Zdirekt! 04-2022
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Z direkt! <strong>04</strong>/<strong>2022</strong><br />
TITELTHEMA 17<br />
Mein Lieblingsspruch zum Thema Führung ist ein<br />
Zitat vom deutschen Dichter Johann Wolfgang<br />
von Goethe: „Behandle die Menschen so, als wären<br />
sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen<br />
zu werden, was sie sein können.“ Haben Sie auch<br />
einen solchen Leitspruch? Nein, aber den würde ich<br />
mir gern zu eigen machen, weil er so zeitgemäß ist und<br />
sehr gut widerspiegelt, was sich in den vergangenen<br />
Jahren in der Führung in Unternehmen verändert hat.<br />
Eine wahre Zeitenwende.<br />
Bedeutet das, der Chef – oder die Chefin – ist aus<br />
Ihrer Erfahrung einer der wichtigsten Faktoren<br />
in der Mitarbeiterbindung? Eindeutig ja, vor allem<br />
durch die Corona-Pandemie mit Lockdowns und Arbeiten<br />
im Homeoffice. Das hat das Arbeitsumfeld mit<br />
Blick auf Gesundheit und Zufriedenheit stark verändert<br />
und Führungskräfte spielen da die ganz entscheidende<br />
Rolle. Viele Arbeitnehmende haben die Zeit genutzt,<br />
um ihre Lebensziele zu überdenken. Die Burn-out-Quoten<br />
haben im Vergleich zu den Jahren davor deutlich<br />
zugenommen – auf über 30 Prozent im Schnitt. Das<br />
zeigt auch noch mal, wo der Druck für Führungskräfte<br />
entsteht. Und die Veranstaltungen, die bei uns am<br />
meisten nachgefragt werden, sind im dritten Jahr der<br />
Pandemie immer noch die zu den Themen New Work<br />
und Transformation der Führung. Führungskräfte sind<br />
unmittelbarer, direkter Kontakt zu den Mitarbeitenden<br />
und damit eine ganz wichtige Säule für kulturstiftende<br />
Arbeit und für Bindung. Da hängt natürlich noch viel<br />
mehr dran – wie etwa Mitarbeiterbenefits. Aber ich bin<br />
zutiefst überzeugt, dass materielle Bedingungen nicht<br />
das alleinige Merkmal sind. Führung ist ein entscheidender<br />
Hebel für Krankheitsquoten, Zufriedenheit der<br />
Mitarbeiter und Fluktuation.<br />
Einem Gallup-Report zufolge sind Chefs und Chefinnen<br />
häufig der Grund, warum Mitarbeiter kündigen.<br />
Jeder zweite Befragte gab zu, einen Job<br />
bereits verlassen zu haben, weil man Probleme mit<br />
dem Vorgesetzten hatte. Überrascht Sie das? Nein,<br />
überhaupt nicht. Führungskräfte sind der Schlüssel für<br />
die Attrahierung, die Anziehungskraft, eines Unternehmens.<br />
Wie authentisch, ehrlich und empathisch eine Führungskraft<br />
ist, ist zunehmend entscheidend – auch mit<br />
Blick auf die neuen Generationen Y und Z. Die erwarten<br />
auch eine ganz andere Form von offenem Feedback. Die<br />
höchste Form der Wertschätzung ist aber für mich, sich<br />
bei allem Stress Zeit zu nehmen – Zeit für echte Führung.<br />
Wir alle sind verhaftet im operativen Geschäft, manch<br />
einer versteckt sich aber auch gern dahinter.<br />
Was macht eine gute Führungskraft ansonsten<br />
noch aus? Führung ist nicht mehr wie in den 2000er<br />
Jahren geprägt durch Regeln, Strukturen und Ziele. Das<br />
hat sich vollkommen gedreht. Der Begriff klingt sperrig,<br />
aber es geht weg von transaktionaler hin zu transformationaler<br />
Führung, das Beziehungsmanagement<br />
von Vorgesetzten und Mitarbeitenden wird also immer<br />
wichtiger. Sich Zeit zu nehmen, zuzuhören, authentisch<br />
zu sein. Führungskräfte müssen beispielsweise<br />
klimatische Missstimmungen erkennen. Was ist los in<br />
meinem Team, wo brodelt es? Ich muss leistungsstarke<br />
Mitarbeiter identifizieren und fördern, aber auch die<br />
Arbeit gerecht verteilen, damit nicht die guten Performer<br />
alle Arbeitspakete abkriegen. Am besten als Chef<br />
mit gutem Beispiel vorangehen und in einem Teammeeting<br />
gerade bei digitaler Führung auch mal von sich<br />
selbst berichten, etwa wie schwierig es auch für einen<br />
selbst ist, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Das<br />
ist authentisch und regt an, offen zu sein. Eine gute<br />
Führungskraft ist heute vielmehr Coach, Berater und<br />
Mentor – und bringt auch eigene Ideen ein, wie sie<br />
Mitarbeiterbindung gestalten möchte.<br />
Benötigt eine neue Art des Arbeitens und Führens<br />
auch neue gesetzliche Rahmenbedingungen?<br />
In Sachen mobiles Arbeiten bewegt sich die Regierung<br />
nur langsam. Aus meiner Sicht ist es total<br />
richtig, dass man Hubertus Heil gestoppt hat, einen gesetzlichen<br />
Anspruch auf mobiles Arbeiten zu schaffen.<br />
Das halte ich persönlich für vollkommen überzogen.<br />
Das lässt sich auf Betriebsebene viel besser und pragmatischer<br />
lösen. Als Gesellschaft für Personalführung<br />
sehen wir ja auch, dass die Betriebsvereinbarungen<br />
heute schon vielfach vorsehen, 30 oder 40 Prozent der<br />
Arbeitszeit mobil zu arbeiten. Dazu ist es oft machbar,<br />
bis zu drei Wochen pro Jahr innerhalb oder sogar außerhalb<br />
Europas als Workation mobil zu arbeiten – im<br />
Rahmen des steuerlich und sozialversicherungsrechtlich<br />
Möglichen. Alles andere gibt es bei uns in Deutschland<br />
ja schon – über den Arbeitsschutz, Unfallschutz, Versicherung,<br />
Haftung von Arbeitsmitteln und nicht zuletzt<br />
durch die Regelungen zur Telearbeit. Der gesetzliche<br />
Rahmen reicht da im Moment völlig aus. Nur beim Thema<br />
Workation könnte man schauen, ob der bürokratische<br />
Aufwand gerade bei den Nicht-EU-Staaten und<br />
bei der benötigten A1-Bescheinigung nicht zu hoch ist,<br />
und nachbessern.<br />
Mehr zum Thema Personalführung<br />
zur Mitarbeiterbindung, aber auch zu<br />
Employer Branding und Employee<br />
Experience gibt’s zu hören – im iGZ-<br />
Pocast Verbandelt mit Ralf Steuer!