Ronny muss zur Volksarmee« Die Garnisonstadt Rathenow ... - MGFA
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Operation Libelle:<br />
Erst allmählich, gegen politische<br />
und verfassungsrechtliche Bedenken,<br />
hatte sich der seit 1995<br />
laufende Bundeswehreinsatz auf dem<br />
Balkan von der Sanitäts- und Logistikunterstützung<br />
zum unmittelbaren<br />
Stabilisierungsauftrag erweitert. Am<br />
13. März 1997 erwuchs hieraus jedoch<br />
über Nacht ein Auftrag von rein nationaler<br />
Dimension: Es galt deutsche<br />
Staatsbürger zu evakuieren. Der Grund<br />
war der Zusammenbruch der öffentlichen<br />
Ordnung in Albanien. Tausende<br />
von Albanern waren in spekulativen<br />
Pyramidenspielen um ihre Ersparnisse<br />
gebracht worden, was zum sogenannten<br />
Lotterieaufstand führte. In diesem<br />
Zusammenhang wurde der erste nachkommunistische<br />
Regierungschef Sali<br />
Ram Berisha gestürzt. Waffen- und<br />
Munitionslager von Armee und Polizei<br />
wurden aufgebrochen, so dass sich<br />
Waffen aller Art im Umlauf befanden.<br />
<strong>Die</strong> Unruhen eskalierten, und am 11.<br />
März forderte das Auswärtige Amt die<br />
deutschen Staatsbürger auf, das Land<br />
zu verlassen. Doch schon am Folgetag<br />
wurde deutlich, dass alle geordneten<br />
Ausreisemöglichkeiten ausschieden.<br />
Am Abend des 13. März 1997 traf Bundeskanzler<br />
Helmut Kohl nach Rücksprache<br />
mit den Fraktionschefs der<br />
Parteien die Entscheidung <strong>zur</strong> Evakuierung<br />
der in Tirana Festsitzenden.<br />
Militärgeschichte im Bild<br />
<strong>Die</strong> Evakuierung deutscher Staatsangehöriger aus Albanien am 14. März 1997<br />
Am 14. März 1997 erfolgte mit der »Operation Libelle« der erste »Kampf einsatz« der Bundeswehr seit 1945. Seit<br />
Januar 1997 befand sich ein Kontingent deutscher Soldaten als Teil der internationalen Truppen der SFOR (Stabilization<br />
Force) in Railovac (Kroatien).<br />
Für das Zusammenstellen<br />
von Personal und Material<br />
sowie für die logistischen<br />
Vorbereitungen verblieb im<br />
deutschen Feldlager Railovac<br />
lediglich die Nacht. Am<br />
Morgen des 14. März um 7:30<br />
Uhr starteten sechs mittlere<br />
Transporthubschrauber CH<br />
53 nach Dubrovnik. <strong>Die</strong> 89<br />
deutschen Soldaten bestanden aus<br />
einer Führungsgruppe, einem Sicherungszug,<br />
technischem Unterstützungspersonal<br />
und einem Dutzend<br />
Sanitätsoffizieren und -unteroffizieren.<br />
Kommandoführer war der damalige<br />
Oberst und Chef des Stabes<br />
beim deutschen Kontingent, Henning<br />
Glawatz. Von Dubrovnik flogen die<br />
deut schen Maschinen weiter nach<br />
Podgorica in Montenegro. Dort war angesichts<br />
der politischen Situation eine<br />
Unterstützung für deutsche Soldaten<br />
keineswegs mit Selbstverständlichkeit<br />
zu erwarten. Hier wurde das Auftanken<br />
erheblich durch das mitgeführte<br />
Bargeld beschleunigt; es verlief freilich<br />
nicht ohne technische Schwierigkeiten.<br />
Gegen drei Uhr nachmittags flogen<br />
die Hubschrauber nach Tirana weiter.<br />
Noch während dieses Fluges war die<br />
Entscheidung zu treffen, die Operation<br />
fortzuführen oder abzubrechen; denn<br />
zwischenzeitlich trafen Berichte ein,<br />
dass US-Flugzeuge beschossen wurden<br />
und diese ihre Evakuierungsoperationen<br />
abbrachen. In der Tat wurde<br />
der Hubschrauber der deutschen Führungsgruppe<br />
beim steilen Landeanflug<br />
durch ein Panzerfaustgeschoss<br />
getroffen, er blieb jedoch intakt. Da<br />
der geplante Landeplatz bei der US-<br />
Botschaft aufgrund der Lageentwicklung<br />
nicht mehr anzufliegen war, hatte<br />
AP<br />
� Bundeswehrsoldaten auf dem Militärflugplatz in Tirana,<br />
14. März 1997.<br />
kurz vor dem Abflug ein albanischer<br />
Militärflugplatz als Aufnahmepunkt<br />
der zu Evakuierenden gewählt werden<br />
müssen. Hier landeten ab 15:40 Uhr<br />
fünf CH 53, während der Großraumsanitätshubschrauber<br />
für Eventualitäten<br />
in der Luft blieb.<br />
Das Verlassen der Maschinen wurde<br />
begleitet von Gewehrfeuer irregulärer<br />
Kräfte. Entsprechend griffen die luftgelandeten<br />
Sicherungssoldaten zu gezieltem<br />
Gegenfeuer, wobei zwei ge panzerte<br />
Radfahrzeuge, die sich feuernd<br />
und in schneller Zufahrt näherten, getroffen<br />
und zum Abdrehen gezwungen<br />
wurden. In der folgenden halben<br />
Stunde wurden die zu evakuierenden<br />
Personen in die Hubschrauber aufgenommen.<br />
Allerdings <strong>muss</strong>ten diese<br />
zuerst von 300 bis 400 Albanern<br />
getrennt werden, die ebenfalls die<br />
Stadt verlassen wollten. Um 16:09 Uhr<br />
verließ der letzte Hubschrauber Tirana<br />
mit dem Zwischenziel Podgorica.<br />
Insgesamt wurden 98 Evakuierte aus<br />
22 Nationen aus Tirana evakuiert, darunter<br />
21 Deutsche. Sie verließen gegen<br />
sechs Uhr abends in drei deutschen<br />
Transall-Maschinen Montenegro in<br />
Richtung Köln/Bonn. Einige Albaner,<br />
denen es gelungen war, ebenfalls in<br />
die Hubschrauber zu gelangen, wurden<br />
von Podgorica aus wieder auf<br />
dem Landweg <strong>zur</strong>ückgeschickt.<br />
<strong>Die</strong> Soldaten des Einsatzkommandos<br />
kehrten nach Railovac <strong>zur</strong>ück, wo<br />
sie der SFOR wieder rückunterstellt<br />
wurden. Somit war die Operation binnen<br />
20 Stunden abgeschlossen. <strong>Die</strong><br />
Bild-Zeitung jubelte auf der Titelseite<br />
von »Helden« – eine Wahrnehmung,<br />
die einige Jahre zuvor wenig wahrscheinlich<br />
gewesen wäre.<br />
Martin Rink<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 1/2007<br />
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