221214 neue Texte K8 Q2020 04
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Ein Produktionsverbund
sichert Perspektiven
Ein entscheidender Baustein für die Zukunftssicherung
des Kalibergbaus ist in den ersten Jahren nach
2000 das Sylvinitprojekt. Sein Ziel ist es, ab 2005
jährlich 1,5 Millionen Tonnen Sylvinit von Thüringen
nach Hessen zu bringen. Das hochwertige
Rohsalz wird im Grubenfeld Unterbreizbach tief
unter der Thüringer Rhön abgebaut und unterirdisch
über eine viele Kilometer lange Förderverbindung
zur Fabrik am Standort Wintershall des
Werkes Werra in Heringen (Hessen) gebracht.
Auch wenn in Thüringen manchmal im Vorfeld des
Projektes vom „Raub“ des Salzes durch die Hessen
gesprochen wurde, liegen die Vorteile auf beiden
Seiten der Landesgrenze. Das abgebaute sylvinitsche
Rohsalz kann in der Fabrik Unterbreizbach nicht in
diesen Mengen verarbeitet werden, weil sie nicht
speziell auf die Sylvinitverarbeitung ausgerichtet ist.
Von daher bliebe dieser hochwertige Lagerstättenteil
wahrscheinlich einfach ungenutzt. So wird er
abgebaut, stärkt den Standort Unterbreizbach und
sichert somit eine hohe Anzahl von Arbeitsplätzen
in diesem letzten, noch aktiven Thüringer Kaliproduktionsbetrieb.
Für die Fabrik Wintershall besteht der Vorteil darin,
dass sie ohnehin auf Sylvinit ausgelegt ist und nun
mit dem Salz aus Thüringen der Wertstoffgehalt des
dort verarbeiteten Rohsalzes maßgeblich gesteigert
werden kann. Während in der Grube Unterbreizbach
die Fördermenge wächst, kann sie im Gegenzug
in der Grube Hattorf/Wintershall abgesenkt
werden. Wegen des hohen Wertstoffgehaltes des
zugelieferten Salzes sinkt hier die Abbaumenge,
während dennoch die Menge der im Werk Werra
hergestellten Produkte um 250.000 Tonnen pro Jahr
steigt. Insgesamt betrachtet muss weniger abgebaut
werden, aber es können mehr Produkte produziert
werden. Das hat einen sehr positiven Effekt für die
Wirtschaftlichkeit des Verbundwerkes Werra
insgesamt.
Die hohe Bedeutung ist ausschlaggebend für den
ambitionierten Zeitplan zur Umsetzung der
technisch, rechtlich und organisatorisch anspruchsvollen
Maßnahmen, die nach 2003 in nur zwei
Jahren verwirklicht werden sollen. In Unterbreizbach
müssen unter Tage dafür mehrere Kilometer
Strecke errichtet, drei Lager-Bunker gebaut und ein
neues Abbaurevier in Betrieb genommen werden.
Auf hessischer Seite sind unter Tage kilometerlange
Strecken zu sanieren, in denen zukünftig die
Bandanlagen in Richtung Thüringen installiert
werden. Hinzu kommt am Schacht Grimberg in
Heringen ein weiterer unterirdischer Bunker, um die
Wertstoffgehalte im Rohsalz vor der Förderung nach
über Tage gleichmäßiger zu gestalten.
Mit dem Sylvinitprojekt geht eine besondere
Premiere einher. Zum ersten Mal wird durch den
Sicherheitspfeiler eine Verbindung zwischen
Bergwerksfeldern in Hessen und Thüringen
geschaffen, was vor der Genehmigung umfangreiche
bergrechtliche Verfahren erforderlich gemacht hat.
Es handelt sich um eine reine Förderverbindung, die
baulich so konstruiert ist, dass es im Notfall
jederzeit möglich ist, sie sicher zu verschließen.
Dazu wird in Thüringen das obere Flöz Hessen für
den Streckenbau genutzt. Dieser Strecke kommen
die Hessen durch das untere Flöz Thüringen
entgegen.
Die Verbindung wird durch ein Rollloch hergestellt,
durch das der Sylvinit aus Thüringen auf seinem
Weg zur Weiterverarbeitung nach Hessen im freien
Fall stürzt.
„Glückauf der Steiger kommt …“
Nach über 100 Jahren Bergbau hat das Lied „Glückauf
der Steiger kommt“ als wohl bekanntestes
Bergmannslied auch an Werra und Fulda seinen
Platz gefunden. Bei vielen Veranstaltungen in der
Region ist es ein fester Programmbestandteil des
Programms und ist, gemeinsam gesungen, immer
wieder ein eindrucksvolles Beispiel für die starke
Verbundenheit vieler Menschen mit dem Kalibergbau.
Wie sehr der Bergbau und seine besondere Kultur
verwurzelt sind, zeigt in beeindruckender Weise der
erfolgreiche 10. Deutsche Bergmanns-, Hütten- und
Knappentag. Im September 2004 prägten Bergmannsvereine
aus ganz Deutschland und darüber
hinaus für ein Wochenende das Bild in der Kalistadt
Heringen. Organisiert hatte die Veranstaltung der
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Hessische Landesverband im Bund deutscher
Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine e.V. in
Zusammenarbeit mit der Stadt. Ihr Höhepunkt war
zweifelsohne die große Bergparade mit mehreren
tausend Teilnehmern, die bei strahlendem Spätsommerwetter
viele tausend Menschen als Besucher
nach Heringen gelockt hat.
Die Anwesenheit vieler hochkarätiger Persönlichkeiten
aus Politik und Wirtschaft, z.B. der Bundeswirtschaftsminister
und der hessische Ministerpräsident,
hat die Bedeutung des Kalibergbaus
unterstrichen und war ein Ausrufezeichen der
großen Wertschätzung für die Arbeit der Bergleute
und ihre Traditionen.
Die Heilige Barbara spielt als Schutzpatronin der
Bergleute schon seit Jahrhunderten eine besondere
Rolle in den Regionen Deutschlands, wo es eine seit
langer Zeit währende bergmännische Tradition gibt.
Deshalb hat diese besondere Schutzheilige auch im
hessisch-thüringischen Kalirevier eine herausragende
Bedeutung. Alljährlich finden zu ihrem Gedenken
und als Ausdruck des bergmännischen Zusammengehörigkeitsgefühls
rund um den Barbaratag am 4.
Dezember Gedenkveranstaltungen oder spezielle
Gottesdienste statt. Sie bieten eine willkommene
Gelegenheit, um sich gemeinsam die Entwicklungen
und Ereignisse in den Bergwerken im vergangenen
Jahr vor Augen zu führen.
Ein besonderer Höhepunkt auf dem Gebiet bergmännischer
Traditionspflege ist die seit Mitte der
1990er Jahre vom Bergmannsverein Glückauf
Wintershall e.V. in Heringen veranstaltete Kirchschicht,
die immer im Februar stattfindet. Im
Mittelpunkt steht ein ökumenischer Gottesdienst,
der sich thematisch auf den Bergbau bezieht und
von den Mitgliedern des Bergmannsvereins aktiv
mitgestaltet wird. Im Anschluss daran nehmen die
aus ganz Deutschland zusammengekommenen
Bergleute in ihren traditionellen Trachten an einer
Bergparade durch den Ort teil. Den Abschluss bildet
ein gemeinsames, musikalisch zünftig umrahmtes
Tzscherperfrühstück.
Von besonderer Bedeutung für die bergbaulichen
Traditionen und die Bergbaugeschichte sind auch
eine Reihe von Vereinen. Dem Förderkreis Werra-
Kalibergbau-Museum e.V. geht es darum, das
Bergbaumuseum in Heringen als den zentralen Ort
zur Geschichte des Kalireviers mit Rat und Tat zu
unterstützen.
Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen sind die
Bergmannsvereine in Heringen, Neuhof und
Unterbreizbach eine feste Größe auf dem Gebiet der
Pflege und Fortführung der bergmännischen
Traditionen. Als Botschafter für den Kalibergbau
sind sie gern gesehene Gäste bei bergmännischen
Traditionsveranstaltungen nicht nur in Deutschland,
sondern in ganz Mitteleuropa. In Philippsthal tritt
der Verein zur Pflege bergmännischem Brauchtums
St. Barbara mit einem Barbara Gottesdienst hervor.
Unterstützung erfahren diese Vereine durch die
Bergmannskapellen an den Werksstandorten von
K+S in Hattorf, Wintershall und Unterbreizbach.
Gründe zur Rückschau
und zum Feiern
Nach dem Jahr 2000 haben die Menschen in fast
allen Kaliwerken Grund dazu, auf die Geschichte
zurück zu blicken oder sich an besondere Anlässe zu
erinnern. Kurz vor dem Jahr 1900 und in den ersten
Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Kalibergbau im
Revier Fahrt aufgenommen. Daher häufen sich nun
runde Jahreszahlen. Es beginnt mit dem Standort
Wintershall. Dort wird im Jahr 2003 seit 100 Jahren
Kalisalze gefördert und verarbeitet. Damit ist es das
älteste noch in voller Förderung stehende Kalibergwerk
der Welt.
Im Jahr darauf kann das, allerdings von 1926 bis in
die ersten Jahre nach dem II. Weltkrieg stillgelegte
Kaliwerk Neuhof-Ellers auf den 50. Jahrestag der
Wiederaufnahme seiner Produktion zurückschauen.
Nur zwei Jahre später (2006) folgt dann mit der 100.
Wiederkehr des Teufbeginns von Schacht Neuhof
ein weiteres Jubiläum. In Unterbreizbach ist es im
Jahr 2005 soweit, denn am 21. August vor einhundert
Jahren hat die damalige Kalibohrgesellschaft
Sachsen-Weimar mit dem Bau ihres ersten Schachtes
begonnen. Im selben Jahr reiht sich der Standort
Hattorf in den Reigen ein. Der Beginn des Schachtbaus
jährt sich auch hier zum 100. Mal. Mit einem
Festakt und einem Tag der offenen Tür feierten die
Menschen in der Region im Jahr 2011 das 20-jähri-
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ge Bestehen des Besucherbergwerkes („Erlebnis
Bergwerk Merkers“). Gleichzeitig wird auch an den
Teufbeginn der beiden heute noch weithin sichtbaren
Schächte Merkers II und III mit ihren markanten
Fördergerüsten im Jahr 1911 erinnert.
Organisatorische Veränderungen
Das neue Jahrtausend läutet die K+S AG erfolgreich
ein. Das Jahr 2000 kann als das bislang erfolgreichste
Jahr der Firmengeschichte verbucht werden. Auch
wenn es in der Folge ein ständiges auf und ab gibt,
sind die ersten Jahre nach der Jahrtausendwende
insgesamt betrachtet für das Unternehmen wirtschaftlich
erfolgreich. Im Jahr 2004 gelingt es ein
weiteres Mal, ein historisch gutes Firmenergebnis zu
erzielen. Die K+S ist damals für viele Marktbeobachter
eine „Perle“ im deutschen Aktienmarkt.
Das ist kurz nach dem 10. Jahrestag der deutschdeutschen
Kalifusion im Dezember 2003 ein
deutlicher Beleg dafür, dass die anfangs umstrittene
Zusammenlegung der Kali- und Steinsalzaktivitäten
der ost- und westdeutschen Kaliindustrie (Mitteldeutsche
Kali AG und Kali und Salz AG) ein Erfolg
war. Im Vorfeld der Fusion der wirtschaftlich
stärksten Produktionsstandorte in Ost und West war
es in den neuen und alten Bundesländern bereits zu
Werksschließungen und damit zum Verlust von
Tausenden von Arbeitsplätzen gekommen. Die
betroffenen Standortgemeinden wurden durch die
Schließung ihrer strukturprägenden Betriebe
wirtschaftlich allerdings stark geschwächt. Das
populärste, weil medial besonders beachtete Beispiel
ist der im Juli 1993 begonnene und 80 Tage andauernde
Hungerstreik der Kalikumpel im Werk
Thomas Müntzer in Bischofferode in Thüringen.
Aber insgesamt ist festzustellen, dass sich das neue
gesamtdeutsche Unternehmen, die Kali und Salz
GmbH, nach der Kalifusion 1993 stabilisiert und
erfolgreich fortentwickelt hat. Eine Leistung, die
hoch zu bewerten ist, da das Marktumfeld damals
alles andere als günstig war und die Kaliindustrie
weltweit von Überkapazitäten und meist schlechten
Weltmarktpreisen belastet wurde.
Nach der Jahrtausendwende sollen die Erfolge auch
mit organisatorischen Maßnahmen verstetigt
werden. Im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen
Neuorganisation entsteht im Oktober 2001 durch
die Trennung der beiden Geschäftszweige Salz und
Kali die K+S KALI GmbH. Das Salzgeschäft, also
das zweite große Standbein von K+S, wird zum 1.
Januar 2002 in ein Joint Venture mit der Solvay
eingebracht. K+S ist an der esco – european salt
company mit 62 Prozent und Solvay mit 38 Prozent
beteiligt.
Mit rund 8.000 Mitarbeitern, davon über 5.000 in
den Werken Werra und Neuhof-Ellers, ist die K+S
KALI GmbH die größte Tochtergesellschaft der als
Holding fungierenden K+S Aktiengesellschaft. In
der K+S KALI GmbH werden alle Aktivitäten des
Geschäftsbereiches Kali- und Magnesiumprodukte
gebündelt. Verbunden mit der Neuorganisation ist
nach außen die Hoffnung, eine höhere Leistungsfähigkeit
zu erzielen, die Sichtbarkeit und Schlagkraft
auf den Hauptmärkten zu steigern und als Produzent
mit dem weltweit größten Spektrum an Spezialprodukten
auf dem Weltmarkt eine bedeutende
Rolle zu spielen. Nach innen soll die neue Struktur
den Mitarbeitenden eine prägnante unternehmerische
Identität vermitteln und die Identifikation mit
ihrer Tätigkeit verstärken.
Im Jahr 2001 wurde, auch auf Initiative einzelner
Standorte, das bestehende betriebliche Vorschlagswesen
durch ein überarbeitetes und in modernere
Form gebrachtes Ideenmanagement abgelöst. Dazu
werden spezielle Strukturen aufgebaut. Das bisher
als betriebliches Vorschlagswesen arbeitende
Ideenmanagement wird ab 2003 zum „Kontinuierlicher
Verbesserungsprozess“ (KVP) nach und nach
an allen Standorten des Unternehmens eingeführt.
Mit KVP wird ein wirksames Instrument geschaffen,
um Ideen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zu heben und ihren Ideenreichtum mit attraktiven
Geld- und Sachprämien zu belohnen. Es geht dabei
im Wesentlichen darum, die Mitarbeiter zum Mittun
und Mitdenken bei der Verbesserung der Abläufe
und ihres Arbeitsumfeldes anzuspornen.
KVP bleibt die offizielle Bezeichnung für alle
Aktivitäten rund um das Ideenmanagement; die
Werke hingegen geben sich eigene Bezeichnungen
dafür, um eine stärkere Identifikation der Belegschaft
mit ihrem Standort zu bewirken. So wird aus
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KVP im Werk Werra die „Ideen Quelle Werra“ (IQW)
und das Werk Neuhof-Ellers stellt KVP unter das
eigene Motto WfI („Wir fördern Ideen“).
Allein im Werk Werra sind über die Ideenquelle
IQW seit ihrer Einführung im November 2003 bis
Anfang 2021 rund 100.000 Ideen eingereicht und
etwa 57.000 davon umgesetzt worden. Der nachhaltige
Wirtschaftlichkeitseffekt beläuft sich in diesem
Zeitraum auf rund 40 Millionen Euro. Im Werk
Neuhof-Ellers wurde KVP bzw. WfI im September
2003 eingeführt. Bis heute (Stand Mai 2021) wurden
dort mehr als 19.500 Ideen eingereicht, davon
wurden über 9.700 Vorschläge umgesetzt. Der
nachhaltige Wirtschaftlichkeitseffekt (Nutzen)
beläuft sich in diesen Zeitraum auf rund 4,68
Millionen Euro.
Demographischer Wandel, Fachkräftemangel
und Ausbildung
In Deutschland ist die Bevölkerungsentwicklung
seit vielen Jahren von zu niedrigen Geburtenraten
gekennzeichnet. Das führt dazu, dass es immer
weniger junge Menschen in einer beständig älter
werdenden Bevölkerung gibt. Hinzu kommen
spezielle regionale Entwicklungen. Im Einzugsgebiet
des Werkes Werra und seiner Standorte findet neben
der allgemeinen Alterung der Bevölkerung zusätzlich
eine spürbare Abwanderung vor allem von
jungen Menschen statt. Deshalb sinken die Einwohnerzahlen
in den Standortkommunen und in ihrem
regionalen Umfeld.
Anders stellt sich die Situation im Raum Neuhof dar.
Er gerät wie das gesamte Umfeld von Fulda immer
stärker in den Sog des wirtschaftlich sehr starken
Rhein-Main-Gebietes. Das führt zu weitgehend
stabilen, teilweise sogar wachsenden Bevölkerungszahlen
und geht einher mit einem deutlichen
Gewinn an wirtschaftlicher Stärke. Zusammen mit
der allgemeinen demographischen Entwicklung
vermindern beide Prozesse zusätzlich das verfügbare
Potenzial an Arbeitskräften.
Das ist eine Situation, die nicht ohne Auswirkungen
auf die Kaliwerke bleiben kann. In der Region ist der
Kalibergbau der größte industrielle Arbeitgeber, der
mehrere tausend, häufig hochqualifizierte Arbeitsplätze
anbietet. Deshalb müssen Jahr für Jahr viele
Arbeitsstellen neu besetzt werden. Nur so kann die
normale Arbeitskräftefluktuation aufgefangen und
durch die Ausbildung junger Menschen der ständig
benötigte Nachwuchs für die Standorte bereitgestellt
werden. Was bei einem ausreichenden Arbeitskräfteangebot
aufgrund der Qualität der angebotenen
Arbeitsmöglichkeiten jahrzehntelang mehr oder
weniger ein Selbstläufer war, entwickelt sich jetzt zu
einer höchst anspruchsvollen Aufgabe.
Im Hinblick auf die Nachwuchsgewinnung genügen
der bloße Verweis auf die eigene wirtschaftliche
Bedeutung und die bekannt hohe Ausbildungsqualität
nicht mehr. Letzteres wird immer wieder durch
die sehr erfolgreiche Teilnahme von Auszubildenden
in landes- und bundesweiten Vergleichswettbewerben
eindrucksvoll belegt. Deshalb sind gerade im
Ausbildungsbereich immer neue Ideen notwendig,
um die angebotenen Plätze zu besetzen. Eine von
vielen in diesem Zusammenhang ergriffenen
Maßnahmen ist die seit 2007 bestehende modellhafte
Kooperation mit der Werratalschule in Heringen
(Werra). Sie ermöglicht es den Schülerinnen und
Schülern neben dem Erwerb des Abiturs eine zweite
berufsqualifizierende Ausbildung als Chemisch-
Technische/r Assistent/in (CTA) zu absolvieren.
Seit dem Jahr 2010 wird im Werk Werra erfolgreich
der „Abend der offenen Ausbildung“ durchgeführt.
Er wird ab dem Jahr 2020 in Erlebnistag Ausbildung
umbenannt. Hier können sich junge Menschen
alleine oder zusammen mit ihren Eltern vor Ort in
der zentralen Ausbildungswerkstatt Hattorf über die
angebotenen Berufsfelder informieren und zwanglos
mit Ausbildern und Auszubildenden ins Gespräch
kommen. Weitere Angebote zur Berufsorientierung
sind der „Girls day“ (heute: Zukunftstag)
und die Möglichkeit, bei einem Betriebspraktikum
„Kaliluft“ zu schnuppern. Die Teilnahme an
verschiedenen Ausbildungsmessen rundet die
vielfältigen Aktivitäten zur Nachwuchsgewinnung
ab.
