fng MAGAZIN 6 2022
Food Nonfood Getränke
Food Nonfood Getränke
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VON DREI SEITEN BETRACHTET<br />
VON DREI SEITEN BETRACHTET<br />
Selbstverständlich haben sich mittlerweile auch<br />
Handels-und Eigenmarken angesichts der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung verteuert, aber sie sind in der Regel<br />
immer noch deutlich preiswerter als die Produkte der<br />
großen Hersteller, manchmal sogar um 40 Prozent. Mehr<br />
und mehr werden Händler auch zu Produzenten. Aldi<br />
Nord zum Beispiel erwarb kürzlich zwei Standorte der Altmühltaler<br />
Mineralbrunnen, um dort die Produktion zu forcieren.<br />
Die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören,<br />
bietet längst selbst produzierte Getränke, Kaffee,<br />
Nudeln, Schokolade und mehr an. Rewe und Edeka, zwei<br />
immens Große im deutschen Lebensmittelhandel, verweisen<br />
betont auf ihre Eigenmarken. In<br />
letzter Zeit hätten sie im zweistelligen<br />
Prozentbereich zugenommen,<br />
heißt es bei Rewe. Grund sei, dass<br />
immer mehr Menschen sehr genau<br />
auf ihr Geld achten müssten und gezielt<br />
zu qualitativ vergleichbaren Eigenmarken<br />
greifen. Mit diesem Sortiment<br />
wollen die Händler zugleich<br />
die Markenhersteller disziplinieren,<br />
keine zu hohen Preissteigerungen<br />
für ihre Produkte durchzusetzen. Dafür<br />
nehmen sie sogar in Kauf, dass<br />
die Margen für Eigenmarken meist<br />
geringer ausfallen als die für die allseits<br />
bekannten Markenartikel.<br />
Zum Ende des Jahres regnen<br />
Prognosen auf unsere<br />
Köpfe, wie es in den kommenden<br />
Monaten weitergeht mit der deutschen<br />
Wirtschaft in diesen Krisenzeiten.<br />
Tatsächlich ist eine präzise<br />
Beurteilung sehr schwer, weil<br />
niemand den Verlauf der Corona-<br />
Pandemie und des grässlichen<br />
russischen Krieges in der Ukraine<br />
im anstehenden Winter mit allen<br />
denkbaren negativen Folgen vorhersagen<br />
kann.<br />
Nicht mehr, als nur der<br />
Blick in die Glas kugel<br />
glaublich hoch, im Oktober betrug sie aber noch 10,4<br />
Prozent. Nach mehreren Schüben auf dem Thermometer<br />
der Teuerung war das erstmals wieder ein Rückgang.<br />
Und auch an den Tankstellen fallen die Preise. Rohöl ist<br />
wieder günstiger geworden, das wirkt sich auf die Anzeigen<br />
über den Zapfsäulen aus. Super E10 zum Beispiel<br />
lässt sich gegenwärtig vielerorts für unter 1,80 Euro je<br />
Liter befüllen. Auch Heizöl kann preiswerter eingekauft<br />
werden. Es kostet aktuell für 100 Liter knapp 50 Euro<br />
weniger als noch im Oktober. Einen Lichtblick gibt´s<br />
auch bei den Erzeugerpreisen. Der Preisauftrieb lag im<br />
Oktober im Jahresvergleich bei 34,5 Prozent, im Monat<br />
davor betrug er noch 45,8 Prozent. Das war der erste<br />
Rückgang seit Mai 2020. Marktexperten hatten eher mit<br />
einem weiteren Anstieg gerechnet. Vielleicht kann diese<br />
sanfte Entspannung auch bei den Verbrauchern ankommen,<br />
denn Produzentenpreise gelten in der Regel als<br />
Vorläufer für die Entwicklung der Lebenshaltungskosten.<br />
Und die haben es zurzeit in sich. Nahrungsmittel<br />
waren auf Erzeugerebene im Oktober knapp 25 Prozent<br />
teurer als im gleichen Monat des Vorjahres: Butter<br />
plus 66 Prozent, Schweinefleisch plus 47 Prozent,<br />
Käse und Quark plus 38 Prozent, Milch plus 36 und<br />
Kaffee plus 29 Prozent, um nur einige Beispiele zu<br />
nennen. Dabei haben die Unternehmen ihre drastisch<br />
gestiegenen Einkaufspreise noch gar nicht in vollem<br />
Umfang an ihre Kunden weitergegeben. Das soll erst<br />
im kommenden Jahr peu à peu geschehen, aber auch<br />
erst bis zu 50 Prozent. Eine relativ schwache Nachfrage,<br />
hoher Wettbewerbsdruck und langfristige Vertragslaufzeiten<br />
sind dafür die wesentlichen Gründe. Sollten<br />
die Preise nach dem nächsten Frühjahr erneut klettern,<br />
entstehen natürlich neue Unwägbarkeiten – für den<br />
Handel ebenso wie für die Konsumenten mit Blick auf<br />
das eigene Portemonnaie.<br />
Dennoch: Durch den kommenden Winter kommt<br />
unser Land wahrscheinlich deutlich besser als zunächst<br />
erwartet. Die Wirtschaft ist im dritten Quartal<br />
gegenüber dem Vorjahrszeitraum um 1,2 Prozent gewachsen<br />
und trotzt der Unbilden schwieriger weltwirtschaftlicher<br />
