01.03.2024 Aufrufe

Leben mit Tabus

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

www.leben<strong>mit</strong>.de<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> ...<br />

TABUS<br />

„Versteckt<br />

euch nicht!“<br />

Saskia hat Morbus Crohn und<br />

einen künstlichen Darmausgang.<br />

Im Interview spricht sie über ihre<br />

Erkrankung, Vorurteile und das<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> einem Kock-Pouch.<br />

Seite 4<br />

Macht das Licht an –<br />

STI sind auf dem<br />

Vormarsch<br />

Seite 8<br />

Let's talk about Sex –<br />

<strong>mit</strong> Paula Lambert<br />

Seite 10–16<br />

Krebs ist (k)ein Tabu –<br />

die Patienten Christin,<br />

Danny, Edmond und<br />

Heidi im Interview<br />

Seite 22<br />

Nach mir die Freiheit –<br />

über den Umgang <strong>mit</strong><br />

dem Tod


2<br />

Vorwort<br />

Darüber spricht man (nicht)<br />

Neben gesellschaftlichen <strong>Tabus</strong> hat beinahe jeder sein ganz persönliches. Schon kleine<br />

Kinder erleben das Spannungsfeld von verboten und erlaubt, wenn sie lernen, dass Kacka<br />

böse ist und stinkt – dann aber wieder Lob ernten, wenn sie ein herrliches Häufchen für<br />

Mama und Papa hergestellt haben. Unverständlich nur, warum das braune Gold dann nicht<br />

als Fingerfarbe verwendet werden darf …<br />

Dr. med. Yael Adler<br />

Hautärztin, Ernährungsmedizinerin,<br />

Referentin,<br />

Bestsellerautorin<br />

www.yael-adler.de<br />

BUCHTIPP<br />

Wir können es nicht ändern,<br />

dass wir älter werden – aber<br />

wir können sehr wohl etwas<br />

daran ändern, wie dies geschieht.<br />

In „Genial vital“ gibt es<br />

verblüffende Tipps zur „Instandhaltung“<br />

unseres Körpers.<br />

Anders als Gesetze werden <strong>Tabus</strong><br />

selten offen oder gar öffentlich<br />

erörtert oder dokumentiert. Es<br />

sind eher tradierte, durch Familie<br />

und Gesellschaft anerzogene<br />

und stillschweigend befolgte.<br />

Doch ihre Macht ist nicht zu unterschätzen: <strong>Tabus</strong><br />

können unser <strong>Leben</strong> bestimmen und durchaus<br />

praktisch sein, weil sie<br />

uns einen Handlungsrahmen<br />

vorgeben. Seien wir<br />

ehrlich: Es ist manchmal<br />

auch ganz angenehm, wenn<br />

man nicht ständig darüber<br />

nachdenken muss, ob etwas<br />

nun richtig oder falsch, angemessen<br />

oder ungehörig<br />

ist. Oft aber engen <strong>Tabus</strong><br />

ein, besonders dann, wenn<br />

es um unseren Körper geht:<br />

um Hygiene, um seltsame<br />

Knubbel oder Pusteln, unangenehme<br />

Gerüche und<br />

Geräusche, die unser Körper<br />

nun mal produziert, die aber<br />

auch Zeichen einer schweren<br />

Erkrankung sein können.<br />

Mit einem besonders großen Tabu ist zudem fast<br />

alles belegt, was <strong>mit</strong> Sexualität zu tun hat. Einerseits<br />

wird sie – beispielsweise als Pornografie im<br />

Internet – für jeden zugänglich ausgelebt und gesehen,<br />

aber viele Menschen haben <strong>mit</strong> Sexualität<br />

immer noch ein Riesenproblem, sie sind peinlich<br />

berührt, haben Angst, darüber zu reden, kennen<br />

sich nicht <strong>mit</strong> ihrem Körper aus und trauen<br />

sich auch nicht, sich anzufassen – und, was am<br />

schlimmsten ist: Sie sprechen nicht <strong>mit</strong> anderen<br />

über Probleme oder Sorgen in diesem Bereich.<br />

Ein weiteres großes Tabu ist der Tod. Alles, was<br />

uns daran erinnert, löst Ängste aus, wird verdrängt<br />

und abgewehrt: Falten kriegen, gebrechlich<br />

sein, der Verlust körperlicher und geistiger<br />

“<br />

Oft engen <strong>Tabus</strong> ein,<br />

besonders dann, wenn<br />

es um unseren Körper<br />

geht. Doch je früher<br />

sich ein Patient seinem<br />

Arzt offenbart, umso<br />

effizienter ist die<br />

Behandlung.<br />

Fähigkeiten und das Befassen <strong>mit</strong> Testament,<br />

Nachlass und Bestattung.<br />

Dabei ist es so wichtig, über tabuisierte Probleme<br />

zu sprechen. Aus diesem Grund habe ich<br />

auch den Ratgeber „Darüber spricht man nicht“<br />

geschrieben. Zudem bemerke ich das bei vielen<br />

meiner Patienten daran, wie erstaunt und<br />

erleichtert sie sind, wenn<br />

sie mir ihre Sorgen, ein oft<br />

vermeintliches Tabu, anvertrauen<br />

und ich völlig<br />

sachlich darauf reagiere –<br />

weil ich da<strong>mit</strong> von vielen<br />

anderen ganz persönlichen<br />

Beichten vertraut bin: Ja,<br />

auch andere Frauen klagen<br />

über Scheidentrockenheit.<br />

Ja, man kann sich <strong>mit</strong> sexuell<br />

übertragbaren Krankheiten<br />

anstecken, ohne gleich<br />

unhygienisch oder eine Rotlichtgestalt<br />

zu sein! Ja, auch<br />

bei massivem Einsatz von<br />

diversen Präparaten sind<br />

bestimmte Körperausdünstungen<br />

nicht zu überduften – aber vielleicht kann<br />

man an Darmflora, Zahnhygiene, Kleidung oder<br />

Art der Hautpflege etwas verändern.<br />

So vielfältig gesundheitliche und körperliche<br />

<strong>Tabus</strong> sind, es gibt bisher wohl keines, das einer<br />

ganz für sich allein hat. Je eher der Patient ermutigt<br />

wird, sich seinem Arzt zu offenbaren, umso effizienter<br />

und verständlicher kann die Behandlung<br />

sein – die dem Patienten hilft, seine <strong>Leben</strong>squalität<br />

zu erhalten oder wieder zu verbessern. Das<br />

Wort Früherkennung trägt die entscheidende Voraussetzung<br />

schon in sich, denn viele Therapien<br />

sind auch ein Wettlauf <strong>mit</strong> der Zeit. Und bei sexuell<br />

übertragbaren Krankheiten trägt man – nicht<br />

anders als bei Herpes oder Fußpilz – auch Verantwortung<br />

für seine Mitmenschen. Also: Lassen Sie<br />

uns darüber sprechen!.<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> ... Magazin Healthcare Mediapartner GmbH | Pariser Platz 6a | 10117 Berlin | www.healthcare-mediapartner.de<br />

Herausgeberin Franziska Manske Redaktionsleitung Benjamin Pank Design Elias Karberg Coverbild privat<br />

Druck BNN Badendruck GmbH Kontakt redaktion@leben<strong>mit</strong>.de | www.leben<strong>mit</strong>.de<br />

Alle Artikel, die <strong>mit</strong> „In Zusammenarbeit <strong>mit</strong>“ und „Advertorial“ gekennzeichnet sind, sind gesponserte Beiträge.<br />

Die Texte der Ausgabe schließen alle Geschlechter <strong>mit</strong> ein. Zur besseren Lesbarkeit wird jedoch nur eine Geschlechtsform verwendet.


Anzeige<br />

HIV und Aids besiegen –<br />

dabei sein!<br />

Die Deutsche AIDS-Stiftung klärt auf und hilft:<br />

in Deutschland und im besonders betroffenen südlichen Afrika.<br />

Mit Ihrer Unterstützung!<br />

ONLINE SPENDEN<br />

aids-stiftung.de/spenden<br />

SPENDENKONTO<br />

IBAN DE85 3705 0198 0008 0040 04


STI<br />

“<br />

Foto: Cece<br />

Die individuelle Sexualität ist ein Tabuthema. Zwar wird heute<br />

ständig über Sexualität geredet, aber nicht über die eigene.<br />

<strong>Tabus</strong> führen wiederum zu einer Stigmatisierung.<br />

Macht das Licht an!<br />

Wegsehen ist keine Lösung: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) und<br />

Geschlechtskrankheiten sind seit Jahren wieder auf dem Vormarsch. Welche<br />

sollten wir im Auge behalten und welche Rolle spielen Aufklärung und<br />

Enttabuisierung bei der Bekämpfung von STI? Das haben wir Prof. Dr. Norbert<br />

Brockmeyer, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Präsident der<br />

Deutschen STI-Gesellschaft für sexuelle Gesundheit, gefragt.<br />

Redaktion Miriam Rauh


5<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 5<br />

Herr Prof. Dr. Brockmeyer, wenn wir das<br />

Tabuthema ins rechte Licht rücken wollen<br />

– wie nennt man denn sexuell übertragbare<br />

Krankheiten korrekt?<br />

Der korrekte Begriff ist „sexuell übertragbare<br />

Infektionen“. Die Unterscheidung ist sehr<br />

wichtig: Es werden keine Krankheiten übertragen,<br />

sondern Infektionen, die zu einer<br />

Krankheit führen können. Sexuell übertragbare<br />

Infektionen und Geschlechtskrankheiten<br />

bedingen sich; eine Geschlechtskrankheit<br />

wird durch einen sexuell übertragbaren Erreger<br />

ausgelöst. In Kampagnen wird immer von<br />

STI geredet, „sexuell trans<strong>mit</strong>ted Infections“.<br />

Haben Geschlechtskrankheiten wie HIV ihren<br />

Schrecken verloren?<br />

Ja, für HIV kann man das so sagen. HIV ist<br />

nicht mehr so präsent. Das liegt daran, dass<br />

wir eine hervorragende Therapie haben und<br />

dass die Neuinfektionszahlen in Deutschland<br />

relativ gering sind. Deutschland gehörte<br />

schon immer zu den Ländern <strong>mit</strong> der geringsten<br />

Prävalenz und Inzidenz für HIV. In Kombination<br />

<strong>mit</strong> den guten Therapiemöglichkeiten<br />

hat dies dazu geführt, dass HIV zunehmend<br />

weniger sichtbar ist. HIV-positive Menschen,<br />

die gut therapiert sind, sind deutlich weniger<br />

infektiös. In manchen Teilen Afrikas oder Asiens<br />

haben wir eine ganz andere Situation.<br />

Andere sexuell übertragbare Infektionen standen<br />

nie so im Fokus wie HIV. Wir sehen hier<br />

aber seit dem Jahr 2000 eine deutliche Zunahme<br />

von Syphilis und anderen Infektionen.<br />

Woran liegt die fehlende Öffentlichkeit für<br />

Syphilis, Hepatitis, Tripper, Chlamydien,<br />

HPV und Co.?<br />

Sicher hat es auch da<strong>mit</strong> zu tun, dass die individuelle<br />

Sexualität ein Tabuthema ist. Diese<br />

Entwicklung hat schon gegen Ende des 18.<br />

Jahrhunderts begonnen, <strong>mit</strong> dem Aufkommen<br />

des Bürgertums. Sexualität wurde mehr<br />

und mehr zu einer Angelegenheit, die nicht<br />

aus den Familien heraus nach außen dringen<br />

sollte. Zwar wird heute ständig über Sexualität<br />

geredet, aber nicht über die eigene. Obwohl<br />

es vieles gibt, was die Menschen beschäftigt,<br />

vom sexuellen Selbstverständnis über Infektionen<br />

bis hin zur ungewollten Kinderlosigkeit.<br />

Diese Tabuisierung von Sexualität und da<strong>mit</strong><br />

auch von sexuell übertragbaren Infektionen<br />

sehen wir allerdings nicht nur in Deutschland,<br />

sondern auch in anderen Ländern und Kulturen.<br />

Teils noch deutlich stärker als hier. <strong>Tabus</strong><br />

führen wiederum zu einer Stigmatisierung.<br />

Das trifft an sich auch auf HIV zu. Was war<br />

oder ist hier anders?<br />

Durch gezielte Kampagnen haben wir in den<br />

1990er-Jahren erreicht, dass Diskriminierung<br />

und Ausgrenzung von HIV-positiven Menschen<br />

abnahmen. Aktuell scheinen wir allerdings<br />

wieder einen Schritt zurückzugehen,<br />

sowohl was die Diskriminierung von Menschen<br />

<strong>mit</strong> HIV als auch insgesamt den offenen<br />

Umgang <strong>mit</strong> Sexualität betrifft. Zwar kann ich<br />

diesen Eindruck derzeit noch nicht <strong>mit</strong> Zahlen<br />

belegen, mir berichten allerdings verstärkt<br />

Menschen <strong>mit</strong> HIV davon, dass sie Aggression<br />

erfahren, ausgegrenzt werden. Andere, die<br />

an Schulen Aufklärung betreiben, berichten,<br />

dass Schüler die Klassen verlassen und dass<br />

sie, die Dozenten, nach der Stunde massiv beschimpft<br />

werden. Das ist ein großes Problem,<br />

denn Aufklärung ist ein wesentlicher Aspekt<br />

der Prävention.<br />

Wie lässt sich dem entgegenwirken?<br />

Nur, indem wir die Aufklärung wieder verstärken.<br />

Die Kampagnen der BZgA sind deutlich<br />

zurückgefahren worden, dabei war gerade<br />

die Aufklärung unsere Stärke. Sie hat dazu geführt,<br />

dass es in Deutschland eine so geringe<br />

Prävalenz für HIV gab und auch noch gibt. Das<br />

Zusammenwirken aus Präventionsaktionen<br />

der BZgA <strong>mit</strong> NGOs, <strong>mit</strong> der Zivilgesellschaft<br />