Neue Berufe und Frauen im Bergwerk
Nach einer Neuordnung der entsprechenden
Ausbildungsgänge wird der bergmännische Nachwuchs
ab 2009 nicht mehr als Bergmechaniker
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ausgebildet. Jetzt gehen Bergbautechnologen und
-technologinnen an den Start.
Ausdruck einer Zeitenwende im Bergbau ist, das die
Ausbildungsordnung entsprechend geöffnet wird
und nun auch weibliche Bergleute ausgebildet
werden. Durch gesetzliche Änderungen zum Abbau
beruflicher Diskriminierungen stehen Bergbauberufe
nun auch Frauen offen. Jetzt können sie auch
unter Tage in allen Berufsfeldern arbeiten. Anfangs
noch selten, sind Frauen bei der Arbeit z.B. im
Grubenbetrieb Hattorf-Wintershall mittlerweile zu
einem alltäglichen Anblick geworden. Ein Meilenstein
der Gleichberechtigung wird 2010 erreicht, als
erstmals in der Geschichte des Bergbaus in Deutschland
eine Frau im Werk Neuhof-Ellers zur Leiterin
des Grubenbetriebs ernannt wird.
Investitionen und Verbesserungen
Eine Vielzahl von größeren und kleineren Investitionsmaßnahmen
tragen dazu bei, die Standorte
kontinuierlich technisch aufzurüsten und in den
Stand für eine erfolgreiche Produktion zu versetzen.
Ein wichtiger Meilenstein auf dem Gebiet des
Umweltschutzes und der Verbesserung der Abwassersituation
des Werkes ist die Einführung eines
computergestützten Verfahrens zur Salzlaststeuerung
im Jahr 2000. Damit ist es möglich, den Abfluss
der Werra im Zwei-Stunden-Takt zu bilanzieren und
die optimalen Abstoßmengen für alle Einleitstellen
zu errechnen. Die Salzlaststeuerung ermöglicht,
verlässlich den geltenden Grenzwert für Chlorid von
2.500 Milligramm pro Liter einzuhalten. Ebenfalls
im Jahr 2000 wird eine Anschlussbahn zwischen
den beiden Werksstandorten Unterbreizbach und
Hattorf in Betrieb genommen. Sie verbessert die
Möglichkeiten für den Abtransport der Produkte
des Standortes Unterbreizbach auf der Schiene ganz
maßgeblich. Es entfällt nicht nur die Anbindung
nach Vacha mit ihrer großen Steigung, auch der
zeitraubende Umweg der Kalizüge über Bad
Salzungen und Eisenach kann nun vermieden
werden und ganz allgemein wird die Transportlogistik
des Werkes Werra deutlich verbessert. Im Jahr
2004 geht in der Fabrik Unterbreizbach ein neuer
Rohsalzspeicher in Betrieb, nachdem bereits zuvor
als größere Investition im Kraftwerk eine neue
Dampfturbine eingebaut wurde.
Der Standort Hattorf bekommt 2006 eine neue
Fördermaschine. Die Fabrik Wintershall erfährt im
Zuge des schon beschriebenen Sylvinit-Projektes in
Teilbereichen notwendige Anpassungsmaßnahmen.
Weitere Investitionen waren die Errichtung des
Besucherzentrums des Erlebnis Bergwerk Merkers,
der Rückbau der Kieserithalden an den Standorten
Unterbreizbach und Hattorf, und der Bau des
Ausbildungszentrums in Hattorf.
In den Bergwerken verlangen neue Bedingungen
und veränderte Lagerstättenverhältnisse immer
wieder Anpassungen um die Leistungsfähigkeit der
Grubenbetriebe nicht nur zu erhalten, sondern zu
steigern. Ein Beispiel von vielen sind die im Jahr
2008 eingeführten nur noch 1,65 m hohen, aber
dennoch mit einer 12 Tonnen-Ladeschaufel ausgestatteten
SLP 12-Lader, die es ermöglichen, in der
Grube Hattorf-Wintershall niedrige Lagerstättenteile
effektiv abzubauen.
Zuvor (ab dem Jahr 2000) beginnt man mit Versuchen,
von über Tage aus Ladetransportfahrzeuge in
der Grube automatisch zu steuern. Dazu wird ein
Steuerstand über Tage auf der Schachtanlage
Herfa-Neurode eingerichtet. Es zeigt sich allerdings
schon bald, dass das System zu störanfällig ist, so
dass man das Thema einer automatisierten Steuerung
erst einmal nicht weiter verfolgt. Vielversprechend
ist dagegen die Investition in das Thema
Virtuelle Ausbildung. So wird im Jahr 2009 auf der
Schachtanlage Herfa-Neurode ein Bohrwagenbedienstand
eingerichtet.
Dort kann virtuell und ohne Einsatz des echten
Fahrzeugs die Steuerung von z.B. Streckenbohrwagen
erlernt oder die Kenntnisse verfeinert werden.
Alles, was der Bediener veranlasst, wird auf einer
großdimensionierten Leinwand gezeigt. Dieses
erfolgreiche Beispiel wird später durch die Errichtung
eines automatisierten Laderbedienstandes
erweitert. Erfahrene Bergleute, aber auch der
bergmännische Nachwuchs, können dort die
Bedienung eines Laders erlernen bzw. ihre Fähigkeiten,
eine Großmaschine zu steuern, vollständig
virtuell erleben.
Wie die einzelnen Mosaiksteinchen der ständigen
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Verbesserung von Technik und Abläufen unter und
über Tage zusammen wirken, zeigt das Werk
Neuhof-Ellers im Jahr 2005. Nachdem eine Vielzahl
von Einzelmaßnahmen abgeschlossen sind, schafft
das Werk mit einer Fördermenge von über 3,7
Millionen Tonnen einen Jahresförderrekord, der
später (2016) auf vier Millionen Jahrestonnen
gesteigert wird. Damit es soweit kommen konnte,
war es erforderlich viele Millionen Euro in das Werk
zu investieren. Mit diesen Investitionen wurden die
Fabrikanlagen modernisiert und für den Grubenbetrieb
leistungsfähigere Maschinen und Fahrzeuge
beschafft. Für die Bergleute wird ein neues Kauengebäude
errichtet, das im Jahr 2003 in Betrieb geht.
Qualitätssicherung und Exploration
Das Erreichen verschiedener Zertifizierungen (z.B.
DIN EN ISO 9001; Good Manufacturing Practice)
und ihre seitdem immer wieder erfolgreich durchgeführte
Fortschreibung für einzelne Produktlinien
und Betriebsteile im Werk Werra unterstreichen den
Anspruch, im Hinblick auf die Produktqualität und
die Transparenz der Produktionsprozesse den
höchsten Ansprüchen zu genügen. Das gilt nicht nur
für den Bereich der hochreinen Salze in Pharmazie-,
Lebens- und Futtermittelqualität an den Standorten
Wintershall und Hattorf, wo besonders hohe
Qualitätsnormen zu erfüllen sind, sondern auch für
verschiedene andere Produktionsbereiche.
Auch wenn die alte Bergmannsweisheit „Vor der
Hacke ist es duster“ ihre Gültigkeit hat, versucht
K+S im Jahr 2005 mit einem geologischen Erkundungsprogramm
so viel Licht wie möglich „vor die
Hacke“ zu bringen. Eine überdimensionierte
„Rüttelplatte“ erzeugt „Mini-Erdbeben-Wellen“, die
nach ihrem Durchlauf durch die Gesteinsschichten
mit hunderten von hochempfindlichen Geophonen
aufgezeichnet werden. Das Ziel der umfangreichen
seismischen Untersuchung ist es, für die beiden
Werke Werra und Neuhof-Ellers genauere Kenntnisse
über die Lage und Ausbildung der Salzlagerstätte
in den Bereichen zu gewinnen, die in Zukunft
abgebaut werden sollen. Die Erkundung der
Lagerstätte und daraus abgeleitete Aussagen zu den
noch vorhandenen Vorräten sind von größter
Bedeutung, um abzuschätzen, wie lange im Revier
noch Kalirohsalz gefördert werden kann. Für das
Werk Werra sind insbesondere Informationen zur
Vorratssituation im Bereich des Feldes Marbach von
Interesse, da die zukünftige Hauptabbaurichtung
zunächst nach Westen von der Werra weg und an
der Haune entlang nach Süden in Richtung Fulda
verlaufen wird. Hier liegen noch fast 600 Millionen
Tonnen Rohsalz, die einen Kaliabbau bis etwa zum
Jahr 2060 ermöglichen, wenn es die wirtschaftlichen,
aber auch die politischen und gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen gerade im Hinblick auf
die Umweltauswirkungen zulassen.
Entsorgungsangebote
Seit 1973 wird im Werrarevier nicht nur Kalibergbau
betrieben, sondern auch Sondermüll und
belastetes Material in speziell vorbereiteten und
ausgebauten Grubenbauen eingelagert. Die unterschiedlichen
Entsorgungswege in der Untertage-Deponie
Herfa-Neurode (UTD) und in den Reststoffverwertungen
helfen dabei, die bei manchen
industriellen Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen
entstehenden Abfälle sicher zu lagern. Tief in
das Salzgebirge eingelagert, geht von ihnen nach
heutigen wissenschaftlichen und technischen
Erkenntnissen auch langfristig keine Gefahr für die
Biosphäre und damit für das Leben an der Erdoberfläche
aus.
Am Ende des 30. Betriebsjahres im Jahr 2003 waren
es insgesamt 2,4 Millionen Tonnen Abfälle, die bis
dahin in der UTD eingelagert worden sind. Sie gilt
immer noch weltweit als „Mutter aller Untertage-
Deponien“. Mit der Betriebserlaubnis für das neue
Deponiefeld III vergrößert sich im Jahr 2007 die
Deponiefläche weiter. Damit wird die Voraussetzung
geschaffen, auch zukünftig das langjährig erprobte
und in Fachkreisen anerkannte Entsorgungskonzept
weiter zu betreiben.
Daneben wird an allen fördernden Standorten des
Werkes Werra die Untertage-Verwertung von
Reststoffen betrieben. Es geht dabei vor allem um
die Einbringung von verunreinigten Aschen aus den
Filteranlagen von Kraftwerken und Industriebetrieben.
Hinzu kommen Rückstände aus der Verbrennung
von Klärschlamm. Neben dem Aspekt der
notwendigen, sicheren Entsorgung dieser Reststoffe,
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erfüllen sie spezielle bergbauliche Zwecke und
werden so noch sinnvoll verwendet. Die Grube in
Unterbreizbach nutzt sie beispielsweise dazu, um die
großen Kuppenabbaue nach Abschluss der Rohsalzgewinnung
zu verfüllen. Dies ist erforderlich, um
das Grubengebäude langfristig zu stabilisieren.
Die Umweltauswirkungen als großes
Thema
Schon in den Jahren vor der Jahrtausendwende
haben die mit der Kaliproduktion einhergehenden
Umweltauswirkungen immer wieder zu Diskussionen
geführt. Noch 2003 erregt die am 19. November
durch den Kasseler Regierungspräsidenten überreichte
Verlängerung der Einleitungserlaubnis von
Produktionsabwässern in die Werra für weitere
neun Jahre in der Öffentlichkeit nur wenig Aufsehen.
Dasselbe gilt für die in den Jahren 2003 und 2004
erteilten Genehmigungen zur Erweiterung der
Halden des Werkes Neuhof-Ellers und am Standort
Hattorf.
Aber die Frage, welche mit der Kaliherstellung
verbundenen Umweltauswirkungen hinnehmbar
sind, entwickelt sich immer stärker zu einem Faktor,
der für die Zukunft der Kaligewinnung im Revier
von ausschlaggebender Bedeutung ist. Immer
wieder verlangen die vorgeschriebenen Umweltauflagen
große Investitionen, was nicht ohne Einfluss
auf die Wirtschaftlichkeit der Kaliproduktion bleibt.
Die Finanzierung muss aus den Erlösen des
laufenden Geschäfts erfolgen, was die Werke, vor
allem in Phasen mit niedrigen Weltmarktpreisen für
ihre Produkte, vor große Herausforderungen stellt.
Für die Kaliindustrie gilt es einen großen Spagat zu
meistern. Es müssen die weltweit höchsten Umweltweltstandards
in der Kaliindustrie eingehalten
werden. Das ist zwar mit hohen Kosten verbunden,
hat aber dazu geführt, dass die Werke in ökologischer
Hinsicht deutlich besser aufgestellt sind wie
ihre Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Dennoch muss
die Herstellung der Produkte zu konkurrenzfähigen
Kosten erfolgen. Keine leichte Aufgabe in einer
Situation, in der die Mitbewerber nicht im selben
Ausmaß mit Umweltinvestitionen konfrontiert sind.
Das Müllheizkraftwerk in Heringen:
Ein Wendepunkt
Bei dem seit 2005 geplanten Bau eines Müllheizkraftwerkes
in unmittelbarer Nachbarschaft des
Standortes Wintershall zeigt sich erstmals in aller
Deutlichkeit, wie wichtig es ist, einen offenen Dialog
mit der Öffentlichkeit im Hinblick auf Maßnahmen
und Projekte mit Umweltauswirkungen zu führen.
Der Plan von K+S ist es, ein mit Ersatzbrennstoffen
aus genau definierten Abfallklassen betriebenes
Kraftwerk von einem externen Partner errichten
und betreiben zu lassen. Es soll zukünftig den
Standort Wintershall mit dem für die Produktion
benötigten Heißdampf versorgen. Durch das neue
Kraftwerk kann die Energie- und Kohlendioxid-Bilanz
des Standorts deutlich verbessert werden. Der
Erdgasverbrauch sinkt um 60 Prozent und mit dem
Restmüll wird ein Brennstoff genutzt, der zu
durchschnittlich 50 Prozent CO2-neutral verbrannt
werden kann.
Gegen das Projekt bestehen in der Region von
Anfang an starke Vorbehalte. K+S steht wie selten
zuvor im Mittelpunkt einer höchst kontroversen
Auseinandersetzung um die Auswirkungen des eigenen
unternehmerischen Handelns auf die Umwelt.
Viele Menschen im Werratal befürchten eine
Verschlechterung der Luftqualität durch die
Freisetzung von giftigen Abgasen. Schnell formieren
sich mehrere Bürgerinitiativen, die den Kraftwerksbau
verhindern wollen. Aber nach vielen, manchmal
erregten Diskussions- und Informationsveranstaltungen,
aber auch Demonstrationen wird das
Müllheizkraftwerk schließlich genehmigt und im
Frühjahr 2007 beginnt der Bau des 130 Millionen
Euro teuren Projekts.
Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2009 versorgt das
heute von der EEW Energy from Waste Heringen
GmbH betriebene Kraftwerk den Standort Wintershall
mit dem dort benötigten Prozessdampf. Mit
dem Dampf wird in der Fabrik zunächst elektrische
Energie erzeugt, danach tritt er seine Reise durch
die verschiedenen Fabrikationsanlagen an und wird
solange genutzt, wie es thermisch sinnvoll ist. Die
enge räumliche Nähe von Dampferzeugung und
-verbrauch führen zu einer vergleichsweise effizienten
Ausnutzung der eingesetzten Energie. Das macht
den Verbund von Heizkraftwerk und Kalifabrik
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bezogen auf die Effizienz der Energienutzung zu
einem herausragend optimierten Industriestandort.
Salzwasser aus dem Werk Neuhof-Ellers
Zum Müllheizkraftwerk kommt schnell ein weiteres,
ebenfalls hochemotional diskutiertes Thema hinzu.
K+S gibt im Jahr 2006 bekannt, dass beabsichtigt
ist, eine rund 63 Kilometer lange Salzwasserleitung
(Pipeline) von Neuhof (bei Fulda) nach Philippsthal
zu bauen. Mit ihr sollen salzhaltige Restwässer aus
der Produktion und vor allem von der Halde des
Werkes Neuhof-Ellers zum Werk Werra transportiert
werden. Dort werden sie dann im Rahmen der
genehmigten Einleitmengen über die Werra
entsorgt.
Die Planung geschieht vor dem Hintergrund, dass
das Werk Neuhof-Ellers bald keine Möglichkeiten
mehr hat, um salzhaltige Wässer im Plattendolomit
zu versenken, weil das unterirdisch zur Verfügung
stehende Speichervolumen zur Neige geht. Das ist
ein das Werk in seiner Existenz bedrohendes
Problem. Für K+S ist es deshalb von sehr großer
Bedeutung, eine Lösung zu finden. Das Werk
Neuhof-Ellers ist zwar mit Blick auf die Fördermenge
und Produktion keiner der ganz großen Kalistandorte,
aber das Werk liegt günstig zu wichtigen
Absatzmärkten wie Frankreich und ist über den
etwa 70 Kilometer entfernten Mainhafen in Hanau
vergleichsweise gut an das europäische Wasserstraßennetz
angebunden. Hinzu kommt noch eine
Lagerstätte, die die Produktion von höherpreisigen
Spezialprodukten gut ermöglicht.
An der Werra ist die Diskussion um die Pipeline
ganz wesentlich von Befürchtungen geprägt, dass
der Fluss das zusätzliche Salzabwasser nicht
verkraftet. Zwar will sich K+S nur in dem von der
geltenden Einleitgenehmigung vorgegebenen
Korridor bewegen, ohne das eine Anpassung der
Grenzwerte durch das zusätzlich eingeleitete
Abwasser erforderlich wird. Aber das dringt in der
Diskussion nicht recht durch. Hinzu kommen
Ängste, dass das zusätzliche Abwasser aus Neuhof
auf Kosten der Werrawerke deren Produktionsmöglichkeiten
beschneidet.
Noch bevor K+S den Bauantrag für die Pipeline am
6. Juli 2007 zur Genehmigung einreicht, füllen starke
Niederschläge die Stapelbecken in Neuhof bis an
den Rand. Zur selben Zeit sind zwei Laugenspeicher
im Plattendolomit zunächst gesperrt und werden
anschließend stillgelegt. Das führt ab Ende Mai
2007 dazu, dass zeitlich befristet und als eine mit
den Behörden abgestimmte Notfallmaßnahme,
salzhaltige Haldenwässer mit Tanklastwagen von
Neuhof zum Werk Werra gebracht werden. Nun
steigt in den Gemeinden an der „rollenden Lastwagen-Pipeline“
der Unmut wegen der massiven
Belästigungen durch den zusätzlichen LKW-Verkehr.
Eine andere Kommunikationsstrategie
K+S ist es schon länger gewohnt, dass im Rahmen
der gesetzlichen Beteiligung der Träger öffentlicher
Belange und hier vor allem die verschiedenen
Umweltverbände bei anstehenden Genehmigungsverfahren
mit umweltrelevanten Auswirkungen
gegensätzliche Positionen einnehmen. Neu sind für
die Kaliindustrie aber nun die breit gefächerten
Auseinandersetzungen über betriebliche Maßnahmen
und Projekte auch in der Bevölkerung im
direkten Umfeld der Standorte, die es so bislang
kaum gegeben hat.
Die Diskussionen über das Heizkraftwerk in
Heringen und die Salzwasserleitung, die sich in den
Folgejahren auf alle mit der Kaliproduktion verbundenen
Umweltthemen ausdehnen, führen dazu, dass
mit der Öffentlichkeit ein offenerer Dialog gesucht
wird. Ein höheres Maß an Offenheit und Information
sollen gewährleisten, dass die eigenen Belange
in der Bevölkerung besser verstanden und im
besten Fall mitgetragen werden. Mit der Einrichtung
eines Nachbarschaftstelefons wird im Jahr 2010 eine
weitere Möglichkeit zum Dialog geschaffen.
