Leben mit Krebs
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18<br />
Erfahrungsbericht<br />
Alle Sorgen<br />
fließen <strong>mit</strong><br />
den Wellen<br />
E<br />
ndlich! Endlich bin ich hier, das<br />
habe ich mir schon so lange gewünscht!“,<br />
ruft die 80-jährige Sabine,<br />
als sie das Meer sieht. Sie<br />
ist froh, am Strand zu sein, mal<br />
rauszukommen aus dem Seniorenzentrum<br />
und dem Alltag, der von ihren<br />
multiplen Erkrankungen geprägt ist. Eingemummelt<br />
in Mantel und Schal geht ihr Blick<br />
zum Horizont. Er bleibt irgendwo da draußen<br />
hängen, wo Himmel und Erde sich begegnen.<br />
Alle Sorgen fließen <strong>mit</strong> den Wellen weg. Und<br />
auch die Gewissheit, dass das <strong>Leben</strong> unweigerlich<br />
<strong>mit</strong> dem Sterben in den Tod übergeht.<br />
Mit dem Projekt „Der Wünschewagen –<br />
Letzte Wünsche wagen“ erfüllt der Arbeiter-<br />
Samariter-Bund Deutschland e. V. seit 2014<br />
an <strong>mit</strong>tlerweile 23 Standorten bundesweit<br />
Menschen am Ende ihres <strong>Leben</strong>s einen letzten<br />
Herzenswunsch.<br />
Dabei sind die Wünsche so individuell wie<br />
die Menschen: noch einmal das Meer sehen,<br />
noch einmal das eigene Zuhause besuchen,<br />
die Lieblingsband erleben oder <strong>mit</strong> dem Lieblingsfußballverein<br />
im Stadion fiebern. Das<br />
Besondere an diesem Projekt: Es wird rein ehrenamtlich<br />
getragen und ausschließlich durch<br />
Spenden finanziert. Für die Fahrgäste und<br />
Begleitpersonen sind die Fahrten kostenlos.<br />
Wunschfahrten werden grundsätzlich <strong>mit</strong> den<br />
speziell dafür entwickelten Wünschewagen<br />
durchgeführt, einem Krankentransportwagen,<br />
der neben dem üblichen medizinischen<br />
Equipment über eine besondere Ausstattung<br />
weg<br />
Gastbeitrag<br />
Arbeiter-Samariter-Bund<br />
Deutschland e. V.<br />
wie eine verspiegelte Rundumverglasung für<br />
einen Panoramablick in die Umgebung verfügt<br />
und auch Wunschfahrten über eine längere<br />
Distanz ermöglicht. Und im ASB-Wünschewagen<br />
gehen wirklich (fast) alle Wünsche<br />
in Erfüllung. So spielen die Wunscherfüller<br />
auf der Fahrt nach Scheveningen in Holland<br />
Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Sabine dirigiert<br />
und singt aus vollem Herzen <strong>mit</strong>.<br />
Für die Fahrgäste des ASB-Wünschewagens<br />
ist eine Wunschfahrt eine Möglichkeit, für<br />
ein paar Stunden das Krankenhaus, die Pflegeeinrichtung<br />
oder das Hospiz zu verlassen<br />
und Krankheit und Leid zu vergessen. Und so<br />
genießt Sabine aus vollem Herzen – am Zielort<br />
angekommen – die Fahrt am Strand und<br />
das Essen in einem der vielen Restaurants<br />
entlang der Strandpromenade. Sie probiert<br />
„Kibbeling“, und der holländische Backfisch<br />
schmeckt ihr ausgezeichnet. Dass ihre Tochter<br />
<strong>mit</strong> Familie ebenfalls spontan nach Scheveningen<br />
gekommen ist, sorgt für einen zusätzlichen<br />
Höhepunkt.<br />
Die ASB-Wünschewagen<br />
erfüllen sterbenskranken<br />
Menschen jeden<br />
Alters einen letzten<br />
Herzenswunsch.<br />
Knapp 2.000 ehrenamtliche Wunscherfüller<br />
engagieren sich in ihrer Freizeit für das Herzensprojekt<br />
des ASB. Sie sind hauptberufliche<br />
Fachkräfte aus dem medizinischen, pflegerischen<br />
oder rettungsdienstlichen Bereich.<br />
Sie schenken den Wünschewagen-Fahrgästen<br />
und ihren Angehörigen ein wunderbares<br />
Erlebnis, sorgen für unbeschwerte Stunden<br />
und einzigartige Momente, die den Hinterbliebenen<br />
nach dem Unabwendbaren viel<br />
Kraft in ihrer Trauer geben. Ihre Begleitperson<br />
können Fahrgäste frei wählen. Weitere<br />
Familien<strong>mit</strong>glieder, Verwandte oder Freunde<br />
können außerdem selbst zum Zielort anreisen.<br />
Wir sind überzeugt: Die Erfüllung eines<br />
Wunsches ist auch die Würdigung eines<br />
<strong>Leben</strong>s. Der ASB trägt dazu bei, dass seine<br />
Wünschewagen-Fahrgäste in Frieden vom<br />
<strong>Leben</strong> Abschied nehmen können.<br />
Mehr als 3.000 Wünsche haben die ASB-Wünschewagen<br />
bereits deutschlandweit erfüllt.<br />
Die Fahrgäste suchen sich oftmals Orte <strong>mit</strong><br />
Bedeutung in ihrem <strong>Leben</strong>. Nicht selten geht<br />
die Reise noch einmal zum Geburtsort oder in<br />
die ehemalige Heimat, zu Familienfeiern oder<br />
Urlaubsorten. Erinnerungen aufleben lassen,<br />
sich Zeit füreinander nehmen, die Arbeit der<br />
Wünschewagen trägt dazu bei, die Einzigartigkeit<br />
und den unschätzbaren Wert des <strong>Leben</strong>s<br />
stets in Gedanken zu behalten. Das Beschwerliche<br />
des Alltags verliert an Bedeutung,<br />
einzig der schöne Moment, die Wunschfahrt<br />
zählt. Es ist nicht viel nötig, um in diesen Zeiten<br />
glücklich zu sein. Das weiß auch Sabine:<br />
ein herzliches, jederzeit zugewandtes, geduldiges<br />
und in allen Belangen geschultes Team,<br />
ein Wettergott, der unterwegs Schnee und<br />
Graupel schickt, aber am Zielort den Himmel<br />
blau strahlen lässt, ein Wunsch und der Mut,<br />
diesen Wunsch zu wagen. Und schließlich der<br />
ASB-Wünschewagen! Dann ist „Endlich!“ ein<br />
gutes und schönes Wort. Ein Sternenhimmel<br />
im Wünschewagen und „Der Mond ist aufgegangen“<br />
lassen auch die stilleren Momente<br />
der Rückfahrt zu einem besonderen Erlebnis<br />
werden. .