– hier hatten wir Erfolge. All das hat aber in<br />

den 2000er-Jahren nachgelassen. Und was uns<br />

aktuell auf die Füße fällt, ist auch, dass wir es<br />

nicht wirklich geschafft haben, eine sexuelle<br />

Organisationsentwicklung in Institutionen<br />

einzubringen. Das ist aber das Entscheidende:<br />

Wir müssen in den Institutionen aktiv<br />

werden, an Schulen, in Einrichtungen. Wir<br />

müssen dort hingehen, wo Jugendliche sind,<br />

wo Menschen <strong>mit</strong> Behinderungen sind, wo<br />

unaufgeklärte sexuell aktive Menschen sind.<br />

Die Menschen wissen nicht, wie sie über Sexualität<br />

reden sollen. Man kann es aber lernen.<br />

Gibt es weitere sexuell übertragbare Infektionen,<br />

die wir in Deutschland im Blick behalten<br />

sollten?<br />

Fangen wir <strong>mit</strong> dem Einfachsten an: HPV.<br />

Humane Papillomviren führen noch immer<br />

jedes Jahr zu vielen Tausend Krebsvorstufen<br />

und Tumoren, bei Frauen wie bei Männern.<br />

Sie können Gebärmutterhalskrebs,<br />

Peniskarzinome, Analkarzinome oder auch<br />

Kehlkopfkrebs auslösen. Eine Impfung kann<br />

wahrscheinlich 95 bis 98 Prozent dieser<br />

Tumoren verhindern – in Deutschland<br />

liegen die Impfraten bei<br />

Frauen aber nur bei 60 und bei<br />

Männern lediglich bei 20<br />

Prozent. Wir vertun hier<br />

unsere Chance im Vergleich<br />

<strong>mit</strong> Dänemark,<br />

England oder Australien.<br />

Hier sind die<br />

Impfraten viel höher<br />

und wir sehen<br />

in Australien fast<br />

keine Todesfälle<br />

mehr, die auf<br />

eine HPV-Infektion<br />

zurückzuführen<br />

sind.<br />

Auch Chlamydien<br />

oder Gonokokkeninfektionen<br />

sind<br />

zu wenig bekannt<br />

in der Bevölkerung.<br />

Chlamydien können im Verlauf zu Unfruchtbarkeit,<br />

Darmentzündungen oder Tumorbildung<br />

führen, Gonokokken zu Tripper. Herpes<br />

simplex wird durch enge körperliche Kontakte<br />

übertragen und kann große Probleme machen,<br />

auch im Genitalbereich. Diese Krankheiten<br />

lassen sich in der Regel gut behandeln<br />

– allerdings muss das Bewusstsein dafür da<br />

sein, da<strong>mit</strong> man sich schützt und gegebenenfalls<br />

behandeln lässt. Das setzt Aufklärung voraus<br />

und die Möglichkeit, darüber zu reden.<br />

Bei mehr als fünf sexuellen Kontakten <strong>mit</strong> unterschiedlichen<br />

Partnern sollte man sich beraten<br />

und testen lassen, da<strong>mit</strong> Sex weiterhin<br />

Spaß macht. .<br />

“<br />

Mir berichten verstärkt<br />

Menschen <strong>mit</strong> HIV, dass<br />

sie Aggression erfahren,<br />

ausgegrenzt werden. Andere,<br />

die an Schulen Aufklärung<br />

betreiben, berichten,<br />

dass Schüler die<br />

Klassen verlassen und<br />

dass sie, die Dozenten,<br />

nach der Stunde massiv<br />

beschimpft werden. Das<br />

ist ein großes Problem,<br />

denn Aufklärung ist ein<br />

wesentlicher Aspekt der<br />

Prävention.


6<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> HIV –<br />

anders, als Sie denken!<br />

Egal ob es um den Job, Freizeit, Sexualität oder Familienplanung geht: Menschen <strong>mit</strong><br />

HIV können heute leben wie alle anderen. Bei rechtzeitiger Behandlung lässt sich der<br />

Ausbruch von Aids verhindern. HIV ist unter Therapie auch nicht mehr übertragbar.<br />

Das sind die guten Nachrichten. Die schlechten: Diskriminierung macht HIV-positiven<br />

Menschen das <strong>Leben</strong> oft immer noch unnötig schwer. Meist sind Vorurteile und<br />

Unwissenheit der Grund. Manche Leute fürchten nach wie vor eine Übertragung des<br />

Virus im Alltag und gehen deshalb auf Abstand, obwohl es dafür keinen Grund gibt.<br />

Nachfolgend geben sechs Menschen <strong>mit</strong> HIV einen Einblick in ihr <strong>Leben</strong>. Dabei wird<br />

deutlich: HIV muss im Alltag längst nicht mehr die Hauptrolle spielen.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

in Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

Hildegards Diagnose kam vor<br />

zehn Jahren völlig unerwartet.<br />

Als Postbotin in einem<br />

kleinen bayerischen Dorf<br />

hatte die heute 47-Jährige<br />

Angst vor Stigmatisierung<br />

und Ausgrenzung. Aber sie lernte schnell, dass<br />

HIV heute behandelbar ist, beruhigte ihre Eltern,<br />

erzählte Menschen in ihrem Umfeld von<br />

der Diagnose.<br />

Irgendwie zog die Nachricht Kreise. Schließlich<br />

brodelte die Gerüchteküche. Hildegard ließ<br />

<strong>mit</strong> Offenheit den Druck aus dem Kessel: „Ich<br />

musste den Deckel wegnehmen und erklären.<br />

Viele haben verstanden: Eine HIV-Infektion ist<br />

gar nicht so schlimm.“<br />

Denis macht Ju-Jutsu. Als er<br />

das Team über seine HIV-<br />

Infektion informierte, gab's<br />

Applaus und alle gingen locker<br />

da<strong>mit</strong> um.<br />

Möglich war diese entspannte Reaktion<br />

auch, weil Denis‘ Trainer von Anfang an<br />

hinter ihm stand und das Team über Basics<br />

informierte: Der Kampf <strong>mit</strong> Denis ist völlig<br />

ungefährlich – jedenfalls, wenn es um HIV<br />

geht. Manche seiner Gegner entwickeln<br />

trotzdem Berührungsängste. Dann stellen<br />

sich Trainer und Mannschaft vor ihren<br />

Teamkollegen.<br />

Schutzlos ausgeliefert war Denis anfangs<br />

Irgendwann fragte ihr Friseur, ob es für ihn gefährlich<br />

wäre, wenn er sie mal ins Ohr schneiden<br />

würde. Sie reagierte <strong>mit</strong> Offenheit und Humor:<br />

„Du darfst mich nicht ins Ohr schneiden! Aber<br />

nicht wegen HIV, sondern wegen der Ohren.“<br />

Vor allem die Nachricht, dass HIV unter Therapie<br />

nicht mehr übertragbar ist, beruhigte den<br />

Mann schließlich. Auch ihre Hausärztin lernte<br />

noch von Hildegard dazu.<br />

„Wenn hinter dem Rücken von Leuten getuschelt<br />

wird, reden alle <strong>mit</strong>, aber niemand kennt<br />

sich aus. Mir konnten alle selbst ihre Fragen stellen.<br />

Als sie <strong>mit</strong>bekommen haben, dass es okay<br />

ist, etwas nicht zu wissen, kamen wir richtig ins<br />

Gespräch.“.<br />

ausgerechnet den Sprüchen eines Arztes.<br />

Als er wegen Magenproblemen in die Notaufnahme<br />

ging, hörte er sinngemäß: Du bist<br />

ja selbst schuld an deiner HIV-Infektion,<br />

jetzt musst du auch <strong>mit</strong> den Nebenwirkungen<br />

klarkommen. Das war medizinisch genauso<br />

falsch wie menschlich, denn eine gut<br />

eingestellte HIV-Therapie hat heutzutage<br />

meist keine oder kaum Nebenwirkungen.<br />

Seiner Familie gegenüber hat Denis sich<br />

noch aus Versehen geoutet, als er einer Lokalzeitung<br />

anlässlich des Welt-Aids-Tages<br />

ein Foto erlaubte. Nun zeigt er schon zum<br />

zweiten Mal in einer Welt-Aids-Tag-Kampagne<br />

Gesicht, um Stigma und Diskriminierung<br />

entgegenzutreten..


7<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 7<br />

In Uganda, wo Lillian aufgewachsen<br />

ist, hat sie viele ihr liebe Menschen<br />

durch Aids verloren, weil es dort an<br />

Zugang zu HIV-Therapien fehlte.<br />

Durch ihre Flucht nach Deutschland<br />

entkam sie selbst dem Tod: Ihre Tuberkulose<br />

wurde geheilt, ihre HIV-Infektion behandelt.<br />

Aber auch hier musste sie viele Widerstände<br />

und Vorurteile überwinden.<br />

Zum Beispiel, als ihre Tochter Yasemin in<br />

den Kindergarten kam: „Nachdem ich zum<br />

ersten Mal über mein <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> HIV gesprochen<br />

hatte, haben Eltern ihren Kindern<br />

verboten, in ihre Freizeitgruppe zu gehen.<br />

Sie hatten Angst, meine Tochter könnte ihre<br />

Berlin ist eine Bubble. „Wir haben<br />

gut informierte Ärzte und<br />

die queere Szene geht auch relativ<br />

entspannt <strong>mit</strong> dem Thema<br />

HIV um“, sagt Giovanni, der seit<br />

acht Jahren hier lebt und als<br />

Projektmanager in der Wärmepumpenbranche<br />

arbeitet.<br />

Der 31-jährige Italiener weiß, wovon er<br />

spricht. In seiner katholisch geprägten Heimat<br />

Italien sei man von „schamfreier, nicht schuldbesetzter<br />

Sexualität“ noch recht weit entfernt.<br />

Und das erschwert auch den offenen Umgang<br />

<strong>mit</strong> HIV. Dementsprechend war Giovanni sehr<br />

nervös, als er sich bei seiner Mutter outete. Als<br />

Verstärkung <strong>mit</strong> im Team: seine Schwester.<br />

Kristina kennt ein Mittel gegen<br />

Berührungsängste: Kuscheln.<br />

Sie organisiert Events, wo<br />

Menschen in geschütztem<br />

Rahmen <strong>mit</strong>einander auf<br />

Schmusekurs gehen können,<br />

um ihre Bedürfnisse nach Berührung zu erkennen<br />

und auszuleben.<br />

Vor vielen Jahren stellte Kristina fest, dass<br />

sie sexsüchtig war. Gerade als sie eine Möglichkeit<br />

suchte, sich neu <strong>mit</strong> ihrer Sexualität<br />

auseinanderzusetzen, war ihr HIV-Test positiv.<br />

„Das war nicht, was ich gewollt hatte, aber<br />

letztlich war es gut für mich“, sagt Kristina<br />

heute. Sie lernte, dass sie oft nur Berührung<br />

und Nähe suchte, wenn sie Sex hatte.<br />

Bei einem Sex-Date verzichtete<br />

Thomas einmal auf ein Kondom,<br />

weil der Partner sagte, er sei frisch<br />

negativ auf HIV getestet. Thomas<br />

hatte Pech: Sein Test war kurz<br />

darauf positiv. Seine feste Beziehung<br />

hat das sogar gefestigt: „Mein Mann hat<br />

mir ver<strong>mit</strong>telt: Wir schaffen das zusammen.“<br />

Thomas entwickelt nach der Diagnose zunächst<br />

Ekel vor sich selbst und konnte keinen Sex mehr<br />

haben. Heute gibt er beim Online-Dating selbstbewusst<br />

im Profil an, dass er positiv ist und dass<br />

HIV aufgrund der Therapie nicht mehr übertragbar<br />

ist.<br />

Drei Arten von Menschen begegnen ihm dabei:<br />

Kinder <strong>mit</strong> HIV infizieren.“<br />

Was natürlich Quatsch ist. Das sagte Yasemin<br />

den anderen Kindern auch. Die glaubten<br />

ihr, weil sie sie kannten und ihr vertrauten.<br />

Yasemin war <strong>mit</strong> dem Wissen um<br />

Mamas Infektion groß geworden und kannte<br />

sich aus.<br />

Das ist <strong>mit</strong>tlerweile einige Zeit her. Vor Kurzem<br />

hat Yasemin Lillian zur Großmutter gemacht.<br />

Und ihre Enkeltochter wird hoffentlich<br />

nicht die gleichen Probleme haben wie<br />

ihr Kind. Die meisten Menschen in Lillians<br />

Umgebung haben <strong>mit</strong>tlerweile verstanden:<br />

„Vor mir muss niemand Angst haben. Und<br />

vor meiner Tochter auch nicht.“.<br />

Die ist Ärztin und hatte schon früher per Zufall<br />

von der HIV-Infektion ihres Bruders erfahren:<br />

Bei einem Besuch zu Hause in Italien hatte er<br />

eine Pille verloren, die im Wäschekorb wieder<br />

auftauchte. Giovanni zog seine Mutter bei einem<br />

ihrer regelmäßigen Berlinbesuche ins<br />

Vertrauen. Es gab Tränen, aber kein Drama.<br />

Seine Schwester wartete in Rom am Flughafen,<br />

um die Mutter nach der Landung aufzufangen<br />

– <strong>mit</strong> Informationen.<br />

„Die Angehörigen von Menschen <strong>mit</strong> HIV<br />

müssen ja auch Bescheid wissen, da<strong>mit</strong> sie<br />

sich keine unnötigen Sorgen machen“, sagt<br />

Giovanni. „Erst wenn alle auf dem gleichen<br />

Wissensstand sind, kann man wirklich <strong>mit</strong>einander<br />

reden.“.<br />

Was nicht bedeutet, dass sie jetzt auf Sexualität<br />

verzichtet: „Sex macht mir einfach<br />

großen Spaß und ich schäme mich nicht<br />

dafür.“<br />

Aus der ehemaligen Journalistin ist <strong>mit</strong>tlerweile<br />

eine Sexualtherapeutin und professionelle<br />

Organisatorin von Kuschelevents<br />

geworden. Kristinas wichtige Botschaft:<br />

Niemand soll sich schämen müssen. Nicht<br />

für Bedürfnisse. Nicht für Sexualität. Nicht<br />

für eine HIV-Infektion. „Es ist vollkommen<br />

okay, <strong>mit</strong> HIV zu leben!“, betont sie.<br />

.<br />

Auch für Kristinas Tochter sind die HIV-<br />

Infektion ihrer Mutter und ihr Aktivismus<br />

übrigens völlig normal.<br />

Die einen wissen schon gut Bescheid. Die anderen<br />

lernen gerne dazu. Und wieder andere lehnen<br />

ihn ab, beschimpfen ihn, weil er trotz HIV<br />

auf den Dating-Plattformen ist. „Da hilft dann<br />

nur blocken“, sagt Thomas. „Aber zunächst versuche<br />

ich immer, Verständnis für HIV-positive<br />

Menschen zu schaffen und aktuelles Wissen zu<br />

ver<strong>mit</strong>teln.“ Denn das größte Problem liegt darin,<br />

dass viele Menschen noch nicht ausreichend<br />

<strong>mit</strong>bekommen haben, wie stark sich das <strong>Leben</strong><br />

<strong>mit</strong> HIV in den letzten 25 Jahren verändert hat.<br />

Als Thomas seiner Mutter die Diagnose <strong>mit</strong>teilte,<br />

war sie geschockt, als er kurz darauf bei ihr eintraf,<br />

war sie schon wieder beruhigt. „Thomas“,<br />

sagte sie, „ich habe gerade im Internet nachgeguckt.<br />

Es ist ja gar nicht mehr so schlimm.“.


