ist ein Offenbarungs-<br />
Nichterreichung des<br />
versicherten BU-Grads 49<br />
keine Reaktion des Kunden 12<br />
Verletzung der vorvertraglichen<br />
Anzeigepflicht 13<br />
Anfechtung bzw. Betrugsfall 8<br />
Ausschlussklauseln 2<br />
Konkrete Verweisung 0,7<br />
Abstrakte Verweisung 0,5<br />
Sonstige Gründe 13<br />
Quelle: GDV<br />
oft sehr lieb, wenn ein Kunde sich im<br />
Leistungsfall extern beraten lässt. So<br />
erhalten wir schneller alle Informationen<br />
und können zügig regulieren. Andererseits<br />
darf BU-Schutz nicht zu teuer werden.<br />
Wir selbst helfen und begleiten Kunden<br />
im Leistungsfall natürlich auch, etwa per<br />
Telefon-Hotline. Zudem ordnen wir jedem<br />
Kunden einen Sachbearbeiter zu. Da sind<br />
wir auch in Zeiten der Digitalisierung sehr<br />
persönlich.<br />
Diercks: Ich bin der Meinung von Herrn<br />
Buddecke: Die These ist völliger Schwachsinn.<br />
Und ich möchte nochmals betonen:<br />
Wenn jemand einen BU-Antrag stellt,<br />
dann geht es diesem Menschen wirklich<br />
nicht gut. In dieser Situation und zwischen<br />
oft mehreren Arztterminen auch noch<br />
einen Verwaltungsakt zu starten, nämlich<br />
die Leistungsregulierung, ist nicht leicht;<br />
da ist jede Hilfe Gold wert. Swiss Life<br />
strebt einen einfachen, unbürokratischen<br />
Antragsprozess an. Auch wir stellen einen<br />
persönlichen Ansprechpartner zur Verfügung,<br />
damit unser Kunde den Sachverhalt<br />
nicht mehrmals unterschiedlichen<br />
Personen erklären muss. Und auch wir<br />
bieten einen Telefonservice von maximal<br />
15 Minuten, in dem wichtige Fragen zum<br />
Antrag geklärt werden. Wesentlich bei der<br />
Leistungsregulierung ist die Kommunikationskette<br />
zwischen Arzt, Kunde und Versicherer.<br />
Jede Unterstützung auf diesem<br />
Weg, sei es in Form von mehr Transparenz,<br />
Entbindung von der Schweigepflicht oder<br />
Prozessvereinfachung, ist willkommen.<br />
John: Prozessvereinfachung ist ein gutes<br />
Stichwort. Ich erkenne eher einen Offenbarungseid<br />
des BU-Antragsprozesses.<br />
Allenfalls eine Patentanmeldung ist<br />
ähnlich komplex. Einem Antrag auf BU-<br />
Rente steht der Kunde im ersten Moment<br />
oft allein, in der Regel einmalig und auf<br />
jeden Fall erstmals gegenüber. Der Einsatz<br />
externer Dienstleister ist auch ein Versuch,<br />
da mehr Struktur reinzukriegen. Wir<br />
bieten solchen Service nicht an. Bei einer<br />
Leistungsfallablehnung übernehmen wir<br />
auf Wunsch eines Kunden aber Anwaltskosten<br />
in Höhe von maximal 500 Euro zur<br />
Überprüfung unserer Entscheidung. Die<br />
Beweislast liegt nun mal beim Kunden.<br />
Um es unseren Versicherungsnehmern<br />
leichter zu machen, haben wir gemeinsam<br />
mit einem externen Partner unsere<br />
Bedingungen optimiert. Jetzt ist für den<br />
Leistungsfall genau definiert, welche<br />
Pflichten der Kunde hat und was genau er<br />
vorlegen muss. Dann weiß er bereits bei<br />
Vertragsabschluss, was im Leistungsfall<br />
auf ihn zukommt. Umgekehrt gilt auch für<br />
uns verbindlich, welche Angaben, Gutachten<br />
und so weiter wir vom Kunden haben<br />
möchten.
Biometrie GIPFELTREFFEN<br />
»Bei BU-Policen kommen<br />
bestimmte Berufsgruppen<br />
in den Genuss eines<br />
super Preis-Leistungs-<br />
Verhältnisses.«<br />
Sandra John, LV 1871<br />
Buddecke: Ich erinnere an unseren<br />
gesellschaftlichen Auftrag. Lasst uns bitte<br />
aufhören, die BU-Versicherung für die<br />
einfachen Risiken immer günstiger und<br />
gleichzeitig leistungsstärker zu machen,<br />
weil wir immer wieder irgendwelche<br />
Klauseln in die Bedingungswerke reinschreiben.<br />
Denn dann kümmern wir uns<br />
irgendwann wirklich nur noch um die<br />
akademischen Berufe und werden die<br />
Berufsgruppen mit den komplexen Risiken<br />
komplett verlieren.<br />
Schinnenburg: Der Versicherungswirtschaft<br />
wird auch immer wieder der<br />
Vorwurf gemacht, angesichts einer durchschnittlichen<br />
BU-Rente von 1.213 Euro<br />
würde falsch beraten, das sei zu wenig.<br />
Herr Diercks, wie sehen Sie das?<br />
Diercks: Dazu ein Vergleich: Aktuell<br />
beziehen rund 1,8 Millionen Menschen in<br />
Deutschland eine staatliche Rente wegen<br />
Erwerbsminderung. Deren Höhe liegt bei<br />
869 Euro im Monat. Das ist nett, aber<br />
definitiv nicht ausreichend. Wenn man die<br />
im Schnitt rund 1.200 Euro der privaten<br />
Absicherung hinzuaddiert, sieht das Bild<br />
schon viel besser aus. Vom Durchschnittsverdienst<br />
eines Bundesbürgers ist das<br />
dann nicht mehr ganz so weit weg. Gleichwohl<br />
ist eine bedarfsgerechte und damit<br />
in der Regel auch höhere BU-Absicherung<br />
wünschenswert. Aber noch wichtiger ist<br />
eben, möglichst viele Menschen in die<br />
private Absicherung zu bekommen. Jeder,<br />
der auch nur 500 Euro BU-Rente erhält,<br />
ist finanziell unabhängiger als jemand<br />
ohne.<br />
Buddecke: Dass die durchschnittliche BU-<br />
Rente so niedrig ist, liegt oft schlicht und<br />
einfach daran, dass sich viele Menschen<br />
eine höhere Absicherung nicht leisten<br />
können. Ich weiß, das ist jetzt wieder<br />
ein Plädoyer, aber es darf nicht immer<br />
nur heißen: Leistung, Leistung, Leistung!<br />
Wir als Branche fangen an, Themen aus<br />
Marketingsicht nach oben zu drücken,<br />
um mehr Prämie nehmen zu können; der<br />
Verzicht auf abstrakte Verweisung<br />
Sandra John ist Leiterin<br />
Risiko- und Leistungsprüfung<br />
bei der Lebensversicherung von<br />
1871 a. G. München (LV 1871).<br />
Bevor sie 2018 die Leitung des<br />
Bereichs übernahm, war sie elf<br />
Jahre in der Leistungsregulierung<br />
des Versicherers tätig und<br />
seit 2011 auch für diese verantwortlich.<br />
Die Fachanwältin für<br />
Versicherungsrecht hat Jura<br />
in Passau studiert und an der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität<br />
in München einen Master of<br />
Insurance absolviert.
GIPFELTREFFEN Biometrie<br />
ist ein Beispiel. Stattdessen sollten<br />
wir versuchen, die BU-Rente zu erhöhen<br />
und, wenn dafür notwendig, auch die<br />
Leistungen etwas zu reduzieren. Um so<br />
etwas umsetzen zu können, bietet die<br />
Bayerische ein Baukastenprinzip an. Je<br />
nach ihrer aktuellen Lebensphase können<br />
Kunden flexibel agieren und zum Beispiel<br />
Leistungen hinzunehmen. Unsere Erweiterungsgarantie<br />
bietet viele Möglichkeiten.<br />
Studenten zum Beispiel können bis zu<br />
1.000 Euro Rente nachversichern.<br />
John: Tatsächlich spielt die abstrakte<br />
Verweisung in der Leistungsprüfung fast<br />
keine Rolle. Herr Schinnenburg nannte<br />
vorhin die durchschnittliche BU-Rente<br />
in Höhe von 1.213 Euro. In unserem Haus<br />
beträgt die versicherte Rente im Schnitt<br />
1.500 Euro. Das ist nicht schlecht. Unser<br />
Schwerpunkt liegt auf jungen Menschen.<br />
Bestimmte Studentengruppen können bei<br />
uns bis zu 2.000 Euro absichern. Das hat<br />
natürlich auch was mit dem Einkommen<br />
zu tun. Die Aufgabe von Vermittlern ist,<br />
jeden einzelnen Kunden zu begleiten und<br />
sukzessiv Leistung nachzuversichern. Die<br />
Möglichkeit zur Nachversicherung bieten<br />
schließlich fast alle Versicherer an.<br />
Schinnenburg: Ich möchte noch einmal<br />
das Thema Grundfähigkeiten ansprechen.<br />
Ich behaupte, dass die vielen neuen<br />
Leistungsauslöser die Leistung eher<br />
Angaben in %, 2019<br />
»Oft ist eine Grundfähigkeitsversicherung<br />
ein vollwertiges Instrument<br />
zur Absicherung<br />
der Arbeitskraft.«<br />
Jan-Peter Diercks, Swiss Life<br />
einschränken als ausbauen. Zudem verkomplizieren<br />
sie das Produkt. Unterstützt<br />
jemand aus dieser Runde diese These?<br />
Buddecke: Nein, unterstütze ich nicht.<br />
Ich habe mich bei der Bayerischen für die<br />
Einführung eines Einsteigertarifs starkgemacht;<br />
den Body-Tarif haben wir jetzt<br />
auch. Er richtet sich an Handwerker und<br />
setzt bewusst nur auf Leistungsauslöser,<br />
die handwerklich arbeitende Menschen<br />
brauchen. So realisieren wir ein vernünftiges<br />
Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit<br />
solchen Angeboten erreichen wir Kunden,<br />
für die eine Absicherung aus finanziellen<br />
Gründen sonst nicht realisierbar wäre.<br />
All diese Menschen sollen bei der Bayerischen<br />
ihre Heimat finden.<br />
Diercks: Völlig richtig. Man darf’s nicht zu<br />
kompliziert machen. Die BU ist die Königsdisziplin.<br />
Aber die Fachbereiche darunter<br />
VERSICHERER SAGEN MEISTENS »JA«<br />
Annahme von Verträgen in der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />
Risikoprüfung<br />
policierte und<br />
nicht-policierte<br />
Anträge<br />
Angenommene Verträge<br />
ohne Zuschläge oder Ausschlüsse 87<br />
Angenommene Verträge<br />
mit Zuschlägen (ohne Ausschlüsse) 3<br />
Angenommene Verträge<br />
mit Ausschlüssen (ohne Zuschläge) 10<br />
Angenommene Verträge<br />
mit Ausschlüssen UND Zuschlägen 2<br />
Anträge, die nicht policiert werden,<br />
da keine Rückmeldung vom Kunden 4<br />
Abgelehnte (nicht policierte) Anträge<br />
gesamt 4<br />
Quelle: GDV<br />
sind auch nicht schlecht. Auf Kongressen,<br />
Messen und sonstigen Veranstaltungen<br />
sprechen die Teilnehmer fast ausschließlich<br />
über die BU und viel zu wenig über<br />
andere Absicherungen. Dabei ist in vielen<br />
Fällen zum Beispiel eine Grundfähigkeitsversicherung<br />
ein vollwertiges Instrument<br />
zur Absicherung der Arbeitskraft. Ohne<br />
einen solchen Schutz stünden allzu oft<br />
ganze Familien finanziell blank da, wenn<br />
der Haupt- und Alleinverdiener wegen<br />
Krankheit oder Unfall nicht mehr einsatzfähig<br />
ist.<br />
Ich möchte heute auch mit einem<br />
Plädoyer schließen: Lasst uns alle in der<br />
Branche mehr über die Alternativen zu<br />
einer BU-Police sprechen. Auch wir haben<br />
zum Beispiel eine Grundfähigkeitsversicherung<br />
im Angebot, die meiner Meinung<br />
nach im Vertrieb und bei Kunden zu wenig<br />
Anklang findet. Und auch wir bieten einen<br />
Baukasten aus verschiedenen Segmenten.<br />
Daraus können auch Vermittler wunderbare<br />
Absicherungskonzepte bauen, denn<br />
die Produkte sind kombinierbar. Zu einer<br />
BU-Rente von 1.000 Euro kommt dann<br />
vielleicht noch eine Absicherung von<br />
Grundfähigkeiten oder Ähnliches. Über<br />
solche Konzepte sollten wir im Markt<br />
reden.<br />
John: Wie gesagt, LV 1871 bietet bisher<br />
keine Grundfähigkeitsversicherung an.<br />
Sie ist ein guter Ansatz, solange sie den<br />
Verlust von Grundfähigkeiten wie Gehen,<br />
Sehen, Reden und Hören finanziell deckt.<br />
Das Produkt darf aber nicht als verkappte<br />
BU-Police daherkommen. Das ist schnell<br />
der Fall, wenn Versicherer versuchen,<br />
auch diese Absicherung mit Bausteinen<br />
wie Psyche aufzupeppen. Dann wird das<br />
Produkt tatsächlich unnötig verkompliziert.<br />
Bereits die Urform einer Grundfähigkeitsversicherung<br />
ist meiner Meinung<br />
nach kein einfaches Produkt. Die Leistungsprüfung<br />
zum Beispiel ist auch nicht<br />
gerade einfach. Die LV 1871 verfolgt einen<br />
anderen Ansatz. Anfang 2023 werden wir<br />
mit einem marktgerechten Angebot über<br />
Zielgruppenkonzepte – zum Beispiel die<br />
wichtige Gruppe der Facharbeiter – weitere<br />
Gruppen fokussieren und verstärkt<br />
von der BU-Versicherung überzeugen.<br />
Schinnenburg: Meine Dame und meine<br />
Herren, herzlichen Dank!
Erfolgsmodell oder<br />
Ladenhüter –<br />
die Zukunft der PKV<br />
PKV-Kongress<br />
07. Dezember · 10:00 Uhr
HÖHEPUNKTE DES JAHRES Versicherungen<br />
HIGHLIGHTS <strong>2022</strong><br />
GDV-Schadensquoten ++ Run-off ++ Koppelprodukte ++ Sozialpartnermodell ++ DKM ++ Riester-Rente<br />
Oktober<br />
GDV: FALSCHE SCHADENSQUOTEN<br />
BEI DER D&O-VERSICHERUNG<br />
Der GDV hat für die Jahre 2017 bis 2021 versehentlich um<br />
mehr als 50 Prozent zu hohe Schadensquoten in der D&O-<br />
Versicherung ausgewiesen. Teils waren diese um mehr als 100<br />
Millionen Euro höher angegeben, als die Versicherer tatsächlich<br />
an Schadensleistungen ausgezahlt hatten. Laut GDV ging<br />
der Fehler auf falsche Meldungen eines einzelnen Mitgliedsunternehmens<br />
zurück. Brisant: Manche Versicherer hatten für die<br />
auch Managerhaftpflicht genannte Police in den letzten Jahren<br />
Prämiensteigerungen von bis zu 1.000 Prozent sowie die gesunkenen<br />
Zeichnungskapazitäten auch mit den hohen Schadensleistungen<br />
begründet. Hier dürften Firmenkunden nun<br />
einigen Gesprächsbedarf mit ihren D&O-Vermittlern haben.<br />
November<br />
ÄRGER UM KOPPELPRODUKT-STUDIE<br />
Das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) hat<br />
dem Bund der Versicherten (BdV) fachliche Fehler bei seinem<br />
Vergleich von Koppelprodukten mit separat abgeschlossenen<br />
SBU- und Rentenversicherungen vorgeworfen. Laut BdV sind<br />
separate Produkte die bessere Wahl für die Kunden. Das ifa<br />
hingegen hatte vor zwei Jahren mit einer eigenen Studie eruiert,<br />
dass Koppelprodukte in vielen Fällen sinnvoll sein können.<br />
Der BdV wies die ifa-Kritik als nicht praxistauglich zurück. Makler<br />
müssen letztlich selbst abwägen, welche Tarifkombination<br />
für ihre Kunden am besten geeignet ist.<br />
Juni, Juli<br />
RUN-OFF: AXA UND ZURICH<br />
VERKAUFEN BESTÄNDE<br />
Sommerschlussverkauf: Die Axa hat rund 900.000 alte Lebensund<br />
Rentenversicherungspolicen (ein Fünftel ihres Leben-<br />
Bestands) an die Run-off-Plattform Athora verkauft. Kurz zuvor<br />
hatte die Zurich Gruppe Deutschland angekündigt, 720.000<br />
alte Verträge in eine neu gegründete Gesellschaft zu überführen,<br />
um sie an die Frankfurter Viridium Gruppe zu verkaufen.<br />
46 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong>|22
Versicherungen HÖHEPUNKTE DES JAHRES<br />
Oktober<br />
ERSTES SOZIALPARTNER-<br />
MODELL STARTET<br />
Die BaFin hat fast fünf Jahre nach der gesetzlichen<br />
Erlaubnis das erste branchenweite Sozialpartnermodell<br />
genehmigt. Die Gewerkschaften Ver.di und IGBCE, das<br />
Energieunternehmen Uniper, der Arbeitgeberverband<br />
energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen<br />
sowie die Arbeitgebervereinigung Bayerischer Energieversorgungsunternehmen<br />
haben einen gemeinsamen<br />
Tarifvertrag zur reinen Beitragszusage (rBZ)<br />
vereinbart. Dieser tritt am 1. Januar 2023 in Kraft und<br />
ist erstmals zum 1. Januar 2033 kündbar. Versorgungsträger<br />
ist der Metzler Sozialpartner Pensionsfonds.<br />
Oktober<br />
DKM FAST WIEDER IM NORMALZUSTAND<br />
Die Leitmesse der Versicherungswirtschaft DKM fand<br />
zum 25. Mal statt. Nach einer rein digitalen DKM 2020<br />
und einer hybriden DKM 2021 traf sich die Branche nun<br />
endlich wieder umfassend persönlich in den Dortmunder<br />
Westfalenhallen. Die Besucher- und Ausstellerzahlen der<br />
Vor-Pandemie-Zeit wurden jedoch nicht erreicht: 276<br />
Aussteller (2019: 358), 13 Fachkongresse (17) und vier<br />
Themenparks (acht) sowie neue Formate für Austausch<br />
und Networking wurden geboten, insgesamt wurden<br />
rund 13.300 Besucher an den drei Messetagen verzeichnet<br />
(17.500).<br />
Oktober<br />
Heimlicher Beitragsanstieg<br />
Laut Krankenkassen-Stabilisierungsgesetz<br />
müssen Kassen ihre Versicherten<br />
aktuell nicht über die Erhöhung<br />
des durchschnittlichen Zusatzbeitrags<br />
um 0,3 Prozentpunkte inklusive<br />
der damit verbundenen Wechselmöglichkeit<br />
informieren. Grund: die<br />
Einsparung von Verwaltungskosten.<br />
August<br />
Aus für FinTech Vantik<br />
Das Start-up Vantik ist insolvent und<br />
hat im Oktober sein Geschäft eingestellt.<br />
Zuvor war laut Vantik im Mai<br />
eine geplante Finanzierungsrunde<br />
geplatzt. Das Start-up bot Kunden<br />
eine Bankkarte, die per Cashback<br />
eine Altersvorsorge aufbauen sollte.<br />
Juni<br />
Ideal kauft Netto-Spezis<br />
Die Ideal Versicherung hat ihr Geschäft<br />
mit Nettotarifen ausgebaut.<br />
Die Berliner verleibten sich die Netto-<br />
und Honorarspezialisten von my-<br />
Life und HonorarKonzept ein. Über<br />
den Kaufpreis haben die Parteien<br />
Stillschweigen vereinbart. myLife<br />
und HonorarKonzept sollen trotz der<br />
Übernahme weiter eigenständig am<br />
Standort Göttingen agieren.<br />
Januar, März<br />
RÜCKZUG AUS<br />
RIES TER-RENTE<br />
Zu Jahresbeginn gab die Deka die<br />
Einstellung des Neugeschäfts zur<br />
Riester-Rente bekannt. Grund sind<br />
die Kosten der Beitragsgarantie<br />
bei geförderten Altersvorsorgeprodukten.<br />
Zuvor hatten bereits DWS,<br />
Debeka und die Stuttgarter Riester-<br />
Produkte aus ihrer Produktpalette<br />
entfernt. Die Gesamtzahl der Riester-<br />
Verträge sank im ersten Quartal <strong>2022</strong><br />
um 54.000 auf 16,157 Millionen.<br />
Juli<br />
INSURETECH WEFOX<br />
SAMMELT WEITER EIN<br />
Das Berliner Start-up wefox ist nun mit<br />
4,5 Milliarden Dollar bewertet. Im Sommer<br />
konnten 400 Millionen Dollar von Investoren<br />
eingesammelt werden. Mit dem<br />
Funding will wefox das Geschäft in Europa<br />
ausbauen. 2024 ist ein Einstieg in den<br />
US-Markt geplant.<br />
September<br />
Rollinger neuer GDV-Chef<br />
Der Gesamtverband der Deutschen<br />
Versicherungswirtschaft (GDV) erhält<br />
einen neuen Präsidenten: R+V-Vorstandsvorsitzender<br />
Norbert Rollinger<br />
(58) löst Wolfgang Weiler ab, der<br />
viele Jahre lang Vorstandssprecher<br />
des Kfz-Versicherers Huk-Coburg war<br />
und nach fünf Jahren als GDV-Präsident<br />
aus dem Amt ausschied.<br />
Lesen Sie die Hintergründe, Zusatzberichte<br />
und Interviews zu diesen und<br />
weiteren Highlights des Jahres unter:<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/<strong>2022</strong><br />
Illustrationen: Eleonora Mavromati<br />
47
VERSICHERUNGEN Pflegevorsorge<br />
»Das Pflegerisiko<br />
nicht privatisieren«<br />
Seit einem Jahr ist die Pflegereform von Jens Spahn in Kraft. Oliver Blatt, Leiter der Abteilung<br />
Gesundheit des Verbands der Ersatzkassen (vdek), zieht Bilanz und wagt Prognosen.<br />
– TEXT: ANNE MAREILE WALTER –<br />
<strong>procontra</strong>: Vor gut einem Jahr wurde die<br />
Pflegereform von Jens Spahn eingeführt.<br />
Was hat sich seitdem verbessert?<br />
Oliver Blatt: Leider war die Pflegereform<br />
von Jens Spahn ein Stückwerk, keine Reform<br />
aus einem Guss. Daher wird sie auch<br />
oftmals „kleine Pflegereform“ genannt.<br />
Trotzdem sehe ich die Lage nicht nur pessimistisch:<br />
Die Soziale Pflegeversicherung ist<br />
und bleibt eine wichtige Säule der sozialen<br />
Sicherungssysteme in unserem Land, und<br />
sie hat seit ihrer Einführung schon so manche<br />
Herausforderung gemeistert. Und die<br />
Reform war für Pflegebedürftige auch ein<br />
Fortschritt: Seitdem gibt es Zuschüsse zu<br />
den Eigenanteilen, die nach der Dauer des<br />
Heimaufenthalts gestaffelt sind. Allein in<br />
diesem Jahr werden dafür drei Milliarden<br />
Euro ausgegeben. Das ist schon eine Menge<br />
Geld, um Pflegebedürftige zu entlasten.<br />
Und wer drei Jahre lang im Heim ist, wird<br />
um 70 Prozent bei den pflegebedingten<br />
Kosten entlastet. Fakt ist, dass mit diesen<br />
Zuschüssen ganz sicher die Sozialhilfeträger<br />
entlastet werden. Was aber nicht angegangen<br />
wurde, ist das Problem, dass wir<br />
in der Sozialen Pflegeversicherung immer<br />
» Mit den Zuschüssen<br />
werden ganz sicher<br />
die Sozialhilfeträger<br />
entlastet. Was aber<br />
nicht angegangen<br />
wurde, ist das<br />
Problem, dass wir<br />
immer noch auf ein<br />
gewaltiges Defizit<br />
zusteuern.«<br />
48 Foto: vdek
Pflegevorsorge VERSICHERUNGEN<br />
noch auf ein gewaltiges Defizit zusteuern.<br />
<strong>procontra</strong>: Sie sagen es: Bisher profitieren<br />
von der Reform nur Patienten mit<br />
längerem Heimaufenthalt. Im Schnitt<br />
stirbt ein Drittel der Pflegeheimbewohner<br />
jedoch im ersten Jahr. Was muss sich denn<br />
ändern, damit Pflegebedürftige mit einer<br />
kürzeren Verweildauer von der Reform<br />
profitieren?<br />
Blatt: Generell halte ich es für nachvollziehbar,<br />
Pflegebedürftige mit einer längeren<br />
Aufenthaltsdauer stärker zu entlasten –<br />
weil die finanziellen Belastungen bei ihnen<br />
einfach größer sind. Unser Vorschlag zur<br />
Entlastung aller Pflegebedürftigen: Die<br />
Investitionskosten sollten endlich von<br />
den Ländern übernommen und damit alle<br />
Pflegebedürftigen entlastet werden. Bislang<br />
gibt es die Zuschüsse nur für die pflegebedingten<br />
Kosten, die Aufwendungen<br />
für „Unterkunft und Verpflegung“ sowie<br />
„Investitionen“ müssen weiter aus eigener<br />
Tasche finanziert werden.<br />
<strong>procontra</strong>: Wo sehen Sie weitere Schwachstellen<br />
der Reform?<br />
Blatt: Viele Probleme wurden nicht<br />
grundlegend angegangen, auch wenn es<br />
gute Ansätze zur Entlastung der Pflegebedürftigen<br />
gibt. Dass sich Ende des Jahres<br />
eine gewaltige Finanzierungslücke von 2,5<br />
Milliarden Euro auftun wird, können wir<br />
nur immer wieder anmahnen. Welches<br />
politische Konzept greifen soll, um diese<br />
Lücke abzufedern, ist unklar. Vor der Pandemie<br />
