Ronny muss zur Volksarmee« Die Garnisonstadt Rathenow ... - MGFA
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anlasste den Regimentschef Generalmajor<br />
Sebastian von Reppert 1787 zu<br />
folgender Klage beim König: »<strong>Die</strong>ser<br />
Exerzier Platz setzt mich aber außer<br />
Stande pflichtmäßig exerzieren zu<br />
können, um mich der Zufriedenheit<br />
Königlicher Majestät bei der Revue<br />
schmeicheln zu dürfen.« Aufgrund<br />
der ungünstigen Bodenbeschaffenheit,<br />
»unergründlichsten Sandschollen und<br />
tiefsten Sumpfflächen«, sei es gar dazu<br />
gekommen, dass »Menschen unglücklich<br />
gewesen und [...] die Füße gebrochen«.<br />
Reppert habe daher, so klagt er, »in<br />
größter Furcht und Ungewissheit mein<br />
hiesige Exerceir Zeiten verbracht«. Erschwerend<br />
für Mann und Pferd kam<br />
noch hinzu, dass der Übungsplatz außerhalb<br />
der Stadt gelegen war: »Bei<br />
einen 1¼ Meilen abgelegenen Exerceir<br />
Platz muß ich um 5 Uhr aufbrechen<br />
um 1¾ Stunden hin marschieren,<br />
wenn ich wenigstens 2 Stunden exerceirte<br />
und 1¾ Stunden wieder in der<br />
tiefsten Sand und Hitze zum Rückmarsch<br />
brauchte, so litten die Pferde<br />
außerordentlich, sobald ich mehr wie<br />
3 mahl die Woche Exerceire.«<br />
Heirat und Taufe<br />
Der Eheschließung von Soldaten und<br />
Offizieren war nicht wie heute eine<br />
rein private Angelegenheit, sondern<br />
wurde vom Monarchen geregelt. Offiziere<br />
<strong>muss</strong>ten vor der Eheschließung<br />
die Erlaubnis des Königs einholen.<br />
<strong>Die</strong>ser gab seine Zustimmung für eine<br />
Heirat meist nur, wenn die Eheschließung<br />
ein »sonderlich Glück«, sprich:<br />
einen finanziellen Vorteil, versprach.<br />
Der äußerst karge Sold der subalternen<br />
Offiziere, also der unteren Offizierränge,<br />
reichte in der Regel nicht aus, um<br />
eine Familie zu ernähren. Viele Offiziere<br />
<strong>muss</strong>ten daher lange von ihren<br />
Familien unterstützt werden. Erst die<br />
Übernahme einer Kompanie im Range<br />
eines Hauptmanns versprach ein entsprechendes<br />
Einkommen. Der König<br />
sah es lieber, »wann ein Officier unverheyrathet<br />
bleiben will«.<br />
Starb der Offizier in der »Campagne«,<br />
also während einer Schlacht bzw. eines<br />
Feldzuges, dann <strong>muss</strong>te der König für<br />
Offizierwitwen und Waisen aufkommen.<br />
Eine Heiratserlaubnis wurde erst<br />
gegeben, wenn der Offizier nachweisen<br />
konnte, dass er neben seinem Sold noch<br />
weitere Einkünfte besaß, die es ihm erlaubten,<br />
eine Familie zu ernähren.<br />
Im Kirchenbuch der <strong>Rathenow</strong>er<br />
Garnison finden wir einen Fall, der<br />
diese Praxis veranschaulicht: Im Jahre<br />
1783 nahm der in <strong>Rathenow</strong> stationierte<br />
Wilhelm von Kaphengst die älteste<br />
Tochter des hier lebenden Holzhändlers<br />
Joachim Bars <strong>zur</strong> Frau. <strong>Die</strong><br />
Familie Bars war durch den Holzhandel<br />
zu Vermögen gekommen und<br />
die wohlhabendste Familie der Stadt.<br />
Kaphengsts Kamerad, Leutnant Carl<br />
Friedrich Ludwig von Sparr, tat es<br />
ihm gleich und verlobte sich mit einer<br />
weiteren Tochter dieser Familie. Eine<br />
Heirat erwies sich aber als schwierig,<br />
da der König die erforderliche Heiratserlaubnis<br />
verweigerte. Ob der junge<br />
Graf von Sparr nicht über die notwendigen<br />
Mittel für die Heirat verfügte,<br />
konnte nicht in Erfahrung gebracht<br />
werden. Möglicherweise verweigerte<br />
Friedrich II. seine Zustimmung aus<br />
einem ganz anderen Grund: Das junge<br />
Fräulein Bars war bürgerlichen Standes.<br />
<strong>Die</strong> Heirat von adligen Offizieren<br />
mit bürgerlichen »Frauenzimmern«<br />
wurde zwar im Kavalleriereglement<br />
nicht explizit verboten, gern gesehen<br />