8<br />

Let's talk about Sex<br />

instagram.com/<br />

therealpaulalambert<br />

Paula Lambert schreibt<br />

und spricht über Liebe,<br />

Sex, Beziehungen und<br />

alles, was dazwischenliegt.<br />

Was ein guter Liebhaber<br />

können sollte und warum<br />

wir ein Work-Sex-Balance-<br />

Problem haben, verrät sie<br />

im Interview.<br />

Foto: Lydia Gorges<br />

„Frau Lambert, lassen Sie<br />

uns über Sex sprechen“<br />

Warum fällt das vielen immer noch so<br />

schwer?<br />

Weil wir das nicht gelernt haben und leider<br />

auch immer noch nicht tun. Dabei wäre es<br />

doch eigentlich etwas grundlegend Verständliches,<br />

über die größten Bedürfnisse<br />

zu sprechen. Aber leider ist die Scham<br />

schlicht zu groß. Und da Scham im Schatten<br />

lebt, hilft wirklich nur, das Thema ans<br />

Licht zu holen.<br />

Was ist Ihrer Meinung nach guter Sex?<br />

Der, bei dem beide wissen, dass sie in diesem<br />

Moment nichts anderes lieber machen<br />

würden als genau das. Klingt einfach,<br />

ist aber in der Praxis komplex.<br />

Und was ist eine gute Liebhaberin bzw.<br />

ein guter Liebhaber?<br />

Jeder Mensch, der in der Lage ist, sich auf<br />

die Bedürfnisse des anderen einzustellen<br />

und dementsprechend zu handeln. Ein<br />

bisschen Grundbegabung und eine Vorstellung<br />

der menschlichen Anatomie helfen<br />

natürlich auch. Und Begeisterungsfähigkeit!<br />

Work-Sex-Balance – ist sexuelle Lustlosigkeit<br />

ein weitverbreitetes Thema in Deutschland?<br />

Ja, es mangelt an gelebter Inti<strong>mit</strong>ät, vor allem<br />

im Gespräch. Es bringt ja nichts, nebeneinanderher<br />

zu leben und dann <strong>mit</strong> Sex einen Kick<br />

produzieren zu wollen. Sex ohne innere Glut<br />

macht wenig bis keinen Spaß.<br />

Wie kommen wir aus der Spirale der Lustlosigkeit<br />

heraus?<br />

Indem man das Thema Inti<strong>mit</strong>ät ernst nimmt.<br />

Und zwar auf einer emotionalen Ebene: Was<br />

beschäftigt dich, wovon träumst du, wo<strong>mit</strong><br />

fühlst du dich wohl … das sind Fragen, die<br />

sich die wenigsten Paare noch oder je stellen.<br />

Die sind aber wichtig!<br />

Kommen wir zum Höhepunkt: Nur jede<br />

vierte Frau kommt beim Sex – hat Deutschland<br />

ein Orgasmusproblem?<br />

Leider ja! Und es hält sich hartnäckig der Irrtum,<br />

dass für Frauen Sex ohne Orgasmus normal<br />

ist. Das stimmt einfach nicht! Extra dafür<br />

biete ich im Frühling einen Kurs an, das Pussy<br />

Bootcamp!.<br />

Beim Solosex sieht das schon besser aus.<br />

Doch viele trauen sich nicht, sich selbst zu<br />

berühren. Was raten Sie hier?<br />

Indem wir häufiger darüber sprechen und<br />

weniger so verschämt <strong>mit</strong> dem Thema umgehen.<br />

Es tut doch jeder, warum also die Scham?<br />

Dildo, Satisfyer und Co. – wie können Erotikartikel<br />

mehr Schwung ins Liebesleben<br />

bringen?<br />

Ich finde, <strong>mit</strong> der größte Verdienst von Toys<br />

ist es, das Gespräch über Lust oder Unlust in<br />

Gang zu bringen. Sobald Menschen darüber<br />

sprechen, ist wirklich die größte Hürde geschafft.<br />

Und dann ist auch Platz für das Spielerische,<br />

was natürlich richtig viel Spaß macht<br />

– also: ran an die Sextoys.<br />

Ist es an der Zeit für neue Versuchungen?<br />

Davon haben wir eigentlich genug, jetzt geht<br />

es eher darum, <strong>mit</strong> ihnen umzugehen. Und<br />

zu verstehen, dass Sex auf ganz vielen Ebenen<br />

wichtig ist und nicht nur eine Nebensache,<br />

sondern eine Hauptsache ist!.<br />

Redaktion Emma Howe


Anzeige<br />

INTIMACY RELOADED:<br />

So bringt ihr frischen Wind<br />

in eurer Liebesleben<br />

Mehr Abwechslung gefällig? Leichter gesagt als getan. Vielen Paaren fällt es schwer,<br />

neuen Schwung in ihr Liebesleben zu bringen. Doch die große Frage, die sich alle<br />

stellen: Wie? Denn Wünsche und Bedürfnisse sind bekanntlich verschieden.<br />

Wir haben 6 Tipps für euch zusammengestellt, wie ihr es gemeinsam schafft,<br />

eure eingeschlafenen Sexroutinen hinter euch zu lassen.<br />

1Du willst es? Sag es!<br />

Laut des AMORELIE Sexreports sprechen 30 % kaum<br />

bis gar nicht <strong>mit</strong> ihrem Partner oder ihrer Partnerin<br />

über die eigenen sexuellen Bedürfnisse. Und das<br />

obwohl fast 44 % sich wünschen, mehr darüber zu erfahren.<br />

Oftmals liegt es daran, dass es einem schwer fällt, über die<br />

eigenen Bedürfnisse zu sprechen. Kartenspiele <strong>mit</strong> intimen<br />

Fragen können dabei helfen, um sich spielerisch besser<br />

kennenzulernen oder neu zu entdecken. Denn sexuelle Bedürfnisse<br />

können sich im Laufe der Jahre auch verändern.<br />

2Habt Sexdates!<br />

Wir wollen behaupten, dass sich fast jede/r über<br />

Überraschungen freut. Warum also nicht mal <strong>mit</strong> Sex<br />

überraschen? Im Wechsel überlegt sich jede/r etwas<br />

neues, um den anderen oder die andere zu überraschen.<br />

Ein Tipp: Staycation! Bucht euch und eurem Partner oder<br />

eurer Partnerin ein Hotelzimmer für eine Nacht in eurer<br />

Stadt und verbringt eine heiße Nacht in der fremden Umgebung.<br />

Alleine der Tapetenwechsel kann zu prickelnden<br />

Gefühlen führen.<br />

3Probiert Neues aus!<br />

40 % der Befragten aus dem AMORELIE Sexreport<br />

sagen, dass sie gerne etwas Neues ausprobieren<br />

möchten. Überlegt euch gemeinsam, was ihr spannend<br />

findet und entdeckt gemeinsam eure neue gemeinsame<br />

Vorliebe. Oder …<br />

Bleibt neugierig! Vielleicht ist das auch euer neues Ding<br />

und ihr probiert ab sofort nur noch neue Sachen gemeinsam<br />

aus.<br />

4Rollenspiele<br />

Laut des AMORELIE Sexreports stehen 26 %<br />

der Befragten auf Rollenspiele. Mit Rollenspielen<br />

könnt ihr eurer Kreativität freien lauf<br />

lassen. Ob <strong>mit</strong> verführerischen Kostümen oder inszenierten<br />

Situationen – so könnt ihr Euer Sexleben auf<br />

ein ganz neues Level bringen. Durch das Schlüpfen in<br />

eine andere Rolle fällt es vielen oft leichter, auch mal<br />

Dinge zu machen, die man sich sonst vielleicht nicht<br />

traut. Sehr prickelnd kann es zum Beispiel sein, sich in<br />

einer Bar zu verabreden und so zu tun, als ob man sein<br />

erstes Date hätte. Guckt doch mal, was der Abend so<br />

bringt …<br />

5Neue Orte<br />

Zugegeben: Sex im Bett ist gemütlich und bietet<br />

sich eben ganz gut an, wenn man eh schon leicht<br />

bekleidet nebeneinander liegt. Kann man machen,<br />

muss man aber nicht. Ein bisschen Abwechslung schadet<br />

nie. Zum Beispiel sagen 32 % der Befragten im AMORE-<br />

LIE Sexreport, dass sie gerne mal Sex in der Natur hätten.<br />

12 % würden es sogar gerne mal auf einer Party tun. Also<br />

raus aus der Komfortzone und entdeckt gemeinsam Orte<br />

des Vergnügens!<br />

6Mit dem Timing spielen<br />

Lieber morgens oder abends? Für viele mal so<br />

oder so. Erfrischend kann es schon werden, wenn<br />

ihr mal fernab eurer Sexroutine intim werdet. Vielleicht<br />

mal im Homeoffice während der Mittagspause?<br />

Oder einfach direkt, wenn ihr Lust verspürt. Setzt euch<br />

keine Zeitli<strong>mit</strong>s, sondern genießt Lustmomente, wann<br />

immer ihr möchtet.<br />

TIPP<br />

Die exklusive „Come Together“-Einsteigerbox ist perfekt für Paare,<br />

die gemeinsam Neues entdecken wollen. 5 Produkt-Highlights aus<br />

dem AMORELIE-Sortiment wurden von erfahrenen Expert:innen<br />

zusammengestellt. Weitere Inspirationen und Produkte findet ihr auf:<br />

www.amorelie.de


Krebsvorsorge<br />

instagram.com/<br />

papas.im.glueck<br />

instagram.com/<br />

our.best.journey<br />

Foto: privat<br />

„Ohne Vorsorge wären<br />

wir heute nicht mehr hier“<br />

Christin und Danny waren beide unter 30, als sie ihre Krebsdiagnose bekamen – in einem Alter,<br />

in dem die wenigsten an Krebs denken oder Vorsorge ernst nehmen. Dass Christin und Danny<br />

dennoch die selbst ertasteten Knoten zügig abklären ließen, rettete ihr <strong>Leben</strong>.<br />