Regelmäßige Treffen mit Mandatsträgern aus der
Region, wie Landräten und Bürgermeistern, sollen
diesen die Möglichkeit bieten, sich über die Entwicklung
des Unternehmens und der einzelnen
Werke aus erster Hand zu informieren. Die Treffen
sind zudem eine gute Gelegenheit, um aktuelle
Projekte vorzustellen und durch Transparenz zu
einer höheren Akzeptanz für aus betrieblicher Sicht
9
10
notwendige Maßnahmen zu gelangen.
Weichenstellungen zwischen DAX,
Umweltschutz und Finanzkrise
Ab dem Jahr 2000 steigt der Aktienkurs der K+S
fast unaufhörlich. Die Kursgewinne spiegeln die
damals günstigen Rahmenbedingungen für
Rohstoffe auf dem Weltmarkt wider, von denen das
Unternehmen stark profitiert. Am 22.September
2008 wird die seit 1998 im MDAX gelistete Aktie in
den DAX aufgenommen. Damit ist die K+S AG im
Oberhaus der deutschen Wirtschaft angekommen
und spielt mit Unternehmen wie VW, Bayer, Deutsche
Telekom oder Siemens auf dem Börsenparkett
in einer Liga.
Aber schon seit Sommer 2007 haben die Weltwirtschaftskrise
und seit Sommer 2008 die internationale
Finanzkrise die Erfolgsaussichten für die
Weltwirtschaft deutlich eingetrübt. Denn auch in
der Realwirtschaft und damit weit über den
besonders stark betroffenen Finanzsektor hinaus
gibt es große Verwerfungen. Ihren Höhepunkt
erreicht die Krise nur wenige Tage vor der ersten
Kursnotierung von K+S im DAX am 15. September
2008, als die amerikanische Investmentbank
Lehman Brothers zusammenbricht.
Dennoch wird für den Kalibereich Ende 2008
selbstbewusst die Strategie „Kali 2025“ formuliert.
Während zuvor versucht wurde, ein Firmenwachstum
eher über interne Verbesserungen in den
Prozessabläufen und auf den Standorten zu erreichen,
ändert sich nun die Einschätzung. Wenn die
wachsenden Märkte in der Zukunft von K+S
erfolgreich bedient werden sollen, ist es nach der
neuen Unternehmensstrategie nun erforderlich, auf
externes Wachstum zu setzen. Jetzt wird erstmals
über die Aufstockung von Produktionskapazitäten
durch die Übernahme eines Mitbewerbers oder den
Bau eines neuen Kaliwerkes außerhalb von Deutschland
nachgedacht.
Aber auch beim Thema Salz werden die Weichen in
Richtung auf eine fortschreitende Globalisierung
des Unternehmens gestellt. Der im Jahr 2004
durchgeführte Erwerb des restlichen Anteils der
Solvay AG am seit 2002 bestehenden Gemeinschaftsunternehmen
esco – european salt company
schafft eine starke Markposition in Europa. Es
schließen sich im Jahr 2006 der Kauf des chilenischen
Salzproduzenten Sociedad Punta dos Lobos
(SPL), der Gesellschaft Salina Diamante Branco
(SDB) in Brasilien sowie der nordamerikanischen
International Salt Company (ISCO) an. Mit dem im
Jahr 2009 erworbenen nordamerikanischen
Salzproduzenten Morton Salt und dessen Betriebsstätten
in den USA und Kanada (Windsor Salt) wird
K+S zum größten Salzproduzenten der Welt.
In Deutschland bleiben aber die Umweltauswirkungen
der Kaliproduktion im Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses. Am 18. März 2008 nimmt der
„Runde Tisch Gewässerschutz Werra/Weser und
Kaliproduktion“ seine Arbeit auf. Auf Initiative der
Landesregierungen von Hessen und Thüringen
bringt er die Landkreise, Städte und Gemeinden an
Werra und Weser, Behörden der betroffenen
Bundesländer, die Bundesregierung, Arbeitnehmervertreter,
Wirtschaftsorganisationen, Umweltverbände
und K+S zusammen. Seine Aufgabe besteht
darin, die ökologischen Auswirkungen, aber auch
die wirtschaftlichen und sozialen Fragestellungen
im Zusammenhang mit der Kaliproduktion zu
bewerten. Auf dieser Basis soll er Vorschläge
unterbreiten, die eine langfristige Kaliproduktion
erlauben und zu Verbesserungen der Gewässerqualität
in Werra und Weser führen.
Für den Kalibergbau aber auch den „Runden Tisch“
endet das Jahr 2008 recht turbulent. Zunächst gibt
K+S am 28. Oktober 2008 ein umfangreiches
Maßnahmenpaket für den Gewässerschutz mit
einem Investitionsvolumen von insgesamt 360
Millionen Euro bekannt. Mit diesem Paket soll die
Salzbelastung der Werra halbiert werden.
Wenige Tage später, am 12. November, untersagt die
Landesregierung in Thüringen die weitere Versenkung
von Salzabwasser im Gerstunger Becken.
Hier war es zum Aufstieg von versenkten Abwässern
in oberflächennähere Gesteinsschichten gekommen,
von der eine Gefährdung des Grundwassers ausgehen
kann. Zwei Tage später teilt die hessische
Landesregierung mit, dass die bis Ende 2011
laufende Versenkgenehmigung zwar weiter Bestand
hat, die Versenkung insgesamt aber wegen der mit
ihr verbundenen Risiken für das Grundwasser in
einigen Jahren beendet werden soll.
Damit ist die Versenkung ein Auslaufmodell. Wenn
jetzt nicht gehandelt wird, verdoppeln sich die
Abwassermengen von sieben auf 14 Millionen
Kubikmeter, die über die Werra entsorgt werden
müssen. Die Aussichten für den Fluss haben sich
dadurch deutlich verschlechtert, was nicht ohne
Auswirkungen für die weitere Arbeit des „Runden
Tisches“ bleiben kann. Außer Frage steht aber, dass
eine Steigerung der Einleitungsmengen ökologisch
und umweltpolitisch undenkbar ist. Deshalb muss
das Werk Werra mit geeigneten Maßnahmen und
binnen weniger Jahre die entstehenden Salzwassermengen
deutlich reduzieren.
Für K+S ist die bis Ende 2015 geplante Umsetzung
des Maßnahmenpaketes ein entscheidendes
Element, das im Werratal eine Perspektive für
mehrere tausend Arbeitsplätze schafft. Der „Runde
Tisch“ bewertet das Maßnahmenpaket kritischer.
Aus seiner Sicht hilft es nur dabei, das Abwasser
einzusparen, das schon in wenigen Jahren nicht
mehr in den Untergrund verbracht werden kann.
Zwar sinkt mit der Umsetzung des Paketes auch die
Salzbelastung in Werra und Weser in einem gewissen
Umfang. Das genügt dem „Runden Tisch“ aber
nicht, um die Wasserqualität ausreichend zu
verbessern.
Trotz der Weltwirtschafts- und Finanzkrise geht das
Unternehmen weiter von einer grundsätzlich guten
wirtschaftlichen Perspektive aus und hält das mit
„Kali 2025“ zur Schau gestellte Selbstbewusstsein
für gerechtfertigt. Allerdings schlagen die weltweiten
Krisen bald massiv auf das Unternehmen durch.
Wie groß der Einbruch ist, belegt der Vergleich
einiger Kennzahlen aus den Jahren 2008 und 2009.
Im Jahr 2008 legt K+S mit einer Umsatzsteigerung
von 43 Prozent und einem operativen Ergebnis in
Höhe von 1,34 Milliarden Euro das bislang beste
Ergebnis in seiner 100jährigen Geschichte vor. Im
folgenden Jahr verschlechtert sich die wirtschaftliche
Situation gravierend. Der Umsatz sinkt um
über ein Viertel und das operative Ergebnis bricht
um über 80 Prozent ein. Die Produktionsmenge ist
im Jahresverlauf um etwa 30 Prozent niedriger. Das
bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Standorte
an der Werra. Es gibt dort mehrere Phasen der
Kurzarbeit.
Das „kurze Rohr“ wird gebaut
Im Sommer 2009 wird gerichtlich geklärt, dass die
von K+S schon länger vorgesehene Einleitung von
Salzabwasser aus dem Werk Neuhof-Ellers in die
Werra bei Philippsthal möglich ist. Die Voraussetzung
dafür ist, dass alle für die Werra festgelegten
Grenzwerte trotz der aus dem Schwesterwerk in
Neuhof kommenden Abwassermengen eingehalten
werden. Jetzt wird die Planung der über 60 Kilometer
langen Rohrleitung mit Nachdruck vorangetrieben.
Mitte 2010 reicht K+S den wegen neuer
Anforderungen mehrfach überarbeiteten Genehmigungsantrag
für das Projekt beim Regierungspräsidium
in Kassel ein. Ein Antragsexemplar umfasst 17
Aktenordner. Insgesamt viereinhalb Tonnen wiegen
die Kopien für alle am Verfahren beteiligten Behörden,
Verbände und Institutionen. Es vergehen noch
zwei weitere Jahre bis zur Erteilung der Baugenehmigung
am 25. Juni 2012.
In der Folge wird das Projekt zügig realisiert. Die bis
zu 90 Salzwassertransporte per LKW von Neuhof an
die Werra sollen so schnell wie möglich ein Ende
finden. Dann ist für die betroffenen Anwohnerinnen
und Anwohner an den Transportwegen die Zeit der
„rollenden Pipeline“ mit ihren negativen Auswirkungen
beendet. Es muss aber nicht nur die Rohrleitung
in die Erde gebracht werden. Um die Menge der
Einleitung in die Werra jederzeit steuern zu können,
ist es erforderlich, in Philippsthal und damit nahe
an der Einleitungsstelle zusätzliche Speicherbecken
zu bauen. Diese fassen insgesamt 90.000 Kubikmeter
Abwasser und benötigen eine Fläche von drei
Hektar. Nachdem weitere juristische Verfahren
abgeschlossen sind, geht die für rund 50 Millionen
Euro errichtete Leitung am 4. Oktober 2013 in
Betrieb. Für das Werk Neuhof-Ellers ist das ein
Meilenstein, denn er verschafft dem Standort eine
langfristige Perspektive für die Entsorgung seiner
Abwässer.
Die Entsorgungsgenehmigungen
bestimmen den Spielraum
Eine Produktion von Kali und anderen Düngemitteln
ist zwangsläufig mit Auswirkungen auf die
11
12
natürliche Umwelt verbunden, weil bei der Produktion
Rückstände in fester und flüssiger Form
entstehen. Die behördlich festgesetzten Grenzwerte
und Festlegungen zu ihrer Entsorgung legen den
Rahmen für die Kaliherstellung verbindlich fest.
Letztlich entscheiden sie im Zusammenwirken mit
anderen Faktoren wie Preise und Marktbedingungen
über die Wirtschaftlichkeit und damit die
Zukunft der Kaliindustrie. Für K+S bedeuten die
Vorgaben, dass die Kaliwerke ständig die Produktionsanlagen
ausbauen, ertüchtigen und an die
Anforderungen anpassen müssen.
Parallel zum wachsenden Umweltbewusstsein
begleiten viele Menschen in der Region und bundesweit
vor allem Organisationen aus der Bürgergesellschaft
die Erteilung der erforderlichen Genehmigungen
immer kritischer und diskutieren sie
kontrovers. Gerade in den Jahren nach 2000 und
besonders seit 2010 hat die Diskussion über die Umweltauswirkungen
immer mehr Fahrt aufgenommen.
Dabei rufen die von K+S formulierten
betrieblichen und betriebswirtschaftlichen Argumente
gerade bei den Umweltschutzverbänden oft
deutlichen Widerspruch hervor. Wird im Verlauf der
Genehmigungsverfahren kein akzeptabler Kompromiss
gefunden, kommt es regelmäßig zu manchmal
Jahre dauernden juristischen Auseinandersetzungen.
Damit sollen Änderungen an den Genehmigungen
in die eine oder andere Richtung gerichtlich
erstritten werden. Für die Genehmigungsbehörden
sind die Entscheidungen das Resultat immer
komplexer werdender Prüfungs- und Abwägungsvorgänge.
Die erteilten Genehmigungen sind das
Ergebnis einer Gratwanderung zwischen der
unzweifelhaften Notwendigkeit, die Umweltauswirkungen
zu verringern und dem Bestreben, dem
Kalibergbau eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive
zu erhalten.
Was die Entsorgung flüssiger Rückstände anbelangt,
gibt es seit langem nur eine Richtung. Die erlaubten
Grenzwerte werden strenger und die Mengen und
die damit verbundenen ökologischen Belastungen
müssen sinken. Bei der Versenkung wächst der
politische und juristische Druck auf K+S über die
Jahre immer weiter an. Dieser Entsorgungsweg
muss aufgegeben werden. Die die mit ihm verbundene
Gefährdung des Grundwassers wird von vielen
Menschen, gesellschaftlichen Gruppen und Behörden
nicht länger hingenommen.
Im Zusammenhang mit der im Jahr 2008 eingestellten
Nutzung der Gerstunger Mulde für die Abwasserentsorgung
hat sich zwischen der Gemeinde
Gerstungen und K+S eine jahrelange, juristisch
geführte Auseinandersetzung entwickelt. Sie wird
im Jahr 2017 mit einem Vergleich beigelegt. Das
Unternehmen erklärt sich bereit, bis 2022 mit einem
Aufwand von mehreren Millionen Euro verschiedene
Maßnahmen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung
in Gerstungen zu finanzieren. Ebenfalls in
2017 gelingt es, in einem weiteren Vergleich mit dem
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
(BUND) ein gegen die Versenkung laufendes
Gerichtsverfahren außergerichtlich zu beenden.
K+S sagt eine weitere Reduzierung der Versenkmengen
zu und bekräftigt die Bereitschaft Ende
2021 die Versenkung endgültig einzustellen.
Für die Einleitung von Salzabwasser in die Werra
ergibt sich über die im Oktober 2000 von der
Europäischen Union (EU) verabschiedete Europäische
Wasserrahmenrichtlinie ein fester rechtlicher
Rahmen, an den sich alle Beteiligten halten müssen.
Sie besagt, dass die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet
sind, bis 2015 und in Ausnahmefällen bis
2027 alle Gewässer in einen „guten ökologischen“
und „guten chemischen Zustand“ zu bringen. Die
Richtlinie ist entsprechend der EU-Vereinbarungen
in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten zu
übertragen und wird dort juristisch bindend.
Zu ihrer Umsetzung wird im Jahr 2003 die Flussgebietsgemeinschaft
Weser (FGG-WESER) als
Nachfolger der 1964 gegründeten Arbeitsgemeinschaft
zur Reinhaltung der Weser (ARGE Weser)
gegründet. Sie wird gebildet von den sieben Bundesländern,
die einen Flächenanteil am Einzugsgebiet
der Weser mit ihren Nebenflüssen haben und
umfasst eine Fläche von insgesamt 49.000 Quadratkilometern.
Die FGG erarbeitet und beschließt
umfangreiche Bewirtschaftungspläne für das
Flussgebiet mit einer Laufzeit von jeweils sechs
Jahren. Die Pläne legen im Einklang mit der
Rahmenrichtlinie Zielwerte und Maßnahmen fest,
um den geforderten guten Gewässerzustand
fristgerecht zu erreichen. Da die FGG das gesamte
Flussgebiet der Weser umfasst, sind ihre Vorgaben
und Planungen auch für die Werra verbindlich.
Im Geltungszeitraum der ersten beiden Bewirtschaftungspläne
von 2009 bis 2021 sind Werra und
Weser mit Blick auf die Salzbelastung noch weit von
einem guten Zustand entfernt. Dieser ist aber
zwingend bis zum Jahr 2027 zu erreichen. Spätestens
dann muss K+S als Verursacher der ökologisch
nicht tragbaren Salzbelastung von Werra und Weser
die bei der Produktion entstehenden Reststoffe so
behandeln und entsorgen, dass der gute biologisch/
ökologische und chemische Zustand gewährleistet
ist.
Wenn das nicht der Fall ist, kann die Europäische
Union die Bundesrepublik Deutschland mit einem
Vertragsverletzungsverfahren belegen. Es kann zu
hohen Strafzahlungen des Bundes an die EU führen.
Ein solches Verfahren hatte die EU-Kommission im
Juni 2012 schon einmal eingeleitet. Aber 2019 haben
die zwischenzeitlich verwirklichten Maßnahmen
zur Verbesserung des Gewässerzustandes dazu
geführt, dass das bis dahin in der Schwebe befindliche
Verfahren beendet .
Seit der Einführung der trockenen Trennung des
Rohsalzes mit dem elektrostatischen Verfahren
ESTA in den 1970er Jahren ist die Aufhaldung des
nicht nutzbaren Steinsalzes von größter Bedeutung
für die drei hessischen Kalistandorte Wintershall,
Hattorf und Neuhof-Ellers. Seitdem wachsen dort
die Fläche und das Volumen der künstlichen Berge
mit jeder abgelagerten Tonne Material. Das macht
immer wieder Genehmigungsverfahren erforderlich,
um die Haldenflächen zu erweitern. Wie bei der
Entsorgung flüssiger Produktionsabwässer werden
auch für den Betrieb der Halden die genehmigungsrechtlichen
Anforderungen immer strenger.
So sind heute bei der Vorbereitung der Flächen vor
Beginn der Überschüttung mit Abraumsalz strenge
Kriterien einzuhalten, die es so früher nicht gegeben
hat. Mit der Aufbringung von geeignetem Material,
seiner Verdichtung und einer Vielzahl weiterer
technischer Maßnahmen wird gewährleistet, dass es
unter der beschütteten Haldenfläche kein Eindringen
von salzhaltigem Abwasser in grundwasserführende
Schichten gibt.
Mit wachsenden Haldenflächen nimmt die Menge
der Niederschläge zu, die als Regen oder Schnee auf
die Halde fallen. Im Kontakt mit dem Haldenmaterial
reichern sich die Niederschlagswässer mit Salz
an. Ein Teil davon wird vom Haldenkörper festgehalten
und verdunstet bei Sonneneinstrahlung
wieder. Aber nennenswerte Mengen des Niederschlagswassers
kommen salzbelastet am Fuß der
Halden an. Hier wird das salzhaltige Wasser in
einem Ringgraben aufgefangen und geregelt
entsorgt. Zusätzlich zu den Abwässern aus der
Produktion sind die Haldenabwässer ein Faktor, der
die Gesamt-Abwasserbilanz belastet.
Runder Tisch, öffentlich-rechtliche
Vereinbarung und integriertes Maßnahmenpaket
Wenige Monate nach Bekanntgabe des Maßnahmenpakets
schließen im Februar 2009 die Bundesländern
Hessen und Thüringen mit K+S eine
öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit einer
Laufzeit von 30 Jahren. Sie soll der Kaliindustrie für
diesen Zeitraum Planungssicherheit verschaffen.
Ausgangspunkt ist dabei eine jährliche Rohsalzförderung
in Höhe von etwa 25 Millionen Tonnen, aus
der etwa fünf Millionen Tonnen Produkte hergestellt
werden. Der Umgang mit den verbleibenden etwa 20
Millionen Tonnen Rückstand in fester und flüssiger
Form wird in einem von K+S vorgelegten integrierten
Maßnahmenkonzept geregelt, dass Teil der
öffentlich-rechtlichen Vereinbarung wird.