war die Soziale Pflegeversicherung<br />
gut aufgestellt. Pandemiebedingt musste<br />
sie dann acht Milliarden Euro leisten, um<br />
Schutzschirme für Pflegeeinrichtungen zu<br />
finanzieren. Von den acht Milliarden wurden<br />
nur drei Milliarden durch Steuergelder<br />
gegenfinanziert. Das schreit geradezu<br />
danach, das Pflegesystem mithilfe von<br />
Steuergeldern stabiler aufzustellen.<br />
<strong>procontra</strong>: „Bei so hohen Eigenanteilen<br />
bleibt Pflegebedürftigkeit ein Armutsrisiko.“<br />
Das sagte vdek-Vorstandsvorsitzende<br />
Ulrike Elsner kürzlich und forderte eine<br />
politische Lösung. Wie sähe eine solche<br />
aus?<br />
Blatt: Wichtig ist, dass wir von der<br />
„Flickschusterei“ wegkommen und<br />
schnellstmöglich ein politisches Konzept<br />
erstellt wird, das mit fest verankerten<br />
und dynamisierten Steuerzuschüssen die<br />
Finanzierung auf ein solides Fundament<br />
stellt. Zudem fordern wir, die private<br />
Pflegeversicherung am Finanzausgleich der<br />
»Am Ende des Jahres<br />
wird sich eine gewaltige<br />
Finanzierungslücke<br />
von 2,5 Milliarden<br />
Euro auftun.«<br />
Sozialen Pflegeversicherung zu beteiligen.<br />
Das würde die Soziale Pflegeversicherung<br />
um rund zwei Milliarden Euro entlasten<br />
und wäre solidarisch, da die privaten<br />
Unternehmen in der Regel die Gesünderen<br />
und Besserverdienenden versichern.<br />
<strong>procontra</strong>: Seit 1. September gilt das<br />
sogenannte Tariftreuegesetz, laut dem<br />
Pfleger nach Tarif oder tarifähnlich bezahlt<br />
werden müssen. Werden die Kosten für die<br />
Pflegebedürftigen dadurch weiter steigen?<br />
Blatt: Zunächst einmal ist das Gesetz ein<br />
wichtiger Schritt dahin, dass der Pflegeberuf<br />
besser bezahlt und damit attraktiver<br />
wird. Zur Wahrheit gehört aber leider<br />
auch, dass das nicht zum „Nulltarif“ geschehen<br />
kann. Denn auf der anderen Seite<br />
steigen dadurch die Kosten für die Pflegebedürftigen<br />
weiter. Als Kassen sind wir<br />
in der Regel auch verpflichtet, gestiegene<br />
Personalkosten eins zu eins zu bezahlen.<br />
Daher werden die Eigenanteile weiter<br />
steigen, flankiert durch die steigenden<br />
Energiekosten und die Inflation.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie nötig ist vor dem Hintergrund<br />
der Abschluss von privatem<br />
Pflegezusatz?<br />
Blatt: Als zusätzliche Absicherung gegen<br />
das Pflegerisiko kann das im Einzelfall<br />
natürlich sinnvoll sein. Schwierig wird es<br />
nur, wenn man anfängt, das Pflegerisiko<br />
in großem Maße zu privatisieren. Dann<br />
haben wir schnell die Problematik, dass<br />
sich nicht jeder die Prämien leisten kann –<br />
und wenn der private Pflegezusatz nicht in<br />
„jungen Jahren“ abgeschlossen wird, ist er<br />
im Alter dann kaum noch bezahlbar. Als<br />
Erstes muss also die Soziale Pflegeversicherung<br />
ordentlich aufgestellt werden, damit<br />
es nicht zu folgendem Szenario kommt:<br />
Die Soziale Pflegeversicherung wird auf ein<br />
Minimum zurückgefahren und den Rest<br />
machen die Menschen bitte privat. Die<br />
Soziale Pflegeversicherung sollte weiterhin<br />
das größte Risiko abfedern.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie sieht Ihre Prognose für das<br />
System der gesetzlichen Pflegeversicherung<br />
aus? Wird die Schere zwischen Arm und<br />
Reich weiter aufgehen?<br />
Blatt: Altersarmut hängt schon davon ab,<br />
wie die Menschen im Pflegefall abgesichert<br />
sind. Als „sozialer Kitt“ unserer Gesellschaft<br />
trägt die Soziale Pflegeversicherung<br />
dazu bei, das finanzielle Pflegerisiko für<br />
Pflegebedürftige und Angehörige deutlich<br />
abzufedern. Hinzufügen muss man aber:<br />
Altersarmut hat auch mit Bildung und<br />
Erwerbsbeteiligung zu tun.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie kann die Pflegeversorgung<br />
denn künftig auf ein sicheres Fundament<br />
gestellt werden?<br />
Blatt: Mit über 4,6 Millionen Leistungsempfängern,<br />
mehr als 30.000 Pflegeeinrichtungen<br />
und Leistungsausgaben von<br />
fast 54 Milliarden Euro 2021 ist die<br />
Soziale Pflegeversicherung bereits heute<br />
ein sicheres Fundament für die Pflegeversorgung.<br />
Dafür sorgen auch die Angehörigen<br />
und die Pflegekräfte. Gerade die<br />
Angehörigen dürfen wir als „den größten<br />
Pflegedienst“ auch in der Zukunft nicht<br />
aus den Augen verlieren. Und in dem<br />
Punkt ist auch schon einiges auf den Weg<br />
gebracht worden. So lagen beispielsweise<br />
die <strong>Ausgabe</strong>n der Pflegekassen für die<br />
soziale Sicherung der Pflegepersonen 2021<br />
bei mehr als drei Milliarden Euro.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie hilfreich sind hier die Pläne<br />
der Bundesregierung, die soziale Pflegeversicherung<br />
um eine „freiwillige, paritätisch<br />
finanzierte Vollversicherung“ zu ergänzen?<br />
Blatt: Diese Formulierung aus dem Koalitionsvertrag<br />
ist nicht eindeutig, und es<br />
stellt sich die Frage, wie das gemeint ist.<br />
Will man die Soziale Pflegeversicherung als<br />
Vollversicherung aufstellen, ohne Eigenanteile?<br />
Wenn das dahintersteht, dann<br />
gehört zur Wahrheit auch die Frage dazu:<br />
Wie bekommt man das solide finanziert?<br />
Zudem müsste in diesem Fall das Leistungssystem<br />
umgestellt werden, denn<br />
auch in einer „Vollversicherung“ bedarf<br />
es Regeln und Mechanismen, welche den<br />
Leistungsanspruch im Einzelfall definieren.<br />
Wenn damit aber gemeint ist, dass neben<br />
der Sozialen Pflegeversicherung ein großes<br />
privates System aufgebaut wird, dann<br />
sehen wir das sehr kritisch. Weil sich dann<br />
die Frage stellt: Wer kann sich das am<br />
Ende wirklich leisten? <br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
49
VERSICHERUNGEN Vorzugsrente<br />
RENTE MIT<br />
GEWISSEN VORZÜGEN<br />
Das Alleinstellungsmerkmal der Versicherer, die lebenslange Rente, kommt seitens<br />
Verbraucherschützern unter Beschuss. Der Vorwurf: Die Versicherer kalkulieren mit zu hohen<br />
Lebenserwartungen. Das Modell der Vorzugsrente könnte hier Abhilfe schaffen.<br />
– TEXT: MARTIN THALER –<br />
50 Illustration: Roman Kulon
Vorzugsrente VERSICHERUNGEN<br />
„Alt wie ein Baum möchte ich werden,<br />
genau wie der Dichter es beschreibt“, besangen<br />
einst die Puhdys ihren Wunsch nach<br />
einem langen Leben. Man muss schon etwas<br />
suchen, um einen Popsong zu finden,<br />
der nicht die ewige Jugend, sondern das<br />
hohe Alter lobpreist. Die Erklärung liegt<br />
auf der Hand: Während die Jugend zumeist<br />
mit einer ausschweifenden Sorglosigkeit in<br />
Verbindung gebracht wird, verknüpft man<br />
das Alter eher mit Verantwortlichkeiten,<br />
Sorgen und Problemen – auch finanzieller<br />
Natur.<br />
Wie alt die Deutschen werden, ist eine<br />
Frage, die nicht nur in der Kunst, sondern<br />
auch der Versicherungswirtschaft von Bedeutung<br />
ist. Schließlich bewerben die Versicherer<br />
ihre privaten Rentenversicherungen<br />
mit der Auszahlung einer lebenslangen<br />
Rente – und die muss immer länger halten,<br />
wie Daten der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
zeigen (siehe Grafik). Je älter die<br />
Versicherungsnehmer werden, desto länger<br />
muss die Rente ausgezahlt werden – entsprechend<br />
gilt es sicherzustellen, dass die<br />
Kalkulation stimmig ist.<br />
Aus Sicht des Verbraucherschutzes kann<br />
davon jedoch keine Rede sein. Der Vorwurf:<br />
Die Versicherer kalkulieren falsch –<br />
zu ihren Gunsten. „Auch wer erfolgreich<br />
und viel spart, bekommt trotzdem nur eine<br />
niedrige Riester-Rente, weil die Versicherungsunternehmen<br />
mit massiv überzogenen<br />
Lebenserwartungen kalkulieren“, bemängelte<br />
2020 der damalige Vorstandssprecher<br />
des Bunds der Versicherten Axel Kleinlein.<br />
So würden die Versicherer für zum damaligen<br />
Zeitpunkt 37-Jährige mit einer Lebenserwartung<br />
von 100 bis 150 Jahren kalkulieren,<br />
so der Vorwurf. Das Statistische<br />
Bundesamt würde hingegen eine Lebenserwartung<br />
von 87 bis 91 Jahren prognostizieren.<br />
1960<br />
1970<br />
1980<br />
1990<br />
2001<br />
2010<br />
2020<br />
2021<br />
GESETZLICHE RENTENVERSICHERUNG<br />
Durchschnittliche Rentenbezugsdauer in den alten Bundesländern<br />
Männer<br />
Frauen<br />
che Rentenzahlung aus. Wer letztlich deutlich<br />
mehr einzahlen muss, als er am Ende<br />
ausgezahlt bekommt, dürfte sich zweimal<br />
überlegen, ob er mittels privater Rentenversicherung<br />
vorsorgt. Eine mögliche Lösung<br />
für dieses Problem stammt aus Großbri-<br />
»Wir können uns<br />
vorstellen, eine<br />
Wahlmöglichkeit zur<br />
monatlichen Rentenzahlung<br />
anzubieten.«<br />
STEPHAN SCHMIDT, MDB (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)<br />
9,6<br />
10,6<br />
10,3<br />
11,0<br />
12,7<br />
13,8<br />
13,9<br />
14,3<br />
16,5<br />
17,2<br />
18,3<br />
18,5<br />
18,8<br />
20,5<br />
21,4<br />
21,5<br />
Quelle: Deutsche Rentenversicherung<br />
LÖSUNG AUS GROSSBRITANNIEN<br />
Zwar lässt sich diese Kritik fachlich entschärfen<br />
– schließlich blickt sie allein auf<br />
die garantierte Rente und vernachlässigt<br />
mögliche Überschussbeteiligungen. Doch<br />
für Menschen, die aufgrund von Erkrankungen,<br />
Übergewicht, Bluthochdruck oder<br />
anderer gesundheitlicher Einschränkungen<br />
mit einer deutlich geringeren Lebenserwartung<br />
rechnen müssen, können die Kalkulationen<br />
der Versicherer zum Problem werden.<br />
Denn je höher diese die Lebenserwartung<br />
ansetzen, desto geringer fällt die monatlitannien<br />
und nennt sich Vorzugsrente. Eingeführt<br />
wurden entsprechende Produkte<br />
bereits in den 90er-Jahren. Ihr Prinzip ist<br />
vergleichsweise simpel: Wer zu Rentenbeginn<br />
unter bestimmten Vorerkrankungen<br />
leidet und eine entsprechend kürzere Lebenserwartung<br />
aufweist, bekommt von<br />
seiner Versicherung eine höhere monatliche<br />
Rente ausgezahlt. Ausreichend Daten zur<br />
Lebenserwartung mit bestimmten Erkrankungen<br />
sind vorhanden, die Versicherer<br />
können entsprechend sauber kalkulieren.<br />
Doch obwohl entsprechende Produkte<br />
in Großbritannien bereits seit knapp 30<br />
Jahren auf dem Markt sind, haben sie den<br />
Sprung über den Ärmelkanal bislang nur<br />
in wenigen Fällen geschafft. Gerade einmal<br />
zwei Anbieter in Deutschland haben entsprechende<br />
Produkte in ihrem Portfolio: die<br />
Liechtenstein Life sowie die LV 1871.<br />
Bei den Münchenern wurde die Extra-<br />
Rente bereits 1999 eingeführt, damals als<br />
sofort beginnende Rente gegen Einmalbeitrag.<br />
„Inzwischen haben wir das Prinzip<br />
als eXtra-Renten-Option beispielsweise in<br />
unsere Mein-Plan-Familie integriert – ohne<br />
Mehrbeitrag“, berichtet Iris Bauer, Leiterin<br />
Produktmanagement und Produktentwicklung<br />
bei der LV 1871. In vielen Verträgen<br />
ist die Extra-Renten-Funktion bereits automatisch<br />
eingeschlossen – integriert ist<br />
sie unter anderem in der Basis-Rente, aber<br />
auch in der betrieblichen Altersversorgung.<br />
Das Prozedere läuft dabei wie folgt:<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
51
VERSICHERUNGEN Vorzugsrente<br />
Einmalig zum Rentenübergang kann<br />
die versicherte Person eine individuelle<br />
Einschätzung ihres Gesundheitszustands<br />
vornehmen lassen. Attestiert der Arzt dem<br />
Versicherungsnehmer schwere gesundheitliche<br />
Einschränkungen, erhält der Kunde<br />
ein Angebot zur Extra-Rente. „Die Höhe<br />
der Rente hängt vom Krankheitsbild und<br />
der damit erwarteten individuellen Lebenserwartung<br />
ab“, erklärt Bauer.<br />
Je nach Krankheitsbild kann sich der<br />
monatliche Rentenbeitrag für den Versicherungsnehmer<br />
deutlich erhöhen, wie zwei<br />
Beispiele zeigen. So bekäme ein 63-Jähriger<br />
mit der Diagnose Herzinfarkt (Bluthochdruck,<br />
erhöhtes Cholesterin, Raucher,<br />
Herzinfarkt vor einem Jahr) eine um 25<br />
Prozent höhere Rente als ohne Extra-Renten-Funktion.<br />
Bei der Diagnose Diabetes<br />
(seit 20 Jahren, mittlerweile insulinpflichtig,<br />
leichte Augenhintergrundveränderungen,<br />
BMI erhöht, erhöhte Cholesterinwerte,<br />
Bluthochdruck) fiele die monatliche<br />
Rentenzahlung indes um 20 Prozent höher<br />
aus. Die erhöhte Rente wird auch für den<br />
Fall ein Leben lang gezahlt, sollte der Versicherungsnehmer<br />
überraschend wieder genesen.<br />
Für den Versicherer lässt sich das dennoch<br />
sauber kalkulieren. „Für die Kalkulation<br />
der Lebenserwartung bei bereits<br />
vorliegenden schweren Erkrankungen gibt<br />
es gute Erfahrungen, auch für Versichertenbestände.<br />
Das Produkt ist in UK seit vielen<br />
Jahren erprobt. Wir arbeiten an dieser Stelle<br />
mit einem internationalen Rückversicherer<br />
zusammen, der über ein großes Portefeuille<br />
an versicherten Risiken im Bestand verfügt“,<br />
berichtet Bauer. Zudem übernehme<br />
der Rückversicherer einen Großteil des Risikos.<br />
KEIN INTERESSE<br />
Ein äußerst kundenfreundliches Modell,<br />
mit dem einer der Hauptkritikpunkte an<br />
privaten Rentenversicherungen entschärft<br />
wird, sollte man meinen. Und doch fristet<br />
die Vorzugsrente in der deutschen Versicherungslandschaft<br />
gerade einmal ein Nischendasein.<br />
Daran dürfte sich in naher<br />
Zukunft auch wenig ändern, wenn man<br />
sich in der Branche umhört. Bei der Alten<br />
Leipziger heißt es, dass man derzeit keine<br />
große Nachfrage nach Vorzugsrenten<br />
wahrnehme. „Dies liegt unter anderem daran,<br />
dass bei uns in erster Linie Rentenversicherungen<br />
nachgefragt werden, die neben<br />
»Für die Kalkulation<br />
der Lebenserwartung<br />
bei bereits vorliegenden<br />
schweren<br />
Erkrankungen gibt es<br />
gute Erfahrungen.«<br />
IRIS BAUER, LV 1871<br />
der reinen Rentenzahlung zusätzliche Todesfallleistungen<br />
bzw. Rückkaufsmöglichkeiten<br />
bieten. Diese reduzieren aus unserer<br />
Sicht den vermeintlichen Vorteil der Vorzugsrenten<br />
signifikant.“<br />
Auch der Volkswohl Bund arbeitet derzeit<br />
nicht an einer entsprechenden Police.<br />
In Dortmund vertritt man die Auffassung,<br />
dass Menschen, die befürchten, aus gesundheitlichen<br />
oder anderweitigen Gründen ihr<br />
Geld nicht aus ihrer privaten Rentenversicherung<br />
zurückzubekommen, sich für eine<br />
Kapitalabfindung entscheiden.<br />
Das Argument „geringe Akzeptanz“<br />
bringt auch die Bayerische gegen die Einführung<br />
einer Vorzugsrente an. Hinzu komme<br />
zusätzlicher Aufwand durch die Implementierung<br />
einer weiteren Gesundheitsprüfung<br />
vor dem Renteneintritt. So kommt auch die<br />
Bayerische für sich zu dem Schluss: „Aufgrund<br />
des erhöhten Aufwandes und der<br />
geringen Akzeptanz sehen wir aus heutiger<br />
Sicht keine großen Marktchancen in diesem<br />
Bereich in Deutschland.“<br />
Und die Politik? Insbesondere bei staatlich<br />
geförderten Produkten wie der Basis-<br />
oder aber der Riester-Rente, die einen<br />
Verrentungszwang inkludiert haben, wäre<br />
die Vorzugsrente eine interessante Option.<br />
Vor allem die kriselnde Riester-Rente, über<br />
deren Reformierung die Bundesregierung<br />
in dieser Legislaturperiode beraten will,<br />
könnte hierdurch – und durch das Drehen<br />
an manch anderer Stellschraube – für so<br />
manchen wieder interessanter werden.<br />
SKEPSIS IN DER POLITIK<br />
Doch auch hier begegnet man dem Konzept<br />
skeptisch. „Wir Grüne planen nicht,<br />
die Vorzugsrente bei der Reform der Riester-Rente<br />
zu integrieren“, sagt Stephan<br />
Schmidt , Mitglied für Bündnis 90/Die Grünen<br />
im Finanzausschuss. Persönlich finde er<br />
die Vorzugsrente gar problematisch, da sie<br />
die Menschen womöglich zu einem ungesunden<br />
Lebensstil anrege. Dieses Argument<br />
scheint doch etwas weit hergeholt zu sein.<br />
Nichtsdestotrotz will man auch bei den<br />
Grünen die private Vorsorge bei Menschen<br />
mit geringerer Lebenserwartung anregen.<br />
Statt der Vorzugsrente präferiert man bei<br />
der Regierungspartei indes eher eine Abkehr<br />
von der Verrentungspflicht. „Wir können<br />
uns vorstellen, eine Wahlmöglichkeit<br />
zur monatlichen Rentenzahlung anzubieten,<br />
zum Beispiel indem die Rente zum Rentenbeginn<br />
ausbezahlt wird“, so Schmidt .<br />
Einen Anstoß durch die Politik werden<br />
die Versicherer somit kaum bekommen.<br />
Entsprechend droht das in der Vorzugsrente<br />
schlummernde Potenzial weitgehend ungenutzt<br />
zu bleiben. Die Versicherer lassen somit<br />
eine Chance liegen, ihr Alleinstellungsmerkmal<br />
– die lebenslange Rentenzahlung<br />
– mit der bestehenden Kritik auszusöhnen.<br />
AUSBLICK 2023<br />
Ein deutschlandweiter Marktdurchbruch ist<br />
angesichts der großen Zweifel in der Branche<br />
kaum zu erwarten<br />
Durch Vertriebserfolge bestehender Konzepte<br />
könnten allerdings weitere Versicherer<br />
animiert werden, nachzuziehen<br />
Experten sind sich einig, dass die Hindernisse<br />
für die Vorzugsrente nicht aktuarieller,<br />
sondern lediglich vertrieblicher Natur sind<br />
Sofern die Verrentungspflicht bei Riester<br />
bestehen bleibt, könnte die Vorzugsrente<br />
für die Politik interessant werden<br />
52 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
VERSICHERUNGEN Managerhaftung<br />
KRISEN-PUSH FÜR D&O<br />
Im Markt gibt es Indizien, dass Versicherer ein verstärktes Interesse an Neugeschäft<br />
im Bereich Managerhaftung haben. Eine Chance für Makler<br />
– TEXT: STEFAN TERLIESNER –<br />
Chef sein wird riskanter. Für Fehlentscheidungen<br />
haftet man mit seinem privaten<br />
Vermögen. Und in einer Welt voller Krisen,<br />
Kriege, Regularien, Lieferkettenproblemen<br />
und drohender Rezession können Manager<br />
schon mal danebenliegen, und zwar so fatal,<br />
dass das Unternehmen wirtschaftlichen<br />
Schaden nimmt. Auch für nicht getroffene<br />
Beschlüsse können Führungskräfte zur Verantwortung<br />
gezogen werden.<br />
MAKLER MIT FROHER BOTSCHAFT<br />
Anlässe für behauptetes oder tatsächliches<br />
Fehlverhalten gibt es viele, in der Innen-<br />
Gleichzeitig sind die Produkte – Managerhaftpflichtversicherung<br />
oder kurz: D&O-<br />
Policen – für Makler ein Türöffner zur<br />
Führungsetage eines Unternehmens und<br />
damit zu weiteren Anliegen wie betriebliche<br />
Krankenversicherung oder betriebliche Altersversorgung.<br />
D&O steht für die angelsächsischen<br />
Führungsorgane Directors and<br />
Officers – hierzulande Aufsichtsräte, Vorstände,<br />
Geschäftsführer, Prokuristen und<br />
andere Entscheidungsträger. Für Ansprüche<br />
gegen diese Manager spielt es keine<br />
Rolle, ob der Entscheidungsträger noch im<br />
Unternehmen arbeitet oder kürzlich ausgehaftung<br />
zum Beispiel Kontrollmängel,<br />
Verletzung von Berichtspflichten, Kalkulationsfehler<br />
oder kriminelles Verhalten von<br />
Mitarbeitern und in der Außenhaftung<br />
Insolvenz, Prospekthaftung oder Vertragsstreitigkeiten.<br />
Kommt es zu Ungereimtheiten,<br />
muss das Unternehmen vom verantwortlichen<br />
Manager Schadensersatz<br />
fordern und notfalls vor Gericht vertreten.<br />
Darauf sollten Makler die Führungskräfte<br />
unter ihren Kunden ruhig einmal hinweisen<br />
– verbunden mit der Botschaft, dass<br />
auch diese finanziell existenziellen Risiken<br />
grundsätzlich versicherbar sind.<br />
54 Illustration: Eleonora Mavromati
Managerhaftung VERSICHERUNGEN<br />
schieden ist. Aber die D&O-Police ist auch<br />
ein seltsames Konstrukt: Die Prämie zahlt<br />
das Unternehmen, den Schutz genießen die<br />
Topmanager.<br />
SORGFALT BEIM UNDERWRITING<br />
Aktuell jedenfalls haben Führungskräfte<br />
es mit „multiplen Krisenherden“ zu tun.<br />
„Unternehmen, Unternehmer und ihre<br />
Aufsichtsorgane plagen zurzeit viele Herausforderungen.<br />
Kurzfristige Entlastung<br />
ist kaum in Sicht“, konstatiert Lars Sapara,<br />
Leiter Vertrieb bei VOV, auf Anfrage von<br />
<strong>procontra</strong>. Hinter der VOV D&O-Versicherungsgemeinschaft<br />
haben sich fünf Versicherer<br />
versammelt, namentlich Continentale,<br />
Generali, HDI, Inter und Nürnberger.<br />
Marktführer in der Industrieversicherung<br />
ist Allianz Global Corporate & Specialty<br />
(AGCS). Auch eine Sprecherin der Konzernmutter<br />
Allianz sagte, dass das Kundeninteresse<br />
an D&O-Verträgen „durchgehend<br />
auf hohem Niveau ist“. Allerdings<br />
hätten im Mittelstand viele Unternehmen<br />
noch keine Absicherung, „obwohl auch sie<br />
durchaus Bedarf daran hätten“.<br />
Gleichzeitig betont die Allianz-Sprecherin,<br />
dass der Versicherer im Bereich D&O<br />
„ein auf das individuelle Risiko bezogenes<br />
Underwriting durchführt, dass also im jeweiligen<br />
Einzelfall aktuelle wirtschaftliche<br />
»Die D&O-Nachfrage<br />
ist durchgehend auf<br />
hohem Niveau.«<br />
SPRECHERIN DER ALLIANZ<br />
und regulatorische Rahmenbedingungen<br />
für die Risikoeinschätzung relevant sind“.<br />
Auch Alexander Probst, Geschäftsführer<br />
bei VOV, betont mit Blick auf Herausforderungen<br />
für D&O-Versicherer, „große Sorgfalt<br />
im Underwriting walten zu lassen“.<br />