Redaktion Miriam Rauh


11<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 11<br />

Christin, Sie sind jetzt 34 Jahre alt. Seit<br />

wann wissen Sie, dass Sie Brustkrebs haben?<br />

Seit 2019, ironischerweise war das genau<br />

zum Start von Pinktober. Ich war schwanger<br />

und hatte einen Knoten getastet. Mein Frauenarzt<br />

überwies mich gleich zur Biopsie.<br />

Wenige Tage später hatte ich das Ergebnis:<br />

Brustkrebs, leider eine sehr aggressive Form.<br />

Danny, wie wurde der Krebs bei Ihnen entdeckt?<br />

Eher durch Zufall. Mein Mann und ich saßen<br />

auf dem Sofa; als er aufstehen wollte, fiel er<br />

so unglücklich auf mich, dass sein Ellenbogen<br />

direkt in meinen Hoden landete. Das tat<br />

natürlich sehr weh. Die Schmerzen wurden<br />

aber nach drei, vier Tagen nicht besser, sondern<br />

schlimmer. Weil mir das komisch vorkam,<br />

ging ich zum Arzt: Im Ultraschall konnte<br />

man den Tumor sehen.<br />

Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?<br />

Danny: Ich dachte, muss ich jetzt sterben,<br />

wie geht es weiter? Gleichzeitig habe ich<br />

aber auch nichts gedacht. Ich kann gar nicht<br />

so genau beschreiben, was in mir vorging.<br />

Eine Mischung aus allem. Ich wurde gleich<br />

operiert. Der Tumor hatte gestreut, aber<br />

insgesamt hatte ich Glück: Die Metastasen<br />

konnten <strong>mit</strong> Chemo gut entfernt werden.<br />

Der Tumor wurde keinen Moment zu früh<br />

entdeckt, noch später und es hätte auch<br />

schiefgehen können.<br />

Christin: Wenn jemand die Diagnose Krebs<br />

bekommt, sieht man erst mal das <strong>Leben</strong> an<br />

sich vorbeiziehen. Das war bei mir auch so.<br />

Ich hatte große Angst, auch um mein Kind<br />

und meinen Mann. Zum Glück hatte ich gute<br />

und auch einfühlsame Ärzte. Und natürlich<br />

meine Familie, die mir eine große Stütze war,<br />

besonders mein Mann. Ich bin ihm unendlich<br />

dankbar dafür.<br />

Danny: Das war und ist bei mir auch so –<br />

mein Mann war sehr für mich da.<br />

Viele nehmen das Thema Krebsvorsorge<br />

noch gar nicht ernst. Wie war das bei Ihnen?<br />

Christin: Ich ging zur Vorsorge, den Abstrich<br />

zur Gebärmutterhalskrebsvorsorge oder<br />

auch das Abtasten der Brust habe ich immer<br />

machen lassen. Einen Ultraschall allerdings<br />

nicht, das muss man selbst bezahlen. Ob<br />

man <strong>mit</strong> Mitte/Ende 20 Geld in seine Vorsorge<br />

investiert … das machen vermutlich wenige.<br />

Man muss es sich auch leisten können!<br />

Und viele denken, Krebs bekommt man,<br />

wenn man alt ist – nicht <strong>mit</strong> Ende 20. So war<br />

es bei mir auch. Sogar Ärzte sagen das oft.<br />

Danny: Ganz ehrlich – ich weiß gar nicht, ob<br />

es eine geregelte Hodenkrebsvorsorge gibt.<br />

Ich glaube nicht, jedenfalls habe ich nie davon<br />

gehört. Aber an sich wäre es wichtig, das<br />

zu etablieren. Zwar erkranken nicht so viele<br />

Männer an Hodenkrebs. Aber bei denen, bei<br />

“<br />

denen Hodenkrebs erkannt wird, ist der Tumor<br />

meist schon recht groß. Die Kosten, die<br />

dadurch entstehen, sind sicher deutlich höher<br />

als die für eine Vorsorge. Und es betrifft<br />

hier ja meist junge Männer, die das <strong>Leben</strong><br />

noch vor sich haben.<br />

Christin: Es kann jeden treffen, in jedem<br />

Alter, das muss man sich immer wieder bewusst<br />

machen.<br />

Ich wünsche mir,<br />

dass viel mehr über<br />

Krebs geredet werden<br />

würde – auch über<br />

Vorsorge. Krebs ist<br />

aber noch immer ein<br />

Tabuthema, gerade<br />

unter jungen Leuten.<br />

Wenn mehr Leute über<br />

ihre Krebserkrankung<br />

sprechen, rückt das<br />

Thema mehr ins<br />

Bewusstsein. Es sollte<br />

auch niemand das<br />

Gefühl haben, sich<br />

deswegen schämen zu<br />

müssen. Das Thema<br />

Krebs geht uns alle etwas<br />

an, denn es kann jeden<br />

treffen, ausnahmslos.<br />

Was sind nach Ihrer Erfahrung die größten<br />

Probleme in der Vorsorge?<br />

Christin: Geld. Und Verständnis. Obwohl<br />

wirklich viel für die Brustkrebsaufklärung<br />

getan wird, zum Beispiel im Fernsehen<br />

oder <strong>mit</strong> Aktionen wie Pinktober. Auch auf<br />

Instagram gibt es viele, die wie ich selbst<br />

betroffen sind und andere daran teilhaben<br />

lassen, was die Krebserkrankung bedeutet,<br />

wie man vorsorgen kann etc. Brustkrebs ist<br />

die häufigste Krebserkrankung bei Frauen,<br />

<strong>mit</strong> aktuell fast 70.000 Neuerkrankungen<br />

pro Jahr, und die Zahlen steigen.<br />

Wie könnte man mehr – auch junge –<br />

Menschen dazu bewegen, zur Vorsorge<br />

zu gehen?<br />

Christin: Sehr helfen würde sicher, wenn<br />

mehr Vorsorgemaßnahmen Kassenleistung<br />

wären. Aber ich frage mich selbst immer,<br />

wie man mehr Menschen für das Thema<br />

sensibilisieren kann. Ich versuche, sie<br />

über Social Media zu erreichen, und bin<br />

deswegen auf Instagram aktiv. Dort versuche<br />

ich, <strong>mit</strong> Witz aufzuklären, und bekomme<br />

dafür viel positives Feedback. Manche<br />

schreiben mir, seitdem sie das bei mir gesehen<br />

haben, tasten sie ihre Brust regelmäßig<br />

selbst ab. Ich glaube, <strong>mit</strong> der Selbstuntersuchung<br />

der Brust und insgesamt einem<br />

Bewusstsein für sich kann man schon einiges<br />

erreichen. Wichtig finde ich auch, dass<br />

Ärzte einen ernst nehmen, auch wenn man<br />

jung ist. Im Zweifelsfall lieber eine Probe<br />

entnehmen – auch wenn das Warten auf<br />

das Ergebnis der Biopsie die Hölle ist. Aber<br />

besser so, als einen Tumor zu übersehen.<br />

Danny: Ich wünsche mir insgesamt, dass<br />

viel mehr über Krebs geredet werden würde<br />

– auch über Vorsorge. Krebs ist aber<br />

noch immer ein Tabuthema, gerade unter<br />

jungen Leuten. Wenn mehr Leute über ihre<br />

Krebserkrankung sprechen, rückt das Thema<br />

mehr ins Bewusstsein. Es sollte auch<br />

niemand das Gefühl haben, sich deswegen<br />

schämen zu müssen. Das Thema Krebs<br />

geht uns alle etwas an, denn es kann jeden<br />

treffen, ausnahmslos.<br />

Was hat die Diagnose für Ihren Alltag<br />

bzw. für Ihre Familienplanung bedeutet?<br />

Danny: Ich wurde vor der Operation gefragt,<br />

ob ich ein Hodenimplantat haben<br />

möchte, weil der Hoden entnommen wird.<br />

Das war mir egal – viel gravierender fand<br />

ich: Durch die Chemotherapie werden die<br />

meisten Männer unfruchtbar. Wenn man<br />

aber zum Beispiel Samen einfrieren lassen<br />

möchte, um noch Vater werden zu können,<br />

übernehmen das die Kassen nicht. Die wenigsten<br />

unter 30 haben das Geld, so etwas<br />

privat zu bezahlen. Das heißt, sie werden<br />

nie eine Familie haben können.<br />

Christin: Als ich die Diagnose bekam, war<br />

ich in der 30. Woche schwanger. Meine<br />

Tochter musste früher geholt werden, da<strong>mit</strong><br />

die Therapien beginnen konnten. Es<br />

war anfangs ganz, ganz schwer für mich,<br />

allein darüber zu reden – ich hatte das<br />

Gefühl, ich muss doch da sein! Natürlich<br />

musste ich erst mal die Therapien machen,<br />

um da sein zu können, aber das geht einem<br />

eben durch den Kopf. Zum Glück hat mein<br />

Mann sich wunderbar um unsere Tochter<br />

gekümmert und mich auch sehr unterstützt.<br />

Was würden Sie anderen gerne <strong>mit</strong>geben?<br />

Danny: Nicht zu schweigen. Redet und<br />

macht andere aufmerksam! Wenn auch<br />

nur ein Einziger mehr dadurch zur Vorsorge<br />

geht oder auf sich selbst achtet, ist es<br />

das wert.<br />

Christin: Überhaupt auf sich selbst achtzugeben<br />

und auf die Menschen, die man<br />

liebt. Erinnert eure Liebsten ruhig daran,<br />

zur Vorsorge zu gehen!.


12<br />

Blasenkrebsfrüherkennung<br />

Männer,<br />

wir müssen<br />

reden!<br />

Foto: privat<br />

Vorsorge rettet <strong>Leben</strong>: Spätestens wenn der Urin rot gefärbt ist, sollte man der Ursache dringend<br />

nachgehen. Warum auch weniger eindeutige Symptome immer abgeklärt werden müssen<br />

und man sich nicht von einer Blasenspiegelung abschrecken lassen sollte, erläutert Dr. Edmond<br />

Schiek-Kunz, Sprecher des Selbsthilfe-Bundes Blasenkrebs e. V., im Interview.<br />

Herr Dr. Schiek-Kunz, Sie sind selbst von Blasenkrebs<br />

betroffen. Wann haben Sie bemerkt,<br />

dass etwas nicht stimmt?<br />

Ich hatte häufigen Harndrang, den ich zunächst<br />

nicht <strong>mit</strong> Krebs in Verbindung brachte. Als ich<br />

auf einer Radtour <strong>mit</strong> einem Urologen unterwegs<br />

war, fragte ich ihn, was die Ursache sein<br />

könne. Er gab mir den Rat, mich auf ein Blasenkarzinom<br />

untersuchen zu lassen. Ich fiel aus<br />

allen Wolken, ließ aber gleich nach der Radtour<br />

eine Bildgebung machen. Dabei erhärtete sich<br />

der Verdacht.<br />

Welche Untersuchungen wurden gemacht?<br />

Man macht üblicherweise eine Blasenspiegelung,<br />

eine Zystoskopie, und entscheidet dann,<br />

ob und welche weiteren Schritte folgen. Wird<br />

bei der Spiegelung eine Auffälligkeit entdeckt,<br />

wird in der Regel eine transurethrale Resektion<br />

gemacht. Das erkrankte Gewebe, der Krebs – in<br />

meinem Fall in der Blase – wird durch eine urologische<br />

Operation entfernt. Anhand des entnommenen<br />

Gewebes kann dann die Diagnose<br />

gestellt werden: In welche Gewebe ist der Krebs<br />

bereits gewachsen, wie aggressiv ist er und gibt<br />

es eine Ausbreitung? Danach erfolgen gegebenenfalls<br />

weitere Therapien.<br />

Sie sind selbst Arzt und kennen die Symptome<br />

von Ihren eigenen Patienten. Was ging in<br />

Ihnen vor?<br />

Ein typisches Symptom für Blasenkrebs ist rot<br />

gefärbter Urin. Das hatte ich nicht, die Diagnose<br />

hat mich eiskalt erwischt. Eine Krebsdiagnose<br />

ist immer ein Einbruch, der eine massive Veränderung<br />

zum bisherigen <strong>Leben</strong> darstellt. Von da<br />

an ändert sich mehr oder weniger alles. Man ist<br />

nicht mehr der gleiche Mensch wie zuvor – und<br />

zwar bereits bevor einschneidende Therapien<br />

beginnen. Danach bleibt ständige Unsicherheit.<br />

Wurde wirklich alles entfernt, kommt der Krebs<br />

zurück? Man muss die Veränderungen, welche<br />

die Diagnose <strong>mit</strong> sich bringt, erst mal verarbeiten.<br />

Das braucht Zeit, manchmal Jahre.<br />

Haben Sie sich von den Ärzten und Ärztinnen,<br />

die Sie betreut haben, in Ihrer Situation aufgefangen<br />

gefühlt?<br />

Ich habe das Glück, dass meine Frau selbst Ärztin<br />

ist und mich von Anfang an begleitet und<br />

unterstützt hat. Die allgemeine Arzt-Patienten-<br />

Kommunikation ist für Betroffene in dieser sehr<br />

belastenden Situation jedoch oft nicht ausreichend.<br />

Das ist auch immer wieder Thema in<br />

den Selbsthilfegruppen. Patienten werden medizinisch<br />

bestmöglich betreut, auf psychischer<br />

Ebene sind sie recht allein. Und der psychische<br />

Aspekt spielt bei Blasenkrebs eine enorme Rolle<br />

– Impotenz kann die Folge einer Blasenkrebsoperation<br />

sein. Das trifft die betroffenen Männer<br />

sehr schwer.<br />

Urologen bieten bei dieser Problematik häufig<br />

technische Lösungen an, die für viele Betroffene<br />

nicht zufriedenstellend sind. Deshalb sollte man<br />

den Operateur vor der Operation bitten, gefäßund<br />

nervenschonend zu arbeiten, um einer<br />

Impotenz entgegenzuwirken. Auch Psychoonkologen<br />

können nicht immer helfen, insbesondere<br />

dann, wenn sie sich nicht in die Situation<br />

einfühlen können, was der Verlust der Potenz<br />

für einen Mann bedeutet. Selbsthilfegruppen<br />

sind für die Aufarbeitung der Situation wirklich<br />

entscheidend.<br />

Sie haben sich Hilfe in einer Selbsthilfegruppe<br />

oder -einrichtung gesucht. Wie kam es dazu?<br />

Den Hinweis, dass es Selbsthilfegruppen gibt,<br />

bekam ich von einer Psychoonkologin. In der<br />

Selbsthilfegruppe habe ich zum ersten Mal erlebt,<br />

dass ich <strong>mit</strong> meinen Sorgen, meinen Ängsten<br />

und Symptomen nicht alleine bin. Das war<br />

sehr wichtig für mich. Man tauscht in der Gruppe<br />

auch praktische Tipps aus, zum Beispiel wie man<br />

<strong>mit</strong> Inkontinenz oder Impotenz umgehen kann.<br />

Was macht den Austausch so wertvoll?<br />

In der Gruppe entsteht ein Solidaritätseffekt,<br />

das hilft enorm. Der Austausch steuert auch<br />

dem Rückzugseffekt entgegen, der zwangsläufig<br />

nach einer OP, die so stark ins bisherige<br />

<strong>Leben</strong> eingreift, einsetzt. Wer neu zur Gruppe<br />

kommt, profitiert von den Erfahrungen der<br />

anderen. Zum Beispiel welche Einlagen bei Inkontinenz<br />

funktionieren, was die häufige Folge<br />

einer künstlichen Harnblase ist oder welcher<br />

Stomabeutel (Anm. d. Red.: künstliches Urinreservoir)<br />

dafür am besten passt.<br />

Noch immer gehen viele Betroffene zu spät<br />

zum Arzt. Woran liegt das?<br />

Der Krebs zeigt sich nicht immer eindeutig <strong>mit</strong><br />

dem typischen Symptom, dem roten Urin. Man<br />

rechnet möglicherweise nicht da<strong>mit</strong>. Eine Blasenspiegelung<br />

schiebt man vielleicht auch lieber<br />

vor sich her. Sie ist aber ein wichtiges Instrument,<br />

um die Erkrankung zu entdecken.<br />

Wie ist die medizinische Versorgungssituation?<br />

Dank frühzeitiger Erkennung werden viele Blasenkrebsfälle<br />

rechtzeitig entdeckt, sodass die<br />

Blase erhalten werden kann. Auch die Krebsforschung<br />

hat große Fortschritte gemacht. Es gibt<br />

neue Therapiemöglichkeiten und Alternativen.<br />

Wünschen würde ich mir, dass Ärzte, Ärztinnen<br />

und Kliniken möglichst früh auch auf Selbsthilfegruppen<br />

hinweisen, am besten bereits vor<br />

einer OP, denn der Austausch dort ist für Betroffenen<br />

eine wertvolle Stütze.<br />

Was würden Sie anderen gerne <strong>mit</strong> auf den<br />

Weg geben?<br />

Es dauert, bis man als Betroffener zurück ins<br />

<strong>Leben</strong> findet. Es braucht viel Geduld, sich <strong>mit</strong><br />