Auf das Zieljahr 2015 bezogen benennt es die
wesentlichen Maßnahmen und konkretisiert sie.
Eingeflossen sind die Anregungen der Bundesländer
und die Empfehlungen des „Runden Tisches“. Mit
den angedachten Projekten können die zu entsorgenden
Abwassermengen um 50 Prozent und die
Salzbelastung in der Werra um 30 Prozent reduziert
werden. Ein wichtiger Baustein ist für das Unternehmen
die „Neue integrierte Salzabwassersteuerung
(NIS)“. Sie sieht vor, auch weiterhin den Plattendolomit
im Untergrund zu nutzen. Im Gegensatz zu
früher wird das Speichergestein aber bewirtschaftet
und bestimmte Salzlösungen sollen wieder nach
über Tage gebracht werden. Dort werden sie, wenn
es die Wasserverhältnisse erlauben, unter Einhal-
13
14
tung der Grenzwerte über die Werra entsorgt.
Für den „Runden Tisch“ ist nach Prüfung mehrerer
Szenarien eine Pipeline an die Nordsee eine nachhaltige
Lösung für die Abwasserproblematik. Das
geht aus der am 9. Februar 2010 beschlossenen
„Empfehlung Gewässerschutz Werra/Weser und
Kaliproduktion“ hervor. Der Bau der über 400
Kilometer langen Abwasserfernleitung soll bis 2020
erfolgen. Dann wird, wenn es nach dem „Runden
Tisch“ geht, auch die Versenkung beendet. Die
vorgeschlagene standortferne Entsorgung steht im
Gegensatz zur NIS, die die standortnahe Abwasserentsorgung
vorsieht.
K+S lehnt die Empfehlung des „Runden Tisches“ ab.
Das Unternehmen sieht die eigenen wirtschaftlichen
und betrieblichen Belange nicht ausreichend
berücksichtigt. Aus seiner Sicht haben Überlegungen
zur betriebswirtschaftlichen Angemessenheit
und Finanzierbarkeit der Maßnahmen eine zu
geringe Rolle gespielt. Abgelehnt wird die Empfehlung
auch vom Land Niedersachsen, über dessen
Gebiet die Leitung zum größten Teil verlaufen muss,
um die Nordsee zu erreichen. Ohne die niedersächsische
Zustimmung fehlt aber die erforderliche
Einigkeit der betroffenen Bundesländer und eine
entscheidende Grundbedingung für den Bau der
Leitung ist nicht gegeben. Hierdurch ist für K+S die
notwendige Planungssicherheit nicht vorhanden,
auf deren Basis die notwendigen Investitionen in
Höhe von mehreren hundert Millionen Euro getätigt
werden können.
Das Maßnahmenpaket wird umgesetzt
Nach dem Ende einer mehrjährigen Planungs- und
Genehmigungsphase beginnt Ende Oktober 2011
die bauliche Umsetzung des Maßnahmenpaketes.
Nach Abschluss der begonnenen Erweiterung der
elektrostatischen Trennung (ESTA) in Hattorf kann
ein abwasserintensiver Produktionsprozess auf das
trockene ESTA-Verfahren umgestellt werden.
Dadurch sinkt der Abwasseranfall um etwa 3,5
Millionen Kubikmeter pro Jahr. Es muss aber in
Kauf genommen werden, dass zusätzlich pro Jahr
eine Million Tonnen Reststoff auf die Halde geht.
Im Jahr zuvor hatte K+S auf die als Teil des Paketes
am Standort Unterbreizbach vorgesehene Eindampfanlage
verzichtet. Das führt zu Diskussionen
darüber, wie ernsthaft das Unternehmen die
Umsetzung der angekündigten Umweltinvestitionen
betreibt. Laut K+S kann ihr Wegfall erfolgen, weil
durch die Nutzung neuer geologischer Prognosetechniken
die Zusammensetzung der langfristig
abbaubaren Lagerstätte anders eingeschätzt wird.
Die für die Verdampfung vorgesehenen Abwässer
werden in deutlich geringerer Menge anfallen.
Damit kann auf die energieintensive und mit einem
hohen Kohlendioxidausstoß verbundene Anlage verzichtet
werden. Den Kritikern versichert das
Unternehmen, dass auch ohne die Anlage alle
Zusagen eingehalten werden.
Allerdings wird in Unterbreizbach dem Löseprozess
in der Fabrik eine neue Verarbeitungsstufe vorgeschaltet.
In der „kalten Vorzersetzung“ (KVZ) wird
das mit dem Rohsalz anfallende Magnesiumchlorid
zukünftig abgetrennt. Die dabei entstehende
gesättigte Magnesiumchloridlösung wird zum Teil
am Standort weiterverwendet. Sie dient dazu, unter
Tage Material wie Rückstände aus der Rauchgasreinigung
sowie Kessel- und Klärschlammaschen so
anzumischen, dass sie fließ- und damit transportfähig
werden. Dort wird es zu den Grubenbauen
gebracht, die verfüllt werden müssen, um die
Standsicherheit des Gebirge zu gewährleisten. Die
verbleibende Abwassermenge aus Unterbreizbach
wird in anderen Standorten im Werksverbund
weiterverarbeitet. Insgesamt gesehen gelingt es so,
eine vollständige Verwertung der Abwässer aus
Unterbreizbach vorzunehmen.
Dabei hilft der schon 1999 mit dem Bau einer 13
Kilometer langen Rohrleitung im geschaffene
Lösungsverbund. Er verbindet alle Fabrikstandorte
miteinander und ermöglicht es, bei Bedarf zwischen
den Standorten Lösungen in jeder Richtung hinund
herzutransportieren. Mit seiner Hilfe können
aus Unterbreizbach stammende Fabrikabwässer
andernorts weiter aufbereitet werden. Zusammen
mit Prozessabwässern aus Wintershall werden sie in
der als Teil des Maßnahmenpaketes gebauten
Eindampfanlage Kainit in einem mehrstufigen
Prozess eingedampft und in ihrer Konzentration
gesteigert. Damit einher geht die Möglichkeit zur
Herstellung zusätzlicher verkaufsfähiger Produkte.
Je nach dem Grad der vorgeschalteten Eindampfung
sinkt die zu entsorgende Abwassermenge.
Ebenfalls in Wintershall wird eine verfahrenstechnische
Weiterentwicklung der Kieseritgewinnung im
Flotationsverfahren zum Einsatz gebracht. Ende
2015 geht die neue Anlage in Betrieb. Sie spart
500.000 Kubikmeter Abwasser pro Jahr ein und
ermöglicht es, 40.000 Tonnen Produkt zusätzlich zu
gewinnen.
Vier Phasen für eine langfristige
Perspektive
Am 29. April 2014 stellen die Hessische Landesregierung
und K+S den sogenannten Vier-Phasen-
Plan vor und schließen dazu eine öffentlich rechtliche
Vereinbarung ab. Er geht von einem
Zeitrahmen bis zum Jahr 2075 aus. Bis in die Phase
nach Einstellung des aktiven Bergbaus werden die
notwendigen Schritte benannt, um wieder Süßwasserqualität
in Werra und Weser zu erreichen. Für das
Werratal ist der Plan von größter Bedeutung, weil er
einen Planungsrahmen auch nach der prognostizierten
Erschöpfung der Lagerstätte in den Jahren
nach 2060 schafft.
Auf der Basis der nach erfolgreicher Umsetzung des
Maßnahmenpaketes gelungenen Reduzierung der
Abwassermenge auf sieben Millionen Kubikmeter
pro Jahr werden in der bis 2021 dauernden ersten
Phase nochmals 400 Millionen Euro investiert. Die
wesentlichen Projekte sind der vorgesehene Bau der
sogenannten „Ergänzungsfernleitung Oberweser
(EFLOW) und die Errichtung einer neuen Fabrikanlage,
der Kainitkristallisations- und Flotationsanlage
(KKF).
Diese Anlage in Hattorf ist mit Kosten von annähernd
200 Millionen Euro eine entscheidende
Investition, um den Abwasseranfall noch einmal
stark zu senken. Erste Planungen beginnen im Jahr
2013 und bis zur Inbetriebnahme im Jahr 2018 wird
eine in ihren Dimensionen mit 74 Meter Länge, 20
Meter Breite und 58 Meter Höhe beeindruckende
Fabrikanlage errichtet. Eingebaut wurden insgesamt
17 Großkomponenten. Der schwerste Apparat, ein
Wärmetauscher, wiegt allein 110 Tonnen - soviel
wie 90 Mittelklassewagen. Insgesamt werden etwa
6.000 Tonnen Stahl, 180 Kilometer Kabel und 40
Kilometer Rohrleitungen verbaut. Durch die
Weiterverarbeitung von in der Produktion entstehenden
Abwässern, ermöglicht es die Anlage, 1,5
Millionen Kubikmeter Abwasser pro Jahr einzusparen
und zusätzlich 260.000 Tonnen verkaufsfähiges
Produkt zu gewinnen.
In der Phase zwei und nach der verbindlich vereinbarten
Einstellung der Versenkung im Jahr 2021 soll
die Fernleitung zur Oberweser in Betrieb genommen
werden. Die Grenzwerte für die Einleitung in
die Werra am Pegel Gerstungen werden gesenkt; für
Chlorid und Magnesium jeweils etwa um ein Drittel
und für Kalium um ein Viertel. Es schließt sich mit
der damals für 2032 vorgesehenen Stilllegung des
Werks in Unterbreizbach die nächste und bis zum
Jahr 2060 dauernde Phase an. Die zuvor erprobte
Abdeckung der Halden ist jetzt im Regelbetrieb,
wodurch nach und nach die Menge der Haldenabwässer
abnimmt. Auftakt für die letzte Planphase ist
die für das Jahr 2060 geplante Einstellung der
Kaliproduktion. Danach entstehen keine produktionsbedingten
Abwässer mehr und das Haldenabwasser
ist durch die fast abgeschlossene Haldenabdeckung
deutlich weniger geworden. Die Grenzwerte
sinken weiter und die Werra erreicht 2075 Süßwasserqualität,
so die Vorstellung aller Beteiligten.
Ein Fluss wird bewirtschaftet
In ihrem ersten Bewirtschaftungsplan für die Jahre
2009 bis 2015 hat die FGG Weser festgestellt, dass
eine Gesamtlösung der Salzproblematik noch nicht
möglich ist. Das ändert sich in folgenden Bewirtschaftungsperiode
von 2016 bis 2021. Das Thema
wird jetzt eingehend bearbeitet und mit verbindlichen
Vorgaben wird die Verbesserung des Gewässerzustandes
verlangt. In die von K+S umzusetzenden
Maßnahmen werden die Effekte des
zwischenzeitlich umgesetzten Maßnahmenpaketes
genauso einbezogen wie die Vereinbarungen im
Zuge des Vier-Phasen-Plans.
In die Diskussion um den zweiten Bewirtschaftungsplan
fließt auch das Ergebnis einer Stellungnahme
des Umweltbundesamtes (UBA) ein. Dem
Gutachten vorausgegangen war, dass der „Runde
Tisch“ ein im wesentlichen auf Überlegungen der
Kali-Umwelttechnik (K-UTEC AG) beruhendes Konzept
für eine abwasserfreie Produktion eingebracht
hatte. Geprüft hat das UBA, ob und inwieweit die im
15
16
Konzept vorgeschlagene Eindampfung der salzhaltigen
Abwässer eine Alternative zur bisherigen
Entsorgung sein kann. Es konstatiert, dass vor einer
Umsetzung noch ein hoher Forschungsaufwand
erforderlich ist, dessen Finanzierung unklar ist.
Daraus resultiert in der Konsequenz ein langer
Zeitraum, der noch für die Planung, Genehmigung
und Errichtung der notwendigen Anlagen benötigt
wird. Schließlich gehen die Schätzungen für die
Investitions- und Betriebskosten von K-UTEC und
K+S weit auseinander und sind auf der Basis der
vorliegenden Vorarbeiten nicht seriös zu beziffern.
Vor diesem Hintergrund rät das UBA, die Verdampfungslösung
nicht in die Überlegungen der FGG
Weser einzubeziehen.
Der im Jahr 2021 verabschiedete und derzeit
geltende Bewirtschaftungsplan legt fest, was bis
zum Jahr 2027 zu tun ist. Spätestens dann muss der
Chloridgehalt am Weserpegel Boffzen bei Holzminden
bei weniger als 300 Milligramm pro Liter liegen.
Für die Werra wird ab Gerstungen mit einem
Chloridgehalt von 1.170 Milligramm pro Liter
geplant. Dies ist nur zu erreichen, wenn die eingeleiteten
Mengen nochmals deutlich von 5,5 auf 3,3
Millionen Kubikmeter sinken. Ab 2027 sollen
überhaupt keine Produktionsabwässer mehr in die
Werra fließen und nur noch Haldenabwässer in den
Fluss gelangen.
Für die Entsorgung der weiter vorhandenen,
salzhaltigen Produktionsabwässer sollen unter Tage
stillgelegte Grubenhohlräume genutzt werden. Aber
auch für Jahre nach 2027 wird im Bewirtschaftungsplan
festgelegt, wie die Belastungen weiter zu
reduzieren sind. Durch die fortschreitende Abdeckung
der Halden wird erwartet, dass im Jahr 2075
von dort nur noch 1,2 Millionen Kubikmeter
Abwasser im Jahr anfallen. Eine Menge, die Werra
und Weser verkraften können, ohne dass vorgegebene
Grenzwerte überschritten werden und die
Wasserqualität über Gebühr leidet.
Die Nordsee-Pipeline und die Fernleitung
zur Oberweser
Für den Bau der Pipeline von Neuhof ins Werratal
waren Firmeninteressen von K+S zur Sicherung des
Werkes Neuhof-Ellers ausschlaggebend. Anders
sieht es bei den beiden anderen diskutierten
Pipeline-Projekten an die Nordsee oder die Oberweser
aus. Vor allem den Bau einer Nordsee-Pipeline
sieht das Unternehmen von vorneherein kritisch.
Dennoch gibt K+S im Dezember 2010 bekannt, dass
Anträge zur Genehmigung der Fernleitungen
gestellt werden. Auf dem Unternehmen lastet ein
hoher Druck, für die Abwasserthematik praktikable
Lösungen zu finden. Dabei will das Unternehmen
sein eigenes Konzept zur Bewirtschaftung der
Abwasserversenkung und standortnahen Entsorgung
über mit Hilfe der „Neuen Integrierten
Salzwassersteuerung (NIS)“ weiterhin im Spiel
halten. Mit der Erstellung der Anträge für die
Fernleitungen will es sich aber für den Fall absichern,
dass eine standortferne Entsorgung der
Salzabwässer notwendig wird.
In den kommenden Jahren rückt die Nordsee-Pipeline
nach und nach immer weiter in den Hintergrund.
Ihre Realisierung stellt sich politisch,
planerisch, baulich und finanziell als äußerst
schwierig heraus. Das führt dazu, dass kaum
abschätzbar ist, wann und wie das Projekt überhaupt
umsetzbar ist. Daher hilft das Vorhaben nicht
bei der kurz- und mittelfristig erforderlichen
weiteren Senkung der Salzbelastung.
Im Gegensatz dazu steigt das Interesse, eine Leitung
an die Oberweser zu bauen. Im August 2011 teilt
K+S mit, warum es die Oberweser-Pipeline bevorzugt.
Aus seiner Sicht kann die Leitung zur Nordsee
gegen den Widerstand von Niedersachsen nicht
verwirklicht werden. Hinzu kommt für K+S, dass
die kürzere Pipeline zur Oberweser den gleichen
biologischen Effekt wie das „lange Rohr“ hat und
darüber hinaus deutlich kostengünstiger gebaut
werden kann.
Mit Hilfe der Oberweserleitung wird die Einleitung
von Salzabwasser dort vorgenommen, wo die
Wassermenge des genutzten Gewässers so groß ist,
dass aktuelle und zukünftige Salzgrenzwerte
eingehalten werden. Wird der Plan umgesetzt, ist ab
der Mündung der Diemel in die Weser flussabwärts
die Einhaltung der biologischen Süßwasserschwelle
gewährleistet. Hinzu kommt, dass der Werra und
anfangs der Weser die Salzmengen erspart bleiben,
die vorher im Kalirevier eingeleitet worden sind. Das
führt in diesen Flussabschnitten zur Verbesserung
des ökologischen Zustands. Unweit der hessischniedersächsischen
Landesgrenze soll die Leitung im
Reinhardswald nördlich von Kassel die Weser
erreichen. Damit die Einleitungsmenge in Abhängigkeit
von der Wasserführung in der Weser genau
zu steuern ist, müssen in der Nähe der Einleitestelle
Speicherbecken gebaut werden.
Bei der Diskussion um die kürzere Fernleitung wird
ein Muster deutlich, das auch andere Auseinandersetzungen
über die ökologischen Auswirkungen des
Kalibergbaus prägt. Je größer die Entfernung von
der Abbauregion ist, desto weniger spielen bei der
Bewertung Argumente eine Rolle, die sich auf die
Sicherheit der Arbeitsplätze und die sozioökonomische
Bedeutung der Kaliindustrie beziehen. Sie
treten gegenüber einer kritischen oder ablehnenden
Bewertung der ökologischen Auswirkungen in den
Hintergrund.
Schon in den Gemeinden, durch die die Pipeline
führen soll, ist die Diskussion schwierig und es
gelingt K+S kaum, mit seinen Argumenten durchzudringen.
Die niedrige Akzeptanz zeigt sich bereits
im Landkreis Hersfeld-Rotenburg, obwohl dort mit
dem Werk Werra die meisten Kalistandorte beheimatet
sind. In den beiden anderen betroffenen
Landkreisen Schwalm-Eder und Kassel-Land
nimmt sie weiter ab. Mit Informationsveranstaltungen,
der Einrichtung eines Dialog-Büros in Hofgeismar
und weiteren Kommunikationsmaßnahmen
versucht das Unternehmen, in diesen Regionen zu
überzeugen und mit den dort lebenden Bürgerinnen
und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Aber
besonders im Reinhardswald, dem geplanten
Standort der mehrere hundert Hektar großen
Speicherbecken, wird das Projekt auf allen Ebenen
abgelehnt.
Anfang 2014 sind die Planungen für die voraussichtlich
rund 135 Kilometer lange Pipeline und die
Speicherbecken vorangeschritten. Nun kann beim
Regierungspräsidium in Kassel das notwendige
Raumordnungsverfahren als erster Umsetzungsschritt
eingeleitet werden, was schließlich nach einer
nochmaligen Überarbeitung der Antragsunterlagen
Ende 2015 geschieht. Vom 31. Juli bis 31. August
2017 erfolgt eine erste öffentliche Auslegung der
Antragsunterlagen, die zu über 600 Einwendungen
führt. Anfang März 2018 findet ein Erörterungstermin
statt. Das Verfahren zieht sich damals schon
drei Jahre hin, ohne das es einen formalen Abschluss
gegeben hat. Der für das Jahr 2021 geplante
Betriebsbeginn der 200 bis 240 Millionen Euro
teuren Leitung wird dadurch immer unrealistischer.
In der Folge „wackelt“ das Projekt immer deutlicher.
Dabei spielt nicht zuletzt der entschiedene Widerstand
gegen die Leitung eine Rolle. Hinzu kommen
neue Entwicklungen, die seinen Sinn grundsätzlich
in Frage stellen. Die Leitung muss nicht gebaut
werden, wenn wie nun geplant, mit den Abwässern
auch ein stillgelegtes Bergwerk im Werrarevier
geflutet werden kann. Nachdem die FGG Weser von
der Planung abrückt, wird im Sommer 2019 das
Ende der Oberweser-Pipeline öffentlich verkündet.