Rahmenbedingungen mit anhaltender<br />
Corona-Pandemie, gestörten Lieferketten, steigenden<br />
Preisen und dem russischen Überfall auf die Ukraine.<br />
Für das kommende Jahr wird ein Wirtschaftsminus<br />
von 0,2 Prozent prognostiziert. Aber viele Ökonomen<br />
betonen, dass man dies schwerlich als Fall in die Re-<br />
Die einen verheißen vorsichtigen Optimismus, die anderen<br />
sehen die Entwicklung eher pessimistisch. Niemand weiß Genaues,<br />
letztlich ist es nicht mehr als der Blick in die Glaskugel.<br />
Werfen wir doch mal einen<br />
Blick auf die gegenwärtige Lage.<br />
Die Inflation ist im November überraschend<br />
gefallen. Mit zehn Prozent<br />
liegt sie natürlich nach wie vor unzession<br />
bezeichnen könne, zumal das Barometer danach<br />
wieder eher auf Hoch ausschlagen werde.<br />
Die Berliner Entscheidungen<br />
stützen den wichtigen<br />
Wirtschaftspfeiler Konsum<br />
Und in der Tat: Die Stimmung in den Chefetagen<br />
vieler bedeutender Unternehmen hat sich zu<br />
Beginn der kalten Jahreszeit überraschend gebessert.<br />
Nach Angaben des Münchner ifo-Instituts stieg der<br />
Geschäftsklimaindex im November um 1,8 auf 86,3<br />
Punkte. Der Index gilt als wichtigster Frühindikator<br />
für die deutsche Konjunktur. Dies hat wahrscheinlich<br />
viel zu tun mit den Beschlüssen der Bundesregierung<br />
für eine Strom- und Gaspreisbremse. Vielen Unternehmen<br />
hat das offenbar einiges an Unsicherheit vorerst<br />
genommen. Die Berliner Entscheidungen stützen den<br />
wichtigsten Pfeiler der deutschen Wirtschaft, den Konsum.<br />
Die Entlastungen bei den Energierechnungen<br />
kosten die Steuerzahler langfristig zwar Milliarden,<br />
dürften kurzfristig aber das Weihnachtsgeschäft ankurbeln<br />
und den Einzelhandel vor dem Schlimmsten<br />
bewahren. Die Einkäufe zum Fest – so die Prognosen<br />
– werden wahrscheinlich um bis zu vier Prozent geringer<br />
ausfallen als im letzten Jahr, wegen der hohen<br />
Inflationsrate aber mehr Euros in die Kassen spülen.<br />
Konsumenten geben weniger Geld für<br />
den täglichen Haushaltsbedarf aus<br />
Längst hat sich der Lebensmittelhandel auf die<br />
neue Lage eingestellt: Die Konsumenten geben angesichts<br />
der immens gestiegenen Preise weniger Geld<br />
für den täglichen Haushaltsbedarf aus und achten<br />
auf die Preise. Deshalb verkaufen Händler neben den<br />
bekannten Markenprodukten immer häufiger auch<br />
Handels- und Eigenmarken. Sie sind in der Regel günstiger,<br />
für die Verbraucher willkommene Gelegenheit,<br />
Geld zu sparen ohne größeren Qualitätsverlust der<br />
Ware. Zunehmend mehr Hersteller produzieren auch<br />
Eigenmarken für bestimmte Händler unter deren Namen.<br />
Dabei handelt es sich nicht unbedingt um die<br />
exakte Kopie des teuren Markenprodukts, weil zumeist<br />
andere Rezepturen und Inhaltsstoffe verwendet werden.<br />
Aber qualitativ sind sie durchaus akzeptabel.<br />
Abseits der gegenwärtigen Krisen<br />
haben wir in Deutschland ein<br />
weiteres Problem: den Mangel an<br />
Fachkräften. In vielen Stadtteilen<br />
unseres Landes müssen kleine Betriebe,<br />
sehr häufig alteingesessene<br />
Bäckereien und Metzgereien, die<br />
Türen für immer schließen, weil sie<br />
entweder keine Nachfolger oder<br />
gut ausgebildetes Personal finden.<br />
Ein Trauerfall für die Kleinbetriebe,<br />
ein Verlust für die regionale Struktur.<br />
Nach Angaben des ifo Instituts<br />
in München suchen 50 Prozent der<br />
Unternehmen in Deutschland Fachkräfte,<br />
ein neuer Höchststand. Das<br />
führt dazu, dass immer mehr Betriebe<br />
ihre eigentlich gut laufenden<br />
Geschäfte einschränken müssen,<br />
weil sie kein geeignetes Personal<br />
finden. Mittel- und langfristig, so<br />
heißt es, wird diese Komplikation<br />
noch schwerwiegender werden.<br />
Probleme hier, manche Lichtblicke<br />
dort. Bis sich einige neue<br />
Zeichen am Horizont erhellen und<br />
uns wirklich zeigen, wie es verlässlich<br />
weitergeht, wird es wohl noch<br />
viele, viele Monate dauern. Bis dahin<br />
bleibt immer nur der Blick in die<br />
Glaskugel, und der war – wie wir<br />
alle wissen – noch nie verlässlich.<br />
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<strong>fng</strong>-magazin: Der Markenmonitor<br />
für den Lebensmittelhandel<br />
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