Symptomatiken wie Impotenz und Inkontinenz<br />

zurechtzufinden. Man sollte sich auch Hilfe<br />

suchen. Man darf auch die Angehörigen nicht<br />

vergessen, sie tragen einen Teil der Veränderungen<br />

durch die Diagnose <strong>mit</strong>. Partner sind in der<br />

Selbsthilfegruppe sehr willkommen – ich freue<br />

mich immer, wenn sie dabei sind..<br />

Redaktion Miriam Rauh


Advertorial<br />

Blasenkrebs darf<br />

kein Tabu sein!<br />

Wussten Sie, dass in Deutschland jährlich mehr als 30.000<br />

Menschen neu an Blasenkrebs erkranken? Blasenkrebs<br />

ist in Deutschland die vierthäufigste Krebserkrankung<br />

bei Männern und tritt bei ihnen etwa dreimal häufiger auf<br />

als bei Frauen. Trotzdem wird über die Erkrankung in der<br />

Öffentlichkeit nur wenig gesprochen. Mögliche Symptome<br />

sind vielen gar nicht bekannt oder werden nicht ernst<br />

genommen. Bislang gibt es keine allgemein anerkannten<br />

Vorsorgeuntersuchungen für Blasenkrebs. Deshalb ist es<br />

so wichtig, typische Symptome zu erkennen und rechtzeitig<br />

zu handeln: ROT HEISST REDEN!<br />

B<br />

lasenkrebs (manchmal auch<br />

Harnblasenkrebs oder Harnblasenkarzinom<br />

genannt)<br />

entsteht durch ein unkontrolliertes<br />

Wachstum der Zellen<br />

in der Schleimhaut der Harnblase<br />

oder den ableitenden Harnwegen<br />

(dem Urothel).<br />

Dies führt zu<br />

bösartigen Neubildungen,<br />

sogenannten<br />

Tumoren.<br />

Risikofaktoren<br />

für Blasenkrebs<br />

Theoretisch kann<br />

jeder Mensch,<br />

egal welchen<br />

Alters oder Geschlechts,<br />

an Blasenkrebs<br />

erkranken.<br />

Es gibt aber<br />

bestimmte Faktoren,<br />

die das Risiko einer Erkrankung erhöhen<br />

können. Dazu zählen aktives und<br />

passives Rauchen, zunehmendes <strong>Leben</strong>salter<br />

und häufige Blasenentzündungen.<br />

Mögliche Symptome von Blasenkrebs<br />

Im frühen Stadium bleibt Blasenkrebs oft<br />

unerkannt, da keine oder kaum merkliche<br />

Symptome auftreten. Prof. Dr. Helmut Haas,<br />

Urologe und Geschäftsführer der Urologischen<br />

Stiftung Gesundheit: „Es gibt zwei<br />

Hauptsymptome. Das erste ist, dass man rot<br />

sieht, also Blut im Urin sieht. Das ist auch<br />

bei einem Krebs oft ohne Schmerzen. Doch<br />

es gibt auch Patienten, bei denen äußert<br />

sich der Blasenkrebs <strong>mit</strong> Beschwerden beim<br />

Wasserlassen, sodass sie denken, sie haben<br />

eine Blasenentzündung. Umso wichtiger<br />

ist es, Symptome immer ärztlich abklären<br />

zu lassen. Wenn sich herausstellt, dass es<br />

harmlos ist, freuen wir uns alle.“<br />

Frühes Erkennen verbessert die Behandlungschancen<br />

Eine möglichst<br />

frühzeitige Diagnosestellung<br />

ist<br />

wichtig, weil sich<br />

dadurch die Behandlungschan-<br />

Eine möglichst<br />

frühzeitige<br />

Diagnosestellung<br />

ist wichtig, da sich<br />

dadurch die<br />

Behandlungschancen<br />

verbessern.<br />

cen verbessern.<br />

Im Frühstadium<br />

hilft eine Operation,<br />

zu einem späteren<br />

Zeitpunkt<br />

können den ganzen<br />

Organismus<br />

betreffende Therapien<br />

das <strong>Leben</strong><br />

verlängern. Neben<br />

der schon lang etablierten systemischen<br />

Chemotherapie gibt es heute einen weiteren<br />

Behandlungsansatz, die systemische<br />

Immuntherapie. Immuntherapien unterstützen<br />

das körpereigene Immunsystem<br />

und aktivieren seine natürliche Fähigkeit,<br />

die Krebszellen anzugreifen und zu zerstören.<br />

Entscheidend bleibt immer ein frühes Erkennen<br />

der Erkrankung. Denn: Je früher<br />

der Blasenkrebs erkannt, desto eher ist die<br />

Gefahr gebannt. Und deshalb kann man es<br />

nicht oft genug sagen: Rot heißt reden! Kontrollieren<br />

Sie Ihren Urin und sprechen Sie<br />

bei Veränderungen <strong>mit</strong> Ihrem Arzt..<br />

13<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 13<br />

Checken<br />

Sie Ihren<br />

Urin!<br />

Alles im gelben<br />

Bereich?<br />

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit<br />

und vergleichen Sie die Farbskala <strong>mit</strong><br />

Ihrer Urinfarbe. Stellen Sie fest, dass<br />

die Farbe Ihres Urins rötlich ist, sollten<br />

Sie einen Arzt aufsuchen und die Veränderung<br />

untersuchen lassen.<br />

Weiter so!<br />

Guter Wasserhaushalt,<br />

Sie trinken genug.<br />

Top!<br />

Sie sind gut hydriert.<br />

Mehr trinken!<br />

Sie nehmen zu wenig<br />

Flüssigkeit auf.<br />

Hinweis auf Blut.<br />

Gehen Sie zum Arzt!<br />

Könnte Blut sein.<br />

Gehen Sie zum Arzt!<br />

Altblutiger Urin.<br />

Gehen Sie zum Arzt!<br />

Mehr Informationen rund um<br />

Blasenkrebs gibt es hier:<br />

www.rotheisstreden.de<br />

Merck Healthcare Germany GmbH<br />

Waldstraße 3, 64331 Weiterstadt<br />

Telefon: +49 (0)6151-62850<br />

E-Mail: healthcare.germany@merckgroup.com


14<br />

Darmkrebsvorsorge<br />

„Wissen Sie<br />

nicht, dass<br />

Sie Krebs<br />

haben?“<br />

Noch immer gehören Darmkrebs und Darmkrebsvorsorge<br />

zu Tabuthemen. Rund 75.000<br />

Menschen erhalten in Deutschland jedes<br />

Jahr die Diagnose. Heidi Lutter ist eine von<br />

ihnen und wäre fast gestorben. Im Interview<br />

spricht sie über den Kampf ihres <strong>Leben</strong>s<br />

und klärt über Darmkrebsvorsorge auf.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Frau Lutter, in Ihrer Familie gab es bereits<br />

Darmkrebstodesfälle. Besonders bei<br />

familiären Vorbelastungen ist die Darmkrebsvorsorge<br />

auch in jungen Jahren<br />

enorm wichtig, da es ein erhöhtes Risiko<br />

gibt zu erkranken. Hat Sie ein Arzt darauf<br />

aufmerksam gemacht?<br />

In meiner Familie gab es schon einige<br />

Darmkrebserkrankungen: Meine Oma ist<br />

<strong>mit</strong> 63 Jahren an diesem Krebs verstorben,<br />

meine Mutter wurde nur 52 Jahre alt, und<br />

die Cousine meiner Mutter ist <strong>mit</strong> 39 Jahren<br />

daran verstorben. Leider hat uns kein Arzt<br />

über ein erhöhtes Risiko in unserer Familie<br />

aufgeklärt, und eine Vorsorge in jungen Jahren<br />

war damals noch absolut unüblich.<br />

Doch dann kamen erste Symptome.<br />

Ich war gerade 45 Jahre alt, als ich eines<br />

Morgens massiv aus dem Darm blutete.<br />

Aber da mein normaler jährlicher Check<br />

bei meinem Hausarzt unauffällig war, habe<br />

ich mir zuerst keine Sorgen gemacht und<br />

wollte ganz normal zur Arbeit fahren. Aber<br />

irgendwie habe ich dann doch ein sehr unbehagliches<br />

Gefühl gehabt und bin dann<br />

direkt zum Arzt gefahren, und mein Hausarzt<br />

schickte mich direkt zum Gastroenterologen,<br />

der mir sagte, dass ich sofort ins<br />

Krankenhaus müsste. Er wollte aber erst<br />

selbst noch eine Spiegelung machen, um<br />

zu sehen, was denn die Blutung verursacht<br />

hat. Einen Tag nach der Koloskopie bin ich<br />

dann ins Krankenhaus gefahren. „Wissen<br />

Sie denn nicht, dass Sie Krebs haben?“, <strong>mit</strong><br />

diesen Worten empfing mich der Stationsarzt,<br />

nachdem ich ihn gefragt hatte, warum<br />

ich so schnell operiert werden müsse.<br />

Was haben Sie in diesem Moment gefühlt?<br />

Diese Frage traf mich wie eine Faust ins Gesicht.<br />

Ich taumelte und es riss mir sprichwörtlich<br />

den Boden unter den Füßen weg.<br />

Der Arzt fragte mich nur noch, ob ich einen<br />

Kaffee brauche oder ob er <strong>mit</strong> der OP-Besprechung<br />

fortfahren könne. Ich habe nur<br />

gedacht, warum denn noch eine Besprechung<br />

nötig sei. Ich kannte diesen Gegner.<br />

Er hat schon meine Mutter, meine Tante<br />

und meine Großmutter besiegt. Ihnen allen<br />

blieb nach der Diagnose nur noch zwei Wochen<br />

Zeit und ich war mir sicher, dass auch<br />

ich nur noch ganz wenige Wochen leben<br />

würde.<br />

Wie ging es dann weiter?<br />

Mein Gastroenterologe hat mich nach der<br />

OP im Krankenhaus angerufen und <strong>mit</strong> mir<br />

das Ergebnis der Histologie besprochen.<br />

Da ich zwar einen fortgeschrittenen Tumor<br />

hatte, aber Gott sei Dank keine Lymphknoten<br />

befallen waren und keine Metastasen<br />

gefunden wurden, hat mir mein Arzt geraten,<br />

keine Therapie zu machen, sondern<br />

in den ersten zwei Jahren alle drei Monate<br />

eine Darmspiegelung machen zu lassen.<br />

Es war für mich die richtige Entscheidung,<br />

aber ich hatte auch Angst.<br />

“<br />

Foto: WDR/Annika Fußwinkel<br />

Ich kannte diesen<br />

Gegner. Er hat schon<br />

meine Mutter, meine<br />

Tante und meine<br />

Großmutter besiegt,<br />

und ich war mir<br />

sicher, dass ich nur<br />

noch ganz wenige<br />

Wochen leben würde.<br />

Was waren Ihre größten Ängste?<br />

Ich habe von vielen Freunden und Kollegen<br />

gesagt bekommen, dass ich unbedingt positiv<br />

denken muss, da<strong>mit</strong> ich gesund bleibe.<br />

Wie soll man das machen, wenn man noch<br />

so viel im <strong>Leben</strong> machen möchte und Angst<br />

hat, dass dadurch, dass man nicht positiv<br />

denken kann, der Krebs wieder wächst? Es<br />

war ein ständiges Wechselbad der Gefühle,<br />

ich wollte alles machen, um alt zu werden,<br />

und hatte eine unbändige <strong>Leben</strong>sgier. Vor<br />

allem wollte ich meine Tochter aufwachsen<br />

sehen, und diese Angst, das nicht zu erleben,<br />

hat mir sehr oft fast die Luft zum Atmen genommen.


15<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 15<br />

Sie gehören zur sogenannten HNPCC-<br />

Gruppe, das heißt, der Darmkrebs ist genetisch<br />

bedingt. Wie haben Sie davon erfahren?<br />

Zufällig habe ich in der Reha eine weitere<br />

Darmkrebspatientin kennengelernt, die mir<br />

von ihrer HNPCC-Erkrankung berichtet hat.<br />

Unsere Familiengeschichten waren sehr ähnlich,<br />

und da sie ganz in meiner Nähe gewohnt<br />

hat, konnte sie mir direkt auch die passenden<br />

Ansprechpartner für eine genetische Untersuchung<br />

nennen. Ich bin ihr heute, nach<br />

fast genau 25 Jahren, noch immer unendlich<br />

dankbar, denn wahrscheinlich hätte es lange<br />

gedauert, bis ich eine Humangenetik kontaktiert<br />

hätte. Dort wurden Blutuntersuchungen<br />

gemacht und es wurde ein Familienstammbaum<br />

erstellt, und danach bekam ich die Diagnose<br />

HNPCC.<br />

Diese Genveränderung erhöht das Risiko,<br />

erneut zu erkranken. Wie gehen Sie da<strong>mit</strong><br />

um und welche Vorsorgemaßnahmen werden<br />

bei Ihnen getroffen?<br />

Diese zusätzliche Belastung, ein lebenslanges<br />

erhöhtes Krebsrisiko zu haben, hat mich<br />

lange Zeit sehr verunsichert. Bei jedem Kopfschmerz<br />

habe ich befürchtet, einen Hirntumor<br />

zu haben, jede Magen-Darm-Infektion<br />

verursachte bei mir Panik. Inzwischen ist der<br />

Gedanke an eine erneute Krebserkrankung<br />

überhaupt nicht mehr präsent, allerdings<br />

nehme ich meine regelmäßigen Nach- bzw.<br />

Vorsorgeuntersuchungen sehr ernst. Für meine<br />

Schwester und meine Tochter mache ich<br />

auch immer gleich die Termine <strong>mit</strong>, denn obwohl<br />

beide wissen, dass sie auch zur Risikogruppe<br />

gehören, finden sie die regelmäßigen<br />

Spiegelungen sehr lästig und aufwendig.<br />

In Deutschland ist die Darmkrebsvorsorge<br />

für viele ein Tabu. Nur rund 20 Prozent der<br />

Bevölkerung nehmen die Möglichkeiten<br />

zur Darmkrebsvorsorge wahr. Woran liegt<br />

das Ihrer Meinung nach?<br />

Ich höre nicht nur in meiner Familie immer<br />

wieder die Aussage, dass man diese Untersuchung<br />

gar nicht möchte. Wahrscheinlich ist<br />

immer noch alles, was <strong>mit</strong> Ausscheidung zu<br />

tun hat, eines der letzten <strong>Tabus</strong> in unserem<br />

<strong>Leben</strong>, dabei kann man Darmkrebs am einfachsten<br />

durch eine Spiegelung verhindern.<br />

Kleine Polypen können direkt abgetragen<br />

werden, und wenn alles ohne Befund war, hat<br />

man für einige Jahre die Gewissheit, dass der<br />

Darm gesund ist.<br />

Wenn man eine große<br />

Abneigung gegen<br />

oder Angst vor einer<br />

Darmspiegelung hat,<br />

gibt es inzwischen sehr<br />

gute, hochsensible<br />

Stuhltests. Nehmen<br />

Sie Möglichkeiten zur<br />

Vorsorge wahr – das<br />

kann Ihr <strong>Leben</strong> retten!<br />

Welche Möglichkeiten neben der Koloskopie<br />

gibt es?<br />

Wenn man eine große Abneigung gegen oder<br />

Angst vor einer Darmspiegelung hat, gibt es<br />

inzwischen auch schon sehr gute, hochsensible<br />

Stuhltests, die im Internet bestellt werden<br />

können und die man anonym zu Hause<br />

machen kann. Sollten dann aber Auffälligkeiten<br />

festgestellt werden, sollte man doch<br />

zeitnah zu einem Gastroenterologen, um sich<br />

dort zu eventuellen weiteren Untersuchungen<br />

beraten zu lassen. Denn: Darmkrebsvorsorge<br />

kann <strong>Leben</strong> retten..<br />

Früherkennung rettet <strong>Leben</strong><br />

Darmkrebsvorsorge ohne Arztbesuch – jetzt möglich<br />

Darmkrebs ist in frühen Stadien gut behandelbar.<br />

Die Symptome sind jedoch möglicherweise erst<br />

bemerkbar, wenn der Krebs fortgeschritten ist.<br />

Aus diesem Grund ist die Vorsorgeuntersuchung<br />

ein wichtiges Instrument zur Früherkennung von<br />

Darmkrebs. Ein Darmkrebs-Heimtest sucht nach<br />

Blut im Stuhl, das für das menschliche Auge nicht sichtbar ist.<br />

Die Ergebnisse dieses Tests können anzeigen, ob weitere Tests<br />

oder Untersuchungen erforderlich sind.<br />

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts betrifft etwa jede achte<br />

Krebserkrankung in Deutschland den Dickdarm (Kolon) oder<br />

Enddarm. Im Jahr 2017 wurden etwa 26.592 Frauen und 32.320<br />

Männer neu diagnostiziert. Darmkrebs ist eine der häufigsten<br />

Krebserkrankungen in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Patienten<br />

wird nach dem 70. <strong>Leben</strong>sjahr diagnostiziert, und nur<br />

etwa 10 Prozent der Darmkrebserkrankungen treten vor dem 55.<br />

<strong>Leben</strong>sjahr auf. Dickdarmkrebs wird oft früh erkannt und ist in<br />

der Regel gut behandelbar. Bei frühzeitiger Erkennung kann eine<br />

hochinvasive Behandlung vermieden werden und eine Remission<br />

ist wahrscheinlicher.<br />

Scannen Sie den<br />

QR-Code<br />

und erhalten Sie<br />

weitere Informationen<br />

zum Darmkrebsvorsorgetest<br />

für zu Hause,<br />

oder auf:<br />

homediq.com<br />

Anzeige<br />

Wie mache ich den Test zu Hause?<br />

Ihr Homed-IQ Darmkrebs-Test enthält alles, was Sie zur Vorbereitung<br />

einer Stuhlprobe benötigen. Um diesen Test durchzuführen,<br />

müssen Sie die Stuhlprobe entnehmen und in einem frankierten<br />

Rückumschlag an unser Labor zurücksenden. Das Labor<br />

teilt Ihnen Ihre Ergebnisse innerhalb weniger Werktage <strong>mit</strong>.<br />

* Die Aktion läuft bis zum<br />

31.05.24. Nur solange der<br />

Vorrat reicht. Der Code wird<br />

im Warenkorb verrechnet<br />

und ist nicht <strong>mit</strong> anderen<br />

Codes kombinierbar.


