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Ausgabe 05/2012 - Landesärztekammer Brandenburg

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KammerInformatIonen/GesundheItspolItIK<br />

ZwIschenbIlanZ VersorGunGsstruKturGesetZ<br />

reform, weiterentwicklung oder notlösung?<br />

„Verlassen Sie sich nicht auf die<br />

Instrumente, sondern auf die Ideen,<br />

die Sie damit verwirklichen<br />

können“, gab Annette Widmann-<br />

Maunz den Teilnehmern des 7.<br />

Kongresses für Gesundheitsnetzwerker<br />

mit auf den Weg. Mit den<br />

Instrumenten meinte die Staatssekretärin<br />

die Paragrafen des Versorgungsstrukturgesetzes<br />

(VStG),<br />

das Anfang <strong>2012</strong> in Kraft getreten<br />

ist. Politik und Selbstverwaltung<br />

ringen nun darum, die gesetzlichen<br />

Vorgaben mit Leben (und<br />

den eigenen Ideen) zu füllen und<br />

damit die Weichen für die medizinische<br />

Versorgung neu zu stellen.<br />

Der Kongress an der Berliner Charité<br />

bot Gelegenheit für eine Zwischenbilanz.<br />

Schon die Frage, ob das Gesetz eine<br />

Reform, eine Weiterentwicklung oder<br />

doch nur eine Notlösung darstellt, ist<br />

unter Gesundheitsexperten umstritten.<br />

Der DAK-Vorstandsvorsitzende Prof.<br />

Dr. Herbert Rebscher sieht im VStG lediglich<br />

die dringend notwendige Korrektur<br />

einer verfehlten Politik: „Das<br />

Versorgungsstrukturgesetz ist eine Reform<br />

der Reform. Vor vier Jahren fand<br />

eine dramatische Zentralisierung statt,<br />

die jetzt wieder zurückgenommen<br />

wird“, findet er und bedauert, dass<br />

mit diesem Hin und Her viel Zeit verschwendet<br />

wurde. Immerhin stehe nun<br />

aber ein Instrumentenkasten für pragmatische<br />

Lösungen bereit, der keine<br />

Ausreden zulässt: „Wenn man etwas<br />

will, kann man es tun.“<br />

Als reine Fehlerbeseitigung will Ministerialdirektor<br />

Dr. Ulrich Orlowski vom<br />

Bundesgesundheitsministerium sich<br />

das Gesetz nicht kleinreden lassen. Er<br />

spricht von einer Weiterentwicklung,<br />

mit der der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum<br />

ausgeschöpft habe.<br />

Jetzt sei es Aufgabe der Krankenkassen,<br />

gemeinsam mit den Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen die gesetzlichen<br />

Freiräume mit Leben zu füllen – zum<br />

Beispiel mit regionalen Initiativen für<br />

die wohnortnahe, bedarfsgerechte<br />

Versorgung. Nach Ansicht des Referatsleiters<br />

Bedarfsplanung der KBV, Dr.<br />

Bernhard Gibis, wird die Tragweite des<br />

Gesetzes unterschätzt, weil es „ohne<br />

großes Brimborium“ eingeführt wurde.<br />

Dabei sei es von der neuen Bedarfsplanung<br />

bis zur Abschaffung des Erprobungsverbotes<br />

voller pragmatischer<br />

Lösungen.<br />

Störfaktor Patient?<br />

Doch es gibt auch kritischere Stimmen.<br />

Peter Bechtel, der Vorsitzende des<br />

Bundesverbandes Pflegemanagement,<br />

fordert neue Antworten auf Fragen der<br />

Aufgabenteilung, der Ressourcenallokation<br />

oder der Substitution von Leistungen.<br />

„Die normative Kraft des Faktischen<br />

wird uns bald einholen“, warnt<br />

er. Es drohe nicht nur ein Ärztemangel,<br />

auch professionelle Pflegekräfte würden<br />

mittlerweile händeringend gesucht<br />

– nicht zuletzt, weil zum Beispiel<br />

viele Demenzkranke nicht in erster Linie<br />

medizinische Leistungen benötigen,<br />

sondern menschliche Zuwendung und<br />

einen Pfleger, der sie im Alltag unterstützt.<br />

Ohne eine konsequente Orientierung<br />

an den Bedürfnissen des Patienten<br />

stehe dieser letztendlich immer<br />

irgendjemandem im Weg.<br />

Noch mehr Wasser in den Wein gießt<br />

Dr. Markus Müschenich. Sein Brainpool<br />

ConcetHealth sucht den Weg<br />

„vom guten, alten Gesundheitssystem<br />

Bismarckscher Prägung hin zum<br />

Gesundheitssystem der Zukunft“,<br />

wie Müschenich auf seiner Webseite<br />

schreibt. Das Festhalten an der Trennung<br />

zwischen ambulanter, stationärer<br />

und rehabilitativer Versorgung hält er<br />

für eine Sackgasse. Die Zukunft gehöre<br />

„hochvernetzten Strukturen“ und einer<br />

neuen Definition von Gesundheit, die<br />

das bisherige Solidarsystem in Frage<br />

stelle. „Es wird immer behauptet, das<br />

Gesundheitssystem sei kein Markt. Es<br />

werden aber Marktwerkzeuge eingesetzt,<br />

um es zu steuern. Wir zwingen<br />

den Patienten dazu, zum Kunden zu<br />

werden. Die Sorge des Patienten wird<br />

dadurch provoziert. Das ist ein grundlegendes<br />

Systemproblem, auf das eine<br />

Antwort gefunden werden muss“,<br />

findet Dr. Müschenich. Bei so viel Reformeifer<br />

überrascht es nicht, dass die<br />

Politik mit dem VStG nach seiner Ansicht<br />

viel zu kurz gesprungen ist. Es<br />

lese sich wie das Pflichtenheft für ein<br />

Softwareupdate, das die größten Sicherheitslücken<br />

stopfen soll. „Wenn<br />

die Wirtschaft wie unser Gesundheitssystem<br />

organisiert wäre, dann hätten<br />

wir keine Smartphones, sondern mindestens<br />

sechs unterschiedliche Geräte<br />

in der Tasche“, kritisiert er. Wenn<br />

die Gesundheitspolitik nicht selbst für<br />

mehr Integration sorge, dann würden<br />

andere das für sie übernehmen. Eine<br />

elektronische Gesundheitskarte von<br />

Facebook? Dr. Müschenich ist sich sicher,<br />

dass solche Pläne dort schon in<br />

der Schublade liegen.<br />

<strong>Brandenburg</strong>isches Ärzteblatt 5•<strong>2012</strong> | 5<br />

v. l. n. r.: Dr. U. Orlowski,<br />

Dr. S. Etgeton,<br />

Prof. Dr. H. Rebscher,<br />

Dr. M. Müschenich<br />

Foto: Mark Berger

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