KNAPPE KAPAZITÄTEN<br />
Die Ausführungen legen einen Schluss<br />
nahe: Die gesamte Branche überlegt sich<br />
sehr gründlich, ob und welche Risiken sie<br />
im Bereich Managerhaftung übernimmt;<br />
frei nach dem Motto: Gebranntes Kind<br />
scheut das Feuer. Zuletzt gab es einige<br />
STEIGENDE BEITRÄGE, SCHWANKENDE SCHÄDEN<br />
Inländisches Direktgeschäft von 31 GDV-Mitgliedsunternehmen in der D&O-Versicherung<br />
233<br />
73,4<br />
247<br />
98,8<br />
Bruttobeiträge 1 in Mio. Euro Schadensquote nach Abwicklung 2 in %<br />
1<br />
Verdiente Bruttobeiträge der beteiligten Unternehmen. 2 Schadenquote nach Abwicklung ist definiert als Bruttoaufwendungen<br />
nach Abwicklung für Versicherungsfälle in Relation zu den verdienten Bruttobeiträgen<br />
262<br />
2017 2018 2019 2020 2021<br />
Großschäden, etwa bei Volkswagen, Wirecard<br />
und ThyssenKrupp. In der Folge haben<br />
die Anbieter ihre Prämien erhöht und<br />
zum Teil ihre Kapazitäten reduziert. Manche<br />
D&O-Versicherer haben sich sogar aus<br />
dem Segment zurückgezogen. Und neuerdings<br />
schließen einige D&O-Policen auch<br />
Cyberrisiken aus. Der Markt hat sich verhärtet,<br />
wie Fachleute sagen. Inzwischen stabilisiert<br />
sich die Lage wieder. „Eine weitere<br />
Reduzierung der Kapazitäten ist nicht zu<br />
erwarten“, meint VOV-Chef Probst.<br />
Dennoch gilt aktuell: Viele potenzielle<br />
D&O-Kunden würden gerne mehr Deckungen<br />
kaufen, als die Branche derzeit<br />
anbietet. An dieser Stelle wird ein Beratungsansatz<br />
für Makler sichtbar: Wer eine<br />
zum Bedarf eines Kunden passende D&O-<br />
Police findet, dürfte offene Türen vorfinden.<br />
Ein Vergleich der Angebote im Markt<br />
ist allerdings schwierig, vor allem weil die<br />
Produktgeber derzeit so vorsichtig sind.<br />
Einen interessanten Produktbaustein bietet<br />
zum Beispiel VOV an. Die sogenannte<br />
ReCo-Deckung zielt auf die Verhinderung<br />
einer drohenden Insolvenz. Dazu Vertriebsleiter<br />
Sapara: „Die VOV übernimmt zur<br />
Vermeidung des Eintritts eines D&O-Versicherungsfalls<br />
die Kosten der Beauftragung<br />
eines Top-Spezialisten für Restrukturierung<br />
und Sanierung, der die Versicherungsnehmerin,<br />
ein Tochterunternehmen oder<br />
eine versicherte Person situationsbezogen<br />
berät.“<br />
56,2<br />
335<br />
86,7<br />
Quelle: GDV<br />
FLEXIBLE LÖSUNGEN<br />
Auf jeden Fall bietet der Markt für D&O-<br />
Policen flexible Lösungen; und es handelt<br />
sich um ein Wachstumsfeld. Die Bruttobeiträge<br />
sind von 2017 bis 2021 um 72 Prozent<br />
auf 401 Millionen Euro gestiegen (siehe<br />
Grafik). Die Entwicklung der Schadensquote<br />
zeigt, wie volatil die Ergebnisse der Produktanbieter<br />
sind. Seit 2017 haben die Versicherer<br />
in dieser Sparte nur 2019 und 2020<br />
einen Gewinn erzielt. In den drei übrigen<br />
Jahren dürften die Anbieter unter Berücksichtigung<br />
marktüblicher Kosten Verluste<br />
gemacht haben, teilte der Branchenverband<br />
GDV Anfang Oktober mit. Vor allem nach<br />
Insolvenzen seien Geschäftsführer mit sehr<br />
hohen Schadensansprüchen konfrontiert.<br />
Auf die Zielgruppe der Manager kommt<br />
ein erhöhtes Risiko zu, das es mittels umsichtiger<br />
Beratung abzusichern gilt.<br />
AUSBLICK 2023<br />
401<br />
41,4<br />
Der Markt für D&O-Policen ist schwierig,<br />
aber wegen Cross-Selling lukrativ<br />
Unternehmer und Manager haben großes<br />
Interesse an einer Absicherung<br />
D&O-Expertise kann für Makler ein Türöffner<br />
zur kompletten Führungsetage sein<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
55
VERSICHERUNGEN Terrorversicherung<br />
GEWAPPNET<br />
GEGEN KATASTROPHEN?!<br />
Die Terrorversicherung hierzulande ist nicht mehr up to date.<br />
Das schwächt auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Eine Reform wirft ihre Schatten<br />
voraus und sollte auch von Vermittlern aufmerksam begleitet werden.<br />
– TEXT: FLORIAN BURGHARDT –<br />
56 Illustration: Eleonora Mavromati
Terrorversicherung VERSICHERUNGEN<br />
Wer hat die Explosionen an den Gaspipelines<br />
Nord Stream 1 und Nord Stream 2<br />
verursacht? Diese Frage stellt sich die ganze<br />
Welt, seit Ende September etliche Millionen<br />
Kubikmeter dringend benötigtes Erdgas unwiederbringlich<br />
an die Oberfläche der Ostsee<br />
sprudelten. Stand jetzt (Mitte November)<br />
gibt es zwar noch keine Spur zu den<br />
Tätern, es wird aber über einen möglichen<br />
Terrorakt diskutiert. Dafür gibt es zwar<br />
keine Beweise, es ist aber nicht unwahrscheinlicher<br />
als andere Täter-Theorien.<br />
Auch deshalb, weil Experten seit Jahren<br />
immer wieder darauf hinweisen, dass sich<br />
Terrorakte zunehmend auf Einrichtungen<br />
der kritischen Infrastruktur ausweiten oder<br />
sogar verlagern werden.<br />
Das hat auch Bundesinnenministerin<br />
Nancy Faeser auf dem Schirm. „Die Sabotageakte<br />
an den Ostsee-Pipelines und der<br />
Bahninfrastruktur haben gezeigt, dass der<br />
Schutz kritischer Infrastrukturen höchste<br />
Priorität haben muss“, sagte sie Mitte Oktober,<br />
nachdem Unbekannte wichtige Kabel<br />
entlang der Anlagen der Deutschen Bahn<br />
durchtrennt hatten. Daraufhin war es zu<br />
einem stundenlangen Ausfall des Bahnverkehrs<br />
in weiten Teilen Norddeutschlands<br />
gekommen. Der Terrorismusexperte Peter<br />
Neumann hatte nach der Bahnsabotage in<br />
der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ vor<br />
großen Sicherheitslücken beim Schutz der<br />
kritischen Infrastruktur gewarnt. Es sei vor<br />
allem ein Problem, dass 80 Prozent der kritischen<br />
Infrastruktur in Deutschland nicht<br />
in staatlichen, sondern in privaten Händen<br />
lägen, erklärte Neumann. Für viele Unternehmen<br />
sei es wirtschaftlich nicht lukrativ<br />
genug, größere oder überhaupt Schutzmaßnahmen<br />
ihrer Anlagen gegen Sabotage<br />
und Terror zu ergreifen – obwohl sie laut<br />
Bundesinnenministerium als Betreiber kritischer<br />
Infrastruktur für den Schutz ihrer<br />
Anlagen gegen ebendiese Gefahren selbst<br />
verantwortlich seien. Umso relevanter wird<br />
für sie der Umfang ihres Versicherungsschutzes<br />
gegen Terror. Aber gibt es hier<br />
überhaupt passende Produkte? Oder hat<br />
die Terrorversicherung vielleicht eine Reform<br />
dringend nötig?<br />
NICHT VERSICHERBARE TERRORSZENARIEN<br />
Diese Fragen müssen sich die Versicherer<br />
derzeit gefallen lassen. Denn „moderne<br />
Terrorakte“ können auf einen Schlag viele<br />
Menschen und Unternehmen treffen und<br />
dadurch einen enormen wirtschaftlichen<br />
Schaden verursachen. Wenn beispielsweise<br />
ein Cyberangriff den Hauptcomputer<br />
eines großen Umspannwerks lahmlegt und<br />
dadurch große Gewerbegebiete oder ganze<br />
Städte keinen Strom mehr haben, sind viele<br />
Unternehmen mit Produktionsausfall, verdorbenen<br />
Waren oder einem Ausfall ihrer<br />
digitalen Dienstleistungen konfrontiert. Ein<br />
»Bleiben die Maschinen<br />
infolge des<br />
Hackerangriffs unbeschadet,<br />
dann ist<br />
der daraus resultierende<br />
Betriebsunterbrechungsschaden<br />
nicht versichert.«<br />
THOMAS LEICHT, EXTREMUS<br />
ähnliches Szenario ließe sich abzeichnen,<br />
wenn Terroristen die Trinkwasserspeicher<br />
einer Millionenstadt mit gefährlichen Keimen<br />
kontaminieren würden. Was diese beiden<br />
Szenarien gemeinsam haben? Sie sind<br />
auch im Rahmen einer expliziten Terrorpolice<br />
nicht versicherbar.<br />
„Cyberangriffe durch Hacker sind derzeit<br />
versichert, wenn dadurch ein Sachschaden<br />
entsteht. Führt beispielsweise ein<br />
terroristischer Hackerangriff dazu, dass<br />
Sicherheitssysteme von Maschinen nicht<br />
mehr funktionieren und die Maschinen<br />
daraufhin überhitzen und in der Folge explodieren<br />
oder verbrennen, ist dies derzeit<br />
versichert. Versichert ist dabei der Schaden<br />
der zerstörten Maschinen selbst und<br />
der aus diesem Sachschaden entstandene<br />
Betriebsunterbrechungsschaden“, erklärt<br />
Thomas Leicht, Vorstandsvorsitzender der<br />
Extremus Versicherungs-AG aus Köln. Sein<br />
Unternehmen wurde im Jahr 2002 aus einer<br />
Initiative der Versicherungswirtschaft<br />
und der Bundesregierung heraus gegründet,<br />
um das nach den Anschlägen des 11.<br />
September 2001 gestiegene Terrorrisiko<br />
zukunftsorientiert zu versichern. Entscheidender<br />
Leistungsauslöser für die Terrorversicherung<br />
ist aber immer der Sachschaden.<br />
In den zuvor genannten Schadensbeispielen<br />
liegt dieser aber nicht oder zumindest nicht<br />
zwingend vor. „Bleiben die Maschinen infolge<br />
des Hackerangriffs und der dadurch<br />
zerstörten oder veränderten Software unbeschadet,<br />
dann ist der daraus resultierende<br />
Betriebsunterbrechungsschaden nicht versichert“,<br />
so Leicht. Kontamination durch<br />
atomare, biologische oder chemische Stoffe<br />
ist bedingungsgemäß ebenfalls ausgeschlossen.<br />
ALTERNATIVE POLICEN<br />
BIETEN AUCH KAUM SCHUTZ<br />
Noch weiter von einer Leistung aus der<br />
Terrorpolice entfernt als der Betreiber des<br />
Umspannwerks ist zum Beispiel die örtliche<br />
Bäckerei, deren tiefgefrorene Waren ohne<br />
Strom verderben, nicht aufgebacken werden<br />
können und die ihr Geschäft aufgrund<br />
computergesteuerter Anlagen gar nicht erst<br />
öffnen bzw. nutzen kann. Hier pauschal auf<br />
das unternehmerische Risiko zu verweisen,<br />
kommt der Komplexität und Besonderheit<br />
des Szenarios nicht nahe. Denn welcher Unternehmer<br />
kalkuliert einen terrorbedingten<br />
mehrtägigen Stromausfall schon mit ein?<br />
Zwar betont man bei Extremus, dass auch<br />
leidtragende Unternehmen eines solchen<br />
Stromausfalls eine Entschädigung erhalten<br />
können. Allerdings nur, wenn sie eine<br />
eigene Extremus-Police abgeschlossen haben,<br />
und selbst dann ist die Entschädigung<br />
auf 1 Prozent der Versicherungssumme für<br />
Betriebsunterbrechung limitiert. Und ganz<br />
entscheidend: Auch hier muss ein Sachschaden<br />
im Umspannwerk, zum Beispiel durch<br />
eine Explosion oder einen Brandanschlag,<br />
für den Stromausfall verantwortlich sein.<br />
Zumal Extremus Gebäude bzw. Ob-<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
57
VERSICHERUNGEN Terrorversicherung<br />
jekte innerhalb der Bundesrepublik<br />
Deutschland erst ab einer Versicherungssumme<br />
von über 25 Millionen Euro versichert.<br />
Für geringere Summen kann Terrordeckung<br />
einfach bei den Sachversicherern<br />
abgeschlossen werden. Bei diesen ist die<br />
Terrordeckung in der Regel bis zu einer<br />
»In materieller Hinsicht<br />
streben wir eine<br />
Ausdehnung auf<br />
systemische Risiken<br />
wie Cyber, NatCat und<br />
Pandemie an.«<br />
STEFAN ROSENOWSKI, GVNW<br />
bestimmten Höhe automatisch vereinbart,<br />
auch im Privatkundenbereich. Bei der Allianz<br />
beispielsweise ist das bis zu einer Versicherungssumme<br />
von 10 Millionen Euro der<br />
Fall. Zwischen 10 Millionen und 25 Millionen<br />
muss die Deckung individuell mit eingeschlossen<br />
werden. Über 25 Millionen ist<br />
der Versicherer dann komplett raus aus der<br />
Terrordeckung und alles muss separat über<br />
Extremus abgedeckt werden.<br />
Doch auch in die Policen der Sachversicherer<br />
für kleine und mittelgroße Unternehmen,<br />
die in den Beratungsbereich vieler<br />
Makler fallen, sind die Auswirkungen „moderner<br />
Terrorakte“ nicht eingepreist. „Das<br />
KMU kann selbst keinen Terrorschutz für<br />
seinen Energieversorger abschließen. Die<br />
bloße Unterversorgung mit Energie oder<br />
Rohstoffen stellt per se keinen Versicherungsfall<br />
in der Sach- und Ertragsausfallversicherung<br />
dar. Dies gilt auch, wenn<br />
durch die Unterversorgung Lieferketten<br />
beeinträchtigt oder unterbrochen werden“,<br />
erklärt ein Talanx-Sprecher auf <strong>procontra</strong>-<br />
Nachfrage. Zwar könne sein Haus im Rahmen<br />
der Cyberversicherung optional die<br />
Betriebsunterbrechung durch Cloudausfall<br />
versichern. Dabei würden jedoch Terrorund<br />
Kriegsausschlüsse gelten, die im Einzelfall<br />
zu prüfen seien. Die Axa verweist auf<br />
ihren Baustein „Kühlgut“, der zum Beispiel<br />
verdorbene Waren nach einem Stromausfall<br />
ersetzt. Dabei handelt es sich aber um keine<br />
spezielle Terrordeckung. Das Gleiche gilt<br />
für Rückwirkungsschäden, wenn zum Beispiel<br />
der Stromausfall bei einem direkten<br />
Zulieferer eingetreten ist und daraufhin<br />
die eigene Produktion stillsteht. Allerdings<br />
muss auch hier ein Sachschaden beim Zulieferer<br />
ursächlich sein.<br />
TERRORVERSICHERUNG WIRD<br />
BIS 2024 REFORMIERT<br />
Echter Schutz vor solchen „modernen Terrorakten“<br />
ist also sowohl bei den normalen<br />
Sachversicherern als auch bei Extremus<br />
nicht vorhanden. Dabei ist die Erweiterung<br />
des Terrorversicherungsschutzes ein dringender<br />
Wunsch großer Unternehmen. Erst<br />
Mitte November fiel die Entscheidung, die<br />
Staatsgarantie (bis zu 5,98 Milliarden Euro<br />
staatliche Leistung bei Terrorschäden über<br />
2,52 Milliarden Euro) um zwei Jahre bis<br />
Ende 2024 zu verlängern. Dazu sagte der<br />
Vorstandsvorsitzende des Gesamtverbands<br />
der versicherungsnehmenden Wirtschaft<br />
(GVNW), Alexander Mahnke: „Mit Blick<br />
auf die kommenden zwei Jahre darf keine<br />
Zeit vergeudet werden, um eine tragfähige<br />
Versicherungslösung aufzubauen, die<br />
nach Möglichkeit auch optionale Erweiterungen<br />
in territorialer Hinsicht und die<br />
Absicherung weiterer systemischer Risiken<br />
zulässt.“ Auf <strong>procontra</strong>-Nachfrage konkretisiert<br />
GVNW-Geschäftsführer Stefan Rosenowski<br />
den zweiten Teil dieses Anspruchs:<br />
„In materieller Hinsicht streben wir eine<br />
Ausdehnung auf systemische Risiken wie<br />
Cyber, NatCat und Pandemie an. Ein PPP-<br />
Modell ist aus unserer Sicht notwendig und<br />
würde die zur Verfügung stehenden Kapazitäten<br />
bündeln.“<br />
Das würde eine weitreichende Reform der<br />
Terrorversicherung bedeuten, die offenbar<br />
auch der GDV anstrebt. Dessen Hauptgeschäftsführer<br />
Jörg Asmussen sagte dazu:<br />
„Es herrscht jetzt Planungssicherheit für<br />
die Verhandlung neuer Versicherungsverträge.<br />
Nun müssen Staat und Privatwirtschaft<br />
die nächsten 24 Monate nutzen, um<br />
gemeinsam eine zeitgemäße und langfristig<br />
tragfähige Terrorversicherungslösung zu<br />
entwickeln.“ Dabei spielt wahrscheinlich<br />
auch die Höhe der Staatsgarantie eine Rolle.<br />
Zwar musste diese bislang nie angetastet<br />
werden – der höchste Terrorschaden von<br />
Extremus bewegte sich bislang im mittleren<br />
sechsstelligen Bereich –, jedoch ist sie für<br />
internationale Konzerne ein wichtiger Faktor<br />
bei der Standortwahl. Ganz besonders,<br />
wenn diese teilweise kreditfinanziert sind,<br />
also zusätzlich auch noch Banken im Spiel<br />
sind, die nach Sicherheiten suchen. Denn<br />
laut Extremus-Chef Leicht bieten andere<br />
europäische Länder deutlich höhere Staatsgarantien<br />
als Deutschland.<br />
Und wie sollten sich Makler in dem Staub<br />
verhalten, den all diese Reformbewegungen<br />
aufwirbeln? „Die Information eines Kunden<br />
zur Absicherungsmöglichkeit gegen<br />
Terrorschäden gehört sicherlich zu den Beratungspflichten<br />
eines Vermittlers“, bringt<br />
es der Talanx-Sprecher auf den Punkt. Das<br />
bestätigt auch Norman Wirth. Gerade in<br />
Zeiten, in denen sich das Angebot der Versicherer<br />
verändert, sollten die Vermittler<br />
den Markt intensiv screenen, um zu wissen,<br />
welche Risiken abgesichert werden können,<br />
so der Fachanwalt für Versicherungsrecht.<br />
Zudem betont er in diesem Zusammenhang<br />
einen wichtigen Grundsatz für Vermittler:<br />
„Gerade die ‚Neins‘ sollten dokumentiert<br />
werden.“<br />
AUSBLICK 2023<br />
Die Terrorversicherung könnte bald<br />
zusätzliche Gefahren abdecken<br />
Eine nach der Reform deutlich höhere<br />
Staatsgarantie im Schadensfall würde den<br />
Wirtschaftsstandort Deutschland aufwerten<br />
Vermittler sollten Gewerbekunden stets auf<br />
deren Möglichkeiten für Terrorschutz ansprechen<br />
und jedes Nein dokumentieren<br />
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VERSICHERUNGEN Gewerbeberatung<br />
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Gewerbeversicherungen ermöglichen eine immer gezieltere Absicherung.<br />
Doch viele Unternehmer haben diese nicht auf dem Schirm, ebenso wenig wie neue Risiken.<br />
Für Makler bietet sich 2023 lukratives Neugeschäft, sofern die Strategie stimmt.<br />
– TEXT: IMKE REIHER –<br />
60 Illustration: Roman Kulon
Gewerbeberatung VERSICHERUNGEN<br />
Bei vielen kleinen Maklern spielen Gewerbeversicherungen<br />
im Alltagsgeschäft bisher<br />
kaum eine Rolle. Ein Grund hierfür: Das<br />
Geschäft gilt als komplex und mit Blick auf<br />
Risikofaktoren gerade bei Mischbetrieben<br />
als erschwert kalkulierbar, was viele abschreckt.<br />
Bei den großen Versicherern sieht<br />
das deutlich anderes aus: Sie räumen Gewerbeversicherungen<br />
einen immer höheren<br />
Stellenwert in ihrer strategischen Ausrichtung<br />
ein und lancieren neue Produkte, um<br />
sich ihren Anteil am lukrativen und facettenreichen<br />
Gewerbekunden-Markt zu sichern.<br />
Das Potenzial ist immens: Laut einer<br />
Studie von McKinsey bieten bereits kleinere<br />
und mittlere Unternehmen (KMU) dem<br />
Vertrieb ein Prämienpotenzial von zwei<br />
Milliarden Euro – und das ist nur ein Zehntel<br />
des gesamten Prämienmarkts.<br />
Die gute Nachricht: Der Trend zur Digitalisierung<br />
macht es Maklern immer leichter,<br />
sich den Markt zu erschließen. Relevante<br />
Informationen, Ratings und Vergleiche<br />
sind einfacher und schneller zugänglich,<br />
während digitale Tools und standardisierte<br />
Fragebögen neue Möglichkeiten und mehr<br />
Sicherheit bieten. Zudem wird der geografische<br />
Radius größer, da lokale Grenzen im<br />
Onlinebereich keine Rolle spielen.<br />
NEUE RISIKEN GEFÄHRDEN<br />
VERSICHERUNGSSCHUTZ<br />
Die Chancen auf Neugeschäft stehen für<br />
Makler gut, denn viele Unternehmen weisen<br />
Lücken in ihrem Versicherungsschutz<br />
auf – und das oft, ohne sich darüber im<br />
Klaren zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt<br />
der aktuelle Gewerbeversicherungsreport,<br />
den das InsurTech Finanzchef24 zusammen<br />
mit dem Digitalversicherer andsafe erstellt<br />
hat. Ein Grund hierfür ist das Corona-Virus,<br />
das den Berufsalltag vieler Unternehmer<br />
stark verändert hat. Um finanzielle<br />
Ausfälle durch Lockdowns besser abfedern<br />
zu können, mussten viele umdenken, sich<br />
breiter aufstellen, neue Geschäftsmodelle<br />
entwickeln oder sich sogar ganz neu orientieren,<br />
was mit einem deutlichen Anstieg<br />
der Onlineaktivitäten einherging. Das<br />
Problem: Viele Unternehmer sind sich der<br />
neuen Risiken nicht bewusst, die durch eine<br />
Veränderung des Geschäftsmodells entstehen<br />
können. „Viele Unternehmen setzen<br />
leichtfertig ihre Existenz aufs Spiel, weil sie<br />
neue Risiken nicht adäquat einordnen oder<br />
erkennen. Wir sehen deutlich, dass große<br />
Lücken im Wissen um Risiken und Absi-<br />
GEBÄUDE<br />
UND<br />
INHALT<br />
Gewerbliche<br />
Gebäudeversicherung<br />
Gebäudeglas<br />
Gebäudeinhalt<br />
Maschinenversicherung<br />
Elektronikversicherung<br />
Cyberversicherung<br />
ÜBERSICHT GEWERBE-SACHVERSICHERUNGEN<br />
HAFTPFLICHT<br />
UND<br />
RECHT<br />
Produkthaftpflicht<br />
Export-Haftpflicht<br />
Umweltschaden<br />
bHV<br />
VSH<br />
Veranstalter-HV<br />
RS<br />
D&0<br />
Managerversicherung<br />
cherung bestehen“, sagt Payam Rezvanian,<br />
Geschäftsführer von Finanzchef24. Das<br />
kann teuer werden, wenn im Schadensfall<br />
keine Versicherung greift.<br />
RISKANTES DIGITALGESCHÄFT<br />
Gerade im digitalen Bereich lauern hier<br />
große Stolperfallen. Die Zahl der Hackerangriffe<br />
steigt, und diese können vor allem<br />
kleinere und finanzschwache Unternehmen<br />
schnell in eine finanzielle Bredouille bringen:<br />
Das Entfernen von Schadsoftware und<br />
Einspielen von Updates in komplexen IT-<br />
Systemen kann Tage dauern und kostspielige<br />
Betriebsunterbrechungen mit sich bringen.<br />
Wie teuer diese sein können, hat die<br />
HDI-Versicherung in einer Studie ermittelt:<br />
im Schnitt summierte sich der durch einen<br />
»Viele Unternehmen<br />
setzen ihre Existenz<br />
aufs Spiel, weil sie<br />
Risiken nicht adäquat<br />
einordnen<br />
oder erkennen.«<br />
PAYAM REZVANIAN, FINANZCHEF24<br />
EINKOMMENSVERLUST<br />
UND<br />
UNTERBRECHUNGEN<br />
Kautionsversicherung<br />
Mietverlust<br />
Betriebsunterbrechung<br />
Ertragsausfall<br />
Praxisausfall<br />
VSV<br />
KRAFTFAHRZEUGE<br />
UND<br />
TRANSPORT<br />
Warenkreditversicherung/<br />
Forderungsausfall<br />
Transportinhalt und<br />
Frachtführer<br />
Pkw (gewerblich)<br />
Lkw<br />
Flottengeschäft /<br />
Fuhrpark<br />
Quelle: die-finanzpuefer.de<br />
Cyberangriff verursachte Schaden bei Mittelständlern<br />
auf 95.000 Euro. Diese Kosten<br />