16<br />

CED<br />

instagram.com/<br />

liebesklang<br />

„Ihr seid nicht allein“<br />

Mehr als 320.000 Menschen in Deutschland leiden an den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen<br />

(CED) Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Dennoch wissen viele Menschen<br />

nichts oder nur wenig darüber, das Thema wird trotz der hohen Zahl an Betroffenen<br />

häufig tabuisiert. Saskia hat eine CED. Im Interview erzählt sie ihre Geschichte.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Erkrankungen des Darms sind Tabuthemen.<br />

Warum ist das Ihrer Meinung nach so?<br />

Seit ich Mutter geworden bin, frage ich mich<br />

das sogar noch mehr. Bei Babys freuen wir uns<br />

über jeden Pups, da<strong>mit</strong> die kleinen Wesen sich<br />

nicht quälen. Ab einem gewissen Alter aber<br />

fängt die Gesellschaft an, uns beizubringen,<br />

dass Pupsen „iiih“ ist und man das bloß an<br />

einem stillen Ort zu machen hat. So<strong>mit</strong> wird<br />

uns als Kind schon suggeriert, dass das Thema<br />

Verdauung etwas ist, wofür man sich schämen<br />

muss. Dabei ist es das Natürlichste der Welt.<br />

Sie selbst leiden seit Ihrem 16. <strong>Leben</strong>sjahr<br />

an einer Darmerkrankung. Bitte klären Sie<br />

uns auf.<br />

Ich habe Morbus Crohn. Das ist eine chronisch-entzündliche<br />

Darmerkrankung und<br />

bedeutet, dass der Magen-Darm-Trakt sich<br />

immer wieder entzündet. Die Erkrankung<br />

verläuft in Schüben, was sie unberechenbar<br />

macht. Von heute auf morgen kann sich der<br />

Gesundheitszustand rapide ändern. Bei mir<br />

fing es <strong>mit</strong> Schleim im Stuhl an, dann kam Blut<br />

hinzu und ich ging zum Arzt.<br />

Der stellte jedoch eine andere Diagnose.<br />

Ja, zuerst bekam ich die Diagnose Colitis ulcerosa.<br />

Da ich anfangs keinerlei Schmerzen hatte<br />

und absolut nicht wusste, was diese Erkrankung<br />

<strong>mit</strong> einem machen kann, machte mir die<br />

Diagnose zunächst keine Sorgen. Ich dachte,<br />

<strong>mit</strong> ein bisschen Blut im Stuhlgang kann man<br />

irgendwie schon leben.<br />

Doch es blieb nicht dabei.<br />

Leider schlugen die Medikamente, die ich<br />

nehmen musste, nicht richtig an und mein<br />

Gesundheitszustand verschlechterte sich<br />

enorm. Ich hatte unerträgliche Schmerzen,<br />

die täglich schlimmer wurden. Nach der Entfernung<br />

meines Dickdarms erhielt ich die Diagnose<br />

Morbus Crohn. Ich war inzwischen 17<br />

Jahre alt und mein Alltag veränderte sich stark.<br />

Inwiefern?<br />

Starke Schmerzen und übermäßig viele<br />

Durchfälle hielten mich zu Hause fest. Ich<br />

musste nicht nur ständig ein Klo in meiner<br />

Nähe haben, auch mein Körper litt optisch<br />

sehr unter dieser Erkrankung. Durch das Kortison<br />

schwemmte ich auf, hatte das bekannte<br />

Mondgesicht und bekam Tag für Tag immer<br />

größere Dehnungsstreifen.<br />

Wie sind Sie da<strong>mit</strong> umgegangen?<br />

Ich muss sagen, diese Erkrankung hat mich<br />

auf ganzer Linie gefordert. Es ist normal, an<br />

einen Punkt zu kommen, an dem man nicht<br />

mehr kann oder will. Ich war mehr im Kran-


17<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 17<br />

kenhaus als zu Hause und bekam innerhalb<br />

eines Jahres ein Stoma, also einen künstlichen<br />

Darmausgang. Ich hatte einen epileptischen<br />

Anfall, als Nebenwirkung der Medikamente,<br />

und hatte einmal Wasser in der Lunge, weshalb<br />

ich mich zwei Monate lang zurück ins<br />

<strong>Leben</strong> kämpfen musste. Einige Monate später,<br />

nach Anlegen des Stomas, musste dann der<br />

Dickdarm entfernt werden. Er war zu entzündet,<br />

zu kaputt und einfach nicht mehr brauchbar.<br />

Jedoch gesundheitlich betrachtet, war es<br />

die richtige Entscheidung. Seit der Entfernung<br />

des Dickdarms habe ich keinerlei Einschränkungen<br />

mehr, was Entzündungen im Darm<br />

angeht.<br />

Mit einem Stoma zu leben, war sicherlich<br />

eine große Umstellung.<br />

An sich kam ich <strong>mit</strong> dem Stoma gut zurecht,<br />

doch machte es mir aus technischer Sicht häufig<br />

Probleme, weshalb es oft korrigiert werden<br />

musste. Aufgrund der ständigen Fehlfunktion<br />

des Stomas wurde mir die Kock-Pouch-<br />

Methode vorgestellt. Daraufhin traf ich eine<br />

schwierige, aber rückblickend betrachtet die<br />

beste Entscheidung für mein <strong>Leben</strong>.<br />

Was ist ein Kock-Pouch genau?<br />

Kurz gesagt, ist der Kock-Pouch ein aus dem<br />

Dünndarm geformtes Reservoir, das den<br />

Stuhlgang von innen sammelt. Ein ebenfalls<br />

aus dem Dünndarm geformtes Ventil verhindert<br />

das kontinuierliche Auslaufen des Stuhlgangs,<br />

und so<strong>mit</strong> klebt nur noch ein Pflaster<br />

am Bauch. Mehrmals am Tag muss ich dann<br />

durch die Bauchdecke einen Katheter einführen,<br />

um da<strong>mit</strong> die Kocksche Tasche zu leeren.<br />

Würden Sie rückblickend gesehen etwas anders<br />

machen?<br />

Ich musste viele Entscheidungen treffen.<br />

Musste entscheiden, was ich <strong>mit</strong> meinem Körper<br />

mache, was ich ihm zumute und was aus<br />

ihm werden soll. Auf meinem Weg habe ich<br />

viel gelernt, wünschte mir aber, dass es damals<br />

jemanden wie Susanne Körner, Deutschlands<br />

erste Kock-Pouch-Krankenschwester, und ihre<br />

WhatsApp-Gruppe für Austausch gegeben<br />

hätte. Als Einzige <strong>mit</strong> einem Kock-Pouch fühlte<br />

ich mich lange Zeit sehr alleine. Doch ich bin<br />

mir sicher, dass es noch einige Menschen <strong>mit</strong><br />

Kock-Pouch gibt, die wie ich gar nicht wissen,<br />

wie viele es eigentlich in Deutschland gibt.<br />

Ein künstlicher Darmausgang ist etwas, worüber<br />

man nicht gern spricht. Wie haben<br />

Freunde und Familie reagiert?<br />

Ein künstlicher Darmausgang oder Stuhlgang<br />

sollte kein Grund zur Scham sein! Ich habe für<br />

mich erkannt, dass Offenheit mir am besten<br />

liegt. Neuen Menschen in meinem <strong>Leben</strong> teile<br />

ich meine Situation <strong>mit</strong>, um spätere Erklärungen<br />

zu vermeiden. In Familie, Freundschaften<br />

und Arbeit wurde dies nie zu einem großen<br />

Thema gemacht. Es wurde als „normal“ akzeptiert,<br />

was für mich sehr positiv ist.<br />

Es ist erlaubt,<br />

Hilfe anzunehmen<br />

– niemand muss<br />

alleine durch solche<br />

Situationen gehen.<br />

Wie geht es Ihnen heute?<br />

Ich bin inzwischen Mutter eines elf Monate alten<br />

Sohnes und mir geht es aus gesundheitlicher<br />

Sicht gut. Ich habe einen tollen Arbeitgeber, wo<br />

ich als Brand Designer arbeite. In meiner Freizeit<br />

fotografiere ich Menschen <strong>mit</strong> Narben und besonderen<br />

Geschichten.<br />

Welchen Tipp haben Sie für Betroffene einer<br />

CED?<br />

Austausch bedeutet Wachstum. Lange Zeit<br />

dachte ich, es sei in Ordnung, nicht viel über den<br />

Kock-Pouch oder CED zu wissen. Doch im Rückblick<br />

erkenne ich, wie bereichernd es ist, sich<br />

gegenseitig aufzubauen und zu ermutigen. Es<br />

ist erlaubt, Hilfe anzunehmen – niemand muss<br />

alleine durch solche Situationen gehen. Und vergiss<br />

nie: DU BIST GENUG. Deine Reise ist einzigartig<br />

und wertvoll und darf manchmal auch einfach<br />

für einen Moment scheiße sein. .<br />

Anzeige<br />

Tami für ein besseres Bauchgefühl<br />

M<br />

it einer App ein besseres Bauchgefühl für<br />

deine CED bekommen? Das geht <strong>mit</strong> der<br />

neuen Tami App! Das praktische Tool für<br />

dein Smartphone weiß sehr genau, was du<br />

brauchst, um deinen Morbus Crohn oder<br />

deine Colitis ulcerosa besser zu verstehen.<br />

Das liegt vor allem daran, dass die Tami App gemeinsam <strong>mit</strong><br />

CED-Betroffenen entwickelt wurde. Auch in die Weiterentwicklung<br />

fließen Ideen von Menschen <strong>mit</strong> CED ein. Mit der<br />

Tami App kannst du neben Symptomen, wie Bauchschmerzen<br />

oder Anzahl der Stuhlgänge, auch andere Faktoren der <strong>Leben</strong>squalität<br />

tracken. So erkennst du auch wie es dir psychisch<br />

wirklich geht oder wo du im Alltag die CED sonst noch zu spüren<br />

bekommst. Die Tami App macht dich zum Experten für<br />

deinen Morbus Crohn oder deine Colitis ulcerosa.<br />

Deine CED: Das Unsichtbare sichtbar machen<br />

Symptome tracken ist das eine, doch die Tami App kann noch<br />

mehr: Du kannst die Faktoren festhalten, die deine CED –<br />

positiv wie negativ – beeinflussen. Das hilft dir dabei, Zusammenhänge<br />

besser zu verstehen und dich und deine Erkrankung<br />

besser kennenzulernen. Welche Beschwerden und Faktoren<br />

du verfolgst, kannst du individuell auswählen. Deine<br />

persönliche Auswertung verschafft dir Überblick über deinen<br />

Krankheitsverlauf. Wenn du Ideen hast, wie die Tami App noch<br />

besser werden kann, ist deine Meinung erwünscht. Du kannst<br />

Erfahrungen <strong>mit</strong> der App in der Tami-Sprechstunde teilen,<br />

neue Ideen posten oder zu den Ideen von anderen voten, was<br />

du gern in der App hättest. Die Tami App ist dein Begleiter für<br />

ein besseres Bauchgefühl. Sei dabei und probiere es aus.<br />

Scanne jetzt den QR-Code, lade dir kostenfrei<br />

die Tami App herunter und werde noch heute<br />

dein persönlicher Experte für Colitis ulcerosa<br />

oder Morbus Crohn. Tracke deine Symptome,<br />

verfolge deinen Krankheitsverlauf und bereite<br />

dich optimal auf dein nächstes Arztgespräch<br />

vor – für ein besseres Bauchgefühl.<br />

Weitere Informationen zur<br />

App findest du unter:<br />

www.tami-app.com


18<br />

Ernährung<br />

Gesundheit beginnt im Darm<br />

Der größte Hebel, die Darmgesundheit positiv zu beeinflussen,<br />

ist unser Essverhalten. Wie genau das gelingen<br />

kann, ist aktuell eines der Lieblingsthemen ernährungsmedizinischer<br />

Forschung.<br />

Fotos: Ave Calvar, Gräfe und Unzer/Gaby Gerster (Kreis)<br />

Darmgesundheit –<br />

zu wichtig, um ein<br />

Tabuthema zu sein<br />

Der Darm wird oft als das zweite Gehirn<br />

bezeichnet, weil er eine so wichtige<br />

Schaltzentrale für die Gesundheit des<br />

Menschen ist. Aber wieso ist die<br />

Darmgesundheit noch immer ein Thema,<br />

über das man nicht so gerne redet?<br />

Und welche Rolle spielt die Ernährung?<br />

Das haben wir Diabetologe und<br />

Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl<br />

und Sternekoch Johann Lafer gefragt.<br />

Redaktion Miriam Rauh


19<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 19<br />

L<br />

afer und Riedl möchten <strong>mit</strong><br />

ihrem Buch „Medical Cuisine<br />

– Gesunder Darm“ nichts Geringeres,<br />

als Deutschlands Küchen<br />

zu revolutionieren – auf<br />

genussvolle Art. Das ist auch<br />

dringend nötig, denn noch immer wissen viel<br />

zu wenige um den Zusammenhang zwischen<br />

Ernährung und (Darm-)Gesundheit. Und um<br />

diese steht es hierzulande schlecht.<br />

Der Darm spielt eine sehr zentrale Rolle im<br />

Körper. Zu seinen Aufgaben gehören neben<br />

der Nährstoffverwertung auch die Abwehr<br />

von Erregern und der Abtransport von Giftstoffen.<br />

Er reguliert die Psyche und beherbergt<br />

das Immunsystem. Vor diesem Hintergrund<br />

ist kaum verständlich, dass man noch<br />

immer kaum über den Darm und Darmgesundheit<br />

spricht. Millionen Deutsche leiden<br />

regelmäßig an Verdauungsbeschwerden,<br />

darunter allein über 300.000 an den chronisch-<br />

entzündlichen Darmerkrankungen<br />

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Die Zahl<br />

der Darmkrebspatienten steigt beständig.<br />

Besonders alarmierend sind die Zuwachsraten<br />

bei den Jüngeren. Dabei ließen sich viele<br />

Erkrankungen durchaus verhindern: <strong>mit</strong>hilfe<br />

eines gesunden <strong>Leben</strong>sstils und einer besseren<br />

Ernährung.<br />

Ein Superheld im Bauch<br />

„Viele genieren sich, über das Thema Darmgesundheit<br />

zu sprechen, obwohl es jeden<br />

Einzelnen von uns betrifft“, so Dr. Matthias<br />

Riedl. Johann Lafer ergänzt: „Es gilt, den<br />

Menschen schmackhaft zu machen, sich einfach<br />

besser und gesünder zu ernähren. Dann<br />

muss man gar nicht so viel über Beschwerden<br />

reden, sondern kann sich über die gute<br />

Gesundheit freuen. Das macht das Thema<br />

gleich viel salonfähiger.“ Der wohl größte<br />

Hebel, die Darmgesundheit positiv zu beeinflussen,<br />

ist das Essverhalten. Genau aus diesem<br />

Grund ist es in den letzten Jahren auch<br />

zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt.<br />

Besonders ein Faktor scheint eine sehr<br />

zentrale Rolle zu spielen: das sogenannte<br />

Darmmikrobiom.<br />

Der Verdauungstrakt ist die Heimat von rund<br />

95 Prozent aller Mikroben, die meisten davon<br />

wiederum finden sich im Dickdarm. Auch<br />

wenn es vielleicht seltsam klingt: Diese Mikroorganismen<br />

bzw. Bakterien gehen eine<br />

komplexe Symbiose <strong>mit</strong> uns Menschen ein,<br />

von der (im Idealfall) beide Seiten profitieren.<br />

Riedl: „Nur wenn das Gleichgewicht unter<br />

den Mikroben stimmt, bleiben wir gesund.<br />

Bestimmte <strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>tel und Nahrungsbestandteile<br />