Ein neues Werk, Börsenturbulenzen
und Übernahmeversuche
Das Gesamtunternehmen fährt im Zuge der
Umsetzung der Firmenstrategie „Kali 2025“ nach
2008 einen Expansionskurs. Dieser ist im Salzbereich
mit dem Erwerb von Morton Salt schon im
Jahr 2009 weitgehend abgeschlossen. Im Kalibereich
dauert es noch bis zum Mai 2017, bis die Produktionskapazitäten
erweitert werden und das Unternehmen
zum einzigen Kalikonzern wird, der auf
zwei Kontinenten produziert, in Deutschland und
fortan auch in Kanada.
Der erste Schritt auf dem Weg dahin ist der Erwerb
von Potash One in Kanada im Jahr 2011. Das
Unternehmen verfügt neben umfangreichen
Explorations-Lizenzen auch über eine weit fortgeschrittene
Planung für ein neues Kaliwerk auf der
grünen Wiese im kanadischen Bundesstaat Saskatchewan.
Der Startschuss für die Umsetzung fällt
Ende 2011. Damals gibt K+S bekannt, dass für
annähernd 2,5 Milliarden Euro ein neues Werk in
Kanada gebaut wird. Die dort angestrebte Produktionskapazität
mit in der Endstufe fast drei Millionen
Tonnen Kaliumchlorid pro Jahr, verunsichert
viele Menschen im Werratal. Das umso mehr
angesichts einer häufig schwierigen wirtschaftlichen
Situation der Werke in diesen Jahren. Für viele ist
nicht einzuschätzen, ob und wenn ja welche
Auswirkungen das K+S Kanada-Projekt auf die
deutschen Produktionsstandorte haben wird, denn
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18
die Rahmenbedingungen für das neue Werk sind
hochattraktiv. Die Lagerstätte hat einen deutlich
höheren Wertstoffgehalt und verfügt über große
Reserven. Allerdings fehlen in Kanada die für das
Werrarevier charakteristischen magnesiumhaltigen
Minerale. Hinzu kommt, dass kein klassischer
bergmännischer Abbau vorgesehen ist. Das neue
Werk wird Solungsbergbau (Solution mining)
betreiben. Dabei geschieht die Förderung des
Rohsalzes nicht durch Errichtung eines Grubengebäudes,
sondern erfolgt in Kavernen. Diese werden
von der Erdoberfläche aus geschaffen, indem über
Bohrlöcher Flüssigkeiten eingebracht werden, die
das Rohsalz auflösen. Ist das geschehen, wird die
Salzlösung nach über Tage zur Weiterverarbeitung
gepumpt. Dies ermöglicht, die vorgesehenen hohen
Produktionsmengen mit deutlich weniger Beschäftigten
als in Deutschland zu erzielen.
Die ersten Produkte liefert das Werk Bethune, wie es
nach der offiziellen Eröffnung heißt, im Herbst 2017
aus. Mit einem finanziellen Aufwand von letztlich
3,1 Milliarden Euro hat das Unternehmen die größte
Einzelinvestition in der Firmengeschichte realisiert.
Dabei ist das allgemeine wirtschaftliche Umfeld für
K+S in den Jahren des Werksneubaus meist nicht
einfach. Zunächst kommt es 2013 zu großen
Turbulenzen auf dem Weltkalimarkt. Auslöser ist die
Preispolitik des russischen Produzenten Uralkali.
Die Folge für K+S ist ein massiver Kursverlust. Als
Konsequenz legt das Unternehmen das Programm
„Fit für die Zukunft“ auf, um binnen drei Jahren
Einsparungen von 500 Millionen Euro zu erzielen,
ohne allerdings betriebsbedingte Kündigungen
auszusprechen.
Bergauf geht es mit dem Unternehmenswert wieder
in 2015. Aber im 2. Halbjahr ist der Grund im
Wesentlichen nicht die eigene wirtschaftliche
Tätigkeit. Als der kanadische Konkurrent PCS
(Potash Corporation of Saskatchewan) letztlich
erfolglos versucht, K+S im Notfall auch feindlich zu
übernehmen, beginnen finanzielle Spekulation rund
um die Firmenaktie.
Auch das Jahr 2016 gestaltet sich turbulent. Im
Frühjahr muss das Unternehmen den DAX verlassen
und rückt wieder in das zweite Glied des
deutschen Aktienmarktes. Aber damit nicht genug.
Erstmals seit langem werden Verluste eingefahren
und die Aktie ist weit entfernt von ihrer früheren
Stärke. An der Werra sorgt ein extrem trockener
Sommer dafür, dass die Werke ihre Abwässer nicht
mehr entsorgen können. Die Werke stehen mehrfach
still, was sich negativ auf das Gesamtunternehmen
auswirkt, weil das Werk Werra für die Hälfte der
gesamten Kaliproduktion verantwortlich ist.
Mit der gelungenen Inbetriebnahme des Kaliwerks
Bethune zeigt K+S, dass es in schwieriger Zeit
gelungen ist, ein anspruchsvolles Expansionsprojekt
erfolgreich umzusetzen. Dabei ist es nicht zu den
befürchteten negativen Auswirkungen für die
deutschen Standorte gekommen. Im Gegenteil: Das
Unternehmen hat vor allem mit Umweltinvestitionen
in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro
allein an der Werra, wichtige Grundlagen dafür
geschaffen, um auch in den kommenden Jahrzehnten
weiter Kalidüngemittel in Deutschland zu
produzieren.
Shaping 2030 und Anpassungen an
einen schwierigen Markt
Wie das Vorjahr ist auch 2017 nicht einfach und es
gibt wieder nur einen mageren Gewinn, der die
Anteilseigner nicht zufrieden stellt. Das Unternehmen
reagiert auf die Situation mit der Strategie
„Shaping 2030“. Sie beschreibt den Weg, wie K+S
eigenständig bleibt und zu einem sehr stark auf die
Bedürfnisse der Kunden bezogenen Anbieter von
mineralischen Produkten wird, damit im Zieljahr
2030 ein Betriebsergebnis in Höhe von drei Milliarden
Euro erreicht werden kann. Integraler Bestandteil
der Strategie sind die Themen Nachhaltigkeit
und die Verminderung der produktionsbedingten
Umweltauswirkungen. In einer Transformationsphase
bis 2020 wird eine bessere Kundenansprache
in den vier neu definierten Feldern der Unternehmenstätigkeit
angestrebt. Weiter ist vorgesehen, die
hohe Verschuldung zu halbieren. Die Realisierung
von betrieblichen Synergieeffekten soll pro Jahr
einen positiven Effekt auf das Betriebsergebnis in
Höhe von 150 Millionen Euro ermöglichen. In dem
als Wachstumsphase definierten Zeitraum von 2020
bis 2030 wird das Geschäft mit Spezialprodukten
ausgebaut, um die Abhängigkeit vom Preis der
Kaliumchlorid-Produkte zu vermindern. Angren-
zende Geschäftsfelder werden entwickelt und
Geschäftbeziehungen in wachstumsstarken Regionen
wie Asien und Afrika erweitert.
Seine wirtschaftlichen Ziele erreicht K+S auch in
den Jahren 2018 und 2019 nicht. Im Jahr 2020
befindet sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich
bedrückenden Verfassung. Eine Abschreibung
in Milliardenhöhe wird erforderlich und der
Aktienkurs fällt auf ein für den weiteren Fortbestand
kritisches Niveau. In dieser Situation erfolgt
der Verkauf des Salzgeschäftes in Nord- und
Südamerika, der im Jahr 2021 abgeschlossen wird.
Er verschafft dem Unternehmen mit einem Erlös in
Höhe 2,7 Milliarden Euro finanziell Luft, weil ein
maßgeblicher Teil der Schulden beglichen werden
kann. Im Nachgang des Verkaufs kommt es zu
einem Stellenabbau, um die Konzernverwaltung in
Kassel an das verkleinerte Unternehmen anzupassen.
Vom Verkauf der Firmenaktivitäten in Nordamerika
ist das Kaliwerk Bethune in Kanada nicht
betroffen. Für heftige Unruhe sorgt 2020 noch eine
Prüfung des Konzernabschlusses für 2019 und das
1. Halbjahr 2020 durch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFIN), die aber
ohne Folgen für das Unternehmen bleibt.
Nach dem Verkauf wesentlicher Unternehmensteile
ist die Unternehmenstätigkeit wieder enger gefasst.
Das Kerngeschäft sind jetzt wieder die Kali- und
Magnesiumprodukte. Steigende Marktpreise
kommen dem Ergebnis zugute und die wirtschaftliche
Situation verbessert sich grundlegend. In 2022
rechnet K+S mir dem besten Ergebnis der Unternehmensgeschichte.
Schwarze Tage, neue Grubenfelder
und innovative Abbauverfahren
Solange Kali im Werrarevier abgebaut wird, besteht
unter Tage die Gefahr, dass im Salzgestein eingelagertes
Kohlensäuregas explosionsartig freigesetzt
wird. Im Laufe der Zeit ist es durch technische und
organisatorische Vorkehrungen immer besser
gelungen, die mit der Kohlensäure verbundenen
Gefährdungen für die Bergleute zu verringern. Wie
ernst das Thema Kohlensäure genommen werden
muss, hat zuletzt der 1. Oktober 2013 auf schreckliche
Weise gezeigt. Um 13:20 Uhr kommt es in der
Grube Unterbreizbach in einer Tiefe („Teufe“) von
900 Metern zu einem verheerenden Gasausbruch,
bei dem drei Bergleute zu Tode kommen. Welche Gewalt
das Ausbruchsereignis hatte, wird daran
deutlich, dass die getöteten Bergleute mehrere
Kilometer entfernt vom Ausbruchsort vom tödlichen
Gas überrascht wurden. Das viele Quadratkilometer
große Grubenfeld war vom ausgeströmten
Gas gefüllt, dass auch über die beiden Schächte nach
über Tage ausgeströmt ist. Nach dem Ausbruch steht
das Bergwerk für mehrere Wochen still, auch um die
genauen Umstände des Unglücks zu ermitteln. Die
Ermittlungen sind Ende 2014 mit dem Ergebnis
abgeschlossen worden, dass es kein strafrechtlich zu
beanstandendes Fehlverhalten von K+S-Mitarbeitern
gegeben hat. Dieser Stillstand ist auch notwendig,
weil es eine gewisse Zeit braucht, um die
Kohlensäure aus dem Grubengebäude zu entfernen.
Kohlensäure ist schwerer als Luft und sie muss über
die Grubenbewetterung mit einem erheblichen
technischen Aufwand zur Erdoberfläche ausgeblasen
werden. Erst dann ist es möglich, mit dem
Wiederanfahren der Grube zu beginnen. Anschließend
sind umfangreiche Aufräumungs- und
Instandsetzungsarbeiten notwendig, weil die Wucht
des Ausbruchs die Infrastruktur in Teilen des
Bergwerks massiv beschädigt hat.
Während in einigen sicheren und kohlensäurefreien
Grubenbereichen bereits am 11. November 2013 die
Arbeit wieder aufgenommen wird, dauert es noch
bis zum 2. Dezember, bevor über Tage die Kalifabrik
wieder in Betrieb geht. Erst jetzt kann die Fabrik
von der Grube wieder mit soviel Rohsalz versorgt
werden, dass erste Produktionsanlagen angefahren
werden können. Die volle Förderleistung erreicht
das Bergwerk erst am 1. April 2014. Wirtschaftlich
verursachen der Gasausbruch und der mehrmonatige
Produktionsausfall einen Schaden in Höhe von
etwa 40 Millionen Euro.
Der Ausbruch vom 1. Oktober 2013 stellt in seiner
Dimension ein in der Geschichte des Kalibergbaus
an der Werra einmaliges Ereignis dar. Es kam zur
Freisetzung von etwa 40 Millionen Kubikmeter
Kohlensäuregas. Die unvorstellbare Wucht des
Gasausbruches hat rund 100.000 Tonnen Steinsalz
ausgeworfen und einen etwa 184 Meter langen, 28
Meter breiten und 19 Meter hohen Hohlraum mit
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20
einem Volumen von 100.000 Kubikmetern geschaffen.
Nach dem heutigen Wissensstand verfügt die von
den Standorten des Werkes Werra abgebaute
Lagerstätte noch über Vorräte von etwa 600 Millionen
Tonnen gewinnbarem Rohsalz. Auf dieser
Rohstoffbasis ist Abbau bis mindestens 2060
möglich. Damit hat der Bergbau eine zeitliche
Perspektive, die weitere für den Schutz der Umwelt
erforderliche Investitionen betriebswirtschaftlich
darstellbar machen.
In den kommenden Jahren wird sich die Abbautätigkeit
immer mehr in den hessischen Teil des
Reviers verlagern, da sich dort die meisten gewinnbaren
Vorräte befinden. Mit dieser lagerstättenbedingten
„Westwanderung“ des Abbaus geht einher,
dass der einzige Thüringer Standort in Unterbreizbach
beim derzeitigen Abbauverfahren voraussichtlich
bis zum Ende der 2030er Jahre auslaufen, weil
dort dann die gewinnbaren Vorräte zu Ende gehen.
Auf hessischer Seite ist in den vergangenen Jahren
mit der Erschließung des zukünftigen Hauptabbaufeldes
Marbach begonnen worden. Es liegt im
Untergrund des Kreises Fulda und erstreckt sich im
Süden über Hünfeld hinaus bis fast zur Stadt Fulda.
Seiner Inbetriebnahme gehen umfangreiche
Vorarbeiten voran. Schließlich kann am 31. März
2017 nach über sechsjähriger Prüfungs- und
Vorbereitungszeit die erste Kippstelle in Betrieb
genommen werden. Damit beginnt die planmäßige
Förderung im neuen Grubenfeld.
(Fotos: 2017_werksinfo18_Marbach)
(Welche Förderung kommt aktuell aus dem Feld
Marbach und wie ist die weitere Planung. Da
brauche ich noch Informationen!)
In den kommenden Jahren wird der dortige
Produktionsausbau hohe Anforderungen für die
Infrastruktur unter Tage mit sich bringen. Die
Entfernung von den Einfahrts- und Förderschächten
wird größer. Dementsprechend verlängern sich
die Fahr- und Förderwege, um die zukünftigen
Abbaubereiche zu erreichen. Längere Anfahrwege
unter Tage führen bei der Belegschaft zu einer
kürzeren Effektiv-Arbeitszeit. Die Versorgung der
Reviere, etwa mit Betriebsstoffen und Sprengstoff,
wird aufwendiger. Da wachsende Leitungslängen
mit Spannungsverlusten verbunden sind, wird auch
die Versorgung mit elektrischer Energie anspruchsvoller.
Schließlich wachsen die Anforderungen, um
die Abbaubereiche mit der erforderlichen Menge an
Frischluft („Frischwetter“) zu versorgen.
Beim Eiterfelder Ortsteil Dittlofrod startet im
November 2017 eine aufwändige und etwa zwei
Millionen Euro teure Explorationsbohrung. Schnell
machen Gerüchte die Runde, dass hier nicht nur die
Lagerstätte erkundet, sondern auch die mögliche
Errichtung eines Schachtes geprüft wird. Ein neuer
Schacht kann helfen, die zukünftigen Abbaubereiche
effektiver auszubeuten und den wachsenden
infrastrukturellen Anforderungen unter Tage besser
gerecht zu werden.
In den letzten Jahrzehnten hat K+S vor allem in der
Grube Merkers viele Erfahrungen gesammelt, wie
abgebaute Grubenteile effektiv zu verfüllen sind und
welche Standsicherheit mit dem nachträglich
eingebrachten Material erreicht wird. Dieses Wissen
ist maßgeblich eingeflossen, um mit dem sogenannten
„intensivierten Sylvinitabbau“ ein neues
Abbauverfahren zu entwickeln. Dabei wird in
Grubenbereichen, in denen eine Sylvinit-Ausbildung
der Lagerstätte vorliegt, ein zweiter Gewinnungszyklus
durchgeführt. Zunächst werden die Abbaue
zwischen den bestehenden Pfeilern verfüllt. Wenn
sich das Verfüllmaterial ausreichend verfestigt hat,
werden im Anschluss Teile der Pfeiler abgebaut, um
hier Wertstoff zu gewinnen. Das ist aber nur
möglich, wenn die verfüllten Bereiche so stabil sind,
dass sie auch nach dem Ende des zweiten Gewinnungszyklus
das Gebirge langfristig sicher abstützen.
Wenn es gelingt, das Abbaukonzept umzusetzen,
kann die Menge der bergbaulich gewinnbaren
Kalivorräte gesteigert und damit das prognostizierte
Ende der Abbaumöglichkeiten nach hinten verschoben
werden.
Landmarken mit Umweltauswirkungen
Die großen Halden der Kaliwerke sind charakteristische
Landmarken in der osthessischen Mittelgebirgslandschaft.
Ihr reibungsloser Betrieb ist eine
zwingende Voraussetzung für die Kaliherstellung.
Derzeit werden pro Jahr auf den drei Reststoffhalden
Wintershall, Hattorf und Neuhof-Ellers etwa 25
Millionen Material abgelagert. Damit wachsen die
dafür benötigten Flächen. Deshalb müssen die
Haldenflächen immer wieder erweitert werden. In
Hattorf reichen die genehmigten Haldenkapazitäten
bis 2017 und in Wintershall bis 2018. Im Werk
Standort Neuhof-Ellers stehen demgegenüber schon
die Kapazitäten zur Verfügung, die bis zum Jahr
2035 benötigt werden.
Zur Erweiterung der Hattorfer Halde erwirbt K+S
im Sommer 2011 vom Land Hessen insgesamt 78
Hektar Wald. Damit sind die erforderlichen Haldenflächen
bis zum vorgesehenen Produktionsende
nach 2060 zwar gesichert, aber ihre Beschüttung
muss erst noch genehmigt werden. Hierzu wird einige
Wochen später als erster Verfahrensschritt zu
einer Erweiterung der Haldenfläche vom Regierungspräsidium
in Kassel ein sogenannter Scooping-Termin
anberaumt. Es wurde bei allen am
Verfahren Beteiligten abgefragt, welche Unterlagen
der Genehmigungsantrag enthalten soll. Die
Bevölkerung im Umfeld bekommt bei verschiedenen
Veranstaltungen Informationen über die
Planungen. Die Pläne selbst werden im Mai 2015
erstmals öffentlich ausgelegt. Die während der
Auslegung eingegangenen Stellungnahmen werden
im weiteren Verfahren von der Genehmigungsbehörde
gesichtet und bewertet. Eine zweite öffentliche
Auslegung gibt es im Jahr 2017 mit überarbeiteten
Unterlagen. Die beantragte Aufschüttungsfläche ist
um zehn Hektar reduziert worden und hinzu
kommen 18 Hektar Fläche für einen Randstreifen,
Infrastruktur und ein Rückhaltebecken. Als die
Teilgenehmigung für einen vorzeitigen Beginn Ende
2017 eingegangen ist, laufen die ersten Rodungsmaßnahmen
auf der Erweiterungsfläche an. Nach
einer weiteren Überarbeitung des Konzeptes für die
Beschüttung, geht schließlich Anfang Oktober 2018
die Genehmigung für die Nutzung einer 27 Hektar
große Teilfläche ein. Dadurch ist die Produktion des
Standortes für fünf bis sechs Jahre gesichert. Die
Beschüttung der neuen Flächen beginnt nur wenige
Tage später am 18. Oktober 2018. Das ist ein Beleg
dafür, wie knapp zwischenzeitlich die Kapazitäten
zur Aufhaldung von Rückstand am Standort Hattorf
geworden waren.
