Mitteilungsblatt Nürnberg-Katzwang/Worzeldorf/Kornburg/Herpersdorf - März 2023
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AUS DEN STADTTEILEN<br />
Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller<br />
Die Rennbahn – der Beginn vor 120 Jahren<br />
8<br />
„Dem <strong>Nürnberg</strong>er Stadtrat gelingt es nicht, den dringend erforderlichen<br />
Neubau einer Radrennbahn im Stadtgebiet umzusetzen“<br />
– diese Aussage mag aktuell klingen und ist gleichzeitig 120 Jahre<br />
alt, beschreibt sie doch die Situation in <strong>Nürnberg</strong> im Jahre 1903.<br />
Damals waren Verhandlungen des Stadtrats mit der Tucher-Brauerei<br />
zur Überlassung eines geeigneten Grundstücks im Stadtgebiet<br />
gescheitert - Auslöser für bürgerschaftlichen Engagement und<br />
eine Erfolgsstory!<br />
Um die Jahrhundertwende hatte fast jede größere deutsche<br />
Stadt eine Radrennbahn. In <strong>Nürnberg</strong> war die erste Bahn im Jahr<br />
1884 an der Fürther Straße eröffnet worden (mit leicht geneigten<br />
Kurven). Schon 8 Jahre später entstand die anspruchsvollere Bahn<br />
an der Rothenburger Straße mit einer Länge von 400m und einer<br />
Kurvenüberhöhung von fast einem Meter; 1896 wurde sie jedoch<br />
wieder geschlossen und <strong>Nürnberg</strong> war ohne Radrennbahn! Das<br />
war nicht akzeptabel für eine Stadt, in der das Fahrrad äußerst<br />
populär war, wo ca. ein Viertel der deutschen Fahrräder hergestellt<br />
wurden (bei Hercules, Mars, Triumph, Victoria und Premier) und<br />
innerhalb weniger Jahre mehr als 50 Radfahr- und Radsportvereine<br />
entstanden waren. Eine Situation ohne Rennbahn wollten<br />
die Bürger nicht hinnehmen: die radsportbegeisterten Gebrüder<br />
Schalkhaußer, Brauereibesitzer aus Reichelsdorf - mit weitläufigem<br />
Grundbesitz am Reichelsdorfer Keller - stellten kurzerhand<br />
das Gelände für den Bau einer Rennbahn zur Verfügung, zunächst<br />
für 30 Jahre und zinslos. Zur Planung und Realisierung war ein<br />
Verein gegründet worden, der „Verein Sportplatz <strong>Nürnberg</strong> e.V.“<br />
(später „Verein Sportplatz <strong>Nürnberg</strong> 1903 e.V.“). Einen geeigneten<br />
Architekten fand man in Leipzig und schon im Mai 1904 konnte die<br />
Baufirma Andreas Meyer aus Reichelsdorf mit den Arbeiten vor Ort<br />
beginnen. So schnell kann es gehen, wenn Bürger aktiv werden!<br />
Mit großem Enthusiasmus verfolgte damals die Rad-Welt - eine<br />
überregionale Zeitung „für die Gesamt-Interessen des Radfahrens<br />
und des Kraftfahrwesens“ - die Geschehnisse am Reichelsdorfer<br />
Keller wie den folgenden Ausschnitten zu entnehmen ist:<br />
4. Juni 1904: „Der Verein Sportplatz <strong>Nürnberg</strong> (Reichelsdorfer Keller)<br />
hat mit dem Bau seiner modernen Rennbahn begonnen. … Die<br />
Bahn erhält eine Länge von 400 Meter und eine höchste Kurvenerhöhung<br />
von 6,12 m. Sie wird allen Anforderungen entsprechen,<br />
welche man zur Zeit an eine Rad- und Motor-Rennbahn stellt. Das<br />
Unternehmen der <strong>Nürnberg</strong>er Sportfreunde ist umso mehr zu<br />
begrüßen, als leider in ganz Bayern heute keine moderne Bahn<br />
besteht. Der <strong>Nürnberg</strong>er Platz dürfte daher eine Sportzentrale<br />
für Bayern werden. In nächster Nähe <strong>Nürnberg</strong>s und in reizender<br />