‚füttern‘ die guten Darmbakterien,<br />

andere wiederum fördern die schlechten.“<br />

Gute Mikroben, schlechte Mikroben<br />

Gute Mikroben regen die Darmbewegung an<br />

und helfen, die Nahrung zu verwerten. Sie<br />

produzieren Vitamin K, das für die Blutgerinnung<br />

wichtig ist, und sind an der Bildung von<br />

Hormonen beteiligt. Sie stärken die Barrierefunktion<br />

des Darms gegenüber Erregern.<br />

Sie bilden Botenstoffe, Enzyme und Substrate,<br />

die für eine gesunde Funktion von Fett -,<br />

Nerven- und Leberzellen sorgen – und vieles<br />

mehr. Man geht heute sogar davon aus, dass<br />

gute Darmbakterien möglicherweise sogar<br />

die Intelligenz des Menschen beeinflussen<br />

können – und die Lust, sich zu bewegen.<br />

„Das Darmmikrobiom hat einen direkten<br />

Einfluss auf unsere Gesundheit, und auch<br />

in unserem Blut finden wir nützliche Eiweiße,<br />

die ebenfalls von Bakterien produziert<br />

wurden“, erläutert Dr. Matthias Riedl den Zusammenhang.<br />

„Keins ist wie das andere. Das<br />

Mikrobiom unseres Darms ist genauso individuell<br />

wie unser Fingerabdruck.“<br />

Schutz vor Krankheiten<br />

Ein möglichst vielfältiges und ausgeglichenes<br />

Darmmikrobiom besteht aus Billionen von<br />

Bakterien. Viele von ihnen produzieren Stoffe,<br />

die für uns Menschen lebensnotwendig<br />

sind und viele weitere Vorgänge im Körper<br />

beeinflussen. Doch ohne die entsprechende<br />

Nahrung können diese Bakterien nicht sein,<br />

und oft gibt es zu wenige der „guten“ Bakterien<br />

im Darm. Infolgedessen ist das Risiko für<br />

verschiedene Zivilisationserkrankungen erhöht,<br />

von rheumatischen Beschwerden über<br />

Diabetes bis hin zu Krebs.<br />

Studien zeigen, dass viele Deutsche sich aktuell<br />

auf eine Art ernähren, die Darm und<br />

Mikrobiom schwer zusetzen. Naturbelassene<br />

<strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>tel, Ballaststoffe oder Fermentiertes<br />

sind selten auf unseren Tellern zu finden,<br />

von hochverarbeiteten <strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>teln wie<br />

Fertiggerichten, Wurst und Süßwaren essen<br />

wir hingegen viel. Zu viel, denn sie schwächen<br />

nicht nur die Verdauung, sondern auch<br />

unser Immunsystem, das stark vom Darm<br />

Buchtipp<br />

beeinflusst wird. Sich das bewusst zu machen,<br />

ist ein wichtiger erster Schritt. Doch<br />

wie kann eine bessere Ernährung gelingen?<br />

Einfach lecker, ohne Verbote<br />

„Mit den Rezepten in unserem Buch kann es<br />

jeder sehr leicht schaffen, sich darmgesund<br />

zu ernähren“, so Riedl. „Nur ein gesunder<br />

Darm kann alle benötigten Nähr- und Vitalstoffe<br />

für den Organismus auf schlüsseln und<br />

Krankheitserreger abwehren. Das Konzept<br />

unserer ‚artgerechten‘ Ernährung haben wir<br />

genau auf diese Wirkung hin optimiert.“ –<br />

„Zugleich steht wieder der Genuss im Zentrum!“,<br />

wirft Starkoch Johann Lafer ein. Lafer<br />

und Riedl haben typische Lieblingsgerichte<br />

wie Grießnockerlsuppe, Matjessalat und Reibekuchen,<br />

aber auch exotische Leckerbissen<br />

wie Sushi, Ceviche und Pho so verändert,<br />

dass sie beides können – die Darmgesundheit<br />

fördern und gleichzeitig gut schmecken.<br />

Denn das ist wichtig, da<strong>mit</strong> man die gesunde<br />

Art zu kochen nicht nur ausprobiert, sondern<br />

auch beibehält. Für ein längeres <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong><br />

mehr <strong>Leben</strong>squalität.<br />

Ihr kulinarisches Konzept heißt „Medical<br />

Cuisine“. Über Monate saßen Riedl und Lafer<br />

für ihr gleichnamiges Buch zusammen.<br />

Sie schrieben Zutatenlisten, veränderten<br />

Würzungen und passten Rezepte an, bis sie<br />

<strong>mit</strong> dem Ergebnis rundum zufrieden waren.<br />

Entstanden ist eine volksnahe Alltagsküche<br />

<strong>mit</strong> schnell zuzubereitenden Gerichten<br />

und ohne Verbote. Auch Zutaten wie Fleisch<br />

oder Kartoffeln kommen in den Rezepten<br />

vor, dazu viele weitere, die ein ausgeglichenes<br />

Darmmikrobiom fördern und den Darm<br />

funktionsfähig halten. Und sie schmecken –<br />

und zwar richtig gut..<br />

Unser Darm ist mehr als ein Verdauungsorgan:<br />

Das „Bauchhirn“ schlängelt<br />

sich durch den Körper, regelt Psyche, Immunsystem,<br />

Körpergewicht und Krankheiten.<br />

Höchste Zeit, ihm mehr Aufmerksamkeit,<br />

Ballaststoffe und Präbiotika zu<br />

schenken.<br />

Viele kennen es: Der Darm zwickt und<br />

zwackt, der Bauch macht Probleme<br />

und fühlt sich gebläht an. Das ist nicht<br />

nur unangenehm, es überträgt sich<br />

auch aufs gesamte Wohlbefinden.<br />

Deutschlands Top-Ernährungsmediziner<br />

Dr. Matthias Riedl und Starkoch Johann<br />

Lafer zeigen in 100 Rezepten, welche<br />

<strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>tel gegen Entzündungen im<br />

Darm, bei Verdauungsproblemen und<br />

Reizdarm helfen.<br />

Der Beweis, dass Gesundheit und Genuss<br />

kein Widerspruch sind und wie<br />

Lieblingsgerichte zum Booster für Darm<br />

und Verdauung werden!<br />

Medical Cuisine – Gesunder Darm<br />

Gräfe und Unzer<br />

ISBN-10: 3833892358<br />

ISBN-13: 978-3833892356


20<br />

Organspende<br />

<strong>Leben</strong>sretter werden<br />

Die Organspende ist immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema. Viele setzen sich nicht<br />

<strong>mit</strong> dem Sterben auseinander und wollen auch nicht darüber nachdenken, was nach dem<br />

Tod <strong>mit</strong> ihren Organen geschieht. Mehr als 8.000 Menschen hoffen in Deutschland auf ein<br />

Spenderorgan. Eine Transplantation ist für sie häufig die letzte Hoffnung. Viele warten jedoch<br />

vergeblich – hierzulande kommen nur 11,4 Spender auf eine Million Einwohner. Dabei kann<br />

eine postmortale Organspende bis zu sieben Menschenleben retten. Nachfolgend wollen wir<br />

die acht häufigsten Fragen zur Organspende beantworten.<br />

1<br />

Gibt es eine Altersgrenze für die<br />

Organspende?<br />

Für die Organspende gibt es keine<br />

feststehende Altersgrenze.<br />

Entscheidend ist der Zustand der<br />

Organe. Dieser hängt jedoch nur bedingt vom<br />

kalendarischen Alter ab. Über die Frage, ob ein<br />

Organ transplantiert werden kann, entscheiden<br />

medizinische Tests nach dem Tod – und letztlich<br />

die Ärztinnen und Ärzte, die die Organe<br />

transplantieren. Die bisher älteste Organspenderin<br />

Deutschlands war 98 Jahre alt und ihre<br />

Leber konnte erfolgreich transplantiert werden.<br />

2<br />

Welche (Vor-)Erkrankungen<br />

schließen eine Organspende<br />

aus?<br />

Eine Organentnahme wird in der<br />

Regel ausgeschlossen, wenn bei<br />

der Verstorbenen oder dem Verstorbenen eine<br />

akute maligne Tumorerkrankung oder eine<br />

nicht behandelbare Infektion vorliegt. Bei allen<br />

anderen Erkrankungen entscheiden die Ärztinnen<br />

und Ärzte nach den vorliegenden Befunden,<br />

ob Organe für eine Entnahme infrage<br />

kommen.<br />

3<br />

Genügt der Organspendeausweis<br />

als Rechtsgrundlage für eine<br />

Organentnahme? Werden die<br />

Angehörigen trotz Organspendeausweis<br />

um ihre Zustimmung<br />

gebeten?<br />

Ist das Einverständnis der verstorbenen Person<br />

dokumentiert, so ist eine Organentnahme<br />

rechtlich zulässig. Der Wille des Verstorbenen<br />

hat Vorrang. Bei vorliegendem Organspendeausweis<br />

werden die Angehörigen also nicht um<br />

eine Entscheidung zur Organspende gebeten,<br />

sie müssen jedoch darüber informiert werden.<br />

4<br />

Genügt auch ein Tattoo als<br />

Rechtsgrundlage für eine Organspende?<br />

Ein Tattoo kann als eine Art Zeichen<br />

bzw. Statement für Organspende<br />

gewertet werden und den Angehörigen<br />

im Fall der Fälle als Anhaltspunkt dienen, wenn<br />

diese nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen<br />

Person eine Entscheidung treffen<br />

müssen. Ein Tattoo stellt jedoch keine rechtlich<br />

bindende Grundlage für eine Organentnahme<br />

dar. Daher ist es ratsam, zusätzlich einen Organspendeausweis<br />

auszufüllen und – ebenso<br />

wichtig – die Angehörigen zu informieren. Die<br />

Dokumentation der Entscheidung ist in einem<br />

Organspendeausweis zudem wesentlich differenzierter<br />

möglich. Man kann zum Beispiel die<br />

Spende auf bestimmte Organe oder Gewebe beschränken,<br />

einer Person die Entscheidung übertragen<br />

und vor allem: Man kann die Entscheidung<br />

jederzeit ändern und bei Bedarf einfach<br />

einen neuen Organspendeausweis ausfüllen.<br />

5<br />

Welche Voraussetzungen müssen<br />

für eine postmortale Organspende<br />

erfüllt sein?<br />

Bevor Organe für eine Transplantation<br />

entnommen werden können,<br />

müssen zwei grundlegende Voraussetzungen<br />

erfüllt sein: Der Tod der Spenderin oder des<br />

Spenders muss durch Feststellung des irreversiblen<br />

Ausfalls der Gesamtfunktion des Gehirns<br />

nach den Richtlinien der Bundesärztekammer<br />

festgestellt worden sein. Zweitens muss<br />

für die Entnahme eine Einwilligung vorliegen,<br />

entweder in Form einer schriftlichen Einverständniserklärung<br />

der Verstorbenen oder des<br />

Verstorbenen (Organspendeausweis und/oder<br />

Patientenverfügung) oder indem eine von ihr<br />

oder ihm dazu bestimmte Person oder die Angehörigen<br />

im Sinne der Verstorbenen oder des<br />

Verstorbenen zustimmen.<br />

6<br />

Ich habe bereits einen Organspendeausweis.<br />

Wird auf einer<br />

Intensivstation trotzdem alles<br />

medizinisch Mögliche für mich<br />

getan, wenn ich lebensbedrohlich<br />

erkranke?<br />

Ziel aller medizinischen Maßnahmen im Falle<br />

eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung<br />

ist es, das <strong>Leben</strong> des Patienten oder der Patientin<br />

zu retten. Die Bemühungen der Rettungsteams<br />

sowie der Ärztinnen und Ärzte sind allein auf<br />

dieses Ziel ausgerichtet. Manchmal kann die<br />

Redaktion Emma Howe<br />

in Zusammenarbeit mir der<br />

Patientin oder der Patient trotz aller Bemühungen<br />

nicht mehr gerettet werden, Krankheit<br />

oder Unfallfolgen sind zu weit fortgeschritten.<br />

Mitunter tritt der Tod dabei durch den unumkehrbaren<br />

Ausfall der Gesamtfunktion des<br />

Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms<br />

ein; Kreislauf und Atmung können nur noch<br />

künstlich durch Beatmung und Medikamente<br />

aufrechterhalten werden. Nur bei dieser kleinen<br />

Gruppe von Verstorbenen stellt sich die Frage<br />

einer Organspende. Voraussetzung für die Organspende<br />

ist dabei immer, dass der Tod gemäß<br />

dem Transplantationsgesetz von zwei dafür<br />

qualifizierten Ärzten unabhängig voneinander<br />

nach den Richtlinien der Bundesärztekammer<br />

festgestellt worden ist. Diese Ärzte dürfen weder<br />

an der Entnahme noch an der Übertragung der<br />

Organe aus dieser Organspende beteiligt sein<br />

noch der Weisung eines beteiligten Arztes oder<br />

einer beteiligten Ärztin unterstehen.<br />

7<br />

Ich bin noch nicht volljährig.<br />

Kann ich trotzdem einen eigenen<br />

Organspendeausweis ausfüllen?<br />

Minderjährige können ab dem 16.<br />

<strong>Leben</strong>sjahr ihre Bereitschaft zur Organspende<br />

auf einem Ausweis dokumentieren. Der Widerspruch<br />

kann bereits ab dem 14. <strong>Leben</strong>sjahr erklärt<br />

werden. Den Organspendeausweis gibt es<br />

unter anderem beim Infotelefon Organspende<br />

unter der kostenlosen Rufnummer 0800/90 40<br />

400.<br />

8<br />

Kann die Familie den Verstorbenen<br />

nach der Organentnahme<br />

nochmals sehen?<br />

Die Familie kann in der von ihr<br />

gewünschten Weise Abschied von<br />

der verstorbenen Person nehmen. Nach der<br />

Entnahmeoperation wird die Operationswunde<br />

<strong>mit</strong> der gebührenden Sorgfalt verschlossen. Der<br />

Leichnam kann aufgebahrt werden und die Bestattung<br />

wie gewünscht stattfinden.<br />

Auf der nächsten Seite erzählen drei Angehörige<br />

die Geschichten ihrer <strong>Leben</strong>sretter.