Die ersten Schritte zur Erweiterung der Halde
Wintershall starten 2012. Zunächst hat das Unternehmen
die Öffentlichkeit bei Informationsveranstaltungen,
mit Druckschriften und im Internet
über die Planung der letztlich fast 26 Hektar Fläche
umfassenden Erweiterung informiert. Im April 2018
wird die Genehmigung beantragt. Ende 2019 findet
ein öffentlicher Erörterungstermin statt und im
Folgejahr wird die Genehmigung zur Haldenerweiterung
erteilt. Damit verfügt der Standort Wintershall
Kapazitäten für etwa neun Jahre.
Zum Ausgleich der mit den Erweiterungen verbundenen
Verluste von Wald- und landwirtschaftlichen
Flächen und zur Kompensation der Naturschädigungen,
muss K+S umfangreiche Maßnahmen
durchführen. Im Umfeld der Werke, teilweise aber
auch weiter entfernt, werden Flächen identifiziert,
die auf Kosten von K+S ökologisch aufgewertet
werden.
Beispiele für die im Zusammenhang mit den
Haldenerweiterungen Hattorf und Wintershall
erfolgten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie
Ersatzaufforstungen sind die Schaffung von neuen
Quartieren in unmittelbarer Nähe der Halde für die
von den Erweiterungen betroffenen Tiere. Dazu
zählen Fledermauskästen, Nisthilfen für Vögel und
Kobel für Haselmäuse sowie künstliche Horste für
Greifvögel. Hinzu kommen Blühstreifen in Äckern
zur Entwicklung von Bruthabitaten für Feldlerche
und Wiesenbrüter. Dazu zählt auch eine bereits 2016
neu gepflanzte Streuobstwiese als Lebensraum für
Vögel, Reptilien und Insekten. Naturschutzrechtliche
Ausgleichsmaßnahmen, die standortfern, aber
noch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg erfolgen
sind: Im angrenzend an das in der Gemeinde
Haunetal gelegene Naturschutzgebiet „Moor bei
Wehrda“ die Wiedervernässung von Wiesen
vernässt, um die Entwicklung einer großflächigen
Feuchtwiesenlandschaft anzuregen. Ein weiteres
Projekt ist die Grünlandetablierung Grasburg-Soislieden
in der Gemeinde Hohenroda. Dabei handelt
es sich um ehemaliges Ackerland, das zu einer
artenreichen Frischwiese mit Blühstreifen umgewandelt
wird, aber weiterhin für die heimische
Landwirtschaft nutzbar bleibt. Da die Haldenerweiterung
nicht nur in Heringen, sondern auch in
benachbarten Kommunen zu sehen ist, werden in
21
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diesen insgesamt 380 Bäume gepflanzt. Die Flächen,
auf denen Waldrodungen für die Haldenerweiterung
erforderlich sind, werden durch Aufforstungsmaßnahmen
auf verschiedenen kleineren Flächen im
Landkreis Hersfeld-Rotenburg ausgeglichen.
Angesichts der Erweiterung der beanspruchten
Flächen, wird es immer drängender, etwas gegen die
wachsende Menge der an den Halden entstehenden
Salzabwässer zu tun.
Ab 2013 werden an der Halde Wintershall erste
Versuche für eine Abdeckung auf einer Fläche von
500 Quadratmetern vorgenommen. Es soll erforscht
werden, welche Materialien geeignet sind und wie
stark die anfallenden Haldenabwässer vermindert
werden können. Eine Reduzierung um etwa 80
Prozent stellt sich als machbar heraus. Leider sind
für Steinsalzhalden dieser Größe bisher keine
Verfahren bekannt. Deshalb ist viel Forschungs- und
Entwicklungsarbeit nötig, um eine auf die spezifischen
Bedingungen jeder Halde abgestimmte
Strategie zu entwickeln.
Mit einer Verspätung von zweieinhalb Jahren
beginnt im Sommer 2018 an der Halde Hattorf ein
halbtechnischer Versuch. Auf einer größeren Fläche
und auch an den steilen Haldenflanken wird das für
die Abdeckung ausgewählte Gemisch von Aschen
und Schlacken aus der Hausmüll- und Braunkohlenverbrennung
aufgebracht. Insgesamt 40.000 Tonnen
Material werden für den 100 Meter breiten und bis
zu 25 Meter hohen Versuchsbereich benötigt. Es
stellt sich heraus, dass das verwendete Material, was
Stabilität und die Schütteigenschaften anbelangt,
die Erwartungen besser erfüllt als erwartet.
Vor Beginn der Abdeckung im Normalbetrieb wird
als letzter Zwischenschritt an der Halde Wintershall
noch ein groß angelegter Betriebsversuch geplant.
Es soll eine Haldenflanke in der gesamten Höhe
abgedeckt und begrünt werden.
Neben den eigenen Anstrengungen geht K+S ab
2018 auch neue Wege und veranstaltet mit der
„Brine Challenge“ einen weltweit platzierten
Wettbewerb, um innovative Denkansätze und Ideen
für die Haldenabdeckung zu erhalten. Weil Ideen aus
dem zwischenzeitlich abgeschlossenen Ideenwettbewerb
einfließen, wird 2020 ein Systemwechsel für
die Halden Wintershall und Hattorf vorgenommen.
Die Vorschläge der Sieger aus den USA und Australien
sehen vor, die Oberfläche der Halden so zu
behandeln, dass das Material an der Oberfläche für
Wasser unlöslich gemacht wird. Nun soll die
Abdeckung nicht mehr in der Form vorgenommen
werden, wie sie in den Jahren zuvor umfangreich
untersucht worden ist. Jetzt ist geplant die Haldenflanken
mit einer Hemmschicht zu versehen, die das
Eindringen von Niederschlagswasser in den
Haldenkörper verhindert. Für die schon viele Hektar
großen, ebenen Flächen auf der Halde soll eine
Abdeckung bestehend aus einer Kunststoffdichtungsbahn,
einer Drainageschicht und einer
Rekultivierungsschicht aus Bodenmaterial zum
Einsatz kommen.
Um die Wirksamkeit der Infiltrationshemmschicht
zu ermitteln, finden 2021 auf der Halde Wintershall
Versuche statt. In Hattorf wird auf einem speziellen
Prüffeld die für die Abdeckung des Haldenplateaus
vorgesehene Boden-Bauschuttabdeckung untersucht.
Da diese sich als wirkungsvoll herausstellt,
kann dort in den kommenden Jahren auf einer
Fläche von 9,5 Hektar die Abdichtung so vorgenommen
werden.
In Neuhof-Ellers werden ab 2018 Aktivitäten zur
Haldenabdeckung ergriffen. Auf der Basis eines
Konzeptes zum innovativen Erosionsschutzes ist
vorgesehen, auf dem Haldenplateau Becken zu
errichten, mit deren Hilfe dort die Niederschläge
aufgefangen werden, bevor sie mit Salz in Berührung
kommen. Wie schon an der Werra kommt es
auch in Neuhof-Ellers 2020 zu einem Wechsel der
Abdeckstrategie. Jetzt soll eine Dickschichtabdeckung
mit Boden und Bauschutt realisiert werden.
Eine Machbarkeitsstudie zeigt im Jahr 2021, dass
die erforderlichen Materialmengen langfristig
bereitgestellt werden können und das mit der
geplanten Abdeckung die Bildung von Haldenabwässern
weitgehend beendet wird. Daher kann auf
lange Sicht sogar auf die Salzwasserpipeline vom
Werk Neuhof-Ellers ins Werratal verzichtet werden.
Im Jahr 2022 wird die Bevölkerung in Informationsveranstaltungen
umfassend über das Projekt in
Kenntnis gesetzt, dessen konkrete Umsetzung ab
2027 beginnen soll. Inzwischen zeichnet sich ab,
dass es in der Öffentlichkeit gegen die Haldenabde-
ckung in der vorgesehenen Form große Vorbehalte
gibt. Sie betreffen vor allem die lange Dauer bis zum
Abschluss der Abdeckung, den großen Flächenverbrauch
und die zusätzliche Belastung durch den
Antransport des benötigten Abdeckmaterials.
Die Halden beruhen in erster Linie auf den betrieblichen
Notwendigkeiten der Kaliproduktion, haben
zweifelsohne negative ökologische Auswirkungen
und stellen für manche Menschen eine Beeinträchtigung
eines natürlichen Landschaftsbildes dar.
Dennoch besteht bei vielen Bewohners der Region
eine Identifikation mit den im Volksmund „Monte
Kali“ oder „Kalimandscharo“ genannten künstlichen
Bergen. Denn neben den umfangreichen
Produktionslagen sind sie die markantesten
Wahrzeichen des Kalibergbaus. Seit vielen Jahren
gibt K+S in Wintershall und Neuhof-Ellers Besucherinnen
und Besuchern die Möglichkeit, die weißen
Berge zu erleben. Sei es bei einer Führung oder
einer Sonnenuntergangswanderung auf dem
Heringer „Monte Kali“ oder bei einem der beliebten
Konzerte „Music on Top“ auf der Halde des Werkes
in Neuhof-Ellers. Alljährlich erleben tausende
Besucher Live-Musik an einem ganz besonderen Ort
oder nutzen die Möglichkeit, um bei einer besonderen
Bergtour die Halden als phantastische Aussichtspunkte
mit Weitblick kennenzulernen.
Stapelbecken und besseres Abwassermanagement
sichern die Produktion
Angesichts der Einstellung der Versenkung und
wegen sinkender Einleitungsmengen ist das Werk
gezwungen, beim Abwassermanagement verschiedene
Maßnahmen anzugehen. Seit vielen Jahren
gibt es für das anfallende Abwasser spezielle
Stapelbecken. Zusätzlich wird ein Ausbau der
Abwasser-Zwischenspeicher unabdingbar. Dadurch
werden die erforderlichen Kapazitäten geschaffen,
um zukünftig, auch angesichts der sich ändernden
klimatischen Bedingungen, größere Reserven zu
haben. Daher werden bis 2018 im Gewerbegebiet
„Alte Ziegelei“ in Heringen auf einer Fläche von
etwa 20 Hektar nach und nach insgesamt fünf
Becken gebaut, die zusammen 331.000 Kubikmeter
Abwasser fassen. Parallel dazu werden am Standort
Wintershall alle schon vorhandenen Stapelbecken
modernisiert.
Es bleibt aber nicht bei den Speicherbecken über
Tage. Auch unter Tage werden beginnend mit dem
Grubenfeld Springen ab Sommer 2016 Möglichkeiten
zur Zwischenspeicherung von Salzabwasser
geschaffen. Die von der Thüringer Landesregierung
erteilte Genehmigung bezieht sich auf maximal
200.000 Kubikmeter. Im Jahr 2019 folgt ein weiterer
Zwischenspeicher unter Tage im nördlichen Teil des
Grubenbetriebes Hattorf/Wintershall (HW). Dieser
hat ein Fassungsvermögen von etwa 400.000
Kubikmetern, liegt in etwa 700 Meter Tiefe und ist
rund fünf Quadratkilometer groß.
Binnen weniger Jahre hat das Werk Werra die
verfügbaren Zwischenspeicher für Abwasser auf
eine Kapazität von etwa eine Million Kubikmeter. Es
stehen nun deutlich größere Reserven zur Verfügung.
Sie helfen dabei, ohne einen Stillstand in der
Produktion, Phasen zu überstehen, in denen es
witterungsbedingt nicht möglich ist, größere
Abwassermengen über die Werra zu entsorgen.
Daneben werden weit entfernt vom Werratal in
Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Nordthüringen
ab 2016 weitere Entsorgungsmöglichkeiten gefunden.
Zunächst wird Abwasser mit einem hohen
Kosten- und Logistikaufwand zum Werk Bergmannssegen-Hugo
bei Hannover gebracht, um die
in Niedersachsen gesetzlich vorgeschriebene
Füllung der Grubenhohlräume mit Salzwasser
vorzunehmen. Das Werk ist seit 1994 ein reiner
übertägiger Fabrikstandort, nachdem die Förderung
aus der eigenen Grube bereits 1994 eingestellt
worden ist. Es folgt die Flutung einer stillgelegten
Gaskaverne bei Bernburg in Sachsen-Anhalt im
Bereich eines zum Werk gehörenden Solfeldes.
Allerdings handelt es sich hierbei, genauso wie bei
ähnlichen Planungen für das ehemalige Kalibergwerk
Bischofferode in Nordthüringen, nur um
kurzfristige Maßnahmen. Längerfristige Perspektiven
zur Entspannung der Abwassersituation
eröffnen sie nicht.
Einen anderen Stellenwert hat die Flutung des seit
2018 über und unter Tage stillgelegten Kalibergwerks
Sigmundshall. Nachdem die erforderliche
Genehmigung erteilt worden ist, können dort
insgesamt fast 40 Millionen Kubikmeter Salzabwas-
23
24
ser dauerhaft eingespeichert werden. Der Regelbetrieb
ist im Jahr 2021 mit zunächst 300.000 Kubikmetern
angelaufen. Damit in der
Einspeicherungsphase die Abwassermengen
bewältigt werden können, sind umfangreiche
Investitionen erforderlich. Neben einem Ausbau der
bestehenden Grubenanschlussbahn ist bis 2023
vorgesehen, eine Rohrleitung vom Mittellandkanal
zum Werksstandort zu bauen, um von dort aus auch
Anlieferungen mit Binnenschiffen zu nutzen. Über
mehr als 20 Jahre hinweg sollen jährlich über eine
Millionen Kubikmeter Salzabwasser in die Grube
eingeleitet werden. Darüber hinaus werden Überlegungen
angestellt, ob auch das bereits 1996
stillgelegte Kalibergwerk Niedersachsen-Riedel bei
Celle in die Entsorgung einbezogen wird.
In den Jahren 2019 und 2020 erwirbt das Werk
Werra für die notwendigen Transporte fast 100
speziell entwickelte Eisenbahnwaggons. Jeder der
Waggons fasst 62.000 Liter. Jeweils 24 werden zu
einem Zug dieser Spezialwaggons mit einem
Transportvolumen von fast 1.500 Kubikmetern
zusammengestellt. Damit kann eine deutlich höhere
Transportkapazität wie mit den bisherigen Waggons
erzielt werden und darüber hinaus lassen sich die
neuen Waggons schneller entladen.
Die Flutung eines stillgelegten Kalibergwerks ist
aber auch an der Werra aktuell. Das hat es hier noch
nie gegeben. Nach 2015 werden erste Überlegungen
angestellt, ob die in Thüringen gelegene Grube
Springen dafür geeignet ist. Im Vorfeld der vorgesehenen
Flutung sind umfangreiche Untersuchungen
erforderlich.
Nach Auffassung von K+S kann mit Hilfe der
Flutung von Springen neben der Einleitung der
Produktionsabwässer auch ein dort bestehendes
Problem der Grubensicherheit gelöst werden. Das
Bergwerk hat seit Jahren Zuflüsse von Salzwasser.
Sie werden derzeit mit einem hohen technischen
Aufwand erfasst und anschließend nach über Tage
gepumpt, wo sie entsorgt werden. Es handelt sich
dabei um Wässer, die aus den über der Salzlagerstätte
liegenden Gesteinsschichten zufließen. Der
Zufluss erfolgt von unten aus dem Wartburgkonglomerat.
Diese Gesteinsschicht ist im Thüringer Wald
an der Erdoberfläche zu finden. Im Bereich der
Grube Springen liegt sie aber unterhalb der Schichten
mit Salzgestein. Die Einbringung von Salzwasser
baut nach Auffassung von K+S einen Gegendruck
gegen die von unten eindringenden Salzlösungen
auf. Das führt im Endeffekt dazu, dass die Zuflüsse
zukünftig abnehmen und schließlich zum Stillstand
kommen werden. Folgen die Genehmigungsbehörden
in Thüringen dieser Argumentation, ist die
Flutung des Bergwerks eine Maßnahme zur
Bergsicherung. In diesem Fall können beide Sohlen
des Bergwerks geflutet werden.
Demgegenüber sehen sich die Genehmigungsbehörden
gehalten abzuschätzen, ob es sich bei der
Flutung um eine Entsorgungsmaßnahme handelt.
In diesem Fall muss das Projekt nach dem Abfallrecht
betrachtet und genehmigt werden. Dann
müssen die Abwässer so eingespeichert werden,
dass im Bedarfsfall eine Rückholung an die Erdoberfläche
möglich ist. Die für die Rückförderung
erforderliche Infrastruktur muss dann auf der
oberen Sohle errichtet und vorgehalten werden. Deshalb
kann diese dann nicht geflutet werden und das
für die Einspeicherung zur Verfügung stehende
Hohlraumvolumen reduziert sich maßgeblich.
Zwischenzeitlich hat K+S, noch bevor alle erforderlichen
Genehmigungen vorliegen, mit einem
finanziellen Aufwand von über 30 Millionen Euro
die komplette Infrastruktur aufgebaut, um mit der
Flutung beginnen zu können. An der Fabrik Hattorf
wurden Zwischentanks errichtet, aus denen die
dafür bestimmten Abwässer nach Wintershall
gepumpt werden können. Dort werden sie über eine
Fallleitung nach unter Tage gebracht und mit einer
kilometerlangen Pipeline zum Sicherheitspfeiler
zwischen Hessen und Thüringen transportiert. Auf
der thüringischen Seite des Sicherheitspfeilers ist
ebenfalls eine Rohrleitung gebaut worden. Sie führt
über sieben Kilometer in den ersten Grubenbereich,
der für die Flutung vorgesehen ist.
Im Dezember 2020 beschließen die Parlamente in
Hessen und Thüringen die für das Projekt erforderlichen
Änderungen am bestehenden Staatsvertrag
zum grenzüberschreitenden Abbau von Kalisalzen.
Noch im selben Monat genehmigt das Land Hessen
einen für das Projekt notwendigen bergrechtlichen
Sonderbetriebsplan. Er ermöglicht es, die Mark-
scheide zwischen Hessen und Thüringen geringfügig
zu verlegen. Um die beiden Leitungen miteinander
zu verbinden muss jedoch noch der
Sicherheitspfeiler mit zwei Bohrungen von je 50
Zentimeter Durchmesser durchbohrt werden. Das
ist aber noch nicht geschehen, weil noch nicht alle
erforderlichen Genehmigungen vorliegen. Deshalb
konnte der für das Jahr 2022 von Unternehmensseite
vorgesehene Beginn der Grubenflutung mit
zunächst 1,5 Millionen Kubikmetern jährlich nicht
eingehalten werden.
Wenn das Projekt in Springen, wie von K+S vorgesehen,
realisiert wird, ist es ein „Befreiungsschlag“
für das Werrarevier. Es stellt dann die Entsorgungskapazitäten
bereit, die bis zum Ende des aktiven
Kalibergbaus benötigt werden, um die Fabrikationsabwässer
zu entsorgen. Ob das gelingt, hängt vor
allem von der genehmigungsrechtlichen Einstufung
des Projektes ab. Sollte der Genehmigung das
Abfallrecht zugrunde gelegt werden, müssen über
Springen hinaus weitere Entsorgungswege gefunden
werden.