lassen sich mit einer Cyberversicherung abfedern<br />
– allerdings steht diese bei vielen Unternehmen<br />
noch nicht auf der Agenda. Viele<br />
Marktexperten gehen aber davon aus, dass<br />
die Nachfrage nach entsprechenden Policen<br />
in Zukunft stark anzieht. Und auch Elementarversicherungen<br />
dürften bei Unternehmen<br />
an Bedeutung gewinnen, um Schäden durch<br />
Extremwetterereignisse abzusichern, die als<br />
Folge des Klimawandels nachweislich zunehmen.<br />
„Die Betriebshaftpflicht- und die<br />
Vermögenschadenshaftpflichtversicherung<br />
bilden für viele Unternehmen zwar eine<br />
Basisabsicherung, reichen aber meist bei<br />
Weitem nicht für eine ausreichende unternehmerische<br />
Absicherung aus. Klassische<br />
und ältere Policen müssen an die neue Normalität<br />
angepasst und auf Deckungslücken<br />
hin überprüft werden“, bringt Rezvanian es<br />
auf den Punkt. Zum Glück bietet das Produktportfolio<br />
Unternehmen mittlerweile<br />
eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich gegen<br />
Schäden abzusichern. So lässt sich etwa<br />
der Rechtsschutz um den Zusatzbaustein<br />
Verkehrshaftung erweitern oder Betriebsunterbrechungen,<br />
Nachhaltigkeitsaspekte<br />
und Währungsrisiken absichern. Allerdings<br />
wissen viele Gewerbetreibende nicht, welche<br />
spezifischen Möglichkeiten es gibt oder<br />
wie sich bestehende Policen sinnvoll ergänzen<br />
lassen – auch das ist ein zentrales Ergebnis<br />
der Studie.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
61
VERSICHERUNGEN Gewerbeberatung<br />
»Lösungen oft zu teuer und unverständlich«<br />
PAYAM REZVANIAN, Geschäftsführer von Finanzchef24 (Gewerbereport)<br />
<strong>procontra</strong>: Warum sollten Makler den Markt für<br />
Gewerbeversicherungen im Blick haben?<br />
Payam Rezvanian: Die Versicherungsbranche<br />
befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel.<br />
Der digitale Umbruch gewinnt an Dynamik. Viele<br />
Versicherer haben das Potenzial des Gewerbemarkts<br />
bereits für sich entdeckt und erweitern<br />
ihr Portfolio, um wechselwillige Unternehmen für<br />
sich zu gewinnen. In der Vergangenheit waren<br />
Policen meist zu komplex gestaltet. Dies hat<br />
dazu geführt, dass Unternehmen oft unterversichert<br />
waren. Dieser Problematik hat man sich<br />
angenommen. Durch eine passende Bedarfserfassung<br />
kann nun jedem Unternehmer ein individuelles<br />
und transparentes Angebot unterbreitet<br />
werden. Und das im Idealfall innerhalb weniger<br />
Minuten.<br />
<strong>procontra</strong>: Welche sind die wichtigsten Gewerbeversicherungen?<br />
Rezvanian: Der Versicherungsbedarf variiert<br />
je nach Tätigkeitsbereich. Die Betriebshaftpflicht-<br />
und die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung<br />
bilden für viele Betriebsarten<br />
die Basisabsicherung. Um das Inventar der<br />
Geschäftsgebäude abzusichern, wird eine<br />
Geschäftsinhaltsversicherung benötigt. Die Betriebsunterbrechungsversicherung<br />
als Bestandteil<br />
der Geschäftsinhaltsversicherung schützt,<br />
sofern mitversichert, vor möglichen Umsatzeinbußen.<br />
Da sich Cyberangriffe seit 2020 vervielfacht<br />
haben, gewinnt für Kleinunternehmen<br />
eine Cyberpolice immer mehr an Bedeutung.<br />
Vor allem, da seit der Corona-Pandemie immer<br />
mehr Angestellte aus dem Homeoffice arbeiten,<br />
wodurch mögliche Sicherheitslücken entstehen.<br />
<strong>procontra</strong>: Was sollten KMU beim Versicherungsschutz<br />
beachten?<br />
Rezvanian: Je mehr sie ihren Wirkradius vergrößern,<br />
desto mehr Risiken entstehen. Ein Großteil<br />
der Selbstständigen ist sich kaum darüber<br />
bewusst, welche Absicherungsmöglichkeiten<br />
der Gewerbeversicherungsmarkt mit sich bringt.<br />
Unternehmer müssen sich neues Wissen aneignen,<br />
um sich in Zeiten dieser Veränderungsdynamik<br />
ausreichend zu schützen.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie muss sich die Assekuranz umorientieren,<br />
wenn das produzierende Gewerbe<br />
immer digitaler wird?<br />
Rezvanian: Gerade für kleinere Unternehmen<br />
gibt es im Bereich der Cyberversicherung noch<br />
viel zu tun, da aufgrund der hohen Schäden die<br />
Anzahl an Versicherungsanbietern noch relativ<br />
gering ausfällt. Die aktuellen Versicherungslösungen<br />
sind meist zu teuer und zu unverständlich<br />
für Selbstständige sowie kleinere Mittelständler.<br />
Teilweise sind die Produkte dreimal<br />
teurer als eine Betriebshaftpflichtversicherung.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie und womit können Vermittler ihre<br />
Gewerbeberatung jetzt optimieren?<br />
Rezvanian: Berater müssen den Bedarf jedes<br />
einzelnen Kunden individuell erörtern und auf<br />
eventuelle Risiken gezielt hinweisen. Auch empfiehlt<br />
sich ein jährliches Gespräch mit Bestandskunden,<br />
um in Erfahrung zu bringen, ob sich der<br />
Absicherungsbedarf geändert hat. Wenn sich<br />
das Tätigkeitsfeld verändert oder das Unternehmen<br />
expandiert, muss der Versicherungsschutz<br />
erneut überprüft werden.<br />
AUSSICHTSREICHE ERFOLGSFAKTOREN<br />
Hier können Makler mit einer gezielten<br />
Bedarfs- und Risikoanalyse punkten. Mit<br />
der richtigen Strategie haben sie dabei<br />
überproportional gute Karten, denn auf<br />
dem Gewerbemarkt fehlen Underwriter, die<br />
Gewerbekunden individuell und bedarfsgerecht<br />
beraten. In ihrem Gewerbe-Report<br />
haben die Experten von McKinsey einige<br />
Punkte identifiziert, wie Vermittler ihre<br />
Beratung optimieren können, um sich bei<br />
der Zielklientel als kompetente Ansprechpartner<br />
zu positionieren. So raten sie dazu,<br />
sich im Gewerbesegment nur auf bestimmte<br />
Zielgruppen zu spezialisieren, da der Markt<br />
sehr heterogen ist und sich die Bedürfnisse<br />
der einzelnen Gewerbe unterscheiden. Zudem<br />
raten sie zum Fokus auf kleinere und<br />
mittelgroße Unternehmen, da diese ver-<br />
»Makler können<br />
Digitalisierung dafür<br />
nutzen, sich den<br />
Gewerbekundenmarkt<br />
stärker und einfacher<br />
zu erschließen.«<br />
stärkt unterversichert sind und eine erhöhte<br />
Wechselbereitschaft zeigen. Auch sollten<br />
Berater ihren Fokus auf eine dauerhafte<br />
Begleitung des Kunden legen statt auf ein<br />
Einmalgeschäft, da hier eine Chance für<br />
Cross-Selling liegt. Auch das Betrachten<br />
aus Kundensicht wird zunehmend wichtiger,<br />
um ein Gespür für die Sorgen und<br />
Bedürfnisse der Zielklientel zu bekommen<br />
und die eigene Beratung darauf abzustimmen.<br />
So sehen sich Unternehmen aktuell<br />
mit einer Vielzahl von Herausforderungen<br />
konfrontiert, die sie schultern müssen: hohe<br />
Energiekosten, Inflation, Fachkräftemangel,<br />
Unterbrechungen in den Lieferketten,<br />
höhere Refinanzierungskosten, sinkende<br />
Konsumausgaben sowie steigende Kosten<br />
für Versicherungen. Vor allem Firmen, die<br />
wenig Finanzpower im Rücken haben,<br />
62 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Gewerbeberatung VERSICHERUNGEN<br />
müssen zusehends flexibel und kreativ sein, um die<br />
<strong>Ausgabe</strong>n zu drosseln und wettbewerbsfähig zu bleiben.<br />
Beim notwendigen Versicherungsschutz sollte<br />
aber besser nicht gekürzt werden, denn die Kosten für<br />
Basisversicherungen sind gering, wenn man sie in Relation<br />
zu einer möglichen Schadenssumme setzt.<br />
DIGITALER VERTRIEB EIN MUSS<br />
Um sich den Markt zu erschließen und wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben, sind zudem der Ausbau des eigenen<br />
digitalen Vertriebs und eine gezielte Digitalstrategie<br />
ein Muss, da Kunden beim Versicherungsschutz zunehmend<br />
schnelle, einfache und digitale Angebote erwarten<br />
und diese auch vergleichen wollen. In diesem<br />
Zusammenhang werden auch funktionierende Schnittstellen<br />
zwischen Versicherern, Kunden und Maklern<br />
eine immer größere Rolle spielen, um Bestandsprozesse<br />
in der Versicherungsabwicklung zu beschleunigen<br />
– etwa beim Marketing, bei der Buchhaltung oder<br />
dem Management von Kundenbeziehungen (CRM).<br />
Zudem sollten Versicherer ihre Produkte auch über<br />
Drittanbieter von Preisvergleichs- und Underwriting-<br />
Software anbieten.<br />
Makler können den Trend zur Digitalisierung dafür<br />
nutzen, sich den Gewerbekundenmarkt stärker und<br />
einfacher zu erschließen. Im Zuge von veränderten<br />
Geschäftsmodellen, Hybridisierung und neuen Risikofaktoren<br />
wird ein individueller und bedarfsgerechter<br />
Versicherungsschutz für die Zielklientel immer wichtiger,<br />
um die berufliche Existenz nicht zu gefährden.<br />
Mit der richtigen Strategie, einer Fokussierung auf<br />
bestimmte Klientel und vorausschauendem Handeln<br />
haben Makler gute Chancen, sich bei Gewerbekunden<br />
als dauerhafter Ansprechpartner zu etablieren und<br />
von möglichem Cross-Selling zu profitieren. Dabei<br />
lohnt auch der Blick auf Existenzgründer als lukrative<br />
Kunden von morgen: denn im Erfolgsfall winkt dort<br />
Zukunftsgeschäft. <br />
Digitalisierung bringt Dynamik und vereinfacht<br />
Zugänge zum Markt<br />
Zielgruppe ist breit gefächert und bietet viele<br />
Anknüpfungspunkte<br />
Neue Geschäftsmodelle hebeln Versicherungsschutz<br />
aus – Beratung wird wichtiger<br />
Produktpalette wächst – fördert gezieltere Absicherung<br />
Themen wie Cybercrime und Klimawandel<br />
versprechen Neugeschäft<br />
Zielklientel ist wechselbereit und bietet Potenzial<br />
für Cross-Selling<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
AUSBLICK 2023<br />
Turteltauben.<br />
Abschluss.<br />
Piepen.<br />
EINFACH AUF DEN PUNKT.<br />
Wie unsere Paar-Aktion in der Risikolebensversicherung<br />
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* Teilnahmebedingungen: Diese Aktion gilt, wenn zwei Partner<br />
(Ehepartner, unverheiratete Paare, Lebenspartner nach dem<br />
Lebenspartnerschaftsgesetz), die im gleichen Haushalt leben<br />
(identische Postadresse), jeweils eine Risikolebensversicherung<br />
(E-RL, E-RLP, E-VRL) per elektronisch generiertem Antrag beantragen.<br />
Die Anträge müssen gleichzeitig und zusammen mit dem<br />
„Gutschein“, der den Antragsunterlagen beigefügt ist, in der Zeit<br />
vom 01.09.<strong>2022</strong> bis zum 31.12.<strong>2022</strong> bei der EUROPA eingereicht<br />
werden. Jeder Antrag wird dann von uns gesondert geprüft. Jeder<br />
Vertrag erhält bereits ab der ersten Fälligkeit ein Beitragsguthaben<br />
in Höhe von 25 € (15 € für das Kalenderjahr <strong>2022</strong>, 10 € für das<br />
Kalenderjahr 2023). Für die Teilnahme an der Aktion ist die Zahlung<br />
per SEPA-Lastschriftverfahren erforderlich. Der Rechtsweg ist<br />
ausgeschlossen, keine Barauszahlung, Teilnahme ab 18 Jahren,<br />
Ansprüche sind nicht übertragbar.<br />
63
VERSICHERUNGEN Arbeitskraftabsicherung<br />
INNOVATIONSDRANG<br />
MIT PROBLEMEN<br />
Die Grundfähigkeitsversicherung etabliert sich als Alternative zur BU. Anbieter fluten den<br />
Markt mit immer mehr Leistungsbausteinen, die Beratung und Vergleich erschweren.<br />
Ein steiniger Weg für Makler zum passgenauen Schutz<br />
– TEXT: UWE SCHMIDT-KASPAREK –<br />
Viel Begeisterung löste Viktoria Pardey bei<br />
den Versicherungsmaklern aus, die ihrem<br />
Vortrag „Wenn die Grundfähigkeitsversicherung<br />
die bessere Lösung ist“ auf der<br />
diesjährigen Vermittlermesse DKM folgten.<br />
So zeigte die Leiterin des Berliner Maklervertriebes<br />
der Allianz Lebensversicherung,<br />
wie umfangreich und modular die<br />
KöperschutzPolice heute ist. „Es gibt eine<br />
Passgenauigkeit für jeden Ihrer Kunden“,<br />
behauptete Pardey und zeigte auf, wie der<br />
Grundschutz – der 2021 nochmals um<br />
acht neue Grundfähigkeiten und neun verbesserte<br />
Grundfähigkeiten erweitert wurde<br />
– mit Wahlleistungen bestückt werden<br />
kann. Als „wählbare“ weitere Leistungs-<br />
auslöser gibt es beispielsweise den Verlust<br />
des Lkw- oder Busführerscheins sowie das<br />
Nichtbestehen einer von drei arbeitsmedizinischen<br />
Prüfungen, die – wie das Tragen<br />
von Atemschutzgeräten – sehr speziell sein<br />
können. Zudem gibt es die Wahlleis tung<br />
„schwere Depression und schwere psychische<br />
Erkrankung“ und die Bausteine<br />
64 Illustration: Eleonora Mavromati
Arbeitskraftabsicherung VERSICHERUNGEN<br />
ARBEITSKRAFTSCHUTZ IM ÜBERBLICK<br />
Der Arbeitskraftschutz-Index (AKS-Index) der Ratingagentur Franke und Bornberg soll die Leistungen<br />
verschiedener Produktgattungen vergleichbar machen. In ihn fließen Leistungsstatistiken,<br />
der Tätigkeitsstatus, die Produktqualität und der Tätigkeitsbezug ein.<br />
Berufsunfähigkeit<br />
Erwerbsunfähigkeit<br />
Grundfähigkeit<br />
Multi-Risk/Unfall<br />
MAKLERS MEINUNG<br />
»Grundsätzliche<br />
Lösung nicht in Sicht«<br />
GERD KEMNITZ, Versicherungsmakler;<br />
bu-portal24.de<br />
Unfall<br />
10 20 30 40 50 60 70 80 90<br />
100<br />
Quelle: Franke und Bornberg, Stand: 11/<strong>2022</strong><br />
„schwere Krankheiten“ und „Pflegezusatzrente<br />
inklusive Pflegeanschlussoption“.<br />
Mit diesem Füllhorn an Mehrleistungen<br />
könne man über das Angebot Zielgruppen<br />
bedarfsgerecht ansprechen. So benötigen<br />
beispielsweise Handwerker oder Friseure<br />
nach Meinung von Pardey lediglich Grundschutz<br />
und Krankschreibung, während für<br />
»Jeder Versicherer<br />
bemüht sich um eine<br />
exklusive Grundfähigkeitsversicherung.«<br />
MICHAEL FRANKE, FRANKE UND BORNBERG<br />
Kraftfahrer und Feuerwehrleute zusätzlich<br />
die Leistungsauslöser „spezielle Berufe“<br />
und „psychische Erkrankungen“ sinnvoll<br />
seien. Die Allianz-Empfehlungen gibt es<br />
dann auch mundgerecht auf dem Maklerprogramm.<br />
PROBLEMATISCHE VIELFALT<br />
Doch der immer umfassendere Bausteinschutz<br />
bei der Grundfähigkeitsversicherung<br />
(GFV) stellt Versicherungsmakler zunehmend<br />
vor Probleme. Zum einem müssen<br />
die Wünsche der Kunden berücksichtigt<br />
werden, und nicht jeder Handwerker ist<br />
gleich. Noch schwieriger wird es zum anderen,<br />
wenn man die Grundfähigkeitstarife<br />
und ihre Kombinationen am Markt vergleichen<br />
will. Denn die Allianz ist mit der<br />
Explosion der Möglichkeiten bei der GFV<br />
nicht allein. Insgesamt 3.475 Produktkombinationen<br />
hat das Ratinghaus Franke und<br />
Bornberg am Markt gezählt. Spitzenreiter<br />
ist die Alte Leipziger, die es bei drei GFV-<br />
Produkten auf 1.834 Varianten bringt, bei<br />
der Nürnberger sind es mit vier Tarifen<br />
450 Alternativen, bei der Swiss Life, die<br />
ebenfalls mit vier GFV-Tarifen unterwegs<br />
ist, gibt es noch 240 Konfigurationen. Da<br />
sind HDI (1 Tarif/128 Kombis), Stuttgarter<br />
(1/64), Baloise (5/80) und Allianz (1/48)<br />
schon fast übersichtlich.<br />
Die GFV nimmt als Alternative zum<br />
Königsweg Berufsunfähigkeitsschutz (BU)<br />
mächtig Fahrt auf. Seit 2021 ist die<br />
Eine grundsätzliche Lösung für die<br />
umfassende Arbeitskraftsicherung von<br />
Handwerkern ist nicht in Sicht. Natürlich<br />
bieten Versicherungsmakler schon aus<br />
Haftungsgründen Grundfähigkeits-, Dread-<br />
Disease-, Multi-Risk- und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen<br />
an. Aber dadurch<br />
wird das Problem nicht gelöst. Das Motto<br />
„Eine alternative Absicherung ist besser als<br />
gar keine“ mag zwar statistisch gesehen<br />
richtig sein. Sie nutzt dem Betroffenen<br />
aber gar nichts, falls er infolge einer<br />
schleichenden oder in Schüben verlaufenden<br />
Krankheit beispielsweise bei einer<br />
EU-Versicherung zunächst „nur“ berufsunfähig<br />
wird, bei einer DD-Versicherung die<br />
„falsche“ Krankheit erleidet oder bei der<br />
GFV die versicherte Fähigkeit nicht sofort<br />
im erforderlichen Umfang verliert. Außerdem<br />
stellt sich die Frage, wovon der „nur“<br />
berufsunfähig Gewordene die Beiträge für<br />
diese Versicherungen weiterbezahlen soll,<br />
wenn er Job und Einkommen verloren hat.<br />
Bei einer umfassenden Beratung – auch<br />
über die Nachteile der jeweiligen Produkte<br />
– erkennt der Verbraucher den löchrigen<br />
Versicherungsschutz und verzichtet in der<br />
Regel auf den Abschluss. Werden ihm die<br />
Nachteile verschwiegen, bekommt er sie<br />
bei einem späteren Leistungsfall zu spüren.<br />
Das dürfte dem ohnehin angeschlagenen<br />
Ruf der Versicherungsbranche kaum helfen.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
65
VERSICHERUNGEN Arbeitskraftabsicherung<br />
»Alles besser als<br />
gar keine Lösung«<br />
PHILIP WENZEL, Biometrie‐Experte vom Versicherungsmakler BSC – Die Finanzberater GmbH<br />
<strong>procontra</strong>: Handwerker<br />
brauchen –<br />
wie jeder – privaten<br />
Arbeitskraftschutz.<br />
Er ist oft zu teuer<br />
oder nicht ausreichend.<br />
Hilft die<br />
Grundfähigkeitsversicherung<br />
(GFV)?<br />
Philip Wenzel: Besser<br />
eine Lösung, die<br />
nicht so gut passt,<br />
als keine Lösung.<br />
Aber die GFV hat<br />
halt überhaupt<br />
keinen Bezug zum<br />
Beruf. Und wenn der<br />
Handwerker damit<br />
sein Einkommen<br />
absichern möchte,<br />
dann geht das nur<br />
in einer Schnittmenge,<br />
die davon<br />
abhängt, wie sehr<br />
die ausgeübten<br />
Tätigkeiten mit den<br />
Auslösern in den<br />
Bedingungen der GFV übereinstimmen.<br />
<strong>procontra</strong>: Im Leistungsfall kommt es zum<br />
Schwur. Leistet die GFV überhaupt?<br />
Wenzel: Sofern ich nicht die vorvertragliche<br />
Anzeigepflicht verletzt habe und eine Grundfähigkeit<br />
ausreichend eingeschränkt ist, leistet<br />
die Versicherung. Sie leistet aber nicht, weil<br />
ich nicht mehr arbeiten kann. Hier wäre eine<br />
Schnittmenge rein zufällig.<br />
<strong>procontra</strong>: Ist der AKS-Index von Franke und<br />
Bornberg ein gutes Tool, um die Unterschiede<br />
bei BU und Alternativen aufzuzeigen?<br />
Wenzel: Das Tool zeigt die Schnittmenge auf<br />
und nicht die Unterschiede. Bei dieser Fragestellung<br />
muss ich Nein sagen.<br />
<strong>procontra</strong>: Gibt es weitere Alternativen für<br />
Handwerker?<br />
Wenzel: Der „Deutsche Handwerker<br />
BerufsunfähigkeitsVersicherung“-Aktivschutz<br />
des Münchener Vereins ist eine sehr gute<br />
Alternative. Auch die Erwerbsunfähigkeitsversicherung<br />
kann passen, da ein Handwerker ja<br />
auch mal umschulen kann.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie beraten Sie persönlich Handwerker?<br />
Wenzel: Ich prüfe den Gesundheitszustand,<br />
ermittle den Bedarf und frage die Bedürfnisse<br />
ab. Dann empfehle ich die passenden<br />
Produkte. Wie bei jedem anderen halt auch.<br />
Bei Handwerkern sind die normalen Berufsunfähigkeitsversicherungen<br />
oft unbezahlbar,<br />
weshalb Alternativen, wie die Deutsche Handwerker-BUV<br />
oder die EUV, in den Vordergrund<br />
rücken. Und wenn der Handwerker keine<br />
Rücklagen für die Umschulung hat, ergänze<br />
ich gern mit einem Krankentagegeld.<br />
Anzahl der Basistarife von 49 auf 61<br />
gestiegen. Und schon Ende 2020 hat sich<br />
die GFV endgültig in der Öffentlichkeit<br />
etabliert. Damals veröffentlichten die Verbraucherschützer<br />
der Stiftung Warentest<br />
unter der Überschrift „Die Existenz sinnvoll<br />
schützen“ ihre erste Marktübersicht.<br />
Sinnvoll ist eine GFV laut den Testern für<br />
Menschen, die keinen BU- oder Erwerbsunfähigkeitsschutz<br />
(EU) abschließen können,<br />
und natürlich für „Angehörige von Risikoberufsgruppen<br />
wie stark körperlich arbeitende<br />
Handwerker“. Hier finde man einen<br />
viel eher bezahlbaren Schutz.<br />
Doch nun stellt Michael Franke, Chef<br />
der Ratingagentur Franke und Bornberg,<br />
auch ein „Stripping Down“, also eine<br />
Fragmentierung der GFV fest. Der Grundschutz<br />
muss dann gegebenenfalls um ausgegliederte<br />
Leistungen ergänzt werden. Das<br />
macht einen Vergleich noch schwieriger.<br />
Franke: „Jeder Versicherer bemüht sich um<br />
eine exklusive GFV.“ Daher wären nicht<br />
einmal vergleichbar klingende GFV identisch<br />
definiert. Bei jedem Produkt und jeder<br />
Kombination müssen Versicherungsmakler<br />
nun genau prüfen: Sind die wichtigsten<br />
Leistungsauslöser und Krankheiten für<br />
meinen Kunden auch gedeckt?<br />
AUF DER SUCHE NACH STANDARDS<br />
Wer als Versicherungsmakler seinen Kunden<br />
mit einer optimalen GFV-Variante<br />
ausstatten möchte, braucht daher ein Vergleichsmaß,<br />
das Preis und Leistung ergreift.<br />
Hierfür hat Franke einen Arbeitskraft-<br />
Index (AKS-Index, siehe Grafik auf Seite<br />
65) entwickelt, der marktweit, aber auch<br />
produktspezifisch die Risikoabdeckung<br />
und per Wirkungsgrad die Preiswürdigkeit<br />
ermittelt. Mit diesem Softwaretool können<br />
Versicherungsmakler zur komplexen GFV<br />
nicht nur zielgenauer marktweit beraten,<br />
sondern auch ihre Beratung hochwertig dokumentieren.<br />
Immerhin gibt es auch noch einen Kompromiss,<br />
der zwischen Grundfähigkeitsund<br />
Berufsunfähigkeitsversicherung liegt<br />
und von Maklern für Handwerker durchaus<br />
geschätzt wird. „Die Deutsche Handwerker<br />
BerufsunfähigkeitsVersicherung<br />