Lena, 17 Jahre<br />

Leonard, 13 Jahre<br />

Käte, 84 Jahre<br />

U<br />

nsere Lena war ein richtiger<br />

Sonnenschein“, beschreibt<br />

Gabi Mödder<br />

ihre Tochter. „Im August<br />

ist Lena schon acht Jahre<br />

nicht mehr bei uns. Wir<br />

kämpfen uns irgendwie ins <strong>Leben</strong> zurück<br />

– mal funktioniert es gut, mal weniger gut.“<br />

An einem Sommermorgen war die 17-Jährige<br />

<strong>mit</strong> ihrer besten Freundin zum Ausreiten<br />

verabredet. Lena ritt vor, da sich ihre Freundin<br />

verspätete. Als sie Lena fand, lag sie leblos<br />

am Boden. Bis heute ist nicht klar, was<br />

an diesem Morgen passiert ist.<br />

Ein Rettungshubschrauber brachte das<br />

Mädchen in eine Klinik. „Drei Tage nach der<br />

Not-OP stand fest, dass es für Lena keine<br />

Hoffnung mehr gibt.“ Am fünften Tag nach<br />

dem Unfall wurden die Eltern von der Deutschen<br />

Stiftung Organtransplantation (DSO)<br />

angesprochen. „Wir hatten uns vorher nie<br />

Acht Jahre ist es nun her, als<br />

uns durch Polizeibeamte<br />

die Nachricht überbracht<br />

wurde, die unser <strong>Leben</strong><br />

veränderte.<br />

Unser 13-jähriger<br />

Sohn Leonard hatte auf<br />

dem Weg zur Schule einen<br />

Fahrradun​fall <strong>mit</strong> lebensgefährlichen<br />

Kopfverletzungen“,<br />

erzählt Nicole<br />

Siebens.<br />

Die Hoffnung auf eine<br />

Chance für Lenny wurde<br />

den Eltern schnell genommen.<br />

„Unser Kind stirbt.“ Der<br />

Gedanke riss Nicole Sieben den<br />

Boden unter den Füßen weg. Plötzlich<br />

prasselten so viele Fragen auf sie ein, Fragen,<br />

die sie sich vorher nie gestellt hatte. Schließlich<br />

mussten sich Nicole und ihr Mann der<br />

schwersten Frage ihres <strong>Leben</strong>s stellen: „Sollen<br />

Unsere Mutter ist im Februar<br />

2020 bei ihrem täglichen<br />

Spaziergang im nahe gelegenen<br />

Wald <strong>mit</strong> ihrem Hund,<br />

aufgrund einer Hirnblutung<br />

durch ein Aneurysma, zusammengebrochen.<br />

Sie und auch wir haben<br />

nicht gewusst, dass sie so etwas im Kopf hat.<br />

Ihr Hund wachte neben ihr, als sie von Passanten<br />

„gefunden“ wurde und dann <strong>mit</strong> dem<br />

Helikopter ins Krankenhaus gebracht wurde.<br />

Als wir eintrafen, war sie <strong>mit</strong>tlerweile operiert<br />

worden und lag im Koma. Der Zustand war<br />

zu dem Zeitpunkt schon bedenklich, aber wir<br />

hatten noch Hoffnung. Am nächsten Tag jedoch<br />

sollte sie in ein weiteres Krankenhaus für<br />

eine erneute OP verlegt werden. Diese OP hätte<br />

unsere Mutter aber nicht mehr vollkommen<br />

retten können, trotzdem wollte mein Vater<br />

diese OP durchführen lassen. Wir respektierten<br />

seinen Wunsch und hatten schreckliche<br />

Angst vor den möglichen Folgen. Es zeichnete<br />

21<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 21<br />

<strong>mit</strong> dem Thema beschäftigt, doch nach anfänglichem<br />

Zögern haben wir die Organspende<br />

genehmigt. Unsere Lena hat sechs<br />

Organe gespendet und da<strong>mit</strong> fünf schwerstkranke<br />

Menschen gerettet. Wir haben sogar<br />

einen Dankesbrief erhalten. Uns schrieb<br />

eine Mutter, die Lenas Leber bekommen<br />

hat. Ohne die Leber hätte sie nicht überlebt,<br />

berichtete die anonyme Empfängerin. Dank<br />

Lenas Spende könne sie nun ein lebenswertes<br />

<strong>Leben</strong> führen.“<br />

Noch heute prägen Hoffnung und Trauer<br />

das <strong>Leben</strong> von Lenas Familie. „Durch die<br />

regelmäßigen Veranstaltungen der DSO<br />

werden wir aber immer wieder darin bekräftigt,<br />

dass wir richtig entschieden haben,<br />

Lenas Organe zu spenden. Lena lebt in den<br />

Organempfängern weiter, das gibt uns Hoffnung.<br />

In unseren Herzen ist Lena fest verankert<br />

und durch viele wunderbare Fotos,<br />

die überall in unserem Haus stehen, immer<br />

präsent.“.<br />

wir die Organe unseres Kindes zur Transplantation<br />

freigeben?“ Viel Zeit hatten sie nicht,<br />

um eine Antwort zu finden. „Der Entscheidungsprozess<br />

war unendlich schmerzhaft.<br />

Aber wir waren uns sicher,<br />

dass Leonard sich dafür entschieden<br />

hätte. Also taten<br />

wir es auch. Wir waren fast<br />

die ganze Zeit bei Lenny<br />

im Krankenhaus.“ Es<br />

war nicht einfach, den<br />

Organspendeprozess anlaufen<br />

zu sehen, und beiden<br />

wurde klar, wie wenig<br />

sie über all das wussten.<br />

Leonard musste viel zu früh <strong>mit</strong><br />

13 Jahren sterben. „Heute finden<br />

wir Trost in dem Gedanken, dass ein Teil<br />

von ihm weiterlebt. Wir möchten Menschen<br />

<strong>mit</strong> ähnlichen Schicksalen unterstützen und<br />

engagieren uns für die Organspende und für<br />

trauernde Eltern.“.<br />

sich aber auch danach ab, dass sich die Hirntätigkeiten<br />

meiner Mutter weiter verschlechterten.<br />

Dann trat der Hirntod ein. Meine Mutter<br />

führte stets einen Organspendeausweis bei<br />

sich und wir konnten unseren Vater von der<br />

Durchführung ihres Willens überzeugen. So<br />

wurde in der darauffolgenden Nacht die Organentnahme<br />

durchgeführt. Meine Mutter<br />

war 84 Jahre alt und konnte ihre Leber und<br />

die Nieren spenden und die Transplantationen<br />

waren gut verlaufen. Wir wurden von<br />

dem Arzt telefonisch über den Ablauf und das<br />

Ergebnis sehr einfühlsam informiert. Das hat<br />

uns ein wenig in unserer Trauer geholfen, zu<br />

wissen, dass die Organe unserer Mama in zwei<br />

Menschen weiterleben.<br />

Wir sind stolz auf unsere Mutter, wie sie ihr<br />

<strong>Leben</strong> lang ihre Familie umsorgt und auch zusammengehalten<br />

und dass sie sogar im Tode<br />

fremden Menschen noch geholfen hat..


22<br />

Testamentsspende<br />

Fotos: privat<br />

„Nach mir die Freiheit“<br />

Obwohl jeder Mensch eines Tages stirbt, gehört der Tod zu den größten Tabuthemen<br />

unserer Gesellschaft. Wir verdrängen die Gedanken an die eigene Endlichkeit. Dabei ist<br />

es wichtig, sich <strong>mit</strong> dem Tod und letzten Wünschen auseinanderzusetzen. Wir sprachen<br />

darüber <strong>mit</strong> Testamentsvollstreckerin Annette Thewes.<br />

Dieses Interview wurde in Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

umgesetzt<br />

Frau Thewes, Sie arbeiten unter anderem im<br />

Auftrag von Amnesty International. Gibt es<br />

hier eine Begebenheit, die Ihnen besonders in<br />

Erinnerung geblieben ist?<br />

Ja, es ist die Geschichte von Nils Genrich – er<br />

hat Amnesty jahrzehntelang als Spender unterstützt.<br />

Sein Testament wickeln wir noch immer<br />

ab. Diese Geschichte ist fast wie ein Krimi: Wir<br />

haben früh erfahren, dass es ein Testament gibt,<br />

in dem Amnesty berücksichtigt ist. Aber dieses<br />

Testament war – um es vorsichtig zu formulieren<br />

– verschollen. Es brauchte sehr große Anstrengungen,<br />

um es aufzufinden. Obwohl nicht sicher<br />

war, dass wir das Original finden würden, sagten<br />

wir uns, wir müssen uns kümmern, auch um<br />

eine würdevolle Beisetzung, um buchstäblich<br />

die letzte Ehre zu erweisen. Also haben wir uns<br />

vor Ort <strong>mit</strong> den anderen Beteiligten in der Wohnung<br />

des Verstorbenen getroffen und sind auf<br />

Spurensuche gegangen, wie Detektive, um alles<br />

so organisieren zu können, wie Nils Genrich es<br />

gewollt hätte.<br />

Annette Thewes<br />

ist zertifizierte Testamentsvollstreckerin<br />

und kümmert sich seit<br />

mehr als 20 Jahren um die Abwicklung<br />

von Nachlässen für gemeinnützige<br />

Organisationen<br />

Konnten Sie sich auch ein Bild der Person machen?<br />

Es war eindrucksvoll, in der Wohnung von Herrn<br />

Genrich zu sein. Er war ein sehr außergewöhnlicher<br />

Mensch, hat sehr selbstbestimmt gelebt,<br />

das konnte man noch über seinen Tod hinaus<br />

deutlich spüren. Es schien fast so, als wäre er<br />

anwesend, er war präsent. Das ist nicht immer<br />

so. Auch die Menschen um Nils Genrich herum,<br />

seine engsten Freunde, <strong>mit</strong> denen wir Kontakt<br />

hatten, waren außergewöhnlich. Sie haben viel<br />

und sehr lebendig von ihm erzählt. Ein Freund<br />

berichtete, wie sie immer zusammen Wein auf<br />

einer Bank bei seiner Hamburger Wohnung getrunken<br />

hätten, um dann auf den Kanälen <strong>mit</strong><br />

dem Kanu zu fahren. Sein Kanu lag noch immer<br />

auf dem Wasser vor der Terrasse, als wir in die<br />

Wohnung kamen.<br />

Wie war das <strong>mit</strong> der Beisetzung?<br />

Herr Genrich hatte sich eine Seebestattung gewünscht,<br />

wir organisierten das, suchten das<br />

Schiff aus, die Urne … auch ein Foto von ihm, das<br />

wir in der Wohnung gefunden hatten, legten wir<br />

dazu. Viele Freunde waren gekommen, Bekannte,<br />

Nachbarn – alle sprachen auf der Beerdigung<br />

sehr lebendig über ihn. Die Tochter einer ehemaligen<br />

<strong>Leben</strong>sgefährtin kam <strong>mit</strong> ihrem Baby<br />

und erzählte, wie sie die Zeit <strong>mit</strong> ihm empfunden<br />

hat. Alle schilderten sehr eindringlich, was für<br />

ein Mensch Herr Genrich war – selbstbestimmt,


auch stur, aber auch sehr großherzig. Und sehr,<br />

sehr lebensbejahend. Hier war es wirklich so,<br />

dass uns die Geschichten und die Eindrücke zu<br />

diesem Menschen sehr bewegt haben.<br />

Amnesty hat eine Traueranzeige für Herrn<br />

Genrich geschaltet – wie kam es<br />

dazu?<br />

Auch das ist ein besonderer Fall, das<br />

wird nicht immer gemacht. Wir schalten<br />

eine Traueranzeige aus Dankbarkeit<br />

und auch aus Wertschätzung den<br />

Verstorbenen gegenüber. Natürlich<br />

nur, wenn das Umfeld da<strong>mit</strong> einverstanden<br />

ist. Bei Herrn Genrich haben<br />

wir Trauerkarten verschickt und die<br />

Anzeige geschaltet, um so alle erreichen<br />

zu können, die vielleicht nicht<br />

in so engem Kontakt zu den Freunden<br />

standen, die uns bekannt waren.<br />

Wenn die Familie oder das Umfeld<br />

sagen, nein, der oder die Verstorbene<br />

hätte das nicht gewollt, machen wir<br />

es nicht.<br />

Sie wickeln seit 25 Jahren Testamente für gemeinnützige<br />

Organisationen ab. Hat sich in<br />

dieser Zeit etwas verändert?<br />

Ja, es hat sich einiges verändert. Als wir anfingen,<br />

wurde keinerlei Werbung zum Thema Nachlass<br />

und Testament gemacht. Kaum jemand wusste,<br />

dass man auch über den Tod hinaus eine Organisation<br />

unterstützen kann, indem man sein<br />

Testament zugunsten der Organisation macht.<br />

Heute ist das anders. Es wird offen kommuniziert,<br />

dass man auch nach seinem Tod Gutes<br />

tun und so seinem <strong>Leben</strong> noch mal auf einer<br />

anderen Ebene einen Sinn geben kann.<br />

Warum bedenkt jemand eine Organisation<br />

in seinem Testament?<br />

Selbstbestimmtheit spielt eine große Rolle.<br />

Jemand, der selbstbestimmt gelebt hat,<br />

möchte diese Freiheit meist auch über das<br />

<strong>Leben</strong> hinaus. Man kann die Spuren, die man<br />

hinterlässt, selbst prägen, kann das, was einem<br />

im <strong>Leben</strong> wichtig war, über den eigenen<br />

23<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 23<br />

Tod hinaus unterstützen.<br />

Warum ist es so wichtig, sich um die Themen<br />

Nachlass und Testament zu kümmern?<br />

Nur wenn man sich selbst dazu Gedanken<br />

macht, hat man eine Wahl. Dabei<br />

geht es oft gar nicht so sehr ums<br />

Geld, sondern mehr um die Frage,<br />

ob das eigene <strong>Leben</strong> einen Sinn hatte.<br />

Wenn man sich darauf einlässt,<br />

sich im <strong>Leben</strong> Gedanken darüber zu<br />

machen, was danach passiert, dann<br />

kann das sehr beruhigend sein.<br />

Es ist auch wichtig, seine Wünsche<br />

festzuhalten, denn sonst passiert<br />

eventuell nicht das, was man sich<br />

selbst wünscht. Für den Fall, dass<br />

es kein Testament gibt, sieht die Gesetzgebung<br />

eine klare Regelung vor,<br />

die aber nicht immer zum eigenen<br />

<strong>Leben</strong> passt.<br />

Warum sollte man Amnesty International<br />

im Testament bedenken?<br />

Wer sich für Amnesty entscheidet, dem sind<br />

die Werte wichtig, die Amnesty vertritt: Es ist<br />

die Entscheidung, die Welt <strong>mit</strong> seinem Erbe<br />

ein bisschen freier und besser zu machen.<br />

Mit dem Zitat „Nach mir die Freiheit“ beschrieb<br />

mal jemand die Motivation, Amnesty<br />

als Erben einzusetzen. Ich finde, das trifft es<br />

auf den Punkt..<br />

Anzeige<br />

STÄRKEN SIE DIE MENSCHENRECHTE<br />

MIT IHREM TESTAMENT.<br />

Gestalten Sie eine Zukunft, in der jeder Mensch in Würde,<br />

Recht und Freiheit leben kann. Bedenken Sie Amnesty International<br />

in Ihrem Testament.<br />

Sprechen Sie <strong>mit</strong> uns über Ihre persönliche<br />

Nachlassgestaltung für die Menschenrechte.<br />

Telefonisch erreichen Sie uns unter:<br />

030 420 248 354<br />

Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.amnesty.de/testament

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!