Heiße Sommer – wenig Arbeit
Mit einem finanziellen Aufwand von mehreren 100
Millionen Euro hat K+S zwischen 2010 und heute
wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche
Kaliproduktion bei ständig steigenden Umweltanforderungen
geschaffen. Aber mehrfach gab es dabei
ernstzunehmende Problemlagen, die einige Mal die
weitere Perspektive in Frage gestellt haben. Als Folge
des Klimawandels ändern sich die klimatischen
Bedingungen auch in Deutschland. Das bleibt nicht
ohne Auswirkungen auf das Werratal und damit
auch auf das Kalirevier. Die Sommer werden heißer
und die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge
verschiebt sich. Schon heute sind deutliche Auswirkungen
auf die Wasserführung der Werra erkennbar.
Wenig Wasser im Fluss engt die Spielräume für die
Abwasserentsorgung ein. Das war insbesondere in
den trockenen Sommern der Jahre 2016 und 2018
der Fall. Mitten in der Anpassungsphase zur
Senkung der Abwassermengen und der Schaffung
größerer Zwischenspeicherkapazitäten, war es
damals nicht mehr möglich, ohne Unterbrechung zu
produzieren. Die Folge waren mehrere, teilweise
längere Phasen der Kurzarbeit auf den Produktionsstandorten
in Hessen und Thüringen. Der Ausfall
der Produktion hatte einschneidende wirtschaftliche
Auswirkungen. Die Kosten der witterungsbedingten
Produktionsausfälle belaufen sich für K+S
im Jahr 2016 auf 198 Millionen Euro und im Jahr
2018 auf 110 Millionen Euro.
Die Produktionseinschränkungen, vor allem im Jahr
2016, brachten eine erhebliche Unruhe in der
Region mit sich. Viele Menschen haben die Zukunft
des Werks Werra und damit der Kaliregion akut
bedroht gesehen. Am 8. September 2016 ist eine
spektakuläre Menschenkette der Höhepunkt
vielfältiger Aktivitäten, um die Gefahrensituation in
der Öffentlichkeit bekannt zu machen. An diesem
Tag hat eine über 13 Kilometer lange Menschenkette
mit etwa12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
die Werksstandorte im Werratal miteinander
verbunden. Sie macht eindrucksvoll deutlich, dass
die Region zur Kaliindustrie steht. Darüber hinaus
haben sich die unterschiedlichsten Akteure aus
Politik, Wirtschaft und Organisationen aller Art
eingebracht. So startet etwa der Bergmannsverein
Wintershall schon im Sommer 2016 eine Kampagne
zum Erhalt der Kaliindustrie. Schon bald hängen
überall in der Kaliregion schwarze Transparente mit
der Aussage „Wenn das Kaliwerk Werra stirbt, dann
stirbt auch die Region“. Die Bürgermeister der
Standortgemeinden schließen sich in einem
Aktionsbündnis zusammen, um ihre Stimmen zu
bündeln und für den Kalibergbau eine Lanze zu
brechen.
Glücklicherweise haben sich die damaligen schlimmen
Befürchtungen nicht bewahrheitet und es ist
gelungen, nach dem Jahr 2016 auch im Jahr 2018 die
witterungsbedingten Produktionsstillstände zu
überstehen. Der ohne Produktionsausfall überstandene
Extremsommer 2022 belegt, dass die Kaliindustrie
gegenüber witterungsbedingten Einflüssen
zwischenzeitlich viel krisenfester geworden ist.
Optimierung über und unter Tage
Das Thema Umweltauswirkungen hat in den
vergangenen Jahren die Kaliindustrie stark beschäftigt
und immer wieder den Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses dargestellt. Aber auch in vielen
anderen Bereichen ist die Entwicklung nicht stehen
geblieben. Unter wie über Tage sind überall Projekte
25
26
umgesetzt worden, um die Effektivität der Produktion
zu erhöhen. Dabei ist besonders bemerkenswert,
dass diese Maßnahmen entweder im laufenden
Betrieb oder in eng gefassten Reparaturpausen
verwirklicht werden müssen. Jahr für Jahr werden
hohe Millionenbeträge für diese, im Vergleich zu
den Umweltgroßprojekten weniger spektakulären
Investitionen aufgewendet.
Nur einige Maßnahmen zur Verbesserung der
Gruben, etwa im Bereich der Infrastruktur und
Maschinentechnik, seien beispielhaft genannt. Im
Jahr 2012 wird am Standort Hattorf eine der beiden
Fördermaschinen ersetzt. Aber auch auf dem
Standort Unterbreizbach wird die Schachtförderung
in zwei Schritten modernisiert. Zunächst erhält die
Fördermaschine Nord im Jahr 2013 eine neue
Treibscheibe. Sechs Jahre später wird sie auch
elektrisch ertüchtigt. Eine wichtige Investition an
der Doppelschachtanlage Herfa-Neurode war im
Jahr 2015 die Erneuerung des Hauptgrubenlüfters
am Schacht Neurode, der verbrauchte Grubenwetter
durch den Schacht nach über Tage transportiert. Am
benachbarten Schacht Herfa wird 2019 ein nicht
mehr benötigter Teil der Schachtröhre nach Entfernung
aller Einbauten mit fast 8.000 Tonnen Schotter
aufwendig aufgefüllt. Nachdem 2018 die Verkleidung
am Förderturm des Schachtes Grimberg in
Wintershall planmäßig erneuert worden ist, war im
Jahr 2021 schnelles Handeln erforderlich, weil
kurzfristig eine größere Reparatur an der Treibscheibe
der Fördermaschine notwendig war. In
Merkers, wo über den Schacht III neben der
Grubenbelegschaft pro Jahr bis zu 80.000 Besucher
nach unter Tage in das Erlebnis Bergwerk Merkers
(EBW) gebracht werden, wird im Jahr 2018 die
Steuerungsanlage der Fördermaschine erneuert.
Bei mehreren anderen Projekten geht es unter Tage
darum, die Förderströme zu optimieren und
effektivere Verbindungen zu schaffen. So kann den
Fabriken das benötigte Rohsalz in optimaler
Zusammensetzung und ausreichender Menge zur
Verfügung gestellt werden. In Unterbreizach werden
im Jahr 2019 auf der Basis von gemeinsamen
Überlegungen von Grubenbetrieb und Fabrik die
Förderströme grundlegend neu organisiert. Damit
gelingt es, ein aus drei Abbaurevieren stammendes
und unterschiedlich zusammengesetztes Rohsalz
besser für die Weiterverarbeitung zu vereinheitlichen.
Eine Maßnahme, die keine Investitionen
erfordert hat, aber pro Jahr mehrere Millionen Euro
einspart. Als nächster Optimierungsschritt wird im
Jahr 2020 eine 1.200 Meter lange Strecke bergmännisch
aufgefahren und eine Bandanlage eingebaut.
So wird ein unabhängiger Betrieb der Reviere 2 und
3 möglich. Die Bandanlage wird kürzer und die
verbesserten Förderströme und sparen Energieund
Unterhaltungskosten.
Zur Anbindung des Großreviers 5 der Grube
Hattorf/Wintershall geht im Jahr 2013 eine neue,
über 1.000 Meter lange Förder- und Fahrverbindung
in Betrieb. Sie ist kürzer und sicherer zu
befahren, weil sie von den Gefälle- und Steigungsverhältnissen
her günstiger gestaltet ist. Die neue
Strecke spart 5,4 Kilometer Fahrweg ein. Es werden
3,2 Kilometer Bandstrecke und mehrere Bandantriebe
frei, die an anderer Stelle neu verwendet
werden können. Jeweils in den Betriebspausen der
Jahre 2015 und 2016 wird der 50 Meter hohe und
4.000 Tonnen fassende Westfeldbunker in der Grube
saniert. Er nimmt das Rohsalz aus fünf Revieren auf
und dient dazu, die Versorgung der Fabriken mit
Rohsalz in einheitlicher Qualität zu gewährleisten.
Zwischen den früher selbständigen Gruben Wintershall
und Hattorf entsteht im Jahr 2020 eine dritte
Verbindung. Sie macht vor allem die Rohsalzversorgung
der Fabriken flexibler und reduziert die
Fahrstrecke vom Revier 7 zum Schacht von 15 auf
sieben Kilometer. Die zukünftige Anbindung des
Feldes Marbach an die Fabrik Wintershall wird
verbessert und die Bewetterung dieses AbbaubereichesFeldes
erleichtert.
Eine Grundbedingung für die Kaligewinnung unter
Tage ist die sichere und ausreichende Versorgung
mit elektrischer Energie. Eine Schlüsselrolle spielt
dabei das an der Schachtanlage Heimboldshausen/
Ransbach (Hera) gelegene Umspannwerk. Damit es
auch künftig den steigenden Anforderungen genügt,
erfolgt eine umfassende Erneuerung der Schaltanlage.
Im Bereich der Maschinentechnik ist im Jahr 2016
ein neuer Caterpillar-Lader für den Rohsalzbunker
unter Tage am Schacht Hattorf angeschafft worden.
In 54 große Kisten zerlegt, gelangt das 120 Tonnen
schwere und von einem fast 900 PS starken Motor
angetriebene Großgerät über den Schacht Neurode
nach und nach in das Bergwerk und wird dort
wieder zusammengebaut. Im Einsatz versorgt der
Lader mit seiner 5,30 m breiten und 32 Tonnen
Material fassenden Schaufel aus dem Bunker heraus
die Fabrik vor allem an den Wochenenden und in
der Nacht komplett mit Rohsalz.
Im Unterbreizbach geht im Jahr 2017 zur Ergänzung
der vorhandenen Laderflotte eine neue Generation
von Frontschaufelladern an den Start. Diese 59
Tonnen schweren, über 12 Meter langen und 3,8
Meter breiten Lader des Typs LF 21 H haben eine
maximale Nutzlast von 21 Tonnen. Hinzu kommen
eine erleichterte Bedienung über einen Touch-
Screen und die verbesserte ergonomische Ausstattung
für die Laderfahrer. Einer dieser Lader kommt
seit dem Jahr 2020 auch in der Grube Hattorf/
Wintershall zum Einsatz. Zusätzlich verfügt das
Bergwerk über ein auf der Basis des LF 21 H
konstruiertes Beraubefahrzeug, welches in den
Strecken loses Salzgestein von der Firste (Decke)
und den Stößen (Seitenwände) abkratzt, um die
Sicherheit der Grubenbaue herzustellen.
In einem Bereich in der Grube Hattorf/Wintershall
ist es aufgrund der Lagerstättenausbildung möglich,
eine 500 Meter lange, 35 Meter breite und 25 Meter
hohe Abbaukammer aufzufahren. Dazu wird ein
spezieller Bohrwagen benötigt. Der 2019 eingeführte
Strossenbohrwagen besitzt eine vertikal angeordnete
Bohrlafette. Mit ihrer Hilfe werden Sprenglöcher
nicht wie üblich horizontal ins Gestein gebohrt,
sondern vertikal in die Sohle („Strosse“). Nur so
kann eine Abbaukammer in der hier erforderlichen
Dimension aufgefahren werden.
Die Fabrikstandorte sind mittlerweile seit über 100
Jahren in Betrieb. Das macht immer wieder Investitionen
erforderlich, um die Werksinfrastruktur
grundlegend zu ertüchtigen und auf den neuesten
Stand zu bringen. Hier ist in Wintershall die
Sanierung des Hauptabflusskanals auf 500 Meter
Länge zu nennen. Weiter die Neuerrichtung eines
Sandfangs, der Feststoffe aus dem in der Fabrik
benötigten Kühlwasser herausfiltert. Auch in
Unterbreizbach ist die Instandsetzung des innerbetrieblichen
Kanalisationsnetzes notwendig und wird
begonnen.
Eine entscheidende Komponente ist die Versorgung
mit elektrischer Energie und Prozessdampf. Daher
gehört zu jedem Produktionsstandort eine Kraftwerksanlage.
In Hattorf ist es vor der Inbetriebnahme
der neuen KKF-Anlage erforderlich, im Kraftwerk
eine zusätzliche Turbine einzubauen. Größere
Investitionen werden in Zusammenhang mit der
Energieversorgung auch in Unterbreizbach realisiert.
Im Jahr 2017 wird ein neuer Niederdruckkessel
installiert. Drei Jahre später wird nach einer
aufwändigen Gebäudesanierung für insgesamt 20
Millionen Euro ein weiterer Kessel in Betrieb
genommen. Allein die Trommel der Kesselanlage, in
der sich das Wasser-Dampf-Gemisch sammelt, hat
einen Durchmesser von zwei Metern, ist neun Meter
lang und wiegt etwa 21 Tonnen. Hinzu kommen der
erforderliche Stahlbau, diverse Armaturen, Rohrleitungen,
Isolierungen sowie Luft-, Rauchgas- und
Abgaskanäle. Für etwa fünf Millionen Euro wird in
Wintershall ab dem Jahr 2019 die 5,5 kV-Schaltanlage
unter beengten räumlichen Verhältnissen im
laufenden Betrieb neu errichtet. Um Platz für die
neuen Schaltschränke zu schaffen, wird zunächst
das Gebäude um eine Etage aufgestockt. Wegen des
hohen Gewichtes muss die Statik des gesamten
Gebäudes massiv verstärkt werden. Seit Ende 2020
übernimmt die Anlage die gesamte Stromversorgung
des Standortes Wintershall. Noch im Jahr 2019
wird in Wintershall die seit 2015 laufende Ultrafiltrationsanlage
auf die zweieinhalbfache Kapazität
erweitert. Dadurch steht dem Kraftwerk ein optimal
vorbereitetes Wasser zur Verfügung, um den in der
Fabrik benötigten Prozessdampf zu erzeugen.
Eine hohe Bedeutung hat die kontinuierliche
Verbesserung der verschiedenen Produktionsprozesse.
Für die Produktion von Kaliumsulfat sind
sogenannte Bandfilter unverzichtbar. In Wintershall
war es zwischen den Jahren 2016 und 2018 erforderlich,
zwei Bandfilter zu erneuern. Das reduziert den
Abwasseranfall aus der Anlage und spart zukünftig
Kosten bei gleichzeitig gesteigerter Produktionsmenge.
In Hattorf hilft seit 2019 der umgesetzte
Verbesserungsvorschlag von Mitarbeitern dabei,
dass die neue KKF-Anlage den prognostizierten
27
28
Durchsatz und die erwartete Produktionsmenge
erreicht. Dazu werden zwei Zentrifugen an die Werra
gebracht und erfolgreich in die KKF-Anlage
eingebunden. Dieser wurden nach der Produktionseinstellung
im Werk Sigmundshall im Jahr 2018
dort nicht mehr benötigt. Die erste Stufe der
ESTA-Anlage in Wintershall wird im Jahr 2020
verbessert. Im Gegensatz zu früher gelingt es nun,
dass elektrostatisch nicht weiter trennbare sogenannte
Mittelgut direkt in den Löseprozess zur
weiteren Verarbeitung zu bringen. Es entfällt das
zuvor nötige Mahlen dieses Materials und die dazu
benutzten Mühlen können abgeschaltet werden, was
Energie spart. Darüber hinaus steigt die Kapazität
der insgesamt dreistufigen ESTA-Anlage nennenswert
um bis zu 100 Tonnen pro Stunde.
Wachsende logistische Herausforderungen
Jahr für Jahr verlassen mehrere Millionen Tonnen
Produkte das Revier auf dem Weg zu den Kunden in
aller Welt. Umgekehrt gehen tausende Lieferungen
von Ersatzteilen und Verbrauchsmaterialien ein.
Voraussetzung dafür ist, dass die notwendigen
logistischen Kapazitäten vorhanden sind. Organisatorisch
werden hier im Jahr 2016 neue Strukturen
geschaffen. Mehrere Verladungen und Versandabteilungen
werden mit dem Bahnbetrieb in einer neuen
Einheit zusammengefasst. Seitdem kümmern sich
etwa 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um eine
möglichst reibungslose Abwicklung aller erforderlichen
logistischen Prozesse.
Im Transportbereich hat die Werratalbahn zwischen
dem Standort Hattorf und dem an der Eisenbahnhauptstrecke
zwischen Eisenach und Bebra gelegenen
Bahnhof in Gerstungen eine herausragende
Bedeutung. Auf den ersten Kilometern gehört die
Strecke als Werksbahn zu K+S. Ab dem Bahnhof
Heimboldshausen bis nach Gerstungen ist sie eine
öffentliche, von der Deutschen Bahn AG beriebene
Bahnlinie. Gerade in den letzten Jahren ist die
eingleisige Strecke häufiger an den Rand ihrer
Kapazität gekommen, weil neben dem Abtransport
der Produkte neue Anforderungen hinzugekommen
sind. So müssen zum Beispiel auch die Züge mit
Salzwasser auf ihrem Weg nach Niedersachsen
abgefertigt werden. In den nächsten Jahren kommen
zusätzlich dazu große Mengen an Material zur
Abdeckung der Halden hinzu.
Die steigenden Anforderungen werden auch von der
Deutschen Bahn AG gesehen und daher ist es kein
Zufall, dass der Streckenabschnitt von Gerstungen
nach Heimboldshausen in den kommenden Jahren
elektrifiziert werden soll. Die erforderlichen Finanzmittel
stellt die Bundesregierung zur Verfügung,
nachdem die Werratalbahn als eine von bundesweit
sieben Strecken ausgewählt worden ist. Allerdings
wird davon ausgegangen, dass die Strecke eingleisig
bleiben wird. Dadurch bleiben die Transportkapazitäten
weiterhin begrenzt und es ist fraglich, ob es
ohne ein zweites Gleis möglich ist, in Zukunft allen
Anforderungen gerecht zu werden.
Auf die Engpässe bei den Bahnkapazitäten reagiert
K+S im Jahr 2019. Eine 1952 von der DDR erbaute
und nach der Wiedervereinigung stillgelegte Strecke
zwischen Vacha über Sünna nach Unterbreizbach
wird wieder in Betrieb genommen. Sie schafft die
Möglichkeit, um vor allem Leerwaggons zu den
Werrawerken zu bringen. Die reaktivierte Verbindung
schließt die Lücke zwischen der Werratalbahn
von Bad Salzungen nach Vacha und der Grubenanschlussbahn
von Unterbreizbach nach Hattorf. Ein
weiterer Vorteil kommt hinzu. In den Bahnhöfen
Merkers, Dorndorf und Vacha sind großzügige
Abstellmöglichkeiten für Leerwaggons vorhanden.
Auch in den kommenden Jahren wird die Werratalbahn
in der Diskussion bleiben. In der Region sind
in den letzten drei Jahren die Stimmen lauter
geworden, die eine Reaktivierung der Strecke auch
für den Personenverkehr zwischen Bad Salzungen
und Gerstungen befürworten. Als Grundvoraussetzung
muss die etwa sieben Kilometer lange Lücke
an der hessisch-thüringischen Landesgrenze
zwischen Vacha und Philippsthal geschlossen
werden. Für K+S könnte dieser Lückenschluss
bedeuten, dass das Revier eine bessere Bahnanbindung
an den Main bekommt. Damit werden im
Bedarfsfall Transporte per Binnenschiff vom Main
über den Rhein-Main-Donau-Kanal und die Donau
bis zum Schwarzen Meer möglich.
Die wachsende Bedeutung des Warenumschlages
mit Containern hat zur Folge, dass im Jahr 2011 in
Philippsthal der Werra-Kombi-Terminal eröffnet
wird. Für den Bau des vier Hektar großen Containerbahnhofs
hat K+S sechs Millionen Euro investiert.
Seitdem fahren mehrmals pro Woche Containerzüge
unter dem Namen Baltic Train von der
Werra direkt zum Hamburger Hafen. Das allen
Firmen offenstehende Terminal ist zwischenzeitlich
ein wichtiger Faktor der wirtschaftsnahen Infrastruktur
in der Werraregion. Bis zum Jahr 2019
betreibt die damalige K+S Transport GmbH die
Anlage. Danach erfolgt der Verkauf an die Modal 3
Logistik GmbH, an der K+S zusammen mit zwei
Partnern aus der Logistik-Branche weiter beteiligt
ist.