‚Aktivschutz‘ des Münchener Vereins ist<br />
eine sehr gute Alternative“, sagt der Biometrie-Spezialist<br />
Philip Wenzel (siehe Interview).<br />
Der Tarif „Deutsche Handwerker<br />
BU Aktiv“ leistet bei jeder Krankheit und<br />
bei jedem Unfall, wie ein Vollschutz. Doch<br />
66 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Arbeitskraftabsicherung VERSICHERUNGEN<br />
»Immer umfassendere<br />
Leistungsbausteine<br />
bei der GFV stellen<br />
Versicherungsmakler<br />
zunehmend vor<br />
Probleme.«<br />
die Leistung ist eingeschränkt, wenn die<br />
Berufsunfähigkeit nicht durch einen Unfall<br />
oder eine „Erkrankung oder Verletzung der<br />
Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskeln oder<br />
der Wirbelsäule und der sie umgebenden<br />
Strukturen“ ausgelöst wird. In allen übrigen<br />
Fällen der Berufsunfähigkeit zahlt der<br />
Versicherer nur 50 Prozent der versicherten<br />
Rente. Nach Darstellung des Münchener<br />
Vereins wird mit diesem Angebot der BU-<br />
Schutz für Handwerker „bezahlbarer“. Die<br />
Beratung sollte nach Vorschlag des Münchener<br />
Vereins immer mit dem Top-Schutz<br />
starten. „Falls sich der Kunde diesen Schutz<br />
nicht leisten kann oder will, kann als Alternative<br />
die Aktiv-Variante angeboten werden“,<br />
so der Münchener Verein. Natürlich<br />
muss der Kunde darauf hingewiesen werden,<br />
dass in einigen Fällen nicht die volle<br />
BU-Rente gezahlt wird.<br />
Die Beratung zur Arbeitskraftabsicherung<br />
wird also künftig nicht leichter. Mit<br />
der GFV kann aber das große Potenzial der<br />
handwerklich Tätigen grundsätzlich besser<br />
erreicht werden. Immerhin sind rund 73<br />
Prozent aller Erwerbstätigen ohne Einkommensabsicherung,<br />
wie der Gesamtverband<br />
der Deutschen Versicherungswirtschaft<br />
noch 2018 ermittelt hat. Tendenziell sind<br />
von der Schutzlücke Handwerker mehr betroffen.<br />
Wer klassisch von der BU über die<br />
GFV zur EU berät, dürfte somit immer öfter<br />
einen Abschluss erreichen. Transparenz<br />
hinsichtlich der Produkte bleibt dabei das A<br />
und O der Beratung. <br />
AUSBLICK 2023<br />
Arbeitskraftschutz hat weiterhin Potenzial,<br />
denn viele haben keinen Schutz<br />
Die günstige GFV bleibt ideal für handwerklich<br />
Tätige und als „Aufsattler“ für vorerkrankte<br />
Kunden mit BU<br />
Die Unterversicherung steigt mit der Lohn-<br />
Preis-Spirale und macht den Inflationsschutz<br />
über Leistungsdynamik für alle notwendiger<br />
Passgenaue Privathaftpflichtversicherung mit neuen Leistungen?<br />
Das ist jetzt<br />
Riesesache.<br />
Egal, ob Klassiker wie Unfall-, Hausrat-, Rechtsschutz-<br />
und Privathaftpflicht-, die Adam Riese<br />
Wohngebäudeversicherung oder innovative<br />
Versicherungen wie die Hundehalterhaftpflicht<br />
– unsere Produktlandschaft entwickeln<br />
wir stetig weiter.<br />
Dabei setzen wir auf eine Entwicklung mit<br />
dem Markt für den Markt und orientieren<br />
uns am Bedarf und Risiko Ihrer Kundinnen<br />
und Kunden.<br />
So auch die Adam Riese Privathaftpflichtversicherung<br />
mit folgenden Neuerungen:<br />
Souveränität<br />
Sicherheit eines etablierten<br />
Versicherungsunternehmens<br />
100 % flexibel<br />
Flexibilität eines digitalen<br />
Assekuradeurs<br />
• Bis zu unbegrenzter Deckung von<br />
Schäden durch Internetnutzung auch<br />
in den USA und Kanada<br />
• Bis zu unbegrenzter Schlüsselersatz<br />
von fremden Kfz-Fahrzeugen<br />
• Inhaberrisiko-Deckung von bis<br />
zu 6 Eigentumswohnungen im Mehrfamilienhaus<br />
innerhalb Europas<br />
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<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
67
HÖHEPUNKTE DES JAHRES Berater<br />
HIGHLIGHTS <strong>2022</strong><br />
Nachhaltige Beratung ++ Provisionsrichtwert ++ Verwahrentgelte ++ Recruiting ++ Pool-Übernahmen<br />
August<br />
HOLPRIGER START IN ABFRAGE DER<br />
NACHHALTIGKEITSPRÄFERENZEN<br />
Seit 2. August müssen Versicherungsvermittler ihre Kunden<br />
nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen und ihnen<br />
dazu passende Produkte anbieten. Doch die technischen Standards<br />
für die Produktgeber bezüglich der Umsetzung gelten<br />
erst ab Januar 2023. Die Klassifizierung vieler Produkte ist noch<br />
nicht abgeschlossen, zudem ist manch nachhaltige Zuordnung<br />
strittig. Auch waren Finanzanlagenvermittler vorerst noch von<br />
der Abfragepflicht ausgenommen (gilt für sie frühestens ab<br />
März 2023). Die Branche stellte zwar rasch verschiedene Leitfäden<br />
für die Einbettung einer konkreten Abfragelogik in die<br />
Beratungsstrecke zur Verfügung, doch vielerorts wird die neue<br />
Pflicht in der Beratung laut Umfragen noch ignoriert.<br />
Januar, Oktober<br />
PROVISIONSRICHTWERT VOM TISCH<br />
Als die BaFin zu Jahresbeginn über die Deckelung der Provisionen<br />
in der Lebensversicherung nachdachte, erhob sich ein<br />
Sturm der Empörung im Vertrieb. Seit Herbst ist klar, dass es<br />
nun doch keinen „Angriff auf den provisionsbasierten Vertrieb“<br />
geben wird. Die BaFin will nun im Rahmen neuer Wohlverhaltensregeln<br />
lediglich krasse Provisionsausreißer einfangen.<br />
Mai<br />
STRAFZINSEN FALLEN WEG<br />
Nachdem die EZB die Leitzinsen in diesem Jahr schrittweise<br />
bis auf 2 Prozent anhob, gehören Verwahrentgelte praktisch<br />
branchenweit der Vergangenheit an. Die Direktbank ING<br />
Deutschland schaffte sie bereits im Mai als erstes deutsches<br />
Geldinstitut faktisch ab. Hunderte Institute folgten in den<br />
Monaten danach. Entsprechend stiegen auch die Zinsen für<br />
Tages- und Festgeldkonten wieder an. Gegen mehrere Banken<br />
laufen jedoch noch wegen der Negativzinsen Klageverfahren<br />
des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).<br />
68 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong>|22
Berater HÖHEPUNKTE DES JAHRES<br />
Januar, Juli, August<br />
INVESTOREN KAUFEN MAKLERPOOLS<br />
Der Maklermarkt ist stark in Bewegung, Geschäftsmodelle<br />
verschmelzen, Übernahmen und Beteiligungen<br />
sind an der Tagesordnung. Die Pool-Konsolidierung<br />
ist in vollem Gange. So beteiligte sich der britische<br />
Private-Equity-Investor HG Capital nicht nur an Fonds<br />
Finanz, sondern auch am Maklerdienstleister Deutscher<br />
Maklerverbund (DEMV). Warburg Pincus stieg beim<br />
Maklerpool blau direkt ein. Und die JDC Group, zu der<br />
auch der Pool Jung, DMS & Cie. gehört, plant Maklerbüros<br />
aufzukaufen. Dazu wurde ein Joint Venture<br />
mit Finanzinvestor Bain Capital und einer Tochter der<br />
Finanzholding Great West Lifeco gegründet.<br />
Oktober<br />
OLIVER PRADETTO<br />
TRITT AB<br />
März<br />
Nach 23 Jahren gibt Oliver Pradetto<br />
die Geschäftsführung des Maklerpools<br />
blau direkt ab. Diese besteht<br />
nun aus Mitgründer Lars Drückhammer,<br />
Hannes Heilenkötter und Oliver<br />
Lang. Der von Fachmedien als<br />
meinungsstark geschätzte Pradetto<br />
will sich auf seine Rolle als Pool-Eigentümer<br />
konzentrieren und als Beiratsvorsitzender<br />
den strategischen<br />
Ausbau begleiten. bestehen.<br />
STRUKTURVERTRIEBE<br />
GEWINNEN NEUE BERATER<br />
Während sich die Anzahl der Versicherungsvermittler,<br />
speziell der Vertreter, immer weiter reduziert, haben<br />
die deutschen Strukturvertriebe offenbar keine<br />
Probleme mit dem Beraternachwuchs. So gewann<br />
Deutschlands größter Allfinanzvertrieb DVAG innerhalb<br />
eines Jahres dank einer Werbeoffensive 2.500 neue<br />
Kräfte, viele Quereinsteiger stammen nach Unternehmensangaben<br />
aus kaufmännischen Berufen. Auch die<br />
Vertriebsunternehmen OVB (plus 355 neue Berater),<br />
tecis (plus 500) und Telis (plus 500) starteten deutlich<br />
vertriebsverstärkt in das Jahr <strong>2022</strong>.<br />
September<br />
BUNDESREGIERUNG<br />
ENTLASTET SPARER<br />
Ab 2023 werden die vor der Abgeltungssteuer<br />
geschützten Kapitalerträge von derzeit<br />
801 Euro pro Alleinstehenden auf 1.000<br />
Euro pro Jahr angehoben. Zudem können<br />
die Bürger bereits in der Steuererklärung<br />
für 2023 ihre Beiträge zur ersten Schicht<br />
der Altersvorsorge vollständig steuerlich<br />
geltend machen.<br />
September<br />
Wegweisendes Urteil<br />
Eigentümer-Gemeinschaften müssen<br />
auch für Schäden, die nur in einzelnen<br />
Wohnungen entstanden sind<br />
(etwa Wasserschäden), aufkommen.<br />
Laut BGH ist der in der Gebäudeversicherung<br />
vereinbarte Selbstbehalt<br />
von allen Eigentümern gemeinschaftlich<br />
zu tragen (Az. V ZR 69/21).<br />
Juni<br />
Kleinlein verlässt BdV<br />
Der Aktuar Axel Kleinlein hat nach elf<br />
Jahren seinen Posten als Sprecher<br />
des Vorstands beim Bund der Versicherten<br />
niedergelegt. Seit Oktober<br />
neu im Amt als BdV-Sprecher: Stephen<br />
Rehmke, Fachanwalt für Bankund<br />
Kapitalmarktrecht.<br />
September<br />
Netfonds-Website kopiert<br />
Identitätsdiebstahl kann auch Finanzdienstleister<br />
treffen: die Website der<br />
Netfonds AG wurde von Betrügern<br />
täuschend echt kopiert. Die Fake-Site<br />
unterschied sich nur durch einen fehlenden<br />
Spiegelstrich von der echten<br />
URL und bot ohne Erlaubnis Bankgeschäfte<br />
und Finanzdienstleistungen<br />
an. Netfonds erstattete Anzeige und<br />
meldete den Fall der BaFin.<br />
September<br />
Gruppenversicherungen<br />
Laut EuGH-Urteil (Az. C-633/20)<br />
stellt ein entgeltliches Angebot zum<br />
Beitritt in eine Gruppenversicherung<br />
Versicherungsvermittlung/-vertrieb<br />
dar. Das heißt für den B2C-Bereich:<br />
Gruppenversicherungsnehmer, die<br />
Verbrauchern Versicherungsschutz<br />
unter ihren Verträgen gegen Vergütung<br />
verschaffen, benötigen eine<br />
gewerberechtliche Erlaubnis nach<br />
Paragraf 34d GewO der IHK.<br />
Lesen Sie die Hintergründe, Zusatzberichte<br />
und Interviews zu diesen und<br />
weiteren Highlights des Jahres unter:<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/<strong>2022</strong><br />
Illustrationen: Eleonora Mavromati<br />
69
BERATER Nachhaltige Finanzberatung<br />
NOCH NICHT NACHHALTIG<br />
ETABLIERT<br />
Die Regulierung erschwert die Vermittlung. Wo es bei Abfrage und Umsetzung der<br />
Nachhaltigkeitspräferenzen in der Kundenberatung noch hakt<br />
– TEXT: OLIVER LEPOLD –<br />
Die Nachhaltigkeit ist in der Finanzberatung<br />
nun fest verankert – zumindest auf<br />
dem Papier. Denn seit 2. August <strong>2022</strong> sind<br />
Versicherungsvermittler dazu verpflichtet,<br />
von ihren Kunden einerseits die Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
zu eruieren und<br />
andererseits diese dann bei der Auswahl<br />
geeigneter Produkte entsprechend zu berücksichtigen.<br />
<strong>procontra</strong> berichtete bereits<br />
im Sommer, dass aufgrund diverser Ungereimtheiten<br />
– Finanzanlagenvermittler<br />
etwa sind aufgrund einer Besonderheit des<br />
deutschen Vermittlerrechts derzeit noch<br />
von den Regelungen ausgenommen – eine<br />
absurde Situation im Vertrieb droht.<br />
Einige Monate nach dem Stichtag lässt<br />
sich eine erste Zwischenbilanz ziehen: Den<br />
Vermittlern stehen mehrere meist ähnlich<br />
ausgearbeitete Leitfäden für die Einbettung<br />
einer konkreten Abfragelogik in ihre Beratungsstrecke<br />
zur Verfügung. Die Systematik<br />
richtet sich an den drei folgenden Kriterien<br />
aus: der Taxonomie, den ESG-Kriterien<br />
nach SFDR (Sustainable Finance Disclosure<br />
Regulation) und den sogenannten PAIs<br />
(Principal Adverse Impacts). „Bei den PAIs<br />
handelt sich ausschließlich um Indikatoren,<br />
die eine nachteilige ESG-Wirkung haben<br />
und daher so weit wie möglich reduziert<br />
werden sollen. Generell wird jede positive<br />
Ausprägung eines PAI als schädlich auf<br />
Nachhaltigkeit angesehen“, erläutert Sarah<br />
Lemke, Syndikusrechtsanwältin der Netfonds<br />
Gruppe. Insgesamt umfassen die PAIs<br />
18 Leistungskennzahlen, darunter etwa<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck, Anteil gefährlicher Abfälle,<br />
Wasserverschmutzung, aber auch die<br />
Geschlechtervielfalt in Aufsichtsgremien.<br />
PRODUKTAUSWAHL EINGESCHRÄNKT<br />
Mithilfe diverser Vertriebstools lässt sich<br />
nach Abfrage der Nachhaltigkeitspräfe-<br />
70 Illustration: Roman Kulon
Nachhaltige Finanzberatung BERATER<br />
SO OFT HABEN VERMITTLER DIE NACHHALTIGKEITSPRÄFERENZ-ABFRAGE DURCHGEFÜHRT<br />
Jeder vierte Berater verzichtet noch auf die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen.<br />
in den letzten 4 Wochen 5<br />
61<br />
25<br />
9<br />
in den letzten 3 Monaten 17<br />
46<br />
26<br />
11<br />
in den letzten 6 Monaten<br />
22<br />
34<br />
32<br />
12<br />
in den letzten 12 Monaten<br />
22<br />
31<br />
33<br />
14<br />
MAKLERS MEINUNG<br />
»Gut gemeint, aber<br />
noch am Ziel vorbei«<br />
INGO SCHEULEN, Makler für nachhaltige<br />
Vorsorge- und Vermögensberatung<br />
und Kommunikationsbeauftragter<br />
von ökofinanz-21<br />
11 bis 50 Mal 1 bis 10 Mal nie k. A.<br />
Angaben in Prozent Quelle: BVK-Vermittlerumfrage Oktober <strong>2022</strong><br />
renzen beim Kunden eine Liste geeigneter<br />
Produkte eruieren. „Alle relevanten Vergleichsrechner<br />
haben dieses Thema in den<br />
Beratungsprozess integriert, allerdings sind<br />
die Abfragetiefe und die Produktempfehlung<br />
noch sehr uneinheitlich“, hat Michael<br />
Hinz, bei Signal Iduna zuständig für das<br />
Spezialistenmanagement Leben, beobachtet.<br />
Klar scheint nach Branchenstimmen aus<br />
dem Vertrieb jedoch: Je restriktiver vorgegangen<br />
wird, also je nachhaltiger der Kunde<br />
eingestellt ist, desto weniger Produkte<br />
stehen dem Berater am Ende zur Auswahl.<br />
Das Problem: Die stufenweise Regulierung<br />
erscheint vielen Betroffenen äußerst<br />
holprig, denn die verschiedenen Verordnungen<br />
sind zeitlich nicht aufeinander<br />
abgestimmt. Erst zum Jahresbeginn 2023<br />
treten etwa die technischen Regulierungsstandards<br />
zur Taxonomie-Verordnung in<br />
Kraft. Diese sind aber essenziell für die Abfrage<br />
der Nachhaltigkeitspräferenzen und<br />
umfassen zudem bisher nur die ersten zwei<br />
der sechs definierten Umweltziele. Auch im<br />
Jahr 2023 werden demnach noch Lücken<br />
in den Informationen zur Nachhaltigkeit<br />
bestehen, mit denen die Produktgeber ihre<br />
Angebote kennzeichnen. Seit August verwendet<br />
die Branche hierzu eine erste Version<br />
des European ESG Template (EET). Das<br />
Template wurde unter der Koordination<br />
der FinDatEx (Financial Data Exchange)<br />
entwickelt, ein Joint Venture der wesentlichen<br />
Verbände der europäischen Finanzdienstleistungsindustrie.<br />
Das EET ist im Grunde eine große Excel-<br />
Tabelle, die den Datenaustausch zwischen<br />
Produktherstellern und Vertriebsstellen,<br />
Versicherern sowie Dachfondsinvestoren<br />
erleichtert. „Dort finden sich mit der Bezeichnung<br />
des Kriteriums die Erläuterung,<br />
welche Messgröße gefragt wird und wie das<br />
dargestellt werden soll. Die Tabelle müssen<br />
alle ausfüllen, die mit Anlageprodukten zu<br />
tun haben. Wenn ich an die Komplexität<br />
des gesetzlichen Rahmens denke, ist ein<br />
guter Prozess daraus geworden, der noch<br />
weiter ausgebaut wird. Die Vermittelnden<br />
können sich daher auf die Daten verlassen“,<br />
beurteilt Ellen Ludwig, Aktuarin und<br />
Abteilungsleiterin Personenversicherung<br />
bei softfair, das Prozedere.<br />
LÜCKEN IN DEN DATENSÄTZEN<br />
Versicherer und Fondsgesellschaften liefern<br />
die Daten im EET-Format ein, das Unternehmen<br />
WM Daten stellt sie über Schnittstellen<br />
den Datenprovidern für Plattformen<br />
und Tools zur Verfügung. So gelangen die<br />
Nachhaltigkeitsdaten – aufbereitet für die<br />
jeweiligen Anwendungen – über die eingesetzten<br />
Tools und Services zu den Vermittlern.<br />
In den Datensätzen klaffen aber noch<br />
Lücken, denn die technischen Standards<br />
wurden wie erwähnt erst im Sommer veröffentlicht<br />
und gelten erst ab Januar 2023.<br />
Leere Felder werden für eine nachhaltige<br />
Kennzeichnung nicht herangezogen. Die<br />
Branche muss die Lücken nun auffüllen.<br />
Eine neue Version des EET (V1.1) soll zum<br />
1. Dezember <strong>2022</strong> bereitgestellt werden,<br />
mit einer Toleranzfrist für die Umstellung<br />
bis 30. April 2023.<br />
„Wegen des Aufwands wurden die Informationen<br />
zunächst nur für ausgewählte<br />
Fonds veröffentlicht. Seither wird das<br />
Angebot laufend erweitert“, erläutert ein<br />
Sprecher des deutschen Fondsverbands<br />
BVI. Für die Verfügbarkeit der Informationen<br />
im Vertrieb habe das Datum 1. Januar<br />
2023 keine Bedeutung. „Allerdings ändert<br />
sich, dass die Informationen ab dann in den<br />
Fondsprospekten veröffentlicht werden<br />
müssen und damit gegenüber den Anle-<br />
Dass die Beratung in Bezug auf Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
nun obligatorisch ist,<br />
begrüße ich sehr. Leider ist die Umsetzung<br />
einerseits überfrachtet und lässt<br />
andererseits zu viele blinde Flecken übrig.<br />
Begrifflichkeiten und Kriterien sind noch<br />
nicht geeignet, um wirklich eine Hilfe im<br />
Beratungsalltag zu sein. Die Systematik<br />
ist unvollkommen und nicht standardisiert<br />
entwickelt. Es entsteht eher der Eindruck<br />
eines Bürokratiemonsters, was viele<br />
Berater abschreckt. Das könnte sogar dazu<br />
verführen, Gespräche so zu steuern, dass<br />
der Kunde („Sie haben doch keine zwei<br />
Stunden Zeit dafür übrig“) zustimmt, das<br />
Thema als irrelevant fallen zu lassen. Dies<br />
stellt eine Gefahr dar.<br />
Wir alle müssen mit dem Thema umgehen,<br />
das Positive daran aufgreifen und die<br />
ESG-Kriterien ansprechen. Es geht darum,<br />
einen Weg zu finden, wie man die Beratung<br />
und die Dokumentation möglichst schlank,<br />
aber trotzdem präzise aufstellt. Ähnlich wie<br />
etwa bei den Produktinformationsblättern<br />
für bestimmte Investments. Nicht länger als<br />
zwei Seiten, die für die Kunden verständlich<br />
und handhabbar sind. Die relevanten Fragestellungen<br />
zur Nachhaltigkeit sollten stets<br />
angesprochen, reflektiert und bezogen werden<br />
auf das, was der Markt für Anlagemöglichkeiten<br />
bietet.<br />
Produktgeber müssen die Informationen<br />
derart liefern, dass eine Plausibilitätsprüfung<br />
erfolgen kann. Denn Nachhaltigkeitsaussagen<br />
müssen wahr sein, auch wenn<br />
wir noch in einem Prozess einer unvollständigen<br />
Regulierung stecken. Berater,<br />
insbesondere Makler, haben die Angaben<br />
zu überprüfen und können sich nicht blind<br />
auf Produktgeber, Ratings oder Siegel<br />
verlassen.<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
71
BERATER Nachhaltige Finanzberatung<br />
»Eine Komplexität, die<br />
kontraproduktiv wirkt«<br />
AfW-Vorstand NORMAN WIRTH zur Umsetzung der EU-Vorgaben<br />
bezüglich der Nachhaltigkeitsabfrage in Beratungsgesprächen<br />
<strong>procontra</strong>: Die verpflichtende Abfrage der<br />
Nachhaltigkeitspräferenzen im Kundengespräch<br />
muss seit 2. August <strong>2022</strong> erfolgen.<br />
Welches Feedback hat der AfW hierzu bisher<br />
erhalten?<br />
Norman Wirth: Die Vorlagen für die Abfrage<br />
der Nachhaltigkeitspräferenzen bei den Kunden,<br />
an denen wir als AfW mitgearbeitet haben<br />
– bei DIN, Arbeitskreis Beratungsprozesse<br />
und Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) –,<br />
werden zwar genutzt, aber leider nicht so<br />
intensiv wie erhofft. Das betrifft aber nicht die<br />
jeweiligen Vorlagen an sich, welche inhaltlich<br />
nicht sehr divergieren, sondern das Thema<br />
Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen und<br />
anschließend entsprechende Produktempfehlung<br />
an sich. Sprich: Die Abfrage findet noch<br />
nicht überall statt.<br />
<strong>procontra</strong>: Was macht hier die größten Probleme?<br />
Wirth: Wir reden über eine unglaublich<br />
wichtige und für die Zukunft unserer Kinder<br />
und Enkel existenzielle Frage. Gigantische<br />
Geldströme sollen – so der politische Wille – in<br />
nachhaltige Wirtschaft und Projekte fließen.<br />
Natürlich ist auch in unserer Branche bei<br />
entsprechendem Wissen und praktikablen<br />
Vorgaben viel guter Wille vorhanden. Leider<br />
erleben wir aber eine Komplexität und Verkomplizierung<br />
für die Produktgeber, den Vertrieb<br />
und letztlich auch die Kundinnen und Kunden,<br />
die hier völlig kontraproduktiv wirkt. Gründlichkeit,<br />
Überlegtheit und Schlichtheit vor<br />
Schnelligkeit hätte hier gutgetan. Aktuell sehe<br />
ich, dass wir bei dem Thema viel Akzeptanz<br />
gerade bei den Adressaten der Regulierung<br />
verlieren. Entscheidungen wie die Energiegewinnung<br />
aus Atom und Gas unter bestimmten<br />
Bedingungen als nachhaltig zu klassifizieren<br />
tragen dazu bei.<br />
<strong>procontra</strong>: Inwieweit müssen Vermittler auch<br />
von ihren Bestandskunden die Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
erheben?<br />
Wirth: Das ist eine von vielen Detailfragen, die<br />
man noch gut diskutieren kann. Die europäischen<br />
Aufsichtsbehörden EIOPA (Versicherungen)<br />
