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Denkmalpflegepreis 2023

Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag

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«Wir haben die Arbeit mit dem Modell<br />

sehr schätzen gelernt.» Andrea und Peter<br />

Rikli, Bauherrschaft.<br />

Modellansicht<br />

A Neubau<br />

B Nebengebäude mit Garageneinfahrt<br />

C Früheres Wohnhaus der Familie Rikli,<br />

ursprünglich mit Brennerei, 1830<br />

D Gartenhaus, um 1900<br />

E Arbeiter-Wohnhaus mit Versammlungslokal,<br />

um 1870<br />

F Arbeiter-Wohnhaus «Untere Rotfarb», 1834<br />

G Altes Färbereigebäude «Rotfarb», 1817<br />

N<br />

Fabrikweg<br />

0 5<br />

F<br />

Schulhausstrasse<br />

Teamarbeit am<br />

Ortsbild<br />

Bei der Eingliederung von Neubauten in<br />

historische Ensembles ermöglichen<br />

qualitätssichernde Verfahren die Auswahl der<br />

optimalen Lösung aus verschiedenen Varianten.<br />

Text: Elisabeth Schneeberger, Denkmalpflege des Kantons Bern<br />

G<br />

E<br />

A<br />

Mülibach<br />

A<br />

D<br />

Rotfarbgasse<br />

B<br />

C<br />

Vorstadt<br />

E<br />

in Neubau im historischen Ensemble<br />

muss verschiedensten Ansprüchen<br />

gerecht werden. Die Gestaltung auf<br />

den Bestand abzustimmen, stellt oft<br />

eine besondere Herausforderung dar. Mit dem<br />

Streben nach innerer Verdichtung ist die Ortsbildpflege<br />

ein bedeutender Teil der denkmalpflegerischen<br />

Arbeit geworden. In der Praxis<br />

bewähren sich qualitätssichernde Verfahren,<br />

in denen Vertretungen aller involvierten<br />

Bereiche mit unabhängigen Expertinnen und<br />

Experten zusammenarbeiten. Meist entwickeln<br />

mehrere Teams im Rahmen eines Wettbewerbs<br />

oder eines Studienauftrags eine Lösung.<br />

Die verschiedenen Varianten werden<br />

von unab hängigen Fachpersonen beurteilt.<br />

Das Städtchen Wangen an der Aare ist<br />

im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder<br />

der Schweiz von nationaler Bedeutung<br />

(ISOS) verzeichnet. Entsprechend hoch waren<br />

die gestalterischen Anforderungen an den<br />

Neubau an der Rotfarbgasse.<br />

Workshopverfahren<br />

Für die Erarbeitung des Projekts wählte man<br />

eine Minimalvariante des qualitätssichernden<br />

Verfahrens: In mehreren Workshops wurde<br />

das Projekt von der Bauherrschaft, die gleichzeitig<br />

als Planerin agierte, gemeinsam mit<br />

einer Begleitgruppe entwickelt. Diese setzte<br />

sich aus Vertretungen der Gemeinde und der<br />

Denkmalpflege sowie zwei unabhängigen Architekten<br />

als Fachexperten zusammen. In<br />

einzelnen Schritten wurden das Volumen,<br />

die Positionierung und der architektonische<br />

Ausdruck des Neubaus im Team diskutiert<br />

und festgelegt. Andrea und Peter Rikli schätzten<br />

als Planer das Vertrauen, das ihnen die<br />

Begleitgruppe entgegenbrachte: «Nachdem<br />

die grundlegenden Fragen geklärt waren, arbeiteten<br />

wir jeweils selbstständig weiter.»<br />

Das Entwickeln im Dialog habe alle ausserordentlich<br />

motiviert, berichten die Fachexperten<br />

Lorenz Frauchiger und Pius Flury:<br />

«Das Workshopverfahren war erfolgreich, weil<br />

die Bauherrschaft sehr offen war.» Vonseiten<br />

Denkmalpflege waren Adrian Stäheli und<br />

David Spring für das Projekt in Wangen zuständig.<br />

Sie sind überzeugt, dass es sich lohnt,<br />

alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen.<br />

«Der Prozess eines qualitätssichernden Verfahrens<br />

ist intensiv und funktioniert nur, wenn<br />

sich alle wirklich auf den Prozess einlassen»,<br />

so Stäheli. Aber gemeinsam komme man zu<br />

sehr guten Resultaten. Die Teilnehmenden des<br />

Workshopverfahrens sind überzeugt, dass das<br />

Ergebnis – ein bereits bewilligungsfähiges und<br />

von allen Beteiligten unterstütztes Projekt –<br />

den Aufwand längstens wettmacht. «Durch<br />

das qualitätssichernde Verfahren ist man im<br />

nachfolgenden Baubewilligungsverfahren bereits<br />

einen Schritt weiter. Es gibt kein Hin und<br />

Her mehr», erläutert Andreas Fankhauser,<br />

Präsident der Wangener Baukommission.<br />

Färben mit<br />

Türkischrot<br />

1820 führte Abraham Friedrich Rikli das Färben mit<br />

Türkischrot ein. Der Betrieb florierte im 19. Jahrhundert,<br />

am Mülibach entstand ein kleines Fabrikareal.<br />

Text: Richard Buser<br />

Das «Rotfarbareal» im 19. Jahrhundert.<br />

Rechts dominiert<br />

das Färbereigebäude von 1817.<br />

Lavierte Federzeichnung von<br />

Karl Ludwig Hebler, 1847.<br />

Quelle: Privatbesitz<br />

Die meisten Fabrikgebäude<br />

und die hohen Kamine<br />

wurden 1902 abgebrochen.<br />

Quelle: Privatbesitz<br />

W<br />

o heute grün gebaut wird, wurde früher rot gefärbt. Der Name «Rotfarb»<br />

erinnert an die hier von der Familie Rikli im 19. Jahrhundert betriebene Textil-<br />

Färberei. Die Firma beschäftigte bis zu hundert Arbeiterinnen und Arbeiter.<br />

Das begehrte Türkischrot wurde aus der Krappwurzel (Rubia tinctorum) in<br />

einem auf wendigen Verfahren gewonnen. Es vermochte sich gegenüber den im späten<br />

19. Jahrhundert aufgekommenen chemisch erzeugten Anilin-Farben nicht zu behaupten.<br />

1897 stellte man den Betrieb ein und die meisten Fabrikgebäude wurden in der Folge<br />

abgebrochen. Geblieben sind das alte Färbereigebäude von 1817, die «Rotfarb» mit ihren<br />

mächtigen Ründe-Giebeln, sowie verschiedene Wohnhäuser. Das Ensemble prägt bis<br />

heute die Gasse und dokumentiert eindrücklich die Geschichte des frühindustriellen<br />

Gewerbebetriebs. Die «Rotfarb» wurde vor gut 15 Jahren von Peter Rikli umgebaut und<br />

fachgerecht renoviert. Hier wurde 1823 übrigens Arnold Rikli geboren, der nach anfänglicher<br />

Mitarbeit im Betrieb nach Österreich-Ungarn auswanderte und dort mit Licht-<br />

Luft-Kuren die lebensreformerische Naturheilkunde vorantrieb.<br />

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