Ypsilon (02/2023) - Gemeinsam stark - Demokratie Leben
Gemeinsam stark - Demokratie Leben
Gemeinsam stark - Demokratie Leben
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Eine Frage, die im Blick auf Verantwortung für die <strong>Demokratie</strong><br />
immer wieder gestellt wird: Sind zu einer demokratischen Wahl<br />
Kandidaten bzw. Parteien zuzulassen, die für eine Abschaffung<br />
der <strong>Demokratie</strong> eintreten? Verfassungstheoretiker sind sich in<br />
der Frage uneins, mehrheitlich sehen sie jedoch, dass es zum<br />
Schutz der <strong>Demokratie</strong> und ihrer Werte legitim ist, in diesem<br />
Fall die demokratischen Freiheiten einzuschränken.<br />
Anteil der Weltbevölkerung<br />
in politischen Systemen 2<strong>02</strong>0<br />
Quelle: Göteborger „V-Dem“-Institut<br />
18%<br />
elektorale<br />
<strong>Demokratie</strong>n<br />
14%<br />
liberale<br />
<strong>Demokratie</strong>n<br />
geschlossene<br />
Autokratien<br />
43%<br />
elektorale<br />
Autokratien<br />
25%<br />
GOTT BEWEGT<br />
<strong>Demokratie</strong> lebt<br />
durch unser Tun<br />
<strong>Demokratie</strong> klebt am Asphalt in der Kälte des<br />
Winters. Ich denke über <strong>Demokratie</strong> nach,<br />
während ich schützend hinter den Aktivistinnen<br />
und Aktivisten der Letzten Generation stehe, die<br />
eine der frequentiertesten Straßen Innsbrucks<br />
blockieren. Gehässige und empörte Rufe kommen<br />
aus den Autos. Die Angeklebten sind überzeugt:<br />
Auf repräsentativ politischer Ebene wird zu wenig<br />
getan, um die Klimaziele zu erreichen. Für mich<br />
wird dabei spürbar, was „<strong>Demokratie</strong>“ auch ist:<br />
politisches Engagement, das sich speist aus<br />
eigenem Gewissen und wissenschaftlich fundierten<br />
Daten, aus einer Bereitschaft, sich ein- und<br />
auszusetzen für eine lebenswerte Zukunft für<br />
alle Menschen und dafür auch eigene Nachteile<br />
in Kauf nimmt.<br />
Ich denke über <strong>Demokratie</strong> nach, während ich unter<br />
den 1.500 Menschen bin, die am Weltklima-Streiktag<br />
von Fridays for Future durch Innsbruck ziehen,<br />
über Basisdemokratie einerseits und repräsentative<br />
<strong>Demokratie</strong> andererseits. Es sind zwei Kräfte,<br />
die sich wechselseitig stärken könnten. Demonstrationen,<br />
Petitionen und Aktionen des zivilen<br />
Ungehorsams sind demokratische Manifestationen.<br />
Menschen, die Verantwortung übernehmen,<br />
schieben sie nicht auf „die Politik“ ab. <strong>Demokratie</strong><br />
leben, heißt für jede Bürgerin und jeden Bürger so<br />
leben, wie es dem eigenen Gewissen entspricht, auch<br />
wenn dazu die nötigen Gesetze noch fehlen, etwa<br />
zu Tempobeschränkungen oder beim Tierschutz.<br />
Foto: Privat<br />
REGIMES OF THE WORLD<br />
Eine Möglichkeit, Regierungsformen weltweit zu kategorisieren, ist<br />
das Schema „Regimes of the World (RoW)“. Es teilt Regierungen auf<br />
der ganzen Welt in vier Kategorien ein, in zwei Formen der Autokratie<br />
und zwei Formen der <strong>Demokratie</strong>. In „geschlossenen Autokratien“<br />
übt ein Einzelner oder eine Gruppe unkontrolliert Macht aus,<br />
eine Diktatur also. Eine „elektorale Autokratie“ weist teilweise<br />
demokratische Elemente auf, etwa Wahlen, diese sind aber in der<br />
Realität weder frei noch fair. In „elektoralen <strong>Demokratie</strong>n“ sind<br />
Wahlen zwar frei und fair, aber die Gewaltenteilung ist beispielsweise<br />
nicht vollständig, sodass etwa das Staatsoberhaupt nur einer<br />
schwachen oder gar keiner Kontrolle durch die Judikative oder das<br />
Parlament unterliegt. In der „liberalen <strong>Demokratie</strong>“ sind die<br />
demokratischen Grundideale und Institutionen am effektivsten<br />
realisiert, und zwar in Form eines <strong>stark</strong>en Rechtsstaats mit Gewaltenteilung<br />
und deutlich ausgeprägten Bürgerrechten, die auch<br />
Minderheiten wirkungsvoll zu schützen vermögen.<br />
Bei solchem <strong>Demokratie</strong>denken ist mir der prophetische<br />
Umgang Jesu mit dem Gesetz ganz nahe.<br />
Die Geschichte der „Vertreibung der Händler<br />
aus dem Tempel“ in den Evangelien entspricht in<br />
vielerlei Hinsicht den Aktionen der Letzten Generation.<br />
Man plant gezielt eine Aktion, die aufdeckt, die<br />
auch provozieren kann, die in sich gewaltfrei bleibt,<br />
die sich symbolischer Zeichenhandlungen bedient,<br />
die aufzeigt, wie eine andere Welt sein könnte.<br />
Dr. theol. Klaus Heidegger<br />
Vorsitzender der Kath. Aktion<br />
der Diözese Innsbruck und<br />
Mitglied im Präsidium der KMB