und ESMA (Investment) stellen dazu<br />
Leitlinien zur Verfügung. Leitlinie 3 der EIOPA<br />
besagt, dass Versicherer und Vermittler auch<br />
bei Bestandskunden eine nachträgliche Abfrage<br />
der Nachhaltigkeitspräferenzen vornehmen<br />
sollen. Dafür soll die nächste regelmäßige<br />
Aktualisierung der Geeignetheitsbewertung<br />
genutzt werden. Da aber diese in der Praxis<br />
sehr häufig weder vorgesehen noch vereinbart<br />
ist, dürfte dieser Ansatz ins Leere laufen.<br />
Zudem erscheint es mehr als problematisch,<br />
bereits länger laufende Verträge infrage zu<br />
stellen, nur weil sich jetzt herausstellt, dass<br />
sie den aktuellen Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
der Kunden nicht entsprechen. Im Kundeninteresse<br />
dürfte das in der Regel nicht sein. Hier<br />
befinden sich Vermittlerinnen und Vermittler<br />
auf ganz dünnem Eis.<br />
gern verbindlich zugesagt werden. Auch<br />
für Berater gibt es damit mehr Rechtssicherheit“,<br />
so der BVI-Sprecher gegenüber<br />
<strong>procontra</strong>.<br />
Kritik kommt vom Bundesverband der<br />
Versicherungskaufleute (BVK): „Die Klassifizierung<br />
vieler Anlageprodukte und Investments<br />
ist noch nicht abgeschlossen und es ist<br />
noch strittig, inwieweit einzelne Produkte<br />
als nachhaltig gelten können. Hier hat die<br />
EU Vorgaben gemacht, die weder die Versicherungsunternehmen<br />
noch die Versicherungsvermittler<br />
in der Kürze der Zeit erfüllen<br />
können, um rechts- und haftungssicher<br />
nachhaltige Versicherungsanlageprodukte<br />
zu vertreiben“, betont BVK-Präsident Michael<br />
H. Heinz. Die Zeit zur Umsetzung<br />
der technischen Regulierungsstandards sei<br />
»Mehr Rechtssicherheit<br />
für Vermittler<br />
ab 1. Januar 2023.«<br />
BVI-SPRECHER<br />
definitiv zu knapp bemessen. Der Verband<br />
erwartet im Frühjahr 2023 aufgrund der<br />
Informationsdefizite ein schwieriges Vertriebsumfeld,<br />
was er durch Ergebnisse einer<br />
aktuellen Vermittlerumfrage (siehe Grafik)<br />
bestätigt sieht. Demnach bewerten mehr als<br />
zwei Drittel (69 Prozent) der Vermittler die<br />
derzeitigen Abfragetools als überwiegend<br />
ungeeignet. Noch mehr (78 Prozent) stört<br />
es, dass sie unterschiedliche Abfragelogiken<br />
verwenden müssen. Der Branche war es<br />
trotz Bemühungen der Verbände AfW und<br />
Votum nicht gelungen, eine branchenweit<br />
einheitliche Abfragehilfe zu zimmern.<br />
ABFRAGE NOCH NICHT FLÄCHENDECKEND<br />
Es ist kein Geheimnis, dass die Abfrage der<br />
Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden<br />
in der Praxis längst nicht flächendeckend<br />
stattfindet. Bei Ausschließlichkeitsvertretern<br />
etwa findet sie derzeit nur in jedem<br />
fünften Beratungsgespräch über Versicherungsanlageprodukte<br />
statt. So das Ergebnis<br />
einer aktuellen Mystery-Shopping-Studie<br />
der Prüfungs- und Beratungsfirma EY. Bei<br />
Vermittlern insgesamt laut der BVK-Umfrage<br />
nur in jeder vierten Beratung. Das<br />
72 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Nachhaltige Finanzberatung BERATER<br />
Ignorieren der Abfragepflicht fällt offenbar<br />
leicht, denn Verstöße können nicht unmittelbar<br />
geahndet werden. Der DIHK besitzt<br />
keine Handhabe, denn die Nichtbeachtung<br />
stellt keine Ordnungswidrigkeit dar.<br />
Jedoch können Wettbewerber eine Abmahnung<br />
veranlassen, falls sie nachweisen<br />
können, dass die Abfrage nicht erfolgt.<br />
Insbesondere Makler könnten zudem in<br />
die Haftung genommen werden, wenn es<br />
im Nachgang zu einem Streitfall über das<br />
vermittelte Produkt kommt und die Abfrage<br />
der Nachhaltigkeitspräferenzen nicht erfolgt<br />
oder nicht dokumentiert wurde. Falls<br />
der Kunde auf Rückabwicklung klagt, weil<br />
er bei richtiger Aufklärung ein anderes Produkt<br />
gewählt hätte, wird die Verantwortung<br />
kaum beim Produktgeber, sondern<br />
beim Vermittler landen.<br />
Dazu passt das Fazit von AfW-Vorstand<br />
Norman Wirth, der im <strong>procontra</strong>-Interview<br />
davon spricht, dass die große Komplexität<br />
zu einem deutlichen Verlust an Akzeptanz<br />
bei den Vermittlern geführt habe. Laut der<br />
BVK-Umfrage ist aber auch noch viel Aufklärung<br />
bei den Kunden vonnöten. Zwei<br />
von drei Vermittlern in der Umfrage gaben<br />
an, sie seien in den letzten vier Wochen<br />
nicht bzw. überhaupt noch nie auf Nachhaltigkeitsaspekte<br />
angesprochen worden.<br />
Nach ihrer Einschätzung wissen viele Kunden<br />
gar nicht, welche Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
sie haben, und vertrauen hier einfach<br />
auf den Vermittler.<br />
So einfach darf es aber nicht sein – denn<br />
auch wenn der Kunde „Nein“ antwortet<br />
auf die Frage, ob wichtige Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
berücksichtigt werden<br />
müssen, kann der Berater das Thema noch<br />
nicht ad acta legen. Er muss zumindest<br />
nachfragen, ob der Kunde überhaupt verstanden<br />
hat, was Nachhaltigkeit eigentlich<br />
bedeutet. Klar ist: Das Thema wird ein<br />
Dauerbrenner im Vertrieb bleiben, auch<br />
über 2023 hinaus. Die Informationspflichten<br />
der Unternehmen und Produktgeber<br />
werden schließlich noch erweitert. Viele<br />
Detailfragen sind noch zu klären, darunter<br />
auch, inwieweit die Nachhaltigkeitsabfrage<br />
auch für Bestandskunden gelten soll und<br />
wann ein Makler als Sachwalter auch bei<br />
sich verändernden Nachhaltigkeitspräferenzen<br />
seines Kunden reagieren muss.<br />
Klimaschutz<br />
DIE 6 UMWELTZIELE<br />
IM FOKUS DER EU<br />
Anpassung an den Klimawandel<br />
Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch<br />
von Wasser oder Meeresressourcen<br />
Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft<br />
Vorbeugung oder Kontrolle<br />
von Umweltverschmutzung<br />
Schutz und Wiederherstellung<br />
von Biodiversität und Ökosystemen<br />
PKV-SCHUTZ NK.SELECT<br />
Der legendäre NK – jetzt<br />
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<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
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73
BERATER Betriebliche Altersversorgung<br />
MAXI-RENTE FÜR MINIJOBBER<br />
Die Minijob-Reform liefert Ansätze zur betrieblichen Altersversorgung.<br />
Was es beim Wandel der Geringfügigkeitsgrenze zu beachten gilt<br />
– TEXT: STEFAN TERLIESNER –<br />
So mancher Finanzberater könnte bisher<br />
vernachlässigte Klienten mit einem Tipp<br />
überraschen. In etlichen Kundenportfolios<br />
dürften geringfügig entlohnte Beschäftigte<br />
(Minijobber) und Beschäftigte im Übergangsbereich<br />
zu einer normal sozialversicherungspflichtigen<br />
Tätigkeit (Midijobber)<br />
enthalten sein. Immerhin gab es laut<br />
Deutscher Rentenversicherung 2021 rund<br />
7,2 Millionen Menschen in Deutschland in<br />
einem Minijob und 2,9 Millionen in einem<br />
Midijob.<br />
HÖHERER MINDESTLOHN HAT FOLGEN<br />
Wegen der Erhöhung des Mindestlohns<br />
auf zwölf Euro pro Stunde haben sich die<br />
definitorischen Grenzen zwischen beiden<br />
Jobvarianten zum 1. Oktober <strong>2022</strong> verschoben.<br />
Ein Minijob reicht jetzt bis zur<br />
Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro nach<br />
zuvor 450 Euro. Und der Übergangsbereich<br />
bzw. Midijob erstreckt sich bis zu einem<br />
Verdienst von 1.600 Euro monatlich nach<br />
bisher 1.300 Euro. Zum 1. Januar 2023<br />
steigt diese Schwelle nochmals auf dann<br />
2.000 Euro. Allein diese Verschiebungen<br />
wären ein Anlass für Berater, mit Kunden<br />
aus diesen Einkommensgruppen über deren<br />
Absicherung im Bereich Altersvorsorge zu<br />
sprechen – hier gibt es nämlich gravierende<br />
Lücken. Die sind zwar in der Regel dem geringen<br />
Verdienst geschuldet, aber eine fundierte<br />
Finanzplanung kann und sollte auch<br />
Geringverdienern helfen.<br />
Ebenfalls interessant ist ein weiterer<br />
Sachverhalt: Speziell Midijobber haben<br />
eine Möglichkeit, sich „eine verhältnis-<br />
74 Illustration: Roman Kulon
Betriebliche Altersversorgung BERATER<br />
mäßig kostengünstige Altersvorsorge aufzubauen“,<br />
bestätigt auf Anfrage von <strong>procontra</strong><br />
ein Sprecher des Versicherers Signal<br />
Iduna. Gemeint ist die Entgeltumwandlung<br />
in der betrieblichen Altersversorgung<br />
(bAV). Von diesem Recht Gebrauch zu machen<br />
– Arbeitgeber müssen einem Arbeitnehmer<br />
mit bAV-Wunsch mindestens eine<br />
Direktversicherung anbieten – sei für Midijobber<br />
wichtig, „denn in der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung erwerben sie aufgrund<br />
des geringen Einkommens auch nur geringe<br />
Versorgungsansprüche“.<br />
»Midijobber haben<br />
die Möglichkeit, eine<br />
verhältnismäßig<br />
kostengünstige<br />
Altersvorsorge<br />
aufzubauen.«<br />
SPRECHER DER SIGNAL IDUNA<br />
RUTSCH UNTER DIE GERINGFÜGIGKEITSGRENZE<br />
Zusätzlich ergebe sich in bestimmten Fällen<br />
für Midijobber die Möglichkeit, durch<br />
eine Entgeltumwandlung unter die Geringfügigkeitsgrenze<br />
von 520 Euro zu rutschen<br />
und damit in ein sozialversicherungsfreies<br />
Beschäftigungsverhältnis. Dazu erklärt das<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
auf Anfrage: Die Entgeltbestandteile aus<br />
Entgeltumwandlung seien nicht dem Arbeitsentgelt<br />
zuzurechnen. Und weiter: Eine<br />
Beschäftigung im Übergangsbereich sei<br />
grundsätzlich sozialversicherungspflichtig.<br />
Arbeitgeber zahlten dabei höhere Pflichtbeiträge<br />
als Beschäftigte. Soweit das regelmäßige<br />
Arbeitsentgelt 520 Euro im Monat<br />
nicht übersteigt, bestehe Sozialversicherungsfreiheit<br />
in der Kranken-, Pflege- und<br />
Arbeitslosenversicherung. Von der Pflicht<br />
zur Rentenversicherung könnten Beschäftigte<br />
sich auf Antrag befreien lassen.<br />
Das Ministerium nennt ein Beispiel: Eine<br />
gesetzlich krankenversicherte Bürohilfe<br />
vereinbart mit dem Chef, dass dieser den<br />
Bruttoentgeltanspruch von 600 Euro um<br />
90 Euro mindert und in diesem Umfang<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
ARBEITNEHMER WÜSSTEN GERNE MEHR ÜBER bAV<br />
Frage: Fühlen Sie sich zum Thema bAV ausreichend informiert?<br />
36<br />
eine Versorgungszusage zugunsten einer<br />
bAV abgibt. Die Bürohilfe ist geringfügig<br />
entlohnt beschäftigt, weil das regelmäßige<br />
Arbeitsentgelt in Höhe von 510 Euro nach<br />
der Entgeltumwandlung die Grenze von<br />
520 Euro nicht übersteigt.<br />
CHEF ZAHLT FÜR RENTE UND KRANKEN<br />
Der Arbeitgeber zahlt Pauschalbeiträge zur<br />
Renten- und zur Krankenversicherung von<br />
zusammen 28 Prozent des Arbeitsentgelts;<br />
im Einzelnen 15 Prozent zur Renten- und<br />
13 Prozent zur Krankenversicherung. Die<br />
Beschäftigte zahlt Beiträge zur Rentenversicherung<br />
in Höhe von 3,6 Prozent des Arbeitsentgelts,<br />
sofern sie sich nicht von der<br />
Rentenversicherungspflicht befreien lässt.<br />
Insgesamt summieren sich die Sozialversicherungsbeiträge<br />
auf 161 Euro, von denen<br />
der Arbeitgeber 143 Euro und die Beschäftigte<br />
Arbeitnehmerbeiträge von 18 Euro<br />
trägt.<br />
Ohne Entgeltumwandlung, führt das<br />
Ministerium weiter aus, wären vom Bruttolohn<br />
von 600 Euro typischerweise Sozialversicherungsbeiträge<br />
von 182 Euro an<br />
Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung<br />
abzuführen, die sich aus<br />
158 Euro an Arbeitgeber- und 24 Euro an<br />
Arbeitnehmerbeiträgen zusammensetzen.<br />
HAFTUNGSRISIKEN FÜR BERATER<br />
So weit das Beispiel. Generell zu dieser<br />
Möglichkeit sagt der Sprecher von Signal<br />
Iduna: „Ob dies sinnvoll ist oder nicht,<br />
39<br />
Anteil der Antworten mit Ja in % Quelle: Deloitte-Studie zur betrieblichen Altersversorgung 2021<br />
42<br />
2017 2018 2019 2020 2021<br />
37<br />
hängt von den Umständen des Einzelfalls<br />
ab.“ Denn das Thema ist komplex und daher<br />
gespickt mit Haftungsrisiken für Berater.<br />
Hierauf weisen auch andere Versicherer<br />
und bAV-Spezialisten hin. Ohnehin ist das<br />
Wissen über bAV bei Arbeitnehmern nicht<br />
gerade ausgeprägt, wie eine noch aktuelle<br />
Studie von Deloitte ergab; die Folgestudie<br />
erscheint in Kürze (siehe Grafik).<br />
Daher gilt: Wer nicht selbst über ausreichend<br />
Know-how im Bereich Sozialversicherungsgesetzgebung<br />
und bAV verfügt,<br />
sollte für die Beratung unbedingt Experten<br />
hinzuziehen. Sofern das Steuerrecht<br />
betroffen ist, muss ein Steuerberater die<br />
Beantwortung der entsprechenden Fragen<br />
übernehmen. Nur mit einem solchen Netzwerk<br />
aus Fachleuten im Rücken können<br />
bzw. dürfen Finanzberater das Thema bearbeiten.<br />
Das sollte bedenken, wer bisher<br />
vernachlässigte Klienten mit einem Tipp<br />
überraschen möchte.<br />
AUSBLICK 2023<br />
30<br />
Gesetzliche Änderungen bei Mini- und<br />
Midijobs sind ein Beratungsanlass<br />
Entgeltumwandlung führt bei bestimmten<br />
Midijobbern zur SV-Beitragsersparnis<br />
Finanzberater nutzen das Thema zum Aufbau<br />
eines bAV-Expertennetzwerks<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
75
BERATER Zielgruppenkonzept<br />
MILLENNIALS RICHTIG CATCHEN<br />
Technikaffin und mit dem Smartphone aufgewachsen:<br />
Wie Berater mit YouTube, TikTok & Co. die Generationen Y und Z für sich gewinnen.<br />
– TEXT: ANNE MAREILE WALTER –<br />
Den Sprung in die Selbstständigkeit wagen?<br />
Für ein Jahr ins Ausland wechseln, den<br />
Umzug ans andere Ende der Republik in<br />
Angriff nehmen oder doch ein Haus bau-<br />
Denn wer jung ist, schlägt seine Zelte eben<br />
häufig neu auf.<br />
Für Berater sind die Generationen der<br />
Millennials und Post-Millennials daher keien?<br />
Wer der Generation Y oder Z angehört<br />
– und damit entweder nach 1981 oder nach<br />
1995 geboren ist –, ändert häufig seinen<br />
Lebensstil und variiert die Gewohnheiten.<br />
76 Illustration: Roman Kulon
Zielgruppenkonzept BERATER<br />
ne einfachen Zielgruppen – zudem gelten<br />
sie oft als unterversicherte Kundenklientel,<br />
die ihre finanziellen Angelegenheiten lieber<br />
via Broker-App regelt und den Gang zum<br />
Vermittler scheut. Wo sollte also die Beratung<br />
der Generationen Y und Z ansetzen?<br />
Sind YouTube, TikTok & Co. tatsächlich<br />
Erfolg versprechende Kanäle, um die Zielgruppen<br />
zu erreichen? Und welchen Stellenwert<br />
hat in Zeiten der Pandemie noch die<br />
persönliche Vor-Ort-Beratung?<br />
BERATUNG WIRD DIGITAL<br />
Der Digitalmakler Bastian Kunkel ist seit<br />
Jahren Experte auf dem Gebiet der Social-<br />
Media-Kommunikation und kennt die<br />
Bedürfnisse der Zielgruppen. Er ist auf<br />
TikTok und Instagram präsent und hat<br />
einen eigenen YouTube-Kanal. „Die Generationen<br />
Y und Z hinterfragen viel und<br />
sind kritisch – egal, ob es um Klimaproteste<br />
oder Versicherungen geht“, erklärt<br />
er. Darauf müssten Berater eingehen. Und<br />
weil Social Media eben der aktuelle Stand<br />
des Internets seien, führe daran auch kein<br />
Weg vorbei. „Du musst als Dienstleister<br />
auf diesen Plattformen unterwegs sein und<br />
dort die Leute abholen“, betont Kunkel.<br />
„In Zukunft wird es da keinen Rückschritt<br />
geben, die Entwicklung wird weitergehen.“<br />
Beratung werde digitaler.<br />
Deshalb rät er seinen Kollegen, sich zunächst<br />
einmal klar darüber zu werden, wer<br />
die eigene Zielgruppe ist, und sich die Fragen<br />
zu stellen: Wie sieht der persönliche<br />
Kunden-Avatar aus? Auf welchen Kanälen<br />
ist er unterwegs? Diese Kanäle müssten bespielt<br />
werden – ohne dabei auf allen Hochzeiten<br />
gleichzeitig zu tanzen. Denn das habe<br />
nur einen Effekt: Frustration und häufig das<br />
abrupte Ende der Social-Media-Aktivität.<br />
Dass die digitale Beratung bei der jungen<br />
Generation im Fokus steht, kann auch der<br />
Dresdner Makler Stephan Busch bestätigen.<br />
Er führt mit seinem Kollegen Tom<br />
Wonneberger das Maklerbüro Progress<br />
und hat sich auf die Beratung der Generationen<br />
Y und Z spezialisiert. 85 bis 90<br />
Prozent der Kunden ließen sich mittlerweile<br />
digital beraten, sagt er – per Teams, Zoom<br />
oder Skype. Eine Folge der Pandemie. Vor<br />
Corona sei das bei rund 60 Prozent der Fall<br />
gewesen.<br />
GELD IST KEIN TABUTHEMA<br />
„Junge Leute wollen, dass ihre Fragen beantwortet<br />
werden. Aber sie wollen keine<br />
DIE WICHTIGSTEN SOZIALEN NETZWERKE IN DEUTSCHLAND<br />
YouTube 95<br />
Facebook 94<br />
Instagram 92<br />
TikTok 89<br />
Twitter 87<br />
Snapchat 82<br />
Pinterest 78<br />
LinkedIn 61<br />
Twitch 60<br />
Xing 56<br />
Reddit 52<br />
Tumblr 43<br />
Flickr 36<br />
WeChat 33<br />
Clubhouse 22<br />
Jodel 18<br />
Kennen keins davon 1<br />
Produktvermittlung“, hebt Busch hervor.<br />
Wichtig seien in seinen Augen vor allem<br />
Blogs, um die Zielgruppe zu erreichen. Für<br />
Social-Media-Posts empfiehlt der Makler:<br />
Die eigene Identität kommunizieren und<br />
die Leute auch mal zum Lachen bringen.<br />
Sparen, ETFs, Kapitalanlage – aus Sicht<br />
von Busch seien das Trendthemen in der<br />
Zielgruppe. „In dem Bereich sind viele<br />
sogar sehr belesen“, hat er die Erfahrung<br />
gemacht. „Dafür rutscht die Absicherung<br />
der Arbeitskraft, die Biometrie im Allge-<br />
»Wenn man als<br />
Makler da einen Fuß<br />
in der Tür hat, ist eine<br />
Weiterempfehlung<br />
fast garantiert.«<br />
STEPHAN BUSCH, MAKLER<br />
Quelle: Statista<br />
meinen, in der Altersgruppe nach hinten.“<br />
Hier sollten Berater ansetzen, der Einsatz<br />
zahle sich aus. Denn: „In den Generationen<br />
Y und Z wird viel über Geld gesprochen.<br />
Wenn man als Makler da einen Fuß in der<br />
Tür hat, ist eine Weiterempfehlung fast garantiert.“<br />
Standard-Produkte, die unkompliziert<br />
online abschließbar sind – aus Sicht von<br />
AfW-Vorstand Frank Rottenbacher sollten<br />
Makler in der Beratung der Generation Z<br />
darauf einen Fokus haben. Per se sei das<br />
Thema Versicherungen für die jungen Endverbraucher<br />
wenig spannend. Deshalb rät<br />
er Maklern dazu, im Netz „passende Antworten<br />
zielgruppengerecht“ bereitzustellen.<br />
Nicht jeder Vermittler müsse zum Social-Media-Influencer<br />
werden, meint Filip<br />
Schlosser, Hauptgeschäftsstellenleiter des<br />
Votum-Verbands. Aber: „Bei einem Push-<br />
Markt wie der Finanzdienstleistungsbranche<br />
muss man die Menschen aktiv dort<br />
abholen, wo sie ihre Zeit verbringen“, sagt<br />
er. BVK-Präsident Michael H. Heinz ist<br />
überzeugt: Auch wenn sich die Genera-<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
77
BERATER Zielgruppenkonzept<br />
»Über Messenger erreichbar sein«<br />
MARKO PETERSOHN, Berater für die Versicherungsbranche zu Social Media und digitaler Kommunikation<br />
<strong>procontra</strong>: Die Generationen Y und Z gelten in<br />
vielerlei Hinsicht als unterversichert. Warum?<br />
Marko Petersohn: Sie haben oft einfach kein Interesse<br />
an Versicherungen. Junge Leute wissen<br />
meist nicht, wie sie sich versichern können, und<br />
sind in dem Punkt unselbstständig. Und das war<br />
auch früher so. Heute fällt es nur mehr auf, weil<br />
die Jugend online aktiv ist und wir uns mehr mit<br />
den nachkommenden Generationen befassen.<br />
Hinzu kommt: Es gibt heute mehr Studenten als<br />
noch vor 20 oder 30 Jahren. Und wenn man<br />
eine Ausbildung macht, ist das Thema Versicherungen<br />
stärker präsent als im Studium.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie können Makler der Unterversicherung<br />
begegnen?<br />
Petersohn: Am besten erreichen Makler die Generation<br />
nach wie vor über die Eltern. Zusätzlich<br />
sollten sie online präsent sein, weil es für junge<br />
Menschen selbstverständlich ist, sich im Netz<br />
rückzuversichern. Im Idealfall ist man nicht nur<br />
online gut auffindbar, sondern hat auch gute<br />
Bewertungen.<br />
<strong>procontra</strong>: Mit welchen digitalen Strategien lässt<br />
sich die Zielgruppe denn am besten erreichen?<br />
Und wie sollten Makler beim Bespielen der<br />
Kanäle vorgehen?<br />
Petersohn: Eine ganz wichtige Rolle spielt hier<br />
die Erreichbarkeit durch Messenger. Wir leben in<br />
einer Zeit, in der Leute schnell etwas loswerden<br />
möchten, ohne lange E-Mails zu schreiben oder<br />
gar anrufen zu müssen. Dieses Bedürfnis sollten<br />
Makler bedienen. In Bezug auf Social-Media-<br />
Aktivitäten ist wichtig: Sie müssen zur Person<br />
passen und man muss auch aktiv sein wollen.<br />
Sonst ist es nicht authentisch und man sollte<br />
es lieber lassen. Außerdem sollte man nicht auf<br />
allen Hochzeiten tanzen, sondern sich auf einen<br />
Kanal fokussieren.<br />
<strong>procontra</strong>: Inwiefern ticken die User der<br />
verschiedenen Social-Media-Kanäle auch<br />
verschieden?<br />
Petersohn: Auf YouTube gehen die Leute, um<br />
sich gezielt zu informieren. Sie sind bereit, sich<br />
längere Videos anzuschauen. Auf Instagram<br />
oder TikTok wird vor allem Unterhaltung gesucht.<br />
Generell sollte der Makler wissen, wie auf<br />
der jeweiligen Plattform kommuniziert wird – und<br />