war sie jedoch nicht.<br />
Graf von Sparr ehelichte seine Auserwählte<br />
trotz aller Widerstände. <strong>Die</strong><br />
Trauung wurde, quasi heimlich, in<br />
nicht-preußischen Landen vollzogen.<br />
<strong>Die</strong> Heiratserlaubnis erhielt der Offizier<br />
erst nach dem Tode Friedrichs II.<br />
Wahrscheinlich hatte man seinem<br />
Schwager, Wilhelm von Kaphengst,<br />
die Heiratserlaubnis mit der bürgerlichen<br />
Braut nicht verweigert, weil er<br />
nachweisen konnte, dass er die finanziellen<br />
Mittel hatte, um eine Familie<br />
zu ernähren.<br />
Neben diesen beiden Beispielen finden<br />
sich in den Kirchenbüchern der<br />
Gemeinde viele weitere Soldaten, die<br />
eine Frau aus der Stadt heirateten und<br />
mit ihr eine Familie gründeten. <strong>Die</strong><br />
Wahl der Taufpaten dieser »Soldatenfamilien«<br />
zeigt, dass es zwischen der<br />
Zivil- und Militärbevölkerung enge<br />
Verbindungen gab. <strong>Die</strong> Taufe sowie<br />
die Wahl der Taufpaten waren wichtige<br />
gesellschaftliche Ereignisse. Bei der<br />
Taufe wurde Wohlstand repräsentiert<br />
und mit der Gewinnung von namhaften<br />
Paten auch ein gesellschaftliches<br />
Signal gesetzt. Dabei zeigt sich, dass<br />
die Ausgrenzung der Soldaten aus der<br />
Gesellschaft nicht so groß war wie von<br />
der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts<br />
behauptet. Nur eine Minderheit<br />
der Soldaten wählte ausschließlich<br />
Kameraden als Taufpaten, die Mehrheit<br />
hatte, unabhängig von ihrem militärischen<br />
Rang, zu allen gesellschaftlichen<br />
Schichten der Stadt Kontakt.<br />
Neben einfachen Arbeitern und Handwerkern<br />
finden sich unter den Paten<br />
auch Kammerherren, Apotheker und<br />
Angehörige des Stadtrates.<br />
Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein<br />
haben Historiker gebetsmühlenartig<br />
das Gegeneinander von Zivil- und<br />
Militärgesellschaft betont. Der Blick<br />
in die Akten gibt jedoch ein anderes,<br />
vielschichtigeres Bild wieder. <strong>Die</strong> vielen<br />
Heiraten von Soldaten in der Stadt<br />
und die häufige Wahl von »zivilen Paten«<br />
zeigen, dass man vielmehr miteinander<br />
gelebt hat. <strong>Die</strong> vielfältigen finanziellen<br />
Belastungen der Städte durch<br />
das Militär waren sicher ein Problem<br />
für die chronisch kränkelnden Stadtkassen,<br />
doch stellen sie nur eine Seite<br />
der Beziehung zwischen Militär und<br />
Gesellschaft dar. <strong>Die</strong> Stadt profitierte<br />
auch von der Anwesenheit der Soldaten.<br />
Mit ihrer Stationierung einher<br />
gingen infrastrukturelle Verbesserungen.<br />
Nicht zu vergessen ist auch die<br />
Rolle der uniformierten Stadtbewohner<br />
als Konsumenten auf der einen<br />
Seite, stellte der Sold doch ein zwar<br />
karges, aber regelmäßiges Einkommen<br />
dar. Andererseits waren die dauerhaft<br />
einquartierten Soldaten Bestandteil<br />
des städtischen Arbeitsmarktes;<br />
sie vermochten so zum wirtschaftlichen<br />
Gedeihen eines Gemeinwesens<br />
beizutragen.<br />
Schließlich war mit der Einquartierung<br />
in Bürgerhäusern noch ein wesentliches<br />
Element verbunden: <strong>Die</strong><br />
Soldaten unterlagen dadurch einer sozialen<br />
Kontrolle, die staatlicherseits<br />
vor allem im Hinblick auf die zum Teil<br />
»gepressten« ausländischen Soldaten<br />
bestanden haben mag.<br />
Literaturtipp:<br />
� Carmen Winkel<br />
Carmen Winkel, Militär und Gesellschaft im<br />
18. Jahrhundert. <strong>Die</strong> <strong>Garnisonstadt</strong> <strong>Rathenow</strong> 1733<br />
bis 1806. In: Jahrbuch für brandenburgische<br />
Landesgeschichte, 57 (2006), S. 84–108<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 1/2007<br />
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