Mit dem Aufbau des Logistik Centers am Zollhaus
in Philippsthal verbessert das Werk Werra seine
betriebsinternen Logistik-Prozesse und schafft
einen zentralen Baustein für einen optimalen
Warenfluss. Hier werden jährlich mehrere zehntausend
Warensendungen rund um die Uhr angenommen,
digital erfasst und kommissioniert, bei Bedarf
zwischengelagert und schließlich zum Bestimmungsort
transportiert.
Neben dem Bahntransport werden Produkte auch
über die Straße und per Lastkraftwagen verschickt.
Mit der Einrichtung eines LKW-Umschlags in
Unterbreizbach werden im Jahr 2016 die Kapazitäten
zentral gebündelt, um dieses Transportsegment
effektiver zu bearbeiten.
Nicht nur Erlebnisbergwerk
Mittlerweile wird der Standort Merkers meist mit
dem seit 30 Jahren erfolgreichen Erlebnisbergwerk
in Verbindung gebracht. Weniger bekannt ist, dass
der Standort im Gefüge des Werkes Werra noch
weitere Aufgaben erfüllt. Zunächst sind die nach der
deutschen Wiedervereinigung laufenden Verwahrungsarbeiten
zu nennen. Sie dienen der Beseitigung
von bergbaubedingten Altlasten aus der Zeit
der DDR. Insbesondere geht es darum, in standsicheren
Bereichen der Grube Salz abzubauen, dass
anschließend unter Tage an Orte transportiert wird,
wo die Standsicherheit nicht ausreichend gewährleistet
ist. Dort wird es in die betroffenen Grubenbaue
eingebracht, wo es sich verfestigt und auf diese
Weise das Gebirge stabilisiert.
Die erforderlichen Arbeiten werden auf der Basis
einer vertraglichen Vereinbarung vom Land
Thüringen finanziert und von K+S durchgeführt.
Mittlerweile sind die Finanzmittel aufgebraucht, die
seinerzeit für die Sicherungsarbeiten vom Bund
bereitgestellt wurden. Deshalb muss Thüringen die
Fortsetzung der Sanierungsarbeiten mit jährlichen
Kosten in Höhe von mehreren Millionen Euro allein
finanzieren, was seit 2012 nur noch unter Vorbehalt
geschieht. Zwischenzeitlich ist mehrfach, zuletzt
2021, gerichtlich überprüft worden, ob die Zahlungsverpflichtung
weiter besteht. Bislang ist das der
Fall. Eine letztendliche rechtliche Klärung wird über
das Bundesverfassungsgericht erfolgen, weil
Thüringen dort eine entsprechende Klage eingereicht
hat. Summiert betragen die Kosten zur
Beseitigung der Bergbau-Altlasten aus der DDR-Zeit
bis heute schon mehrere hundert Millionen Euro.
Die Grube Springen ist unter Tage nur von Merkers
aus zu erreichen. Deshalb sind von dort aus die in
Thüringen notwendigen Vorarbeiten für die Flutung
von Springen vorgenommen worden. Auch langfristig
ist es nur unter Einbindung von Merkers
möglich, das Projekt umzusetzen. Schließlich spielt
der Standort eine bedeutende Rolle für Unterbreizbach.
Die untertägige Verwahrung von Reststoffen,
die aus der dortigen Produktion resultieren,
verlagert sich vermehrt in den Bereich der Grube
Merkers.
UTD und UTV: Müllentsorgung unter
Tage
Im Herbst des Jahres 2016 bricht in der Untertage-
Deponie Herfa-Neurode (UTD) ein Schwelbrand
aus. Der Brand kann mehrere Wochen nicht gelöscht
werden. Das sorgt für Unruhe in der Region und
zeigt vielen Menschen auch außerhalb der Kalibergbauregion,
dass das Werratal der Standort der
weltweit größten Deponie für Sondermüll ist.
Nachdem der betroffene Deponiebereich dicht
verschlossen und dort systematisch der Sauerstoff
entzogen wird, erlischt der Brand. Die Grubenwehr
öffnet schließlich im Januar 2017 die betroffene
1.800 Quadratmeter große Kammer, in der rund
1.000 Tonnen Müll liegen. Dabei stellt sich heraus,
dass vor allem die Holzpaletten gebrannt haben, auf
denen in Big-Bags verpackte Abfälle stehen. Die
Staatsanwaltschaft in Fulda leitet im Februar
Ermittlungen ein, um zu prüfen, ob es ein schuld-
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30
haftes Verhalten gegeben hat. Alle Ermittlungen
werden später eingestellt, obwohl nicht geklärt
werden kann, was den Brand verursacht hat.
In fast 50 Jahren seit Betriebsbeginn sind in der
UTD Herfa-Neurode etwa 3,5 Millionen Tonnen
Material eingelagert worden. Es enthält Giftstoffe,
die unter Tage über einen langen Zeitraum hinweg
eine sichere Lagerung erfordern. Der von der
Deponie genutzte Teil der Grube Hattorf-Wintershall
ist derzeit 18 Quadratkilometer groß. Diese Fläche
ist aber bei weitem noch nicht für die Mülleinlagerung
ausgeschöpft.
Von jeder Müllanlieferung wird seit 1972 eine Probe
entnommen und aufbewahrt. Inzwischen gibt es
über 120.000 Proben-Gläschen, die entsprechend
dokumentiert die Zusammensetzung und den
Einlagerungsort aller Lieferungen nachvollziehbar
halten. Die Sicherheit der UTD selbst wird alle vier
Jahre von den Aufsichtsbehörden überprüft. Der
Zeitraum für den die Sicherheit der Einlagerung
dabei nachgewiesen werden muss beträgt 100.000
Jahre.
Am 3. Juli 2018 fährt am Schacht II in Unterbreizbach
ein Lastwagen vor, der die dreimillionste Tonne
seit der Inbetriebnahme der Untertageverwertung
(UTV) anliefert. Täglich fertigen damals 50 Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen mehrere hundert
Tonnen Material ab und lagern es unter Tage ein.
Dabei handelt es sich um Staubrückstände, die
überall dort anfallen, wo Rauchgase, etwa in
Müllverbrennungsanlagen, in Filtern gereinigt
werden. Vermischt mit Salzabwasser aus der
Kalifabrik hilft es dabei, die Standsicherheit der
Grubenbaue zu verbessern. Eine Verwertung solcher
Reststoffe findet auch in Wintershall und Hattorf
statt. Dort wird das Material allerdings nicht mit
Flüssigkeiten angemischt, sondern trocken und in
Big-Bags verpackt unter Tage eingelagert.
Im Geschäftsfeld Entsorgung von K+S kommt es im
Jahr 2021 zum Zusammenschluss mit einem
Tochterunternehmen der REMONDIS AG. Gemeinsam
wird das Gemeinschaftsunternehmen REKS
gegründet. In die neue Firma bringt K+S alle
Entsorgungsaktivitäten ein, was mit einem Erlös
von etwa 200 Millionen Euro verbunden ist. Aber es
bestehen auch strategische Interessen. REMONDIS
ist einer der ganz großen „Player“ in der Entsorgungsbranche.
Angesichts des immensen Materialbedarfs
zur Abdeckung der Halden, macht der
Zusammenschluss mit einem Partner Sinn, der mit
seinen weitgespannten Kontakten dabei hilft, das erforderliche
Material in ausreichender Menge
angeliefert zu bekommen.
Ein Teil der Region
Mittlerweile wird an Werra und Fliede seit weit über
100 Jahren Kali abgebaut. Die Ursprünge des
Unternehmens reichen zurück bis einige Jahre vor
dem ersten Kalifund im Werratal im Jahr 1893. Im
Jahr 2014 blickte man bei K+S auf das 125jährige
Firmenjubiläum zurück. Dabei bezog sich das
Unternehmen auf das 1889 gegründete Kalibergwerkes
Bad Salzdetfurth in Niedersachsen. Im
Werratal hingegen wurden 125 Jahre Kalibergbau
im Jahr 2018 mit einer Festwoche gefeiert. In diesem
Rahmen ist der Blick nicht nur nach hinten gerichtet,
sondern es wird, gemäß des Veranstaltungsmottos
„Auf dem Weg nach 2060“ mit Selbstbewusstsein
nach vorn geschaut.
Eine über mehrere Generationen zurückreichende
Bergbaugeschichte hat dazu geführt, dass die Region
und nicht nur die in den Standortgemeinden
lebenden Menschen eng mit der Kaliindustrie
verwoben sind. Seit jeher dominiert die Kaligewinnung
nicht nur wirtschaftlich. Unter Einschluss des
Werkes Neuhof-Ellers arbeiten heute in Osthessen
und Westthüringen über 5.000 Menschen im
Kalibergbau. Damit ist K+S nach wie vor hier der
wichtigste industrielle Arbeitgeber. Das wird auch
nicht dadurch geschmälert, dass die Belegschaft
früher deutlich größer war. Auf dem Höhepunkt in
den 1960er Jahren haben beiderseits der deutschdeutschen
Grenze über 15.000 Menschen in der
Kaliindustrie gearbeitet. In den Jahren vor der
Wiedervereinigung 1990 waren es noch über 10.000.
Wie groß die wirtschaftliche und soziale Bedeutung
des Industriezweiges ist, hat K+S im Jahr 2013 für
die Standorte im Werratal in einer breit angelegten
Studie untersuchen lassen. Diese kommt zum
Schluss, dass neben den damals 4.400 Arbeitsplätzen
im Werk Werra weitere 2.500 bis 3.000 Arbeitsplätze
indirekt von der Kaliindustrie abhängen.
Wird das Werk Neuhof-Ellers überschlägig mitein-
bezogen kommen nochmals über 1.000 weitere
direkte und indirekte Arbeitsplätze hinzu. Auf fast
200 Millionen Euro im Jahr haben sich seinerzeit die
vergebenen Aufträge für andere Branchen in der
Region belaufen. Von weit über 40 Millionen Euro
Gewerbesteuerzahlungen haben die Standortgemeinden
profitiert.
Besonders hervorgehoben wird in der Studie das
breite und qualitativ hochwertige Angebot an
Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen, das
von K+S Jahr für Jahr zur Verfügung gestellt wird. In
diesem Bereich kann das Unternehmen im Rahmen
eines Festaktes 2018 auf eine mittlerweile 90 Jahre
währende Tradition einer fundierten, betrieblichen
Ausbildung zurückblicken.
Obwohl seit der Erstellung der Studie fast zehn Jahre
vergangen sind, treffen die Hauptaussagen auch
heute noch zu. Ein Verlust von Arbeitsplätzen im
Kalibergbau wäre nach wie vor nicht nur für die
direkt bei K+S beschäftigten Menschen mit
einschneidenden Folgen verbunden. Er würde auch
im regionalen Umfeld der Werke massive negative
Effekte hervorrufen. Deshalb ist insbesondere in
den Standortgemeinden eine hohe Sensibilität für
alle Entwicklungen rund um die strukturbestimmende
Kaliindustrie vorhanden.
Immer wieder stehen die politischen Entscheidungsträger
der Standortgemeinden in einem engen
Austausch mit dem Unternehmen, dessen Gewerbesteuerzahlungen
ein wichtiger, wenn nicht der
entscheidende Faktor für die kommunalen Haushalte
ihrer Gemeinden sind. Da liegt es nahe, dass die
kommunalpolitisch Verantwortlichen von Fall zu
Fall zum Thema Kalibergbau und Ökologie eigene
Positionen beziehen. Von Bund und Ländern oder
verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren an die
Adresse von K+S formulierte Anforderungen
werden manchmal anders bewertet in Anbetracht
der Bedeutung des Unternehmens für die regionale
Wirtschaft. Oft fehlt beim Blick von außen das
Gespür dafür, dass bei allen Forderungen, auch was
den Schutz der Umwelt betrifft, darauf geachtet
werden sollte, die Wirtschaftlichkeit des Kalibergbaus
auch für die Zukunft zu erhalten.
Weiter auf dem Weg nach 2060
In den Jahren zwischen 2010 und heute hat die
Kaliindustrie im Werratal ein Kunststück vollbracht.
Es ist mit einer Vielzahl von Projekten und Maßnahmen
gelungen, in einem oft herausfordernden
Umfeld eine Perspektive für das Revier zu erarbeiten.
Die Werke haben sich erfolgreich angepasst und
die Menge der Produktionsabwässer deutlich
gesenkt. Die Belastung der Werra mit Salz ist immer
noch hoch, aber es hat deutlich erkennbare Fortschritte
gegeben. Die Verringerung der Abwassermengen
wird in den kommenden Jahren auch bei
den Halden gelingen, wenn die vorgesehenen
Abdeckungen Fahrt aufnehmen. Die befürchteten
negativen Auswirkungen auf die Produktion und
damit die Wirtschaftlichkeit der Werke waren
spürbar. Aber sie waren nicht so gravierend, dass es
zu gravierenden Schritten wie Personalabbau in
größerem Umfang oder zur Schließung von Standorten
gekommen ist.
Mit der Erhöhung der Zwischenspeicherkapazitäten
hat sich das Werk Werra unabhängiger von den
Auswirkungen geänderter klimatischer Bedingungen
gemacht. Die standortferne, wenn auch teure
Entsorgung eines Teils der Abwässer hilft hier
ebenfalls. Nun muss es gelingen, bis 2027 einen
neuen Meilenstein zu erreichen und die Werke so
aufzustellen, dass keinerlei fabrikationsbedingte
Abwässer mehr in die Werra geleitet werden. Dabei
wird die vorgesehene Flutung der Gruben Springen
helfen, weil sie eine standortnahe Perspektive zur
Entsorgung darstellt.
Die Kaliproduktion an der Werra ist nicht zuletzt
wegen der umweltbedingten Kosten im Vergleich
mit den Konkurrenten auf dem Weltmarkt mit
hohen Fixkosten belastet. Aber sie hat auch einen
großen Vorteil. Eine Laune der Natur hat vor über
250 Millionen Jahren eine Lagerstätte entstehen
lassen, die weltweit ihresgleichen sucht. Nirgendwo
sonst gibt es eine mineralische Zusammensetzung,
die eine derartige Produktvielfalt wie an der Werra
ermöglicht. Diese Vielfalt kann der ausschlaggebende
Vorteil sein, der den Kalibergbau im Werratal
auch in den kommenden Jahrzehnten auszeichnet.
Deshalb ist es wichtig und richtig, dass K+S
beabsichtigt die Produktion von wirtschaftlich
attraktiven Spezialprodukten zu forcieren.
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Dazu sind sicher immer wieder umfangreiche Investitionen
erforderlich, nicht zuletzt um die Fabriken
weiter ökologisch zu optimieren, aber auch um die
immer größer werdenden Gruben so zu gestalten,
dass sie allen Anforderungen gerecht werden. Es
muss also weiterhin gelingen, die Kosten in einem
Rahmen zu halten, der die Stellung des Werkes
Werra und seiner Produktionsstandorte auf dem
Weltmarkt sichert. Dann stehen die Chancen gut,
dass sich noch viele Jahre im Revier die Seilscheiben
drehen, um das „weiße Gold“ aus der Tiefe nach
über Tage zu bringen, wo es zu Produkten verarbeitet
wird, die die Menschheit auf ihrem Weg in die
Zukunft begleiten.
K+S hat im Oktober 2022 mit dem Projekt „Werra
2060“ entscheidende Weichen für die Zukunft der
Kaliindustrie und die für sie arbeitenden Menschen
und deren Familien im Revier gestellt. Das Unternehmen
will das Bestandsgeschäft strategisch
optimieren und den ökologischen Fußabdruck der
heimischen Kaliproduktion weiter reduzieren. Das
Projekt soll die Wettbewerbsfähigkeit der Standorte
im Werratal stärken und die Laufzeit des Werkes
Werra mit einer stabileren Produktion verlängern.
Es soll so langfristig Arbeitsplätze und Wertschöpfung
in der Region sichern und dafür sorgen, dass
K+S seinen Kunden weiterhin zukunftsorientierte
Produkte anbieten kann.
Im Rahmen des Projektes sind mit einem Investitionsaufwand
von mehreren hundert Millionen Euro
bis zum Jahr 2027 mehrere große Maßnahmen
vorgesehen. Die Umsetzung muss bei laufender
Produktion und vor allem in den Betriebspausen
erfolgen, was organisatorisch und technisch höchste
Anforderungen an die Projektbeteiligten stellt. Die
Standorte Unterbreizbach und Wintershall werden
bis 2026/2027 auf ein trockenes Aufbereitungsverfahren
zur Gewinnung der Wertstoffe mit Hilfe der
elektrostatischen Trennung umgestellt. Es ist K+S
gelungen, das selbst entwickelte und seit vielen
Jahren im Praxiseinsatz bewährte ESTA-Verfahren
nochmals entscheidend zu verbessern. Dadurch
werden die bislang eingesetzten energie- und
abwasserintensiven Trennverfahren der Heissverlösung
und der Flotation nicht mehr benötigt und
eingestellt. Die Fabrik am Standort Hattorf wird
vorerst mit heutiger Technik weiterbetrieben.
Durch die stetige Produktionsumstellung soll es
gelingen, die Menge an Prozesswässern auf eine
Million Kubikmeter pro Jahr mehr als zu halbieren.
Noch verbleibende Abwässer werden standortfern
entsorgt oder sind für die sogenannte Einstapelung
geeignet, bei der bestimmte Salzlösungen aus der
Kaliproduktion dauerhaft unter Tage gespeichert
werden.
Auch der Dampfbedarf wird durch den Einsatz des
trockenen statt der nassen Aufbereitungsverfahren
gesenkt. Somit können die Kraftwerke mit deutlich
reduzierter Leistung und minimierten Erdgasbedarf
betrieben werden. Der CO2-Ausstoß wird an den
Standorten Unterbreizbach und Wintershall um
rund 50 Prozent gesenkt.
Unter Tage ermöglicht der Einsatz der neuen
Technologien auch ein neues Gewinnungsverfahren.
Dabei werden feste Produktionsrückstände in die
Abbauhohlräume gebracht und wirken stabilisierend.
Durch diesen Effekt ist es möglich, in einem
zweiten Abbauschritt einen Teil der in den Pfeilern
vorhandenen werthaltigen Salze zu nutzen, was die
Wertstoffausbeute deutlich steigert. Das kommt
nicht zuletzt der Laufzeit des Standortes Unterbreizbach
zugute, die sich damit voraussichtlich um etwa
10 Jahre verlängert. Schließlich wird die für Anfang
der 2030er Jahre geplante Erweiterung der Halde
Wintershall nicht mehr im angedachten Umfang
erforderlich sein.
Mit der Umstellung der Prozesse geht auch eine
Weiterentwicklung des Produktportfolios einher. Die
Marktposition bei Kali-Magnesium-Düngemitteln
wird wesentlich gestärkt. Außerdem wird sich der
Anteil an Rollgranulaten erhöhen, die bisher nur
einen kleinen Teil der Produktion ausmachen.
Insgesamt betrachtet wird das Produktportfolio
unter Kosten-, Nachhaltigkeits- und Qualitätskriterien
deutlich konkurrenzfähiger.
Über und unter Tage laufen bereits die vorbereitenden
Tätigkeiten für die Projektrealisierung. In der
Fabrik Unterbreizbach beginnen die Bauarbeiten im
Jahr 2023 und sollen bis Ende 2026 abgeschlossen
sein. Der Umbau der Fabrik Wintershall beginnt
parallel im Jahr 2024 und dauert bis Mitte 2027.