dem muss er sich anpassen.<br />
<strong>procontra</strong>: Ist für die junge Generation eine klassische<br />
persönliche Beratung vor Ort überhaupt<br />
noch sinnvoll? Oder sollten Makler eher auf die<br />
digitalen Kanäle setzen?<br />
Petersohn: Diverse Untersuchungen und meine<br />
Erfahrungen aus Gesprächen mit Anfang<br />
20-Jährigen zeigen, dass junge Menschen<br />
keinen Bezug zu Versicherungen haben. Dass<br />
neue Generationen es sich mit dem Smartphone<br />
auf der Couch bequem machen und sich selbst<br />
über Versicherungen informieren, ist absurd.<br />
Die meisten jungen Menschen möchten einen<br />
klaren Ansprechpartner und jemanden, den sie<br />
persönlich erreichen können. Digitale Kanäle<br />
sollte man bespielen – trotzdem haben Büros<br />
noch lange nicht ausgedient. <br />
tionen Y und Z immer stärker auf sozialen<br />
Netzwerken über Versicherungen informierten,<br />
bleibe die persönliche Beratung<br />
unabdingbar – damit „keine Deckungslücken<br />
oder Unterversicherungen“ entstehen.<br />
MIT SOCIAL MEDIA VERTRAUEN ERZEUGEN<br />
Die Münchener Maklerin Andrea Mayr<br />
arbeitet seit vier Jahren nur noch online,<br />
ohne physisches Büro. Ihre Beratungen erledigt<br />
sie per Skype oder Zoom und setzt<br />
zur besseren Visualisierung ein Whiteboard<br />
ein. „Das funktioniert super“, berichtet sie.<br />
„Junge Leute wollen für die Beratung keine<br />
Wege mehr zurücklegen.“<br />
Mit ihrer Beratung richtet sich Mayr<br />
ebenfalls vor allem an die Generationen Y<br />
und Z. Posts auf Instagram & Co. findet<br />
sie nicht zwingend nötig, um die Zielgruppe<br />
zu erreichen. „Social Media sind die<br />
Kirsche auf der Torte“, sagt sie. Wichtiger<br />
sei es, über ein ordentliches Google-Profil<br />
und gute Bewertungen zu verfügen. Mayr<br />
selbst postet auf Instagram und TikTok<br />
und integriert dort viel von ihrer eigenen<br />
Persönlichkeit, zeigt sich beispielsweise im<br />
Gothic-Kostüm. Sie spielt gern damit, dass<br />
sie nicht dem Maklerklischee entspricht.<br />
„Über Social Media erzeugt man Vertrauen,<br />
weil sich der Makler dort von einer persönlichen<br />
Seite zeigt“, erklärt sie.<br />
Die Kombination aus hybrider Beratungspraxis<br />
und zielgruppenspezifischer Fokussierung<br />
auf Social-Media-Kanäle dürfte<br />
Vermittler auf ideale Art das Beratungssegment<br />
der Generationen Y und Z erschließen.<br />
Und die Akquise lohnt sich – birgt eine<br />
derart frühzeitige Kundengewinnung doch<br />
großes Potenzial für eine langfristige Erweiterung<br />
des Bestands. <br />
AUSBLICK 2023<br />
Stellenwert der persönlichen<br />
Vor-Ort-Beratung nimmt ab<br />
Social-Media-Kanäle gezielt bespielen, aber<br />
nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen<br />
Absicherung im Bereich Biometrie für die Generationen<br />
Y + Z stärker in den Fokus nehmen<br />
Hybride Beratungspraxis und zielgruppengerechte<br />
Social-Media-Posts kombinieren<br />
78 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Klartext to go...<br />
Der Podcast für alle 34er. Mit handverlesenen Expertentalks<br />
aus der Finanz- & Versicherungsbranche.<br />
Jeden zweiten Donnerstag, überall wo es Podcasts gibt.<br />
https://letscast.fm/sites/profino-podcast-dc9d8003/index<br />
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BERATER Demenz<br />
SCHNELL VERGESSEN<br />
Die Zahl der Demenzerkrankten steigt und damit auch die Notwendigkeit, deren<br />
Versicherungs- und Finanzverträge auf Klauseln und Schadenssummen zu überprüfen.<br />
– TEXT: IMKE REIHER –<br />
Das Thema Demenz ist bei vielen Menschen<br />
bereits im Alltag angekommen: Allein in<br />
Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen<br />
von einer Demenz betroffen, und der<br />
Trend zeigt aufwärts. Laut einer Studie der<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird<br />
die Zahl der Demenzkranken bis 2030<br />
weltweit um 40 Prozent steigen.<br />
Die schleichende Erkrankung verändert<br />
den Alltag der Betroffenen massiv und<br />
führt zusehends zum Verlust der kognitiven<br />
Fähigkeiten und Selbstständigkeit. Daraus<br />
ergeben sich neue, herausfordernde Situationen<br />
und Risiken, die enorme Konsequenzen<br />
haben können. Zu den Klassikern<br />
zählen die auf dem Herd vergessene Pfanne,<br />
in der sich Öl entzündet, eine überfließende<br />
Badewanne sowie Fehleinschätzungen im<br />
Straßenverkehr. Alle Situationen können<br />
hohe finanzielle Schäden verursachen – die<br />
Versicherer trotz vorhandener Policen aber<br />
womöglich zu Recht nicht bezahlen, denn<br />
Demenz kann den Versicherungsschutz<br />
aushebeln. Das Schlüsselwort, von dem<br />
dieser abhängt, lautet „Deliktunfähigkeit“.<br />
Wurde diese Diagnose beim Schadensverursacher<br />
gestellt, ist der Fall juristisch klar:<br />
„Ist man schuldunfähig, ist der Versicherer<br />
nicht zur Zahlung verpflichtet“, weiß<br />
Norbert Roemers, behördlich zugelassener<br />
Versicherungsberater und Jurist mit eigener<br />
Kanzlei. Allerdings ist das bei einer<br />
Demenz nicht automatisch der Fall, da die<br />
Erkrankung sehr facettenreich ist und viele<br />
unterschiedliche Arten und Schweregrade<br />
umfasst.<br />
Auch wenn Kunden das Thema Demenz<br />
im Beratungsgespräch nicht gezielt ansprechen,<br />
kann es sich für Makler lohnen, hier<br />
unaufdringlich Eigeninitiative zu zeigen.<br />
Selbst wenn das Thema aktuell noch keine<br />
Rolle spielt, kommt der Kunde womöglich<br />
in Zukunft darauf zurück, weil sich die Lebensumstände<br />
verändern. Oder der Makler<br />
80 Illustration: Roman Kulon
Demenz BERATER<br />
trifft direkt ins Schwarze und kann den<br />
Kunden auf wichtige Punkte – Stichwort:<br />
Haftungsfrage – und mögliche Deckungslücken<br />
beim Versicherungsschutz hinweisen.<br />
In beiden Fällen winkt potenzielles Neugeschäft.<br />
Zudem können Makler ihr gewonnenes<br />
Wissen als Mehrwert ausbauen,<br />
der in Zukunft – angesichts der steigenden<br />
Zahl demenziell veränderter Menschen –<br />
eine immer größere Rolle spielen dürfte.<br />
DEMENZKLAUSEL UND GROBE FAHRLÄSSIGKEIT<br />
Mit Blick auf den Versicherungsschutz gibt<br />
es einiges zu beachten, wenn eine Demenz<br />
ins Spiel kommt. So sollte eine Haftpflichtversicherung<br />
eine sogenannte Deliktunfähigkeitsklausel<br />
enthalten – die auch als<br />
Demenzklausel bezeichnet wird –, laut der<br />
Schäden durch deliktunfähige Erwachsene<br />
mitversichert sind. Ist sie vereinbart, wird<br />
im Schadensfall gezahlt. Ansonsten kann<br />
die Versicherung die Schadensregulierung<br />
ablehnen. Die gute Nachricht: Mittlerweile<br />
nehmen immer mehr Versicherer spezielle<br />
Demenzklauseln in ihre Policen auf.<br />
Vorsicht ist allerdings bei Altverträgen geboten,<br />
da das Thema hier oft noch keine<br />
große Rolle spielte. Hier kommt es darauf<br />
an, dass erforderliche Einschlüsse oder spezielle<br />
Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
(BGB) vorliegen, damit der Versicherungsschutz<br />
auch tatsächlich greift.<br />
»Ist man schuldunfähig,<br />
ist der<br />
Versicherer nicht zur<br />
Zahlung verpflichtet.«<br />
NORBERT ROEMERS,<br />
VERSICHERUNGSBERATER UND JURIST<br />
Ein zweiter wichtiger Punkt, auf den Makler<br />
ihre Kunden hinweisen sollten, ist die zu<br />
vereinbarende Schadenshöhe. Angesichts<br />
möglicher Schäden in Millionenhöhe, die<br />
durch verunfallte Personen oder andere<br />
Unfälle auflaufen können, stellen Beträge<br />
von 5.000 Euro nur einen Tropfen auf<br />
dem heißen Stein dar. „Als Minimum sollte<br />
man hier fünf Millionen Euro vereinbaren“,<br />
rät Roemers. Wichtig zu wissen: Ein<br />
Schadensanspruch, der durch eine demen-<br />
Japan<br />
Italien<br />
Deutschland<br />
Frankreich<br />
Spanien<br />
Österreich<br />
Schweiz<br />
UK<br />
OECD-38<br />
Australien<br />
USA<br />
China<br />
Südafrika<br />
DEMENZERKRANKUNGEN HÄUFEN SICH<br />
Geschätzte Demenzerkrankungen je 1.000 Einwohner<br />
in ausgewählten Ländern<br />
2,6<br />
ziell erkrankte Person entstanden ist, kann<br />
auf Angehörige und betreuende Personen<br />
übergehen, wenn diesen eine Verletzung<br />
der Aufsichtspflicht nachgewiesen werden<br />
kann. Um hier vorzubeugen, sollte man<br />
auch in eigener Sache auf eine gute Haftpflicht<br />
achten und den Demenzerkrankten<br />
unter Umständen – sofern möglich – auch<br />
im Rahmen einer Familienhaftpflichtpolice<br />
mitversichern.<br />
Auch bei der Hausrat- und Wohngebäudeversicherung<br />
muss eventuell nachjustiert<br />
werden, um einen optimalen Versicherungsschutz<br />
zu erhalten, der auch bei<br />
Demenz gilt. „Hier sollte man einen Tarif<br />
wählen, bei dem der Versicherer auf sein<br />
Leistungskürzungsrecht bei grob fahrlässig<br />
herbeigeführten Versicherungsfällen verzichtet“,<br />
empfiehlt Roemers.<br />
VORSORGEN UND KLEINGEDRUCKTES BEACHTEN<br />
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden<br />
Pflegebedürftigkeit des Demenzkranken<br />
kann der Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung<br />
sinnvoll sein, um die steigenden<br />
Kosten abzufedern. Mit ihr lassen<br />
sich auch Pflegegeldtarife in Altverträgen<br />
ergänzen und aufstocken. Verzichten kann<br />
man indes auf eine Unfallversicherung, da<br />
bei vielen Anbietern die Versicherungsfähigkeit<br />
bei einer entsprechenden Diagnose<br />
erlischt.<br />
8,2<br />
4,9<br />
2021 2050<br />
12,7<br />
15,7<br />
15,1<br />
18,5<br />
18,3<br />
17,6<br />
20,8<br />
20,8<br />
21,8<br />
23,7<br />
26,7<br />
23,8<br />
24,5<br />
25,6<br />
28,2<br />
29,4<br />
34,1<br />
33,4<br />
33,1<br />
35,9<br />
Quelle: Statista<br />
Klar ist: Der Versicherungsschutz kann<br />
durch fehlende Klauseln und zu niedrige<br />
Schadenssummen massiv ausgehebelt werden.<br />
Der Blick auf das Kleingedruckte ist<br />
daher essenziell: „Es ist sehr wichtig, die<br />
vereinbarten Bedingungen genau zu lesen<br />
und sich zeigen zu lassen, wo etwas im<br />
Vertrag steht, und sich dies gegebenenfalls<br />
auch schriftlich geben zu lassen“, mahnt<br />
Roemers an. Das senkt das Risiko von<br />
Fehlannahmen. So klingen die 600 Euro im<br />
Monat gut, die der Münchener Verein in<br />
seiner DemenzVersicherung im Tarif 424 in<br />
Aussicht stellt. Dafür beträgt die Wartezeit<br />
aber drei Jahre. <br />
AUSBLICK 2023<br />
Zahl Demenzerkrankter steigt –<br />
Wissen zur Zielklientel gewinnt an Bedeutung<br />
Demenz verändert den Versicherungsbedarf<br />
– Beratung wird wichtiger<br />
Produktpalette wächst stetig –<br />
ermöglicht immer gezieltere Absicherung<br />
Altverträge berücksichtigen Thematik<br />
nur bedingt – Chance für Neugeschäft<br />
Gezielte Ansprache beim Kunden kann<br />
Zukunftsgeschäft generieren<br />
41,3<br />
42,7<br />
44,7<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
81
HÖHEPUNKTE DES JAHRES Sachwerte<br />
HIGHLIGHTS <strong>2022</strong><br />
Baufinanzierungen ++ Förderstopp ++ Grundsteuerreform ++ Immobilienpreise ++ 34i-Vermittler<br />
September, Oktober<br />
WENIGER NACHFRAGE NACH<br />
BAUFINANZIERUNGEN<br />
Der Bau einer Immobilie wird für viele Menschen zusehends<br />
unerschwinglich. Nicht nur Preise und Lieferzeiten für Holz,<br />
Stahl und Klinker sind in die Höhe bzw. Länge geschossen,<br />
auch die Bauzinsen haben eine rasante Entwicklung durchgemacht.<br />
So lagen die Zinsen für zehnjährige Darlehen im Oktober<br />
bei rund 3,8 Prozent, knapp vier Mal so hoch wie zwölf Monate<br />
zuvor. Im September meldete zudem laut ifo Institut jedes<br />
sechste befragte Bauunternehmen Auftragsstornierungen. Die<br />
Bundesregierung will mit einem milliardenschweren Kreditprogramm<br />
vor allem Familien mit kleinen und mittleren Einkommen<br />
mit verbilligten Krediten unterstützen. Gefördert werden<br />
Gebäude nach neuestem Energiestandard.<br />
Oktober<br />
REFORM DER GRUNDSTEUER<br />
ALS BERATUNGSCHANCE<br />
Eigentlich bis Ende Oktober hätten Immobilieneigentümer<br />
für ihren Grundbesitz eine neue Steuererklärung abgeben<br />
müssen. Aufgrund der großen Komplexität wurde die Frist bis<br />
Ende Januar 2023 verlängert. Zu den benötigten Daten gehören<br />
zum Beispiel die Nummer des Flurstücks, die Wohnfläche<br />
und das Baujahr. Viele Daten lassen sich aus dem Kaufvertrag,<br />
dem Grundbuchauszug und der Teilungserklärung entnehmen.<br />
Für Finanzberater ist die Neuerung ein willkommener<br />
Anlass zur Information und weiterführenden Beratung.<br />
Januar, April<br />
FÖRDERSTOPP FÜR<br />
NACHHALTIGES BAUEN<br />
Zunächst wurden KfW-Zuschüsse für energieeffizientes Bauen<br />
und Sanieren vorzeitig gestoppt. Im April wurde das Programm<br />
fortgesetzt und erneut gestoppt, da die Staatshilfen<br />
ausgeschöpft waren. Jetzt werden nur noch Neubauten nach<br />
dem Effizienzhaus-Standard „EH40 mit Nachhaltigkeits-Klasse“<br />
gefördert. Für 2023 ist ein neues Förderprogramm geplant.<br />
82 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong>|22
Sachwerte HÖHEPUNKTE DES JAHRES<br />
März<br />
INITIATOR VERLIERT PROZESS<br />
GEGEN SIGNAL IDUNA<br />
Eine Schadensersatzforderung in Höhe von einer Milliarde<br />
Euro (100.000 Euro persönliches Schmerzensgeld<br />
inklusive) des Aachener Immobilieninvestors Anno<br />
August Jagdfeld gegen die Signal Iduna wurde in der<br />
Berufung zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht<br />
Hamm urteilte (Az. I-8 U 73/20) in dem jahrelangen<br />
Streit um zu geringe Ausschüttungen an den von Jagdfeld<br />
aufgelegten Adlon-Fonds. Anleger (darunter auch<br />
die Signal Iduna) hatten geklagt. Jagdfeld machte die<br />
Versicherung für eine Rufmordkampagne mitverantwortlich.<br />
Laut Gericht war dies nicht nachweisbar.<br />
September<br />
KEINE TRENDWENDE BEI IMMOBILIENPREISEN<br />
Juli<br />
TEILVERKÄUFE<br />
BELIEBTER<br />
Laut Analyse des Portals wertfaktor<br />
werden Teilverkäufe insbesondere<br />
im Norden Deutschlands beliebter.<br />
Das Prinzip: Bis zu 50 Prozent des<br />
Eigenheims werden zum Marktwert<br />
an den Teilverkauf-Anbieter<br />
veräußert. Die Eigentümer können<br />
ihre Immobilie weiter bewohnen,<br />
vermieten, vererben oder zusammen<br />
mit dem neu gewonnenen<br />
Miteigentümer weiterverkaufen.<br />
Der Rückgang der Nachfrage nach Kaufimmobilien<br />
im ersten Halbjahr <strong>2022</strong> ließ eine Trendumkehr auf<br />
dem Immobilienmarkt vermuten. Tatsächlich sanken<br />
die Preise in einigen Städten. Doch das Wohnbarometer<br />
des Immobilienportals ImmoScout24 weist<br />
im dritten Quartal <strong>2022</strong> wieder nach oben – wenn<br />
auch in gebremstem Tempo. So wurden Bestands-<br />
Eigentumswohnungen um 0,9 Prozent teurer als im<br />
Vorquartal. Bei den Neubau-Eigentumswohnungen<br />
lag die Teuerungsrate im Schnitt bei 1 Prozent, Einfamilienhäuser<br />
wurden im Bestand um 0,5 Prozent, im<br />
Neubau um 1,9 Prozent teurer angeboten.<br />
Juli<br />
MEHR IMMOBILIEN-<br />
DARLEHENSVERMITTLER<br />
Während die Vermittlerzahl insgesamt zurückgeht,<br />
werden Immobiliendarlehensvermittler<br />
mehr. Laut DIHK-Statistik wuchs die<br />
Zahl von Januar bis Juli um mehr als 1.000<br />
auf 57.370 zugelassene Immobiliendarlehensvermittler<br />
nach Paragraf 34i GewO.<br />
Juni<br />
Fusion am Zweitmarkt<br />
Deutsche Zweitmarkt AG (DZ) und<br />
Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler<br />
AG (FDB) fusionieren.<br />
Die DZ bleibt als Marke bestehen<br />
und wird sich auf das Geschäftsfeld<br />
Kaufofferten fokussieren. Der öffentliche<br />
Plattformhandel erfolgt künftig<br />
nur noch über das Portal der FDB.<br />
April<br />
NFTs kaum bekannt<br />
Laut einer Umfrage von Bitkom haben<br />
zwei Drittel der Deutschen noch<br />
nie von Non-Fungible Tokens (NFTs)<br />
als Eigentumsnachweise für digitale<br />
Werke wie Kunst oder Musik gehört.<br />
Lediglich 5 Prozent können anderen<br />
erklären, was man darunter versteht.<br />
November<br />
P&R-Nachwehen<br />
Der Insolvenzverwalter der 2018<br />
pleitegegangenen P&R-Container-<br />
Verwaltungsgesellschaften hat<br />
die Auszahlung weiterer rund 139<br />
Millionen Euro verkündet. Damit<br />
haben Gläubiger den Angaben zufolge<br />
bislang rund 346 Millionen Euro<br />
zurückbekommen. Insgesamt waren<br />
Forderungen in Höhe von rund 3,1<br />
Milliarden Euro festgestellt worden.<br />
August<br />
Crowdinvesting zehnstellig<br />
Der Plattform-Betreiber Exporo hat<br />
in seinem neunten Geschäftsjahr<br />
die Marke von einer Milliarde Euro<br />
vermittelter Anlegergelder erreicht.<br />
Insgesamt haben die Anleger so<br />
mehr als 500 Immobilienprojekte<br />
mitfinanziert. Neben kurzfristigen<br />
Projektfinanzierungen bietet Exporo<br />
unter der Marke „Propvest“ auch längerfristige<br />
Investitionen in Bestandsobjekte<br />
sowie Private Placements an.<br />
Lesen Sie die Hintergründe, Zusatzberichte<br />
und Interviews zu diesen und<br />
weiteren Highlights des Jahres unter:<br />
www.<strong>procontra</strong>-online.de/<strong>2022</strong><br />
Illustrationen: Eleonora Mavromati<br />
83
SACHWERTE Beleihungswertermittlungsverordnung<br />
GELOCKERTER ZUGANG?!<br />
Der Gesetzgeber hat für Banken Erleichterungen im Kreditvergabeprozess eingeführt. Ob die<br />
Institute die Kostenersparnis an ihre Kreditnehmer weitergeben, hängt auch vom Kunden ab.<br />
– TEXT: STEFAN TERLIESNER –<br />
Die deutsche Sprache kennt zahlreiche<br />
Wortungetüme und ihre Abkürzungen:<br />
BelWertV für Beleihungswertermittlungsverordnung<br />
ist ein Beispiel. Das Regelwerk<br />
spielt in der Immobilienfinanzierung<br />
eine bedeutende Rolle und wurde soeben<br />
vom Gesetzgeber novelliert. Für Banken<br />
und Kreditnehmer sind ein paar Erleichterungen<br />
herausgekommen. Ob Verbraucher<br />
am Ende auch in den Genuss zinsgünstigerer<br />
Darlehen kommen, ist nicht zuletzt<br />
eine Frage des Wettbewerbs und hängt vor<br />
allem davon ab, ob sie informiert sind und<br />
hart mit ihren Geldgebern feilschen.<br />
BANKEN SPAREN KOSTEN<br />
Auf jeden Fall sollten Finanzberater ihre<br />
Klienten darauf hinweisen, dass die Bel-<br />
WertV-Reform zu Kosteneinsparungen<br />
bei Banken führt. Kunden haben dann in<br />
Verhandlungen über Kreditkonditionen ein<br />
schlagkräftiges Argument an der Hand.<br />
„Der Vorteil für private Kreditnehmer liegt<br />
unter anderem in den optimierten Abläufen<br />
des Kreditvergabeprozesses und damit<br />
möglicherweise auch in einer beschleunigten<br />
Zusage der gewünschten Finanzierung“,<br />
sagt auf Anfrage Jens Tolckmitt,<br />
Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher<br />
Pfandbriefbanken (vdp).<br />
Und weiter: „Inwieweit Immobilienkredite<br />
dadurch günstiger werden, bleibt<br />
abzuwarten, da grundsätzlich bei jeder<br />
Kreditvergabe eine intensive Prüfung der<br />
Sicherheiten und der Bonität des Kreditnehmers<br />
durchgeführt wird und sich die<br />
Konditionen auch am ermittelten Kreditrisiko<br />
orientieren.“ An diesen Faktoren habe<br />
sich durch die Novellierung nichts geändert.<br />
Das stimmt. Tatsache ist aber auch,<br />
dass Banken durch die BelWertV-Reform<br />
Effizienzgewinne im Kreditvergabeprozess<br />
realisieren können. Hierauf weist Michael<br />
Neumann, Vorstandsvorsitzender des Fi-<br />
nanzberatungsunternehmens Dr. Klein Privatkunden,<br />
gegenüber <strong>procontra</strong> hin.<br />
OHNE SICHERHEIT KEIN KREDIT<br />
Bevor im Folgenden die wichtigsten Anpassungen<br />
geschildert werden, kurz ein paar<br />
Sätze zur Bedeutung des Beleihungswerts.<br />
Er dient als Grundlage für die Kreditentscheidung<br />
der Bank. Der Beleihungswert<br />
gibt an, wie viel Geld das Kreditinstitut<br />
durch einen Verkauf der Immobilie mindestens<br />
erhalten würde, falls der Kunde die<br />
84 Illustration: Roman Kulon
Beleihungswertermittlungsverordnung SACHWERTE<br />
monatlichen Kreditraten nicht mehr bezahlen<br />
kann. Oft liegt der Beleihungswert<br />
zwischen 70 und 90 Prozent unter dem aktuellen<br />
Wert ( = Verkehrs- oder Marktwert)<br />
des Objekts, berichten die Kreditprofis von<br />
Dr. Klein Privatkunden.<br />
Hat eine Immobilie zum Beispiel einen<br />
Verkehrswert von 320.000 Euro, rechnet<br />
die Bank mit einem Beleihungswert zwischen<br />
224.000 und 288.000 Euro. Die<br />
Differenz muss der Kreditnehmer selbst<br />
aufbringen. In der Praxis berücksichtigen<br />
Banken noch weitere individuelle Risiken,<br />
sodass im Regelfall nicht der Beleihungswert<br />
die Kredithöhe bestimmt, sondern die<br />
niedrigere Beleihungsgrenze (siehe Grafik).<br />
KREDITBEARBEITUNG GEHT JETZT EINFACHER<br />
Vom Beleihungswert hängt also ab, wie<br />
viel Kredit ein Bankkunde erhält. Banken<br />
ermitteln den Beleihungswert anhand unterschiedlicher<br />
Verfahren und kombinieren<br />
diese mitunter auch. Es gilt die Faustregel,<br />
das Sachwertverfahren bei selbst genutzten<br />
Objekten anzuwenden und das Ertragswertverfahren<br />
bei vermieteten Immobilien.<br />
Als dritte Variante gibt es den Vergleich mit<br />
ähnlichen Objekten.<br />
»Der Aufwand<br />
für Banken in der<br />
Kreditbearbeitung<br />
wird sich spürbar<br />
reduzieren.«<br />