Lage direkt hinter dem vielbesuchten Reichelsdorfer Keller wird<br />
die Bahn wohl ein Anziehungspunkt für das <strong>Nürnberg</strong>er Gesamtpublikum<br />
werden. Zu den Kosten hat der rührige Verein „Sportplatz<br />
<strong>März</strong> <strong>2023</strong><br />
<strong>Nürnberg</strong> (Reichelsdorfer Keller) e.V. bereits 27.000 M aufgebracht.<br />
Doch wäre es dringend zu wünschen, wenn auch weitere Sportkreise<br />
dem Unternehmen ihre Unterstützung zuwenden würden. Bis Ende<br />
Juli würde die Bahn fertiggestellt sein, sodass die ersten Rennen<br />
Anfangs August stattfinden können.“<br />
13. August 1904: „Auf dem neuen Sportplatz zu <strong>Nürnberg</strong> herrscht<br />
reges Treiben. Fleißige Hände sind emsig beschäftigt, die Zementdecke<br />
herzustellen, so dass die Bahn bereits nächsten Mittwoch<br />
dem Training übergeben werden kann. Sonntag, den 21. August,<br />
nachmittags 4 Uhr, finden die ersten Rennen auf dem neuen Sportplatz<br />
statt und zwar Eröffnungsfahren, Erstfahren, Hauptfahren,<br />
Tandemfahren, Motorfahren und Prämienfahren über 2 km…. Für<br />
die Ersten jeder Runde gibt es 5 und 8 M. Der Erste der letzten<br />
Runde erhält 30, der Zweite 20 und der Dritte 10 M.“<br />
20. August 1904: „Welch äußerst lebhaftes Interesse das <strong>Nürnberg</strong><br />
Publikum dem Sportplatz entgegenbringt, zeigte sich am letzten<br />
Sonntag, an dem Tausende hinausströmten, um die fast fertige<br />
Bahn zu besichtigen. Von mehr oder weniger sportskundigen<br />
Kritikern konnte man des öfteren Ausdrücke des Erstaunens<br />
hören. Viele zweifelten, ob man auf einer solchen Bahn mit derart<br />
erhöhten Kurven überhaupt noch fahren könne. Der Sonntag wird<br />
den Beweis erbringen.“<br />
24. August 1904 (Bericht über die Eröffnung der Bahn am 21. August):<br />
„<strong>Nürnberg</strong>, dieser mächtige Sitz einer hochentwickelten Fahrrad-<br />
Industrie, hat nun wieder eine Rennbahn. Und dass das Interesse<br />
am Radsport nicht im Schwinden begriffen ist, bewies der Massenbesuch<br />
von ca. 12. 000 Personen, die alle herbeigeeilt waren, um<br />
bei der Eröffnung des neuen Sportplatzes zugegen zu sein. Schon<br />
in den ersten Mittagstunden war der Verkehr auf dem <strong>Nürnberg</strong>er<br />
Hauptbahnhof beängstigend; Zug um Zug brachte die Besucher<br />
zur Haltestelle Reichelsdorfer Keller. Kaum zweihundert Schritte<br />
vom Bahnhof entfernt liegt mitten im Walde der Sportplatz. Leider<br />
musste überall noch letzte Hand angelegt werden. Die Öffnung der<br />
Eingangstore wurde deshalb hinausgeschoben, so dass die draußen<br />
stehende Menge die Geduld verlor und sich durch das Eindrücken<br />
des Tores gewaltsam Eintritt verschaffte. Die von der Wach- und<br />
Schließgesellschaft ausgeübte Kontrolle war alles andere als eine<br />
solche; die Leute verfügten über zu wenig Energie und verloren den<br />
Kopf. Eine finanzielle Einbuße hat der festgebende Verein dadurch<br />
sicher erlitten. Auch müssen noch mehr Plätze geschaffen werden<br />
in aufsteigender Weise, damit ein Drängen vermieden wird. Die<br />
zu kleine Tribüne kommt im kommenden Jahre ohnehin weg, um<br />
einer großen stabilen Tribüne Platz zu machen, unter der dann<br />
auch besser eingerichtete Wasch- und Ankleideräume geschaffen<br />
werden. Auch sollte die Staatsbahn veranlasst werden, außer den