JENS TOLCKMITT,<br />
VERBAND DEUTSCHER PFANDBRIEFBANKEN<br />
Die BelWertV-Reform bringt nun ein paar<br />
Veränderungen, die laut vdp-Hauptgeschäftsführer<br />
Tolckmitt „zu einer zeitgemäßeren<br />
Immobilienbewertung“ führen.<br />
So könnten für Grundschulden bis zu einer<br />
Höhe von 600.000 Euro Vereinfachungen<br />
bei der Wertermittlung vorgenommen werden;<br />
zuvor sei das nur bis zur Grenze von<br />
400.000 Euro möglich gewesen. „Die Ausweitung<br />
folgt der Marktentwicklung und<br />
wird den Aufwand, der im Rahmen der<br />
Kreditbearbeitung bei den Instituten anfällt,<br />
spürbar reduzieren“, sagt Tolckmitt.<br />
Wert<br />
BELEIHUNGSWERT VERMEIDET PREISAUSSCHLÄGE<br />
Der Markt- oder Verkehrswert ist ein Stichtagswert. Der Beleihungswert bezieht sich<br />
auf einen langen Zeitraum unabhängig vom Konjunkturverlauf. In Boomphasen ist der<br />
Abstand zwischen beiden Werten tendenziell größer, im Abschwung eher kleiner.<br />
IMMOBILIE PER VIDEO BESICHTIGEN<br />
Eine weitere wesentliche Anpassung betreffe<br />
die Nutzung computergestützter Bewertungsverfahren,<br />
die jetzt erstmals bei<br />
der Beleihungswertermittlung regulatorisch<br />
verankert würden, in vielen anderen Ländern<br />
aber längst etabliert seien. Ein positives<br />
Ergebnis für die finanzierenden Banken<br />
und die Kreditnehmer stelle auch die<br />
Erlaubnis von Videobesichtigungen dar.<br />
„Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne“,<br />
meint Tolckmitt. Mit Beginn der Corona-<br />
Pandemie habe die Finanzaufsicht Videobesichtigungen<br />
vorübergehend erlaubt. Die<br />
Erleichterung lief aber im Juli dieses Jahres<br />
aus, ergänzt Neumann. Und weiter: „Mit<br />
der Novelle der BelWertV sind virtuelle Onlinebesichtigungen<br />
nun wieder möglich.“<br />
Ein Sprecher der BaFin sagt auf Anfrage<br />
von <strong>procontra</strong>: „Eine Pfandbriefbank muss<br />
nun nicht mehr grundsätzlich eine Innenbesichtigung<br />
durchführen und kann insoweit<br />
dem Wunsch eines Kunden entsprechen,<br />
der den Wertermittler nicht ‚in seiner Wohnung<br />
haben möchte‘.“ Finanzierungsprofi<br />
Neumann hat dann aber doch noch einen<br />
Schwachpunkt entdeckt: „Wenn das Videoverfahren<br />
genutzt wird, müssen Kreditinstitute<br />
einen Sicherheitsabschlag von<br />
mindestens 5 Prozent vornehmen. Ich gehe<br />
davon aus, dass diese Option deshalb nicht<br />
so häufig angewandt wird wie während der<br />
abschlagsfreien Corona-Jahre 2021 und<br />
<strong>2022</strong>.“<br />
MARKTWERT<br />
BELEIHUNGSWERT<br />
BELEIHUNGSGRENZE<br />
Quelle: Verband deutscher Pfandbriefbanken (geänderte Darstellung)<br />
BESSER VORBEREITET IN<br />
KREDITVERHANDLUNGEN<br />
Eine weitere Neuerung ist die Kopplung der<br />
sogenannten Mindestkapitalisierungszinssätze<br />
an die allgemeine Zinsentwicklung.<br />
Der positive Effekt für Banken und möglicherweise<br />
auch für deren Kunden: „Diese<br />
Zinssätze werden sich zukünftig stärker am<br />
tatsächlichen Marktgeschehen orientieren<br />
und damit wird die günstige Pfandbriefrefinanzierung<br />
besser nutzbar.“ Mindestkapitalisierungszinssatz<br />
ist auch wieder so ein<br />
Wortungetüm. Wichtig für Verbraucher<br />
ist im Zusammenhang mit der BelWertV-<br />
Novelle, dass sie Kostenvorteile für Banken<br />
bringt und jene in Kreditverhandlungen auf<br />
Weitergabe an sie drängen sollten. <br />
AUSBLICK 2023<br />
Zeit<br />
Der Gesetzgeber hat Erleichterungen im<br />
Immobilienkreditvergabeprozess eingeführt<br />
Finanzberater sprechen Kunden auf die<br />
Möglichkeit besserer Kreditkonditionen an<br />
Im Wettbewerb geben einige Banken realisierte<br />
Effizienzgewinne an Kunden weiter<br />
Auf jeden Fall sollten Berater und Kunden<br />
die Kreditkonditionen vergleichen<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
85
SACHWERTE Baufinanzierung<br />
DEN ANSCHLUSS PRÜFEN<br />
Viermal so hohe Hypothekenzinsen wie vor einem Jahr machen Kreditnehmer nervös.<br />
Viele brauchen in den nächsten Monaten ein neues Darlehen für ihre Restschuld.<br />
Ein Aufhänger für die Beratung<br />
– TEXT: STEFAN TERLIESNER –<br />
86 Illustration: Roman Kulon
Baufinanzierung SACHWERTE<br />
Mit bangem Blick schauen Kreditnehmer<br />
mit laufender Immobilienfinanzierung auf<br />
die Entwicklung der Hypothekenzinsen.<br />
In atemberaubender Geschwindigkeit haben<br />
die Banken ihren Kreditsatz erhöht. Im<br />
Durchschnitt kostet ein Immobilienkredit<br />
bei zehnjähriger Zinsfestschreibung mittlerweile<br />
rund 4 Prozent; vor einem Jahr lag<br />
der Wert bei 1 Prozent. Jetzt geht die Angst<br />
um.<br />
REFINANZIERUNG ZUM MARKTZINS<br />
Etliche Kreditnehmer mit bisher fester<br />
Zinsbindung – oft zehn Jahre – schieben<br />
noch eine Restschuld vor sich her und benötigen<br />
dafür eine Anschlussfinanzierung.<br />
Die Refinanzierung erfolgt grundsätzlich<br />
zum aktuellen Marktzins. Der liegt mehr<br />
als einen Prozentpunkt höher als im Ende<br />
2012 und doppelt so hoch wie Ende 2014.<br />
In der Zeit danach fiel das Zinsniveau stetig<br />
bis Ende 2021. Das heißt: Viele jüngere<br />
Kreditnehmer haben noch nie so hohe Zinsen<br />
erlebt. „Je nach Ausgangslage müssen<br />
Verbraucher sich (…) auf gravierende Konsequenzen<br />
einstellen“, mahnt die Finanzaufsicht<br />
BaFin.<br />
Die wichtige Frage lautet: Steigen die Hypothekenzinsen<br />
noch stärker? Nach Auffassung<br />
von Finanzierungsvermittlern kann<br />
es im aktuellen Zinsumfeld ratsam sein,<br />
ein paar Monate oder vielleicht sogar Jahre<br />
vor dem Ende der Zinsbindungsfrist des<br />
bestehenden Darlehens ein Gespräch mit<br />
einem Baufinanzierungsberater zu suchen.<br />
Immerhin ermöglichten einige Banken Anschlussfinanzierungen<br />
bis zu fünf Jahre im<br />
Voraus, hebt Mirjam Mohr, Vorständin<br />
beim Finanzierungsvermittler Interhyp,<br />
hervor. Über so lange Zeit könnten sich<br />
Kreditnehmer gegen eine bankindividuelle<br />
Gebühr das aktuelle Zinsniveau sichern.<br />
Vorausdarlehen seien immer eine Wette auf<br />
die künftige Zinsentwicklung.<br />
ZINSEN STEIGEN ERST MAL WEITER<br />
Erfahrungsgemäß sind bereits Zinsprognosen<br />
von sechs Monaten schwierig. Interhyp<br />
befragt regelmäßig Fachleute von Banken<br />
und Versicherungen und kreiert aus deren<br />
Angaben das sogenannte „Bauzins-Trendbarometer“.<br />
Demnach geht die Mehrheit<br />
der befragten Experten „bis Ende <strong>2022</strong> für<br />
die zehnjährigen Darlehen von Zinsen zwischen<br />
4 und 4,5 Prozent aus“, schreibt Interhyp<br />
in einem aktuellen Kommentar. Bis<br />
Ende 2023 erwarte die knappe Mehrheit<br />
WEITERHIN STEIGENDE ZINSEN<br />
Das Interhyp-Bauzins-Trendbarometer:<br />
Werden die Zinsen gleich bleiben, fallen oder steigen?<br />
Zinsentwicklung kurzfristig<br />
(vier Wochen)<br />
der befragten Analysten weiter steigende<br />
Zinsen (siehe Grafik).<br />
Maßgeblich für die Annahme eher steigender<br />
Zinsen ist die Politik der Notenbanken<br />
in den USA und der Eurozone, Fed<br />
bzw. EZB. Um die auch in Amerika hohe<br />
Inflation in den Griff zu bekommen, gehen<br />
Beobachter zumindest von einer weiteren<br />
»Die Leistbarkeit<br />
einer Finanzierung<br />
steht in Krisenzeiten<br />
besonders im Fokus.«<br />
MIRJAM MOHR, INTERHYP<br />
kleinen Leitzinserhöhung der Fed im kommenden<br />
Jahr auf ein Niveau von bis zu 4,75<br />
Prozent aus. Davon ist der Hauptrefinanzierungssatz<br />
der EZB zwar noch weit entfernt,<br />
nach dem jüngsten Jumbo-Zinsschritt am<br />
27. Oktober liegt er aktuell bei 2 Prozent.<br />
Die Arbeit sei aber noch nicht erledigt,<br />
betonte EZB-Chefin Christine Lagarde<br />
anlässlich der jüngsten Zinsentscheidung.<br />
Womöglich müsse man noch mehrmals an<br />
der Zinsschraube drehen.<br />
REZESSION SOLL INFLATION DRÜCKEN<br />
Die Unsicherheit ist auch deshalb besonders<br />
groß, weil die Wirtschaft in der Eurozone<br />
Zinsentwicklung mittel- bis langfristig<br />
(sechs Monate bis ein Jahr)<br />
80 % 0 % 20 % 20 % 20 % 60 %<br />
Quelle: Interhyp<br />
schwächelt. Die EU-Kommission erwartet<br />
für 2023 nur noch ein winziges Wachstum<br />
von 0,3 Prozent. Für Deutschland sagen<br />
zahlreiche Volkswirte sogar eine Rezession<br />
voraus. Leitzinserhöhungen verteuern<br />
die Kredite von Banken, Privatleuten und<br />
Unternehmen, sodass die Kreditnachfrage<br />
sinkt und die wirtschaftliche Dynamik<br />
nachlässt. Auch auf diese Weise wolle die<br />
EZB die hohen Inflationsraten in der Eurozone<br />
drücken, heißt es in Finanzkreisen.<br />
Im Oktober war die Teuerung in der Währungsunion<br />
auf den Rekordwert von 10,7<br />
Prozent gestiegen. Das Problem: Die EZB<br />
darf es mit dem Anziehen der Zinsschraube<br />
nicht übertreiben, sonst droht mitunter eine<br />
schwere Wirtschaftskrise.<br />
Die nahe Wachstumsflaute wiederum<br />
macht Banken knausrig. Laut der vierteljährlichen<br />
Umfrage der EZB zum Kreditgeschäft,<br />
dem sogenannten Bank Lending<br />
Survey, wird es für Privatleute zunehmend<br />
schwierig, an Kredite zu kommen. Das<br />
gelte vor allem für Deutschland. Dies liegt<br />
wohl daran, dass hierzulande die Hypothekenzinsen<br />
deutlich stärker gestiegen sind<br />
als der Leitzins der EZB. Immerhin, sagt<br />
Mohr, seien Anschlussfinanzierer bei Banken<br />
„gern gesehene Kunden, da sie ihre<br />
Zuverlässigkeit durch regelmäßig Ratenzahlungen<br />
bereits bewiesen haben“. Andererseits<br />
geraten Privathaushalte aktuell<br />
verstärkt unter Druck. Hierauf weist der<br />
Kreditvermittler Baufi24 hin: „Wohneigentümer<br />
müssen steigende Gas- und Stromkos<br />
ten entsprechend in die monatliche<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
87
SACHWERTE Baufinanzierung<br />
»Bauzinsen sind immer<br />
noch relativ niedrig«<br />
INGO VAARTMANN, Spezialist für Baufinanzierung bei Dr. Klein in Leer und Emden<br />
<strong>procontra</strong>: Herr Vaartmann, wann sollten sich<br />
Kreditnehmer mit dem Thema Anschlussfinanzierung<br />
beschäftigen?<br />
Ingo Vaartmann: Ich empfehle Darlehensnehmern,<br />
sich spätestens drei Jahre vor<br />
Ablauf der ersten Zinsbindung damit zu<br />
beschäftigen. So bleibt ihnen genug Zeit, den<br />
Markt zu beobachten und zur richtigen Zeit<br />
die Anschlussfinanzierung auf den Weg zu<br />
bringen.<br />
<strong>procontra</strong>: Ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt für<br />
eine Anschlussfinanzierung?<br />
Vaartmann: Für viele Immobilienbesitzer ja. Im<br />
Vergleich zum Stand vor 15 oder 20 Jahren<br />
sind die Baufinanzierungszinsen noch immer<br />
relativ niedrig. Vor 15 Jahren, im November<br />
2008, lagen die Bauzinsen bei 4,70 Prozent<br />
– deutlich höher als jetzt. Insofern ist jetzt ein<br />
sehr guter Zeitpunkt für die Anschlussfinanzierung.<br />
Tendenziell rechnen wir mit weiter<br />
steigenden Zinsen. Gegebenenfalls kann auch<br />
ein Vorausdarlehen sinnvoll sein, wenn die<br />
Anschlussfinanzierung noch nicht fällig ist.<br />
Gegen einen Aufschlag von circa 0,15 Prozent<br />
im Jahr können Darlehensnehmer sich<br />
das jetzige Zinsniveau für die zukünftige<br />
Anschlussfinanzierung sichern.<br />
<strong>procontra</strong>: Wie begründen Sie Ihre Prognose<br />
weiter steigender Hypothekenzinsen?<br />
Vaartmann: Ich gehe davon aus, dass die EZB<br />
aufgrund der Inflationserwartungen den Leitzins<br />
noch weiter erhöhen wird. Die EZB muss<br />
voraussichtlich auch im nächsten Jahr noch<br />
beherzt an der Zinsschraube drehen, und da<br />
ist noch nicht alles am Finanzierungsmarkt<br />
eingepreist. Das bedeutet: Die Bauzinsen<br />
werden weiter steigen.<br />
<strong>procontra</strong>: Was sollten Kreditnehmer sonst<br />
noch beim Thema Anschlussfinanzierung<br />
beachten?<br />
Vaartmann: In Vorbereitung auf die Anschlussfinanzierung<br />
sollten Darlehensnehmer<br />
einen Kassensturz machen: Was hat sich auf<br />
der Einkommensseite verändert, ist die finanzielle<br />
Situation eine andere als bei der Erstfinanzierung?<br />
Je nach Ausgangslage lohnt<br />
es sich, die Monatsrate und den Tilgungssatz<br />
zu erhöhen, oder auch noch mal Eigenkapital<br />
einzubringen und so die Restschuld zu<br />
verringern.<br />
<strong>procontra</strong>: In welcher Situation wäre eine Umschuldung<br />
sinnvoller als eine Prolongation?<br />
Vaartmann: Es lohnt sich immer, rechtzeitig<br />
Angebote für die Anschlussfinanzierung<br />
einzuholen, um zu vergleichen, und nicht nur<br />
auf das Angebot zur Prolongation von der<br />
Hausbank zu warten. Ein Wechsel ist in den<br />
meisten Fällen sinnvoll, da das Angebot für<br />
die Anschlussfinanzierung der Hausbank<br />
oft schlechtere Konditionen bietet als die der<br />
Wettbewerber. Außerdem wirkt sich eine Neubewertung<br />
der Immobilie bei einer Umschuldung<br />
häufig günstig aus. Zwar fallen bei einer<br />
Umschuldung Grundbuch- und Notarkosten<br />
an. Allerdings spielen sich diese Gebühren<br />
durch den Zinsvorteil der neuen Finanzierung<br />
in der Regel zügig wieder rein. Und: Viele Banken<br />
übernehmen die anfallenden Wechselkosten.<br />
Rate im Fall einer Finanzierung mit einpreisen,<br />
denn die Leistbarkeit steht in Krisenzeiten<br />
besonders im Fokus.“<br />
ANGEBOTE VON BANKEN VERGLEICHEN<br />
Aus alledem folgt, dass eine Anschlussfinanzierung<br />
gründlich vorbereitet werden<br />
sollte, meint auch Ingo Vaartmann vom<br />
Finanzdienstleister Dr. Klein (siehe Interview).<br />
Auf jeden Fall sollten Kreditnehmer<br />
die Angebote verschiedener Banken vergleichen.<br />
Dazu wieder Interhyp-Vorständin<br />
Mohr: „Banken geben Zinsanpassungen<br />
unterschiedlich schnell an die Kunden weiter.<br />
Ein Unterschied von 0,5 Prozentpunkten<br />
ist durchaus möglich.“ Mit der Planung<br />
sollten Kreditnehmer rechtzeitig beginnen,<br />
raten auch Verbraucherschützer. Wenn der<br />
Schuldner das Angebot seiner bisherigen<br />
Bank erhalte, also ein bis zwei Monate vor<br />
Ende der Zinsbindung, sei es fast zu spät,<br />
um in Ruhe die Angebote im Markt zu vergleichen.<br />
Meist sinnvoller sei der Start drei<br />
bis sechs Monate vorher.<br />
Zwar könne ein Kunde das Angebot<br />
seiner Bank akzeptieren und das aktuell<br />
auslaufende Darlehen bei der alten Bank<br />
belassen, Prolongation nennen Fachleute<br />
dieses Vorgehen. Aber meist entgingen dem<br />
Kreditnehmer dann bessere Konditionen,<br />
und in der Immobilienfinanzierung machten<br />
kleine Zinsunterschiede auf lange Sicht<br />
Tausende Euro aus. Zumindest sollte ein<br />
Kunde seine alte Bank mit einem günstigeren<br />
Angebot konfrontieren, um seine Verhandlungsposition<br />
zu stärken.<br />
ZWEITE OPTION UMSCHULDUNG<br />
Die zweite Möglichkeit für Kreditnehmer<br />
sei die Ablösung eines noch laufenden<br />
Kreditvertrags durch einen neuen Vertrag,<br />
also die Umschuldung. Kosten entstünden<br />
kaum. Denn zumindest Darlehen mit einer<br />
sehr langen Sollzinsbindung dürften Kreditnehmer<br />
nach einer Laufzeit von zehn<br />
Jahren ablösen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung<br />
an die Bank zu leisten. Die<br />
weiteren Kosten beschränkten sich dann<br />
auf die Grundschuldabtretung: In dem öffentlichen<br />
Liegenschaftsverzeichnis trete<br />
die neue Bank an die Stelle der alten. Laut<br />
Dr. Klein beträgt der Kostensatz 0,2 Prozent<br />
des Grundbuchbetrags. Achten sollten<br />
Umschuldner Finanzierungsexperten zufolge<br />
auch auf eine ausreichend lange Zeit<br />
ohne Bereitstellungszinsen. Sechs Monate<br />
seien meist kein Problem. Also auch hier<br />
88 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
Baufinanzierung SACHWERTE<br />
»Die optimale Lösung<br />
hängt immer von der<br />
jeweiligen Situation<br />
des Kunden ab.«<br />
CHRISTOPH ALTEMEIER, BAUFI24<br />
WETTE AUF ZUKÜNFTIGEN KREDITZINS<br />
Vor allem aber weiß niemand, was die Zukunft<br />
bringt. Sollte der zukünftige Marktzins<br />
deutlich über dem heutigen Zinsniveau<br />
liegen, könnte die Rechnung auch nach<br />
Abzug der Kosten für den Zinsaufschlag<br />
für den Kreditnehmer aufgehen. Liegen die<br />
Zinsen in ein paar Jahren deutlich niedriger<br />
als heute, muss der Kreditnehmer den Kredit<br />
zum vereinbarten Satz bedienen; kündigen<br />
könnte er nur gegen eine Nichtannahmeentschädigung.<br />
Fazit: Angesichts auch im nächsten Jahr<br />
noch steigender Zinsen, ist es für Kreditnehmer<br />
mit laufender Immobilienfinanzierung<br />
sinnvoll, vor dem Ende der Zinsbindung<br />
ein Gespräch mit einem Berater zu führen.<br />
Ein Angebotsvergleich dürfte in vielen Fälkeine<br />
Kosten. Kreditnehmer, die auf lange<br />
Sicht viel höhere Hypothekenzinsen<br />
erwarten als heute und deren Restlaufzeit<br />
der Zinsbindung noch ein paar Jahre läuft,<br />
können zu einem sogenannten Vorausdarlehen<br />
greifen. Wie oben bereits erwähnt, sichert<br />
dieser Vertrag die heutigen Zinssätze<br />
bis zu fünf Jahre im Voraus. Die Sicherheit<br />
hat ihren Preis: Banken verlangen einen<br />
Zins aufschlag. Je länger Kunden den Kredit<br />
reservieren wollen, desto mehr müssen sie<br />
bezahlen. Die Spanne der Aufschläge, die<br />
Banken verlangen, ist groß – vergleichen<br />
also ratsam. Wie Christoph Altemeier, Leiter<br />
der Baufi24-Geschäftstelle in Erlangen,<br />
betont, „hängt die optimale Lösung immer<br />
von der jeweiligen Situation des Kunden<br />
ab“.<br />
len zu deutlich besseren Kreditkonditionen<br />
führen. Und in der Immobilienfinanzierung<br />
geht es dabei schnell um etliche Tausend<br />
Euro.<br />
AUSBLICK 2023<br />
Das stark gestiegene Zinsniveau macht<br />
Immobilienkreditnehmer nervös<br />
Finanzberater sollten jetzt Tipps zur<br />
Anschlussfinanzierung geben<br />
Kreditnehmer haben die Chance auf<br />
eine Ersparnis von mehreren Tausend Euro<br />
Berater festigen ihre Rolle als Partner,<br />
wenn sie Kunden in schwierigen Zeiten helfen<br />
<strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22<br />
89
PRIVAT GEFRAGT Guido Lehberg, Finanzdienstleistungen GbR<br />
»Selbstbestimmung – auch nach<br />
einem Unfall oder einer Krankheit«<br />
GUIDO LEHBERG<br />
Jahrgang 1985; Inhaber Lehberg Finanzdienstleistungen<br />
GbR und BU-Profi<br />
seit 2010; eine großartige Frau und eine<br />
Weltklasse-Tochter<br />
IHRE MEINUNG, HERR LEHBERG:<br />
Wir brauchen ein Unterrichtsfach<br />
Finanzen & Versicherungen<br />
Analoge Beratung sollte zeitnah von<br />
digitaler Beratung abgelöst werden<br />
Das Thema Berufsunfähigkeit wird im<br />
Jahr <strong>2022</strong> immer noch unterschätzt<br />
Spezialisierungen in der Versicherungsbranche<br />
sollten ausgebaut werden<br />
Die Branche sollte ihr Image in<br />
den sozialen Medien noch stärker<br />
hervorheben<br />
Spontanität/Flexibilität kann auch in<br />
der Finanz- und Versicherungsbranche<br />
hilfreich sein<br />
Zum Frühstück gibt es bei mir<br />
in der Regel nichts. Ich esse meistens erst<br />
ab 14 Uhr.<br />
Die Homeoffice-Kultur empfinde ich als<br />
nicht praktikabel in vielen Jobs.<br />
Diese neue Kompetenz habe ich mir<br />
(Corona-bedingt) angeeignet:<br />
Da fällt mir nichts ein, was ich durch Corona<br />
heute (besser) kann.<br />
Meine wahre Leidenschaft ist<br />
Sport.<br />
Meine Freizeit verbringe ich<br />
am liebsten damit:<br />
Sport und Urlaub/Party.<br />
Mein erstes Geld habe ich verdient mit<br />
selbst geernteten Kartoffeln, die ich an der<br />
Straße verkauft habe. Da war ich circa<br />
zwölf Jahre alt.<br />
Wenn Geld keine Rolle spielen würde,<br />
würde ich am liebsten<br />
den Hunger auf der Welt besiegen.<br />
Meine Lieblingsfilm:<br />
Marvel-Filme finde ich ganz cool.<br />
Nachhaltigkeit leben bedeutet für mich<br />
viele kleine Dinge zu tun (zum Beispiel möglichst<br />
wenig Plastik, möglichst wenig Auto<br />
fahren, selbst Strom erzeugen und vieles<br />
mehr. Es sind meistens die kleinen Dinge,<br />
die etwas Großes bewegen können).<br />
Ich würde gern mal einen Tag lang tauschen<br />
mit …, um dann Folgendes zu tun:<br />
Putin und diesen sinnlosen Krieg beenden.<br />
Wahrer Luxus ist für mich<br />
gesund zu sein und das tun zu können,<br />
worauf man Lust hat.<br />
Das ist mein nächstes Reiseziel:<br />
Türkei oder Malle.<br />
Meine erste Tat zu Beginn eines<br />
Arbeitstages:<br />
Kaffeemaschine anmachen.<br />
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist für<br />
jeden Menschen wichtig, weil …<br />
ich überzeugt bin, dass jeder Mensch auch<br />
während Krankheit oder nach einem Unfall<br />
ein (finanziell) freies und selbstbestimmtes<br />
Leben verdient hat.<br />
Der größte Missstand in meiner Branche ist:<br />
mangelnde Bildung.<br />
… so könnte der Missstand behoben<br />
werden:<br />
mehr Bildung. :)<br />
Bezogen auf mein Job-Know-how wollen<br />
Familie und Freunde am liebsten von mir<br />
wissen:<br />
Eigentlich sind Versicherungen eher nie ein<br />
Thema im Familien- und Freundeskreis.<br />
90 <strong>procontra</strong> <strong>06</strong> | 22
DIE<br />
KRANKENKASSE,<br />
DIE PRIVATE<br />
Z U S Z- A T<br />
VERSICHERUNGEN<br />
ZAHLT.<br />
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